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Im Jahr 1073 entlädt sich die lang aufgestaute Wut der sächsischen Bauern und Adligen über die Willkür einiger der von König Heinrich IV. auf seinen neuerbauten Burgen eingesetzten Vögte in einem machtvollen Aufstand. Inmitten der stetig an Heftigkeit zunehmenden Auseinandersetzungen versucht der Edeling Widar von Leineburg das Geheimnis um die Herkunft des von Köhlern im Harz aufgezogenen Waisenmädchens Mara, der er zufällig im Wald begegnet ist, zu ergründen. Auf der Suche nach den in Maras Vergangenheit führenden Spuren wird er in die vielerorts in Sachsen ausbrechenden Kämpfe verstrickt, flieht mit dem König durch einen Geheimgang von der Harzburg und wird in die Kämpfe um die andere Königsburgen hineingezogen, bei denen er ebenso getreuen Gefolgsmännern des jungen Königs wie dessen Feinden begegnet, vor allem aber auf einfache Menschen trifft, die unter den Kriegsläuften schwer zu leiden haben. Doch als es Widar schließlich gelungen ist, das Rätsel um die Abstammung Maras zu lösen und er mit ihr an den Hof des Königs reist um diesen über die Ergebnisse seiner Nachforschungen zu unterrichten, treffen sich die gegnerischen Heere bei Homburg an der Unstrut zur entscheidenden Schlacht dieses Krieges.
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Seitenzahl: 219
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Der Autor
Jens - Uwe Nebauer wurde am 5. Juni, dem Pfingstsonntag des Jahres 1960, in Magdeburg geboren. Nach erfolgreich bestandenem Abitur studierte er an der Technischen Hochschule „Otto von Guericke“ Magdeburg. Als Diplomingenieurökonom arbeitete er dann jahrelang im Anlagenbau und später auch in anderen Berufen. Der Autor interessiert sich seit seiner Kindheit für Geschichte. Der Besuch von Burgen, Schlössern und Museen mit seinen ebenfalls geschichtsinteressierten Eltern weckte in ihm schon früh diese Vorliebe. Später spezialisierte er sich auf das europäische Mittelalter und die Zeit der römischen Antike.
Seine Kreativität hat er bereits im Kindergarten entdeckt, denn da er während des verordneten Mittagsschlafes nie müde genug war, um einschlafen zu können, begann er damit sich die Langeweile durch das fantasievolle Erfinden und „Sich-selbst-erzählen“ von kleinen oder größeren Geschichten zu vertreiben.
Später ging er dann dazu über, seine Interessen beim Schreiben zu verarbeiten und verfasste die historischen Romane „Der Ritter von Falkenfels“, „Die Kreuzfahrer“, „Der Burgwart von Bodfeld“, „Der Paladin“ und „Der große Krieg der Gladiatoren“
Für König und Kaiser
Band I.
Widar von Leineburg
von
Jens – Uwe Nebauer
© 2023 Jens – Uwe Nebauer
Umschlaggestaltung: Nebauer
ISBN
Softcover
978-3-347-93585-3
Hardcover
978-3-347-93586-0
E-book
978-3-347-93587-7
Druck und Verlag:
tredition GmbH, Halenreie 40 - 44, 22359 Hamburg
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrecht- lich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt ins- besondere für die elektronische oder sonstige Verviel- fältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Die Waldmühle
Das Köhlerkind
König auf der Flucht
Die Hasenburg
Die Äbtissin von Quedlinburg
Die Schlacht bei Homburg
Mara von Kranichburg
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Titelblatt
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Die Waldmühle
Mara von Kranichburg
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Die Waldmühle
Zum wiederholten Male in diesem Frühjahr fragte sich Widar von Leineburg, was ihn da wohl geritten hatte, als er das väterliche Haus verlassen und sich als Kastellan auf der Burg Pöhlde verdingt hatte.
Sicher, er hatte - wenigstens für eine Weile - der bisweilen recht tyrannischen Herrschaft seines Vaters entfliehen wollen, der ihn mehr zur bäuerlichen Arbeit auf den Feldern und Weiden, als zur Vervollkommnung seiner kriegshandwerklichen Fähigkeiten anhielt, doch dass sein Leben auf der Burg Pöhlde so langweilig sein würde, hatte er nicht erwartet.
