Freut euch und jubelt - Franziskus (Papst) - E-Book

Freut euch und jubelt E-Book

Franziskus (Papst)

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Beschreibung

Franziskus fordert gerne einmal "Gesichter von freudigen Menschen", der Papst hält Freude für ein zentrales Element im Leben. Das hat er in seinen Werken, Ansprachen und Predigten immer wieder klargemacht. In seinem Lehrschreiben "Freut euch und jubelt" formuliert er neue Gedanken dazu und verbindet sie auf originelle Weise mit dem Begriff der "Heiligkeit". Heiligkeit als etwas, zu dem jeder von uns berufen ist, zu einem erfüllten und gelingenden Leben. Franziskus spricht über unseren konkreten Alltag, über die Herausforderungen und Sorgen, aber eben auch eine Freude, die das Leben durchzieht und trägt. Die Gedanken des Papstes sind ein kostbarer Schlüssel zum Evangelium, das als Botschaft nicht nur froh, sondern auch Freude macht, und das Franziskus uns so neu aufschließt. Sein persönliches Lob der "Mittelschicht der Heiligkeit", eine päpstliche Ode an die Freude und ein inspirierendes Werk für alle - Christen und Nichtchristen.

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Für den Text des Apostolischen Schreibens:© Libreria Editrice Vaticana 2018

Für diese Ausgabe: © Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2018

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Chris Langohr Design, Freiburg

Covermotiv: © Paul Haring-CNS photo-KNA – 161107-93-000043

E-Book-Konvertierung: post scriptum, Vogtsburg-Burkheim

ISBN Print 978-3-451-38412-7

ISBN E-Book 978-3-451-81476-1

INHALT

Eine Anleitung zum GlücklichseinEinführung von Stefan von Kempis

Vorbemerkungen von Papst Franziskus

ERSTES KAPITELDER RUF ZUR HEILIGKEIT

Die Heiligen, die uns ermutigen und begleiten

Die Heiligen von nebenan

Der Herr ruft

Auch für dich

Deine Sendung in Christus

Heiligmachendes Tun

Lebendiger, menschlicher

ZWEITES KAPITELZWEI SUBTILE FEINDE DER HEILIGKEIT

Der gegenwärtige Gnostizimus

Ein Geist ohne Gott und ohne Fleisch

Eine Lehre ohne Geheimnis

Die Grenzen der Vernunft

Der gegenwärtige Pelagianismus

Ein Wille ohne Demut

Eine oftmals vergessene Lehre der Kirche

Die Neopelagianer

Die Zusammenfassung des Gesetzes

DRITTES KAPITELIM LICHT DES MEISTERS

Gegen den Strom

»Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.«

»Selig die Sanftmütigen; denn sie werden das Land erben.«

»Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.«

»Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden.«

»Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.«

»Selig, die rein sind im Herzen; denn sie werden Gott schauen.«

»Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.«

»Selig, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen; denn ihnen gehört das Himmelreich.«

Der große Maßstab

Aus Treue zum Meister

Die Ideologien, die den Kern des Evangeliums entstellen

Der Gottesdienst, der Gott mehr gefällt

VIERTES KAPITELEINIGE MERKMALE DER HEILIGKEIT IN DER WELT VON HEUTE

Durchhaltevermögen, Geduld und Sanftmut

Freude und Sinn für Humor

Wagemut und Eifer

In Gemeinschaft

In beständigem Gebet

FÜNFTES KAPITELKAMPF, WACHSAMKEIT UND UNTERSCHEIDUNG

Der Kampf und die Wachsamkeit

Mehr als ein Mythos

Wach und vertrauensvoll

Die geistliche Korruption

Die Unterscheidung

Eine dringende Notwendigkeit

Immer im Licht des Herrn

Eine übernatürliche Gabe

Rede, Herr

Die Logik des Geschenks und des Kreuzes

Anmerkungen

Eine Anleitung zum Glücklichsein

Ein Büchlein über die Heiligkeit – wirklich? Das Wort »Wunder« kommt hier nur einmal vor, eher marginal, und dasselbe gilt für das Wort »Heiligsprechung«. Stattdessen geben in dem neuen Lehrschreiben andere Begriffe den Ton an: »Humor« zum Beispiel viermal; oder, immer wieder, das Wort »Freude«, insgesamt ganze dreißigmal.

