Fundus - Kurt Scharf - E-Book

Fundus E-Book

Kurt Scharf

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Beschreibung

Auch in diesen Gedichten, dem Leben verpflichtet, lässt das Licht nicht auf sich warten. Türen werden geöffnet, die zu neuen Räumen, neuen Träumen führen. Und eine Märchenstunde wird eingelegt.

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Inhaltsverzeichnis

Fundus

Märchenstunde

Lektüre

Nachschlag

Fundus

Klage

Über manche Tage

fällt mir nichts ein.

Grund:

Ich war allein.

Wo hinter Wäldern

Wälder wandern

(dran fährt der Zug vorbei)

und Bäume Licht

zu andern

Bäumen senden –

sind sie frei.

Mein Schatz,

wir sehen heute

lauter frohe Leute.

Alle sind sie froh.

(Das bleibt

auch morgen so.)

Vollmond soll wohl sein.

Er fällt schon strahlend ein

und liegt auf unserm Dach

und hält uns lange wach.

Später

Alle Stunden

sind verbunden,

sie bekunden

Nacht.

Und wir stippen

unsre Lippen,

und wir kippen

sacht.

Grüne Küsse

sendet uns die Welt,

Farben hat sie noch genug.

Sie schenkt sie her,

für gar kein Geld,

im munterbunten

Frühlingsflug.

Tag im Mai

Die Sonne scheint!

Wer aber meint,

sie schiene nicht –

lebt hinterm Licht.

Ich lebe froh,

von dir geschaut,

und freu mich so

und sage laut

an jedem Tag,

der kommt und geht,

dass ich dich mag

von früh bis spät.

Die übliche Bande...

Dem runden Blesshuhne

folgt hinter der Buhne

die Möwe (am Strande).

Als wir uns der Kälte

stellten,

fällten

wir sie. –

Dauerhaft?

Nie!

Ich habe gut geschlafen;

die Träume die mich trafen,

sie kamen nur von dir

und sind noch jetzt bei mir.

Die Pferdchen warten,

und all die zarten

Gräser auch –

ja, jeden Strauch

sollst du berühren,

und Wärme spüren.

Die Amsel singt am frühen Morgen,

der Sprosser vorm Beginn der Nacht.

In ihren Liedern sind geborgen

der Erde Glanz und Himmels Pracht.

Droben thront

der Mond,

drunten wohnt

die Welt.

Julitag

Noch hat keine Wolke man gefunden.

Lichtumrandet brandet trockner Staub.

Straßenflanken zittern. – Regenstunden?

Himmel stellt (kein Tropfen fällt) sich taub.

Häuser, reihenweise, aufwärts schauen.

Bäume üben stumm Gelassenheit.

Alle wollen hier dem Blau vertrauen. –

Regen kommt. In einer fernen Zeit.

Im Salzmeer

im Sand

am erhabenen Abend,

am Salzmeerstrand

fand

ich heute erneut:

dich.

Damit die Seelen

sich besser ernähren,

ist zu empfehlen,

dass (wenn möglich

tagtäglich)

sie einander

die Liebe erklären.

Wipfel wollen zeigen:

Mond wird wieder steigen.

Träume sich verzweigen.

Und die Wiesen schweigen.

Der Abend rückt heran.

Wird wohl Zeit, dass dann

alle enger rücken

und am Monde sich entzücken.

Finsternis

Die Sonne ist am Schmelzen,

ein Viertel hingeschwunden,

der Mond, auf langen Stelzen,

hat sich mit ihr verbunden.

Egal an welchem Orte,

ich flüstre Liebesworte

und raune sie entgegen

dir auf allen Wegen.

Alter Kahn

Rechts, da lag „Brunhilde“

(hier nicht mehr im Bilde),

ach vor langen Jahren,

als wir Kinder waren.

Segelboote zogen

damals durch die Wogen,

frischen Windes Beute,

grade so wie heute.

Und auch morgen geben

wir uns hin dem Leben,

Liebste, auf der Erde.

(Und am Fluss stehn Pferde.)

Des Frühlings Blütenfarben

finden wir im Herbst,

die sommerliche Wärme

auch an Wintertagen.

So halten wir das Jahr

in unsren Händen.

Weil wir uns lieben,

wird's nicht enden.

Sanft und mild

kommt die Nacht,

Bild um Bild

wird gebracht,

sinkt hinein

in den Traum,

hüllt uns ein,

hier im Raum.

Und schlichen auch die Stunden

lahm dahin im tristen Alltagsgrau,

verstrichen Tage und Sekunden,

in trübes Einerlei gebunden –

es glänzt, wir wissen das genau,

wenn wir uns sehn, der Himmel blau.