Eigentlich hätte er es ahnen können, da die Burg, die von dem schmalen Rotenberg aus über die im flachen Vorland der Harzberge gelegene Pfalz und das daran angeschlossene Kloster wachte, ihre Aufgabe als Zufluchtsort schon lange verloren hatte. Denn seitdem die Horden der heidnischen Hungaren nicht mehr raubend und brennend durch die Gaue der Sachsen zogen, hatte es kaum noch einen Anlass für die Leute der Umgebung gegeben, sich hinter den Wällen des Kastells in Sicherheit zu bringen.
Doch dass er sich das große, fast leere Burginnere lediglich mit ein paar reichlich alten Dienstmännern teilen musste, die für einen Schwertkampf zu dick und zu kurzatmig waren und selbst eine Bogensehne kaum noch bis zum Ohr spannen konnten, hatte er nicht erwartet. Auch die alte Küchenmagd, die einzige Frau auf der Veste, hatte die Tage, in denen sie einen Mann zur Wollust reizen konnte, schon lange hinter sich gelassen.
So blieb dem jungen Leineburger neben der Jagd in den nahegelegenen Bergen nichts anderes zur Bekämpfung seiner Langeweile übrig, als zur Pfalz hinunter zu reiten und den stets freundlichen Hauptmann Wolfgang aufzusuchen, mit dem man stundenlang über die alten Zeiten plaudern konnte.
Da es auf der Burg Pöhlde jedoch auch keinen Stallknecht gab, der sich um sein Pferd kümmerte, sattelte Widar seinen fuchsroten Hengst selbst, zog ihn ins Freie und saß auf.
Der junge Mann, der in seinem einundzwanzigsten Sommer stand, war gut sechs Fuß groß und von schlankem, sehnigem Körperbau. Sein Haar und seine Augen waren dunkelbraun, das Gesicht länglich, die Nase und das Kinn kräftig. Er trug eine Hose aus weichem Hirschleder, bis zur Mitte der Waden reichende Reitstiefel, einen leinenen Kittel und darüber eine kurzärmelige grüne Tunika. Am Gürtel des Reiters hingen ein langes Schwert und ein Dolch mit kräftiger Klinge, am Sattel ein Köcher mit einem Dutzend Pfeilen und einem entspannten Bogen aus Eibenholz, mit dem der Leineburger meisterlich umgehen konnte.
Der Weg zur Pfalz und dem gleich daran anschließenden Kloster St. Servatius führte über einen hohlwegartig ausgewaschenen Pfad den Berg hinunter, überquerte auf einem schmalen Steg den Pöhlder Bach und war insgesamt nicht länger als vierhundert Schritte.
In leichtem Trab ritt Widar durch das offenstehende Tor in den von der Junisonne beschienenen Innenhof, der schon zu Zeiten von König Heinrich I. errichteten Anlage, schaute sich kurz um und fragte einen Knecht, ob Herr Wolfgang zugegen sei.
„Gewiss, Herr Widar“, gab der Mann Auskunft und zeigte mit ausgestrecktem Arm auf das Herrenhaus.
Der Leineburger stieg ab und warf dem Knecht die Zügel zu, dann stieg er die Stufen zum Eingang des großen, mit roten Ziegeln gedeckten Hauses hinauf, öffnete die leicht knarrende Tür und trat in die große Halle, die sich gleich hinter dem Eingang befand.
„Ah, Freund Widar!“, rief der Pfalzhauptmann erfreut, als er den Eintretenden erkannte. „Lässt du dich auch mal wieder bei mir blicken!“
Der Herr der Pfalz, der in einem bequemen Lehnstuhl saß, war ein kleiner, beinahe sechzigjähriger Mann mit dunklen, noch nicht vollständig ergrauten Haaren. Er war sehr gebildet, da er eine Zeit lang Novize im benachbarten Kloster gewesen war, besaß ein freundliches Wesen und angenehme Manieren. Er sprach stets ruhig und sachlich, so dass man ihm die Donnerstimme, mit der er gleich nach der Begrüßung seines Gastes nach der Magd Alma rief, kaum zutraute.