Papst Franziskus setzt uns damit auf eine Fährte. Denn Freude spielt in allen großen, eigenen Lehrschreiben, die er in den bisher fünf Jahren seines Pontifikats verfasst hat, die entscheidende Rolle: Freude des Evangeliums (2013), Laudato si’, »Gelobt seist du« (2015), Die Freude der Liebe (2017).

Und jetzt also Gaudete et exsultate, Freut euch und jubelt. Natürlich geht es hier um Heiligkeit – aber auf eine ungewohnte Weise, auf eine Franziskus-like Weise. Denn diese Heiligkeit hat viel mit Freude zu tun.

»Freut euch und jubelt« ist ein Jesus-Zitat, es steht am Ende der biblischen Seligpreisungen, und Franziskus setzt es ein, um von vornherein zu klären, was Heiligkeit aus seiner Sicht ist: Freude eben, »wahres Leben«. Oder noch einmal anders gesagt: »Glück« (Nr. 1).

Wer will, kann sich hier an das pursuit of happiness erinnert fühlen, das die US-Unabhängigkeitserklärung einst zum Menschenrecht erklärte. Jedenfalls geht es dem ersten amerikanischen Papst der Geschichte tatsächlich um eine »Demokratisierung des Heiligkeitsbegriffs« (Jan-Heiner Tück); »glücklich« erklärt Franziskus mit Blick auf die Seligpreisungen ohne Umschweife »zum Synonym für ›heilig‹« (Nr. 64). Damit dreht sich sein Schreiben nicht um etwas Entrücktes, das nur einige wenige anginge, sondern um das, was wir alle wollen und suchen: das Glück.

Das bedeutet: Franziskus, der geniale Vereinfacher auf dem Stuhl des Petrus, hat einen Glücksratgeber geschrieben. Nicht einfach einen weiteren für das Bücherregal »Ratgeber / Wellness / Esoterik«, sondern ein »Handbüchlein, wie es immer wieder geistliche Lehrer verfasst haben« (Kardinal Christoph Schönborn OP). Auf einige dieser Vorbilder (Bernhard von Clairvaux, Ignatius, Franz von Sales, den russischen Pilger) bezieht sich der Papst ausdrücklich. Sein Text liest sich deshalb an vielen Stellen wie eine Aktualisierung der spätmittelalterlichen »Nachfolge Christi«, eine Imitatio 2.0.

»Auch für dich«

Mit den Handbüchlein des geistlichen Lebens aus zwei Jahrtausenden der Kirchengeschichte hat Franziskus’ Glücksratgeber vor allem die direkte Apostrophe gemeinsam: Er duzt seine Leser. »Auch für dich« heißt eine Zwischenüberschrift, sie markiert den Punkt, an dem der Autor sich auf einmal direkt an seinen Leser wendet. Bis hierhin verwendet er mmer wieder »man« und »wir«. Jetzt auf einmal heißt es: du. Das stellt Augenhöhe her zwischen uns und dem Heiligen Vater aus Rom. »Sei heilig, indem du deine Hingabe freudig lebst … Sei heilig, indem du deinen Mann oder deine Frau liebst und umsorgst … Sei heilig, indem du den Kindern geduldig beibringst, Jesus zu folgen.« (Nr. 14)

Franziskus spricht »nicht über etwas, sondern zu jemandem« (Bernd Hagenkord SJ): zu dir und zu mir. Er »ändert die Allerheiligenlitanei«, wie eine Nachrichtenagentur nach der Veröffentlichung von Gaudete et exsultate formulierte, um mich und dich darin einzutragen. Doch das ist keine Masche, keine captatio benevolentiae, sondern dahinter steckt eine tiefe theologische Überzeugung: »Der Heilige Geist verströmt Heiligkeit überall, in das ganze heilige gläubige Gottesvolk hinein« (Nr. 6).

Das heißt zunächst einmal, dass jeder heilig-glücklich werden kann und zur Heiligkeit, zum Glück berufen ist. Es bedeutet aber noch mehr: Heiligkeit als christliche Höchstform von Glück ist keine Leistung Einzelner, sondern eine gemeinschaftliche Sache. Eine Sache des ganzen Gottesvolkes, und damit ist nicht nur die katholische Kirche gemeint, sondern ausdrücklich alle Christen (Nr. 9). Auch Orthodoxe, Anglikaner und Protestanten – sie werden dezidiert genannt – partizipieren an dieser flächendeckenden, alles durchdringenden Heiligkeit.