Wir würden gern an allen Orten,

die Freuden die wir haben horten,

bevor sie fallen und verblassen.

(Das Glück, man sagt, sei schwer zu fassen

und nur dem Augenblick gewogen.)

Der Frühling, bald davongezogen,

er kehrt zurück wenn wir es wollen,

und wieder schöpft er aus dem Vollen.

Die Wolken brechen auf.

Der Mond, in seinem Lauf,

schaut staunend nun herunter:

„Ach, da sind noch Leute munter!“

Landgang

Wir gehen hin und gehen her,

wir baden im Lavendelmeer,

wir schwingen uns von Strauch zu Strauch,

wir schweigen, singen manchmal auch,

wir gehen hin und gehen her,

wir baden im Lavendelmeer.

Ach, die Sonnenstrahlen wollen

nicht so recht wie sie wohl sollen

durch die Wolken die sich ballen

auf die Erde niederfallen...

Herbstanfang

Träge legt sich auf die Erde

Regen, und ein sanftes Fließen

spielt um Steine, die genießen

froh mit heiterer Gebärde,

weil sie nach den trocknen Tagen

straßeneingestaubter Zeiten

sich ein feuchtes Fest bereiten

und dem Sommer nun entsagen.

Herbstlichtgedicht

Wie ist die Welt so bunt umzundert!

Die Farben sind dem Herbst zu eigen –

da fehlen wenig nur an hundert,

die sich im Walde wieder zeigen.

Bevor des Winters weißes Schweigen,

darin die vielen Farben säumen,

sich breitet auf den müden Zweigen,

die schon vom nächsten Frühling träumen.

Der Mond

belohnt

mit fahlen

Strahlen

das Warten.

Auch wir harrten

sehr

seiner Wiederkehr.

Der Mond lehnt sich zurück,

und liegt nun auf dem Rücken.

Er schaukelt noch ein Stück,

die Nacht zu überbrücken,

und bringt uns beiden Glück

und helleres Entzücken.

Die Sonne stieg durch Bäume

und legte sich zur Ruh,

sie glitt in unsre Träume;

wir schwebten immerzu,

beleuchtet noch vom Tage

der keinen Abschied nahm,

und waren in der Lage,

als dann der Morgen kam,

mit Wärme zu beginnen,

was unser Herz berührt

mit sonnenhellen Sinnen

und in die Zukunft führt.

Hochtrabende Gedichte

sind oftmals Leichtgewichte.

Sie schweben hohl im Raum.

Was soll's! Ich schreibe kaum.

Das Eis hat einen Rand.

Dort hocken im Verband

die schnabelweißen Tiere

(viel viel mehr als viere).

Im Freien schwimmt ein Schock

von Enten namens „Stock“.

Und (noch im Winterkleid)

Lachmöwen haben Streit.

Der Schnee ist wohl getaut,

doch hat sich angestaut

das Wasser massenhaft.

Ob das die Sonne schafft,

zu saugen alles auf?

Wir warten sehr darauf.

Du äußerst leis,

erwacht vom Traum,

du erinnertest

dich kaum. –

Ich sage doch

in einem fort:

Mach Notizen dir

vor Ort!

Wohin wir auch gehen,

sind Pferde zu sehen.

(Und hinter dem Zaun

ist ihnen zu traun.)

Jetzt bleiben sie stehen,

nach uns sich zu drehen,

gehen nun behende

mit uns ans Koppelende.

Wir wollten jüngst benennen

die fünfzehn Frühlingsblüher. –

Ich war gleich aus dem Rennen.

Du nanntest alle: früher!

Das Mondfanal

in dieser Nacht

war nur ein Strahl –

fast wie erdacht.

Wunsch

Die Nacht kommt sacht, auf leisen Sohlen,

den Abend will sie heim geleiten,

um dann den Sternenglanz zu holen

und über unsre Welt zu breiten.

Sie weiß, dass sie am nächsten Morgen

der Sonne weichen muss, sie fände

es schön, vom Tage auszuborgen

sich Maienglöckchen ohne Ende.

Wo weiß

und leis

Anemonen

wohnen,

lohnen:

Aufenthalte.

Seit ich von dir erfuhr,

dass karierte Hemden

dich doch sehr befremden –

trage ich gestreifte nur.

Dem Weltraumrendezvous

sahen jüngst wir zu,

dem hellen Punkt da oben,

dem Himmel eingewoben.

Wir standen ganz allein.

Es mochten nur Minuten sein.

Wir gingen still ins Haus,

und machten bald die Lampen aus.

In allen Stunden

naturverbunden

der Poesie,

vergessen dabei

des Tages Einerlei

geduldig wir nie.

