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Wann immer wir, in den hier versammelten Texten, das Groteske entschlüsseln, finden wir zu einem fantastischen Alltag zurück und werden Resonanzen eigener Erfahrung wahrnehmen. Kurt Scharfs Prosa, außergewöhnlich intensiv, wird nicht von kalter Konstruktion beherrscht, zeigt unverbrauchte Sprachkraft und birgt in sich, bei allen Zweifeln, eine Atmosphäre der Hoffnung, der wir uns nicht entziehen können. Die Freundlichkeit der Welt besitzt in diesen Geschichten Gewicht.
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Seitenzahl: 156
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Träumerei
Krauses Abenteuer
Der gute Rat
In der Deutschstunde
Langer Winter
Neue Ablass-Briefe
Unverhofftes Glück
Der Weg hinaus
Strandgang
Das Interview
Von den Ebenen
Der Hypnotiseur
Das Melkerleben
Verspielt
Max
Der Wolgaster Hexenstein
Futter für Freud?
Gedenkblatt für Jo
Das Dorf
Der Gefangene
Stadt Land Fluss
Der Sonne Start
Singend brach sich der Wind an den Kanten des Hauses. Sturm kam auf.
In Gedanken versunken, ging eine Frau durch die oberen Zimmer. Die Möbel, von flackerndem Mondlicht umkränzt, schienen zu tanzen.
Die Frau sah aus dem Fenster.
Der Garten war dort. Und schräg unterhalb des Hanges, auf der Gegenseite, von Wiesen umgeben, weitere Häuser.
Dies alles existierte.
Aber sie – war das wirklich sie, die jetzt die Treppe herab stieg zur geräumigen Halle des Hauses?
Oder hatte eine fremde Person ihren Körper übernommen, und folgte nun den Geräuschen welche den Sturm übertönten?
Der Fernseher, unten, dröhnte; die Frau erinnerte sich nicht, das Gerät angestellt zu haben – sie war doch die ganze Zeit in den oberen Räumen gewesen.
Hier nun befanden sich sehr große Fenster, reichten entlang den Seitenwänden bis an die Decke.
Eines der Fenster wölbte sich nach außen.
Die Frau wunderte sich nicht, staunte nicht über den hangabwärts marschierenden Dachbinder – völlig zweckentfremdet (er gehörte doch auf die Grundmauern gesetzt!) trippelte der voran, gelangte zur Straße, zögerte einen Moment, wandte sich nach rechts und verschwand.
Der Sturm heulte, so laut, dass die Frau meinte im Garten oder sonst wo zu sein, irgendwo draußen, nur nicht in diesem schrecklich großen Vestibül.
Tatsächlich geriet nun – die Fenster verblassten flimmernd – der Teil des Hauses seitlich des Fernsehers zu einem Hof. Deutlich war dort, zusammengesetzt aus einzelnen Quadern, den Buchten, ein Kaninchenstall zu sehen; keine Bewegung darin.
Ein Geräusch drang zur Frau. Ein Klingeln.
Das Telefon, noch nicht zum Hof gewechselt, stand auf einem Beistelltisch. Die Frau hatte erwartet, es würde schwierig sein, den Hörer von der Gabel zu nehmen – doch war's ganz leicht.
Und die Verbindung so gut, dass der Gesprächspartner (unverkennbar: die Stimme eines Mannes) nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen war.
Von einem Empfang sprach der Herr, er sei zu einer Soiree geladen.
„Denk an den Nachbarn“, sagte er noch, „der schleicht um die Häuser, der zündet sie an.“
Die Erscheinung verblasste. Wieder war – an der Stelle, wo soeben der
Mann gestanden hatte – das nach außen gewölbte Fenster zu sehen.
Die Frau – nicht sicher, ob die Worte ihn noch erreichten – beeilte sich zu rufen: „Den Kindern geht es gut!“
Der Mann schien nicht aufgelegt zu haben, sie meinte Atemgeräusche zu hören.
Und sie schrie: „Seit wann kanntest du sie?“
Den Hörer aufzulegen gelang ihr nicht mehr.
Dorit erwachte.