Als gleich darauf aus einem der an die Halle angrenzenden Räume eine üppig gebaute Frau geeilt kam, befahl Herr Wolfgang der Magd eine große Kanne mit gutem Goslarer Bier von dem erst gestern angestochenen Fass zu bringen. Die Frau entschwand, kehrte aber schon nach kurzer Zeit zurück und füllte zwei hölzerne Becher mit dem verlangten Getränk.
Herr Wolfgang hob den Humpen, sagte: „Wohl bekomm’s!“, und leerte sein Trinkgefäß in einem Zug.
„Noch mal voll!“, befahl er Alma, die seine Gewohnheiten wohl bestens kannte und vorsorglich mit der Kanne in der Hand neben ihm stehen geblieben war.
„Was gibt’s Neues, Herr Wolfgang?“, fragte Widar, nachdem die Magd die beiden wieder allein gelassen hatte. Er wusste, dass es nicht mehr als diese Frage benötigte, um sein Gegenüber zu einer langen ausschweifenden Rede zu bewegen.
Der Pfalzhauptmann verzog das Gesicht, als ob er unversehens in einen sauren Apfel gebissen hätte. „Allmählich wird es brenzlig in Sachsen, mein Junge. Die Fürsten murren ja schon lange gegen unseren jungen König, aber jetzt werden auch noch die Bauern aufrührerisch. Die von Herrn Heinrich auf den neuen Burgen eingesetzten Vögte bedrücken das Landvolk doch allzu arg, sie scheren sich keinen Pfennig um die Rechte und die Freiheiten der Sachsen, die uns seit alters her zustehen. Die meisten dieser Ministerialen kommen ja auch aus Schwaben und unsere Leute verstehen ihr Geschwafel kaum - und umgekehrt ist es genauso.
Gewiss, ich begreife auch unseren jungen König. Er will das Reichsgut, das seine unselige Mutter Agnes von Poitou verschleudert und verschenkt hat, zurückholen und hat deshalb auf vielen strittigen Gebieten Burgen erbauen lassen, um seine Ansprüche nachdrücklich durchzusetzen.
Doch gerade du, als trefflicher Bogenschütze, weißt ja, was geschieht, wenn man den Bogen überspannt. Dann reißt dir die Sehne oder das Stabholz bricht. Und dies scheint nun geschehen zu sein. Die Bauern werden immer aufsässiger und viele Adlige, wie Otto von Nordheim, nutzen die Wut der Landleute, um ihr eigenes trübes Süppchen zu kochen. Und der König sitzt - von vielen Ministerialen umgeben, die ihm nur nach dem Munde reden - seit Monaten in Goslar und scheint den Ernst der Lage noch nicht vollends erkannt zu haben!“
„Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass die Mutter des Königs das Reich derart hat verkommen lassen?!“, warf Widar ein, „Gab es in ihrer Umgebung denn keine redlichen und klugen Ratgeber mehr?“
„Kaum!“, bemerkte Wolfgang und befeuchtete seine vom vielen Reden trocken gewordene Kehle mit einem ordentlichen Schluck Bier aus seinem Humpen. „Die Frau Agnes war halt nicht einmal halb so klug wie die Kaiserin Theophanu, Gott hab sie selig, und so nahm, schon bald nach dem Tod unseres alten Kaisers Heinrich, der Einfluss der unfreien Dienstleute, die die Regentin berieten, stetig zu. Einem von ihnen, einem einfachen Ministerialen mit Namen Kuno, übertrug man sogar die Erziehung des jungen Königs, was vielen der Fürsten und Grafen sauer aufstieß.
Noch schlimmer wurde es jedoch, als Frau Agnes, nur zwei Jahre nach dem Ableben ihres Gemahls, den Bischof Heinrich von Augsburg in besonderem Maße - und wohl nicht nur als Ratgeber - bevorzugte, wodurch sich die ansonsten stets sehr einflussreichen Erzbischöfe Anno von Köln und Siegfried von Mainz auf unerträgliche Weise übergangen sahen.“
„Und entsprachen die Gerüchte über eine Liebschaft der Kaiserin mit dem Bischof denn tatsächlich der Wahrheit?“, fragte Widar, der natürlich auch von den einschlägigen Verdächtigungen gehört hatte, neugierig.