Tierschau

Das Breitmaulnashorn! Leute, schaut,

und fühlt an ihm die Knubbelhaut!

Berührt auch still das leise Tier,

genannt Giraffe – sie steht hier.

Daneben Sohlengänger Bär,

so etwa rund drei Zentner schwer:

da halten wir hübsch Abstand ein.

Das muss bei Pferden wohl nicht sein,

doch Warnung gilt gelegentlich:

man streichle nie gegen den Strich!

Die Elefanten stört es nicht,

wenn man in ihre Ohren spricht.

Echsen

Der Lurch, das Krokodil –

bewegten sich nicht viel.

Und mit den Würgeschlangen

war wenig anzufangen;

es wollte kaum gelingen,

zum Züngeln sie zu bringen.

Nur eine der Agamen

fiel etwas aus dem Rahmen:

sie schnappte sehr begierig

durchs Glas (und das war schwierig)

nach einer Tuch-Attrappe,

die vor der Fensterklappe

sich schlangenhaft gewunden.

Wir gingen nach zwei Stunden.

Die Osterglocken

tragen Socken,

weil es noch zu kalt ist,

noch zu kühl im Wald ist.

Die armen Osterhasen

verlieren sich im Schnee.

Anstatt auf grünem Rasen

erblühen nur in Vasen

die Blumen, wie ich seh.

Ostermorgen,

alte Sitte:

nüchtern

einen Apfel bitte.

Wellen schwingen,

und sie bringen

was an Land.

Möwenköpfe,

schwarze Schöpfe

sind am Strand,

nehmen heute

ihre Beute

weg vom Rand.

Immer wieder

Unweit von Fischerkähnen,

welche wellenschaukeln,

da wimmelt es von Schwänen,

um welche Enten gaukeln.

Die Schwäne auf der Peene

schmähen nicht das Futter.

Alltäglich ist die Szene

auf Brücken und am Kutter.

Selbst Knäckebrot bekommen,

schlucken ohne Murren:

die froh herbei geschwommen,

behaglich und mit Knurren.

Juliglut

Wenn die Sonne mittags blitzt,

überall herrscht Hitzeschwall,

flieht ein Tier, weil's nicht gern schwitzt,

sitzt im kühlen Schattenfall,

an dem grünen Grabenrand,

wartet ab die nächste Zeit,

startet abends in das Land,

tummelt sich dann wiesenweit.

Sinnsuche

Von Moos umrandet, quer im Wald,

verläuft ein Graben still am Tag.

Die Vogelstimmen sind verhallt.

Ein Handy klingelt, das dort lag.

Und wenn wer fragt: Wie kam es hin,

und war dem Handy etwa bang –

so sagen wir, es suchte Sinn,

im Laub geborgen stundenlang.

Mag sein, es wird nun öfter noch

verschwinden aus dem Taschenbund,

in Wald und Feld, am Wasserloch,

um Sinn zu finden hier im Rund.

Mehr nicht

Ich sitze nur an deiner Seite.

Mehr sollst du nicht von mir erwarten.

Ich lese, schreibe, schweige heute.

Mehr magst du nicht und nie erwarten.

Ich gehe, sehe, lebe heute.

Und schaue nach, worauf wir warten.

Ich sitze still an deiner Seite.

Die Stunden starten. Und wir warten.

Antwort

Alle Blumen lassen grüßen,

sehnen sich nach deiner Hand.

Auch vom Kater, diesem Süßen,

geht ein Gruß ins ferne Land.

Dank für deinen Brief, den lieben,

den du uns geschrieben hast;

Sonne ist heut lang geblieben,

war mit Leuchten nur befasst.

Dein Telefon ruft selbst mich an –

und möchte meine Stimme hören!

Das find ich schön, dass dann und wann

beseelte Dinge uns betören.

Stumm

Und willst du weiter schweigen?

Zwei Wochen sind wohl um.

Der Schnee liegt auf den Zweigen

so schwer und weiß und stumm.

Wie sollte er denn tauen,

als durch ein sanftes Wort?

Sag's leis, hab nur Vertrauen:

so schwimmt der Winter fort.

Wenn ich auch nicht entdecken kann

den kleinen Sänger hier im Tann –

Goldhähnchens Stimme sehr laut

höre ich, wenn der Morgen erblaut.

Man sitzt und findet

sehr schön im Park:

dass Kunst mit Zweck

sich wohl verbindet.

Solang du in der Furche liegst,

als wäre fremd das längst Vertraute,

und dich in deine Ängste schmiegst,

bleibt Zukunft dir: die nie geschaute.

Vor dem Spiegel

sitzt ein Igel,

überlegt

unentwegt,