Sofort tastete sie zur Nachttischlampe, deren gedämpfter Schein sich alsbald auf die Seiten des Traumbuches legte, das griffbereit lauerte.
Zwei, drei Minuten der Sammlung. So hatte sie es sich antrainiert.
Dorit öffnete die Augen erst, nachdem sie den Handlungsstrang des Traumes an einigen Punkten festmachen konnte.
Die junge Frau griff zum Kugelschreiber, machte Notizen.
Später, im Laufe des Tages – vielleicht im Büro, wenn sich die Möglichkeit ergab – würde sie das nötige „Fleisch“ dazugeben.
Am nächsten Wochenende träfe sich die Gruppe wieder, Dorits Träume waren dort sehr gefragt.
Frank hielt diesen „Firlefanz“ für höchst überflüssig.
Dorit teilte seine Meinung nicht. Aber um des lieben Friedens willen steckte sie, sobald die Rede darauf kam, regelmäßig zurück.
Frank war eben ein Pragmatiker!
War dies das richtige Wort? Dorit lächelte, dabei wieder in das Buch kritzelnd.
Und sie? Na, wenigstens war sie bemüht gewesen, Interesse am Hausbau zu zeigen.
Es reichte ja, wenn sie zusah.
Beim Nivellieren des Kellerbodens. Beim Verschalen. Beim Bestücken der Gerüstrohre mit den Klauenkupplungsschellen.
Und später dann auch, kurz vor dem Richtfest, beim Hochhieven der Dachbinder.
Die Dachbinder, genau! Der eine, eben im Traum, hatte sich – verabschiedet. Ja, so konnte man sagen. Da hätte sie gleich eine Ausdeutung parat, für nächstes Wochenende.
Bevor die anderen darauf kämen, würde sie selbst es vorschlagen: Abschied. Aber nicht von der Gruppe. Gott bewahre!
Das war immer so interessant dort. Ja, es gab in der Runde auch einen Herrn Horst, der vorgab Gedichte zu träumen – jedenfalls las er ständig Verse vor, wie etwa:
Soeben ist,
vom rauchenden Räuber Namenlos,
die Zigarinchen-Show
ohne Worte
eröffnet worden.
Der Mantel des Magiers
ist in tiefstem
Hellsehblau
gehalten,
der Meister weiß
was wir nicht
denken wollen.
Der gute Mann zählte drei englische Lyriker auf, die komplette Versepen geträumt (und auch nieder geschrieben) hatten; zudem sprach er von einem gewissen Van Vogt, der sich nachts im Stundenabstand wecken ließ und das soeben Geträumte in Sciencefiction umwandelte. Egal!
Seltsam war der letzte Satz, der noch immer in ihr nachklang: „Seit wann kanntest du sie?“
Nein, eigentlich doch erklärbar: Frank hatte Nachtschicht.
Und es sollte doch keine Rolle spielen, dass er (Dorit überlegte) in letzter Zeit mehr Nacht- als Tagesschichten eingelegt hatte.
Einlegen musste!
Frank argumentierte: „Betriebliche Erfordernisse. Und die Zuschläge, mein Schatz! Denk dran. Bei deinem Halbtagsjob und meiner normalen Bezahlung packen wir den Kredit nicht.“
Dorit legte den Kugelschreiber beiseite. Bevor sie das Licht löschte, sah sie noch auf die Armbanduhr.
Erst kurz vor Mitternacht.
Genügend Zeit, genügend Zeit.
Bald war Dorit wieder eingeschlafen.
Über die Straßen senkte sich Dunkelheit, verfolgte – vom Zentrum der Stadt bis hin zur alten Stadtmauer – die Frau, die dort ging, vorbei eilte an moosbewachsenen Steinen.
Häuser waren an die Mauer geklebt, bereit zum Abriss.
Die Frau bog in eine Seitengasse ein.
Nicht mal die üblichen Bogenlampen, die den Heimweg hätten erhellen können, gab es hier.
Kein Leben, keine Leute gab es.
Niemand, der Einsamkeit und Düsternis mit ihr teilte.
Die Frau lief.
Ein weiter Weg, ein weiter...
Dieser Gedanke musste verdrängt werden! Das nahm sie sich fest vor.