Hier zeigt sich die perspektivische Weite dieses Papstschreibens – eine Weite, die auch im häufigen Bezug auf Äußerungen von Bischofskonferenzen aus aller Welt, aus Kanada zum Beispiel oder aus Indien, deutlich wird.

Wenn der Papst über die »Heiligen von nebenan«, so ein weiterer Zwischentitel, räsoniert und »Hab keine Angst vor der Heiligkeit« (Nr. 32) fordert, geht es ihm allerdings nicht um eine Banalität des Guten. Wir sind nicht alle irgendwie und nahezu automatisch heilig, wenn wir uns nur einigermaßen benehmen – im Gegenteil, gutes Benehmen ist für Franziskus geradezu das Gegenteil von Heiligkeit. Der Weg zum Glück des Glaubenden, den der Papst aus Argentinien skizziert, ist anspruchsvoll und steinig. Das macht das zweite Kapitel deutlich, das unvermittelt vor »subtilen Feinden« warnt, vor den elitären Vorstellungen von Heiligkeit nämlich.

Gegen elitäre Absonderung vom Kirchenvolk

Mit scharfen Worten macht derselbe Franziskus, der eben noch so werbend für ein inklusives Gottesvolk eintrat, hier Front gegen alle, die glauben, durch Wissen oder Willenskraft perfekt werden zu können, die sich also auf dem Weg des Christlichen für etwas Besseres halten und sich vom »gemeinen« Kirchenvolk absondern. Die Verve des Papstes hat streckenweise sogar fast etwas Verstörendes; die Du-Apostrophe fehlt in diesem Kapitel, der Ton erinnert eher an Kirchenlehrer, die in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung gegen Häretiker polemisierten.

Es ist nicht der einzige stilistische Umschwung in diesem Apostolischen Schreiben. Gerade hier aber wird deutlich, wie hoch Franziskus’ Anleitung zum Glücklichsein zielt. Dass es eine Art »Mittelschicht der Heiligen« (Nr. 7) gibt, hat in seinen Augen nichts mit Mittelmäßigkeit zu tun, Heiligkeit zu demokratisieren, bedeutet keine Senkung des Niveaus.

Dabei birgt ausgerechnet dieses zweite Kapitel auch ein ökumenisches Kleinod: »Die Kirche hat wiederholt gelehrt, dass wir nicht durch unsere Werke oder unsere Anstrengungen gerechtfertigt werden, sondern durch die Gnade des Herrn, der die Initiative ergreift« (Nr. 52), führt der Papst in einiger Breite aus.

In diesem Zusammenhang fällt zwar nicht der Name Martin Luthers (schade eigentlich!), aber das »sola gratia« des Reformators klingt doch deutlich an, zumal sich Franziskus bei der Erläuterung dieser laut Zwischenüberschrift »oftmals vergessene(n) Lehre der Kirche« zur Rechtfertigung des sündigen Menschen vor Gott ausdrücklich, wie einst der Wittenberger, auf den heiligen Augustinus beruft. Hier zeigt sich, wie recht der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat, wenn er hinter Franziskus’ häufigem Insistieren auf der göttlichen Barmherzigkeit eine Aktualisierung des »wesentliche(n) Kern(s) der Rechtfertigungslehre« ausmacht, die vor 500 Jahren zum Urknall der Reformation geführt hat (Interview von Jacques Servais SJ mit Benedikt XVI., veröffentlicht am 18. März 2016 von Radio Vatikan).

Das dritte Kapitel findet zum positiven Grundton und auch zum Du des ersten Kapitels zurück. Der Papst dekliniert nun an den Seligpreisungen Jesu (»Es sind wenige, einfache Worte, aber praktisch und für alle gültig«, Nr. 109) durch, was Glück, was Seligsein, was Heiligkeit im Licht des Evangeliums bedeutet. Scharfe Formulierungen fehlen hier fast gänzlich. Dieses Kapitel will eher meditiert als analysiert werden.