„Nun, viele Leute glaubten, dass ein so vertrauliches Verhältnis, wie es die beiden pflegten, nicht ohne unsittlichen Verkehr hätte erwachsen können.“, entgegnete der Pfalzhauptmann, „Und man sagte, dass die Gemächer der beiden stets sehr nahe beieinanderlagen, so dass es sehr leicht für den Galan war, sich heimlich in das Schlafgemach der Kaiserin zu schleichen.
Jedenfalls ist sie nicht, wie die selige Kaiserin Kunigunde mit bloßen Füßen über glühende Kohlen oder Pflugscharen gelaufen, um den Verdacht unzüchtiger Liebe auszuräumen“, kicherte Wolfgang genüsslich. „Gewiss - die Frau Agnes war nicht unansehnlich, wenngleich auch keine große Schönheit. Sie war ein bisschen dick, aber ihre recht großen Brüste, der kräftig gepolsterte Hintern und die breiten Hüften mögen dem Herrn Bischof schon gefallen haben.“
Er schüttelte den Kopf, ganz versunken in seine Erinnerungen. „Ich sehe sie noch auf dem Thron sitzen, die ineinander verschränkten Hände auf den Bauch gelegt und mit einer Miene, die Strenge und Frömmigkeit ausdrücken sollte, die aber doch immer ein bisschen ulkig wirkte.“
Wieder genehmigte sich der Pfalzhauptmann einen ordentlichen Schluck aus dem Humpen.
„Eins ist jedoch klar, das ganze Gerede über die Buhlschaft und das sündige Treiben der Kaiserin hat die Fürsten geradezu zu einem Umsturz herausgefordert, denn sie fürchteten, dass ihr Wort im Reich bald keinerlei Geltung mehr besitzen würde.
So taten sich im Frühjahr 1062 einige weltliche und geistliche Herren unter der Führung des Erzbischofs Anno von Köln zusammen, um Frau Agnes und ihrem Liebhaber das Zepter der Macht aus den Händen zu winden, indem sie den damals elfjährigen König in ihre Gewalt brachten. Mit listigen Worten lockten die Verschwörer während eines Aufenthalts der Kaiserin in der Pfalz Kaiserswerth am Rhein den arglosen König Heinrich auf ein Schiff und brachten ihn dann - gegen seinen Willen - nach Köln.
Die Kaiserin entschloss sich daraufhin, der Welt zu entsagen und ein klösterliches Leben zu führen, doch schob sie dieses Vorhaben dann bis zur Volljährigkeit ihres Sohns auf, vielleicht brannte ja die Liebe zum Bischof von Augsburg noch zu sehr in ihr!
Von nun an übernahm der Anno von Köln die Erziehung König Heinrichs und er soll ein sehr strenger, hartherziger, in jedem Falle aber machtbesessener Mann gewesen sein, der seinen unfreiwilligen Zögling gern dessen Unterlegenheit fühlen ließ, bis die Schwertleite den König dann endlich aus seiner Gefangenschaft befreite. Nun verzichtete auch die Kaiserin Agnes aus Buße für ihre Verfehlungen endgültig auf die Lenkung des Reiches und begab sich nach Rom, wo sie seitdem tatsächlich ein bußfertiges Klosterleben führen soll.“
Darauf wusste Widar nichts zu erwidern und auch Wolfgang verstummte für eine Weile. Doch dann fiel ihm noch etwas ein.