Der schnelle Herzschlag aber!
Sie steuerte auf ein Haus zu, das man als solches nicht mehr bezeichnen durfte – war es doch seit langem Ruine: Dachziegel fehlten, blinde Fenster starrten.
Links und rechts, die Häuser dort: da wohnten Menschen, dem Auge entzogen. Oder im Dunkel geborgen; denn kein Lichtschein drang nach außen.
Seltsam vertraut erschien das verfallene Gebäude.
Hatte hier, in längst vergangenen Jahren, ein Schulfreund gewohnt?
Ja, vielleicht.
Die Haustür stand offen.
Drinnen (die Frau trat ein) zerschnitt ein langer Flur das Haus, teilte es gleichsam in zwei Hälften.
Im matten Glanz der Sterne war der Hof zu erkennen.
Beiderseits vom Flur befanden sich jeweils zwei Räume. Zudem zweigte rechts, auf halber Länge des Ganges, eine Treppe ab, die zu den – zweifellos vorhandenen – oberen Räumen führte.
Längst unbewohnt, längst unbewohnbar.
Die Treppe aber verbarg sich hinter einer weiteren Tür.
Wenn die Haustür – so fragte sich die Frau – nicht verschlossen ist, kann dann nicht jeder x-beliebige hier ein und aus gehen?
Oder sich im Haus versteckt halten?
Sie hatte den Hof erreicht.
Eine Katze lag dort, sprang auf, lief weg.
Hier waren früher (die Frau erinnerte sich) kleine Schuppen, waren Mauern, nun verschwunden. Allerdings konnte es auch sein: sie waren jetzt nur, ins Dunkel geschmiegt, nicht sichtbar.
Von Nachbarhaus her, aus einem Fenster, fiel ein Lichtstreif in den Hof.
In diesen hier.
Die Angst der Frau stieg ins Unermessliche.
Zurück in den Hausflur! Zurück!
Dorit erwachte.
Und schlief wieder ein.
Sie schreckte hoch.
Was hatte es mit dem Traum auf sich?
Erst ab einer bestimmten Stelle konnte sie ihn rekonstruieren. Wenn auch nur halbwegs.
Dies war ihrer unvorsichtigen Reaktion beim Erwachen geschuldet.
Was davor lag, blieb verborgen. Wie hinter einem Milchglasfenster, wo nur Schemen auftauchen und wieder verschwinden.
Eine zerstörte Regenrinne, die ausgehängte Haustür, die eingeworfenen Fenster. Irgendwas.
„Du musst den Schlüssel“, hatte jemand gesagt, „wenn du die Haustür geöffnet hast, sofort wieder benutzen, diesmal um die Tür zu verschließen.
Von innen. Du bleibst im Haus.“
Und auch das war in ihrem Gedächtnis haften geblieben: die Stimme, körperlos nun: „Der wird dich umbringen, der hat ein Messer.“
Bei den Gruppengesprächen war wiederholt darauf hingewiesen worden: nein, im Traum wundert man sich nicht, alles wird als gegeben akzeptiert.
Und es hat keinen offensichtlichen Sinn.
War das jetzt eine mögliche Ausnahme?
Ja, sie wunderte sich – weil sie die warnende Stimme nicht ernst nahm.
Über die hölzerne Treppe (in Wahrheit aus Stein) war sie nach oben getaumelt, hatte sich ins Bett fallen lassen, war eingeschlafen.
Und sofort wieder erwacht.
Auch das war nichts Neues; sie träumte einfach weiter.
Diesmal: dass sie erwacht war.
Kam oft genug vor. Beate hatte vor zwei Wochen Ähnliches berichtet.
Klar, denn sonst hätte ja die Nachttischlampe...
Die ließ sich nicht anknipsen.
Auch die Deckenleuchte funktionierte nicht.
Dorit war die Treppe hinab geschwebt, fand sich im Vestibül wieder. Sie hörte verdächtige Geräusche.
Jemand machte sich an der Haustür zu schaffen.
Dorit eilte in die Küche. Die war, sogar im Traum, am üblichen Platz; da gab es, in dieser Hinsicht, keine Verwerfungen.