»Ohne Ausflüchte und Ausreden«

Kennzeichnend für Franziskus ist, dass er die Seligpreisungen ungeachtet exegetischer Spitzfindigkeiten mit der Gerichtsrede von Matthäus 25 (»Was ihr für einen dieser Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan«) kurzschließt. In der Kombination dieser zwei Texte sieht er die ganze biblische Botschaft in nuce. »Mit diesen beiden Dingen habt ihr den Aktionsplan: die Seligpreisungen und Matthäus 25«, sagte er am 25. Juli 2013, nach nur vier Monaten Amtszeit, zu Jugendlichen in Rio. Und er fügte hinzu: »Ihr braucht nichts anderes mehr zu lesen.« Mit vergleichbarer Dringlichkeit ruft er auch in Gaudete et exsultate dazu auf, diese Worte Jesu »ohne Kommentar, ohne Ausflüchte und Ausreden« anzunehmen und in die Tat umzusetzen (Nr. 97).

Auf diesen Sprung vom Wort zur Tat kommt es dem Papst an. Keine Lehre will er ausfalten, keine dogmatischen Leitplanken in den Boden rammen: »Das Christentum ist … vor allem dazu gemacht, gelebt zu werden«, drängt er, und alles Nachdenken und Debattieren darüber hat nach seinem Dafürhalten »nur Wert, wenn es hilft, das Evangelium im Alltag zu leben« (Nr. 109). Das ist »Lehramt für den kleinen Mann« (Kilian Martin), mit einem ständigen Drall ins Konkrete.

Und gerade hier, wo es um das aus seiner Sicht Eigentliche des Christentums geht, formuliert der Franziskus überraschend poetisch: »Wenn ich einem Menschen begegne, der in einer kalten Nacht unter freiem Himmel schläft, kann ich fühlen, dass dieser arme Wicht … ein Störenfried auf meinem Weg (ist), ein lästiger Stachel für mein Gewissen, ein Problem, das die Politiker lösen müssen … Oder ich kann aus dem Glauben und der Liebe heraus reagieren und in ihm ein menschliches Wesen erkennen, mit gleicher Würde wie ich, ein vom Vater unendlich geliebtes Geschöpf … Das heißt es, Christ zu sein!« (Nr. 98)

Eigentlich könnte das Papstschreiben an dieser Stelle enden – alles Wesentliche scheint gesagt. Doch Franziskus kommt in einem vierten Kapitel noch auf einige innere Einstellungen zu sprechen, die ihm beim Streben nach Glück und Heiligkeit wichtig erscheinen. Dazu gehören Gebet, Gemeinschaft und eben Freude und Sinn für Humor.

In der Schule des heiligen Ignatius von Loyola

Gerade in diesem Kapitel kommt er zu sehr deutlichen, manchmal überraschenden Akzentsetzungen, etwa wenn er der verbalen Gewalt in sozialen Netzwerken eine Absage erteilt (Nr. 115) oder zu liebevoller Aufmerksamkeit für kleine, nebensächlich scheinende Details aufruft, weil ja auch Jesus seine Jünger auf solche Details hingewiesen habe. »Das kleine Detail, dass bei einem Fest der Wein ausging. Das kleine Detail, dass ein Schaf fehlte. Das kleine Detail der Witwe, die zwei kleine Münzen als Opfergabe gab. Das kleine Detail, für die Lampen Öl in Reserve zu haben, falls der Bräutigam sich verspätet.« (Nr. 144) Hier zeigt sich, dass der Jesuitenpapst durch die Schule der »Geistlichen Übungen« des heiligen Ignatius von Loyola gegangen ist und sich gedanklich immer wieder intensiv in die Szenerie der biblischen Geschichten versetzt hat.

Von jesuitischer Spiritualität legt dann vor allem das letzte Kapitel »Kampf, Wachsamkeit und Unterscheidung« Zeugnis ab. Ähnlich abrupt wie beim Einstieg in das zweite Kapitel stellt Franziskus fest: »Das Leben des Christen ist ein ständiger Kampf« (Nr. 158); dann beteuert er ganz in der Tradition des heiligen Ignatius, dass der Teufel »mehr als ein Mythos« (Zwischenüberschrift) ist, nämlich ein reales, personales Wesen (Nr. 160). Das klingt für heutige westeuropäische Christen irritierend und gewöhnungsbedürftig. Doch lässt es vor dem Leser, der Leserin die Frage nach dem Warum des Bösen in der Welt in ihrem ganzen Ernst aufstehen. Auch Franziskus’ Rat zur »Unterscheidung« (Nr. 166) speist sich direkt aus dem Denken des Gründers des Jesuitenordens.