„Aber da du gerade hier bist, mein junger Freund, möchte ich dich um einen Gefallen bitten. Wenn du noch nichts anderes vorhast, dann könntest du heute oder morgen zur Waldmühle am Auslauf der Oker reiten, die der Pfalz zinspflichtig ist. Denn kürzlich wurde der Müller Diebold bei mir vorstellig und bat mich um Hilfe, da sich in letzter Zeit ein Bär gefährlich nahe bei der Mühle herumgetrieben hat. Vielleicht kannst du dich dort einmal umschauen und mir dann berichten, ob ich einen Jäger aussenden muss.“
„Gern“, erwiderte Widar, „Ich reite sofort, der Tag ist ja noch jung!“
Er verabschiedete sich von Wolfgang und ließ sich von Alma einen Beutel mit Proviant geben, dann schwang er sich in den Sattel und verließ, eine fröhliche Weise pfeifend, die Pfalz durch das kleinere Nordtor. Von dort aus lenkte er seinen Fuchs auf einen schmalen ausgefahrenen Weg, der sich, dem Lauf des Flüsschens Oder nach Osten folgend, durch eine hügelige Landschaft schlängelte, auf der sich eine Vielzahl von schmalen Ackerstreifen, Weiden und Brachen mit kleinen Gehölzen und Gebüschen abwechselten.
Eine halbe Stunde später traf der Weg auf eine von Osten kommende Straße, die breit genug für zwei nebeneinander fahrende Karren war und die in einem leicht nach Norden zeigenden Bogen, bis zu der am Rand der Harzberge stehenden Odermühle führte.
Zu dem von einem brusthohen Flechtzaun umgebenen Anwesen gehörten neben dem Mühlenhaus noch ein größerer strohgedeckter Stall und ein offener Unterstand, der Platz für ein Pferdefuhrwerk bot.
Beim Näherkommen sah Widar, dass an der linken Längsseite des großen, mit Holzschindeln gedeckten Fachwerkhauses, ein von der Oder abgeteilter Wasserlauf vorbeifloss, der bei Betrieb der Mühle das große unterschlächtige Mühlenrad antrieb, welches jetzt aber stillstand.
Rechts des von vielen Fuhrwerken, der in der Umgebung hausenden Bauern benutzten Fahrweges, erstreckte sich im Schatten einiger großer Buchen ein kleines Gartenstück, auf dem Kohlköpfe, Zwiebeln und gelbe Rüben wuchsen.
Inmitten der Gemüsepflanzen aber stand eine junge barfüßige Frau mit einer Hacke in der Hand und betrachtete den sich langsam nähernden Reiter mit neugierigen Blicken. Die Gärtnerin trug einen wadenlangen blauen Rock, einen hellgrauen Kittel und eine dunkelblaue Schürze. Sie hatte braune, in einem langen Zopf geflochtene Haare, grünliche Augen und sinnliche Lippen. Ihre Hüften waren breit, ihre Brüste rund, fest und von mittlerer Größe.
„Bist du die Müllerin?“, erkundigte sich Widar, nachdem er die junge Frau eingehend gemustert hatte.
„Nein, Herr“, erwiderte die Braunhaarige. „Ich bin nur die Magd. Anne heiße ich.“
„Und ich bin Widar von der Leineburg und reite im Auftrag des Pfalzgrafen von Pöhlde“, gab der Reiter zurück, dann fragte er: „Ist der Müller zuhause?“
„Nein, er ist mit der Müllerin und ihrem Sohn wegen einer Hochzeit nach Osterode zu Verwandten gefahren“, erwiderte die Magd und hielt dem Blick des Reiters ohne Scheu stand.
„Und hast du etwas von einem Bären gehört, der eurer Mühle gefährlich nahegekommen ist?“, erkundigte sich der Edeling.
„Ja gewiss Herr, das war allerdings schon vor zwei Wochen und seitdem ist er nicht mehr hier aufgetaucht. Aber …“, fuhr die Gefragte dann eilig fort, „kann ich euch vielleicht einen Becher Bier oder Most anbieten? Der Müller wäre bestimmt ungehalten, wenn ich einem edlen Herrn wie Euch nicht alle Gastfreundlichkeit erweisen würde!“
„Gern“, antwortete der Leineburger und stieg aus dem Sattel.
Die junge Frau stand jetzt ganz nah vor ihm und sah ihm von unten her herausfordernd in die Augen. Widar zog scharf die Luft durch die Nase, er spürte, dass er ihr mehr als nur gefiel und Lust, brennende Lust stieg unvermittelt in ihm auf.
Die Braunhaarige bat ihn, sich auf einer Bank neben der Haustür niederzulassen, dann verschwand sie im Haus, aus dem sie schon bald mit einem großen Becher in der Hand wieder zurückkehrte. Sie setzte sich neben ihren Gast und dieser stürzte das malzige, selbstgebraute Bier ohne abzusetzen herunter.