Aus der Schublade glitt ein Messer, genügend groß, in ihre Hand.
Noch immer die Geräusche!
Der Wind brach sich singend an den Kanten des Hauses, vermochte aber nicht, das Kratzen am Türschloss (wurde ein Dietrich benutzt?) zu übertönen.
Stockdunkel war es. Drinnen. Draußen.
Stefan hatte neulich, entgegen allen Erfahrungswerten, behauptet dass man sehr wohl auch die eigene Person im Traum sehen könne...
Dorit hatte sich hinter die Tür gestellt.
Das Schloss war geknackt. Die Gestalt trat ein.
Die Frau stach zwei, dreimal zu.
Der Eindringling fiel zu Boden.
Die Frau bekümmerte das nicht. (Dies war für Dorit ein weiterer Beweis: emotionslos tötete man nur im Traum.)
So musste es geendet haben.
Dorit lag in ihrem Bett. Es war drei Uhr morgens.
Nur etwas störte, verzögerte das erneute Einschlafen: ihr war kalt, sie fröstelte.
Als wäre sie – wie vorhin im Traum – barfuß über nachtkühlen Stein gelaufen.
Dorit lächelte. Aber nein!
Bald war sie wieder eingeschlafen.
Der Wind hatte sich gelegt.
Unten, im Flur, verblutete Frank.
„O wie gänzlich unerforscht erscheint mir hier das Leben!“
Krause murmelte vor sich hin.
„Wie kommt es, dass ich an diesen Ort gelangt?“
Er hatte sich verirrt.
Taperte jetzt durch dürres Unterholz.
Es knackte. Unter, neben, über ihm.
Dabei wollte er nur die Umgebung seiner Stadt besichtigen.
Zwei Kilometer weit hatte er sich hinausgewagt.
Das war viel. Für ihn jedenfalls.
Der Proviant, den er mitgenommen, war beträchtlich.
Sonst bewegte sich Krause kaum.
Das lag ihm eben nicht. Er war Heimarbeiter.
Man lieferte Akten, deren Deckel er zu beschriften hatte.
Eine alte Dame, seit langem Rentnerin, kümmerte sich um den jungen Mann.
Sie brachte ihm das Essen, kaufte für ihn ein, wusch seine Hemden.
Trinkgelder nahm sie nicht an.
Eines Tages kam der Abteilungsleiter.
„Krause, guter Mann, sie müssen ausspannen!
Sie haben da letzthin hundert Aktendeckel falsch etikettiert.
Machen Sie Urlaub!“
Und er sprach weiter:
„Kennen Sie eigentlich schon das Umfeld unserer Stadt?“
Krause verneinte.
„Na also!“ Der Abteilungsleiter jubelte.
„Das wäre es doch!
Wandern Sie! Erforschen Sie! Gute Reise.“
Es knackte.
Erst neben, dann unter ihm.
Krause fühlte sich hinweg getragen.
Für kurze Zeit ritt er auf einem Wildschwein.
Das Tier war ihm unbekannt. Bald warf es ihn ab, lief grunzend davon.
Krause grübelte, während er seine Wanderschuhe neu schnürte: „War dieses wohl ein Unpaarhufer?“
Ein zweites Wildschwein hatte sich unterdessen seines Proviants angenommen.
Mit der Bitte, doch etwas für ihn übrig zu lassen, trat Krause an das Tier heran.
Das blickte ihn nur schief an, fraß dann ruhig weiter.
Krause entsann sich seines Auftrags.
(„Wandern Sie! Erforschen Sie!“)
Schnell griff er zum Bein des wilden Schweines.
„Unpaarhufer oder nicht, ich werde es schon sehen!“
Vorerst sah er Sterne.
Dann wurde es dunkel. Für ihn.
Das Schwein hatte sich gewehrt.
Die alte Dame, seit langem Rentnerin, beugte sich über Krause.
Der schlug gerade die Augen auf.
„Wie gut, Herr Krause, dass ich Ihren Spuren gefolgt bin!
Es ist Abendbrotzeit.“
„Nie wieder Urlaub!“ sagte der junge Mann.
Die alte Dame half ihm auf die Beine.
Gemeinsam verließen sie das Wäldchen.