Was der lateinamerikanische Papst (»Seine Heiligkeit« gehört, wie man nach der Lektüre dieses Schreibens vermuten darf, eher nicht zu seinen Lieblingstiteln) mit »Freut euch und jubelt« vorlegt, ist eine kleine, aber mit Herzblut geschriebene Anleitung zum Christsein in der modernen Welt. Sehr dezidierte Äußerungen wie die zum Lebensschutz (Nr. 101) oder zu Migranten (Nr. 102) fordern den Leser, die Leserin unmittelbar heraus.

Dieser Text lässt uns nicht in Ruhe, und er lässt uns nicht kalt. Ein echter Bergoglio: oft eigenwillig, manchmal auch schroff – aber immer nah am Evangelium.

Stefan von Kempis

Vorbemerkungen von Papst Franziskus

1 »Freut euch und jubelt« (Mt 5,12), sagt Jesus denen, die um seinetwillen verfolgt oder gedemütigt werden. Der Herr fordert alles; was er dafür anbietet, ist wahres Leben, das Glück, für das wir geschaffen wurden. Er will, dass wir heilig sind, und erwartet mehr von uns, als dass wir uns mit einer mittelmäßigen, verwässerten, flüchtigen Existenz zufriedengeben. Der Ruf zur Heiligkeit ist nämlich von den ersten Seiten der Bibel an auf verschiedene Weise präsent. So erging die Aufforderung des Herrn an Abraham: »Geh vor mir und sei untadelig!« (Gen 17,1).

2 Es soll hier nicht um eine Abhandlung über die Heiligkeit gehen, mit vielen Definitionen und Unterscheidungen, die dieses wichtige Thema bereichern könnten, oder mit Analysen, die über die Mittel der Heiligung anzustellen wären. Mein bescheidenes Ziel ist es, den Ruf zur Heiligkeit einmal mehr zum Klingen zu bringen und zu versuchen, ihn im gegenwärtigen Kontext mit seinen Risiken, Herausforderungen und Chancen Gestalt annehmen zu lassen. Denn der Herr hat jeden von uns erwählt, damit wir in der Liebe »heilig und untadelig leben vor ihm« (Eph 1,4).

ERSTES KAPITELDER RUF ZUR HEILIGKEIT

Die Heiligen, die uns ermutigen und begleiten

3 Im Hebräerbrief werden verschiedene Zeugen genannt, die uns ermutigen sollen, »mit Ausdauer in dem Wettkampf [zu] laufen, der vor uns liegt« (12,1). Die Rede ist von Abraham, Sara, Mose, Gideon und einigen anderen (vgl. Kapitel 11); vor allem werden wir eingeladen zu erkennen, dass wir »eine solche Wolke von Zeugen um uns haben« (12,1), die uns dazu anspornen, auf unserem Weg nicht stehen zu bleiben, und uns ermutigen, weiter dem Ziel entgegenzugehen. Unter ihnen sind vielleicht unsere eigene Mutter, eine Großmutter oder andere Menschen, die uns nahestehen (vgl. 2 Tim 1,5). Vielleicht war ihr Leben nicht immer perfekt, aber trotz aller Fehler und Schwächen gingen sie weiter voran und gefielen dem Herrn.

4 Die Heiligen, die bereits in der Gegenwart Gottes sind, unterhalten mit uns Bande der Liebe und der Gemeinschaft. Das Buch der Offenbarung des Johannes bezeugt dies, wenn es von den Märtyrern spricht, die für uns eintreten: Ich sah »unter dem Altar die Seelen aller, die hingeschlachtet worden waren wegen des Wortes Gottes und wegen des Zeugnisses, das sie abgelegt hatten. Sie riefen mit lauter Stimme und sagten: Wie lange zögerst du noch, Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, Gericht zu halten?« (6,9–10). Wir können sagen: »Wir sind von den Freunden Gottes umgeben, geleitet und geführt. […] Ich brauche nicht allein zu tragen, was ich wahrhaftig allein nicht tragen könnte. Die Schar der Heiligen Gottes schützt und stützt und trägt mich.«1

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