„Und kann ich sonst noch etwas für Euch tun?“, fragte Anne und ihr Blick wanderte angelegentlich zu der offenstehenden Tür des Stalles hinüber.
„Nun“, erwiderte Widar gedehnt, „da gäbe es schon noch etwas …“
Er räusperte sich und fuhr mit rauer Stimme fort: „Wie wäre es, wenn du mir mal das Innere dieses Stalles dort drüben zeigen würdest.“
„Das will ich gern tun“, gab Anne zurück, „aber nehmt Euch in Acht, denn ich bin heiß und kann kaum noch an mich halten!“
Sie eilten zum Eingang des Stalles und fanden gleich rechts neben der Tür eine große Schütte trockenen Strohs. Schnell raffte Anne ihre Röcke hoch bis zu den Hüften, ließ sich rückwärts ins Stroh sinken und spreizte erwartungsvoll die Beine.
Von ihrem aufreizenden Anblick bereits heftig erregt, kniete Widar zwischen Annes Schenkeln nieder, öffnete seinen Leibriemen und ließ die Hose nach unten rutschen. Dann glitt er in sie hinein, was ihr ein wohliges Stöhnen entlockte. Sie kam seinen Stößen mit schnellen rhythmischen Schwingungen ihres Beckens entgegen und so trieben sie ihre Leidenschaft vorwärts, bis sie schließlich gemeinsam den Augenblick der höchsten Lust und der Befriedigung erreichten.
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„Was erlauben sich diese tumben Sachsen!“, fauchte der König. „Der Magnus Billung bleibt als Gefangener auf der Harzburg. Punktum! Und meine Vögte auf den neuen Burgen treiben nur die Abgaben von den Bauern ein, die dem König zustehen!
Ich habe ihre Abgesandten doch bereits empfangen und mir ihre Beschwerden angehört! Und ich habe den ersten Tag des Heumonds als den Tag festgesetzt, an dem ich über ihre ständigen Nörgeleien entscheiden werde. Die starrsinnigen Holzköpfe sollen verschwinden, sonst lasse ich sie wegen Aufruhrs gegen den König ebenfalls in den Kerker sperren!“
Der junge König war über die Störung durch den Majordomus der Pfalz Goslar, der ihm die Kunde von den vor der Pfalz wartenden Sachsen gebracht hatte, reichlich ungehalten, denn in seinem Schlafzimmer nebenan wartete eine blutjunge Dame aus slawischem Adel auf ihn und der Gedanke an ihre sehr großen Brüste, denen es trotz ihres Umfangs nicht an Straffheit gebrach, schwemmte jeden Gedanken an die leidigen Staatsgeschäfte in ihm fort.
Der Hausmeier Otfried kannte den König gut genug, um zu wissen, dass für den dreiundzwanzigjährigen Salier in diesem Augenblick nichts unwichtiger war, als die Beschwerden der Abgesandten der sächsischen Edlen und Frilinge. Ergeben verneigte er sich und verließ das königliche Gemach.
„Und?“, fragte Benno, einer der treuesten Gefolgsleute des Salierkönigs, der vor der Tür auf den Majordomus gewartet hatte. „Was sagt er?“
Otfried schüttelte den Kopf. „Er will sie nicht anhören. Wir sollen sie fortschicken.“
„Das werden sie sich nicht gefallen lassen. Das wird Ärger geben!“, knurrte der stämmige schwarzhaarige Königsmann.
„Wir müssen ihnen eben gut zureden und sie auf den vom König festgesetzten Verhandlungstag vertrösten“, sagte der Hausmeier und zog die Stirn kraus.