„Die Erfüllung einer Bitte wäre mir noch genehm“, meinte Krause nachdenklich.
„Ein paar Aktendeckel zu etikettieren – könnten Sie das für mich tun?“
„Na“, sagte die gute Frau, „wenn's weiter nichts ist!
Ich mache es gern.“
Ein Bauer, so erzählte meine Großmutter, hatte einen anständig großen Besitz.
Den zu verwalten, ist ja nun nicht leicht. Und weil das so war, hatte er auch alle Hände voll zu tun.
Hinzu kam noch der traurige Umstand, dass seine Frau plötzlich sehr krank geworden war. Dauernd lag sie ihm in den Ohren – hier täte ihr dies schmerzen, dort täte ihr das weh.
Aber einen Arzt wollte sie nicht ins Haus lassen.
„Die Salbader“, sagte sie, „machen alles nur schlimmer!“
Ihr Mann gab ihr in dieser Beziehung recht, auch er vertraute keinem Weißkittel.
Grete – so hieß die Frau des Bauern – lag also den ganzen Tag im Bett, während ihr Gatte – Kinder hatten die beiden übrigens nicht – mit dem Pferdewagen aufs Feld fuhr und auch sonst alles erledigte.
Manchmal musste er in die Stadt, um Behördengänge zu erledigen.
Die Frau stand wohl abends auf, machte ihrem Mann – und der hieß Karl – das Essen zurecht, wenn er zurückkam und nach dem langen Arbeitstag Hunger hatte.
Als er sie bei dieser Gelegenheit immer fragte, ob sie denn gar nicht mitessen wolle, antwortete Grete stets, dass sie doch, das wüsste er ja, so krank wäre und nicht den kleinsten Happen herunter bekäme.
So ging das jeden Tag.
Mit der Zeit kam das dem Bauern merkwürdig vor.
Seine Frau aß den ganzen Tag über nichts, nahm aber nicht ab dabei.
Sie stöhnte, wenn er nach Hause kam, sie jammerte, wenn er ging – aber sie blieb dick und rund.
Karl konnte sich darauf keinen Reim machen. Sich Rat zu holen, ging er zu seinen Nachbarn. Diese hörten sich die Geschichte an und sagten, sie wüssten ein Mittel.
„Pass deine Frau mal ab, wenn sie allein zu Hause ist, und zeige dich nicht!“
Da hatte er ja nun einen guten Rat, an den er sich auch hielt.
Grad war die Zeit der Heuernte gekommen. Der Bauer fuhr, an einem klaren Morgen, mit dem Pferdegespann zur Hundertmarkwiese – die war fünf Kilometer von seinem Haus entfernt.
Nach ein paar hundert Metern hielt er aber an. Hinter einem Wäldchen.
Karl band die Pferde an, schlich zurück, kam unbemerkt ins Haus und versteckte sich im Flur.
Bald hörte er großes Gepolter. Seine Frau war aufgestanden und lief im Haus hin und her.
Wo sie doch so krank ist! dachte der Bauer, und musste sich tiefer in die Ecke drücken, weil Grete, flink auf den Beinen, ihn fast umgerannt hätte.
Er hatte Glück. Seine Frau hatte ihn nicht bemerkt, sie war ja so in Eile.
Was ist, dachte der Bauer wieder, mit diesem Frauenzimmer los?
Und er lugte hervor.
Was musste er sehen? Grete kam mit einem großen Stück Speck vom Boden herunter; die Treppe knackte ordentlich unter ihrem Gewicht.
Dann lief die kranke Frau in die Küche – dichte bei steckte der Bauer – und sie nahm eine große Pfanne, worin sonst nur Flinsen gebraten wurden, setzte sie auf das Feuer, riss den Küchenschrank auf, holte zehn Eier heraus.
Was machte sie wohl nun? Der Bauer konnte es sich bereits denken.
Die Eier schlug sie in die Pfanne, gab reichlich Speck dazu, rührte alles um.
So hatte sie es an jedem Tag getan, den der Herrgott für sie werden ließ.
An jedem Tag, den ihr Mann arbeitend verbrachte.
Jetzt musste sie sich aber doch noch einmal vergewissern, ob denn die Luft rein sei. Sie lief aus der Küche auf den Flur, sah durchs kleine Fenster auf den Hof, lief die Treppe hinauf und äugte in den oberen Zimmern nach allen Seiten hinaus.
Diese kurze Zeit machte sich der Bauer zunutze.
Rasch holte er fünf Eier, schlug sie auf, rührte sie fix in die Pfanne, und versteckte sich wieder.
Grete hatte ihren Kontrollgang beendet. Die Rühreier waren fertig.
Sie setzte sich an den Tisch. Und aß und aß.
Dann war sie auch satt. Verdutzt sah Grete auf den Teller.
Dort war noch was drauf!
Sie staunte und sagte: „Meine lieben Eier! Ich habe euch doch alle Tage geschafft. Alle zehn. Aber heute nicht, aber heute nicht!“
„Ja, Frau“, sagte Karl und kam aus seinem Versteck, „heute hast du auch fünfzehn Eier in der Pfanne gehabt, ich hab dir noch fünf dazugeschlagen, damit du mir heute beim Heuen nicht schlappmachst.
Nämlich, ich hab meine Harke vergessen, und dann hab ich mit Freuden gesehen, dass du wieder gesund geworden bist.“
Grete war baff, sie stammelte nur „Karl, Karl“.
Wenig später, ohne ein weiteres Wort zu sagen, zog sie sich für die Feldarbeit an und ging mit ihrem Mann zum Wagen hin, um mit ihm ins Heu zu fahren.
Personen:
Der Lehrer
Die Schüler (Klaus Niemand, Jürgen Mier, Manfred Ihnen)
Lehrer:
Also, Herr Klaus Niemand, was meinen Sie zu dem, was sie eben gesagt haben?
Niemand (schreckt hoch):
Ich hab doch gar nichts gesagt!
Lehrer:
Ich meine doch, was die anderen gesagt haben.
Niemand:
Ich hab nicht mitgekriegt, was sie gesagt haben.
Lehrer:
Wieso, was habe ich denn gesagt?
Niemand:
Ich meine doch, was sie, die anderen, gesagt haben!
Lehrer:
Das heißt „Was Sie den anderen gesagt haben“!
Aber was habe ich denn den anderen gesagt?
Niemand:
Ich meine doch – was die anderen gesagt haben.
Lehrer (unkonzentriert):
Wieso? Was haben mir denn die anderen gesagt?
Mier (entrüstet):
Mir hat niemand etwas gesagt!
Niemand:
Ich habe Mier nichts gesagt.
Lehrer:
Ich meine doch – was die anderen mir gesagt haben.
Wenn sie mir etwas gesagt haben...
Mier:
Aber mir hat niemand etwas gesagt!
Lehrer:
Hier interessiert doch nicht, was Mier Niemand gesagt hat.
Sondern, was Niemand mir gesagt hat. Besser gesagt: nicht gesagt hat.
Mier:
Mir hat aber niemand...
Lehrer (dazwischen):
Ist klar! Ihnen hat niemand etwas gesagt!
Ihnen:
Das stimmt nicht! Ich habe niemand etwas gesagt!
Niemand:
Also, ich habe (weist auf Mier) Mier nichts gesagt.
Ihnen (weist auf Ihnen) hat niemand etwas gesagt.
Und mir hat niemand etwas gesagt – außer (nickt zum Lehrer hin) Ihnen.
Lehrer:
Aha! (zu Niemand) Was hat Ihnen denn Mier gesagt?
Ihnen (zum Lehrer):
Ich habe Ihnen nichts gesagt.
Und ich wollte niemand etwas sagen.
Niemand (verwundert):
Was wollte mir denn Ihnen sagen?
Lehrer:
Aber Ihnen hat Mier doch nichts gesagt.
Und mir auch nicht.
Ihnen:
Stimmt. Ich habe Mier nichts gesagt. Ich habe niemand etwas gesagt.
Lehrer:
Wieso? Was hat Ihnen Niemand gesagt?
Niemand:
Ich habe (nickt zu Ihnen hin) Ihnen nichts gesagt.
Mier:
Stimmt. Ihnen (