„Das musst du machen, für so etwas bin ich nicht geschaffen“, brummte Benno und schniefte vernehmlich, „Dafür ist meine Zunge nicht wendig und meine Sprache nicht honigsüß genug!“
„Ich werde mein Bestes geben“, seufzte Otfried, „aber leicht wird es nicht! Ich sorge tatsächlich, dass uns aus dieser Angelegenheit noch viel Ungemach erwachsen wird!“
Inzwischen hatte der König endlich Zeit und Muße gefunden, um sich seiner Konkubine mit der erforderlichen Hingabe zu widmen. Malgorzata, die Tochter eines Zirzipanenhäuptlings, die als Geisel an seinen Hof gekommen war, lag - nur noch mit einem fast durchsichtigen Hemd bekleidet - auf seinem Bett, die Arme unter ihrem hübschen Kopf verschränkt, die langen Beine mit den zierlichen Füßen leicht gespreizt.
„Weißt du“, sagte Heinrich zu ihr, während er seine königlichen Gewänder ablegte, „der verdammte Anno, der Saubischof, hat mich gehalten wie seinen Jagdhund, keinen Blick auf die Weiber, keine noch so kleine Sünde hat er mir gegönnt und durchgehen lassen. Ich habe ihn gehasst, diesen Kerl mit seiner lehmigen Haut, seinem immer zu einer steinernen Maske erstarrten Gesicht und seiner grauenhaft hohen Fistelstimme. Verstehst du, was ich meine?“
„Ja, ja“, … antwortete sie, obwohl er wusste, dass sie nicht das Geringste verstand.
Das war auch nicht erforderlich, viel wichtiger war, dass sie das aufregende Spiel der Liebe verstand, und das verstand sie wirklich sehr gut.
Während sich der Salier hingebungsvoll den Brüsten der schönen Wendin widmete, griff sie ihm ohne Scheu zwischen die Beine und führte sein königliches Geschlecht zielsicher in ihre Scheide ein.
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Seit drei Tagen suchte Anne an jedem Nachmittag ihren Aussichtsplatz auf einem nur von wenigen Bäumen bestandenen Hügel vor dem Taleingang der Oder auf, von dem sie mit erwartungsvollem Blick unentwegt Ausschau nach Widar von Leineburg hielt, der ihr beim Abschied nach ihrem ersten Treffen versprochen hatte, sie in Kürze erneut zu besuchen.
Tief in sich spürte die bereits recht erfahrene Frau ein heftiges Verlangen nach den Umarmungen des jungen Edelings, der sie befriedigt hatte, wie es noch keinem anderen Mann vor ihm gelungen war.
Die Magd des Müllers war sich ihrer Wirkung auf Männer durchaus bewusst. In großer Regelmäßigkeit folgten ihr deren begierige Blicke, wenn ihre breiten Hüften beim Gehen auf durchaus aufreizende Weise hin und her schwangen und ihre Brüste herausfordernd wippten. Und sie scheute sich auch nicht davor, sich den Männern, die ihr Gefallen gefunden hatten, hemmungslos hinzugeben.
Selbst Kizo, der schwäbische Vogt der Burg Sachsenstein, hatte ein Auge auf sie geworfen und natürlich auch Konrad, der Sohn des Müllers. Doch da dieser ihr unmissverständlich klar gemacht hatte, dass er sie niemals heiraten könnte, da er schon der Gerlinde von der Innerstemühle versprochen war, sondern dass er ihr einfach nur beiliegen wollte, hatte sie seinem Drängen immer nur nachgegeben, wenn er ihr zuvor ein Geschenk gemacht hatte.
Endlich - die Sonne schickte sich bereits an ihren Tageslauf zu beenden - sah Anne den sehnlichst Erwarteten kommen. Freudig winkte sie dem Reiter zu, stieg den Hang des Hügels hinab und lief ihm flinken Fußes entgegen. Widar brachte seinen Fuchs zum Stehen, streckte ihr die Arme entgegen und nahm sie vor sich in den Sattel. Nach einem kurzen Ritt zügelte der Leineburger den Hengst vor dem Stall der Odermühle, setzte Anne ab und sprang selbst vom Rücken des Pferdes. Er sah sich nach dem Müller um, doch die Magd zog ihn ohne große Umstände in den Stall und auf die große Schütte Stroh.
Der Müller Diebold hatte das recht unsittliche Verhalten der beiden aus dem Fenster seiner Wohnstube gesehen, doch anstatt sie zur Ordnung zu rufen, schüttelte er nur den Kopf. Wenn so ein Edeling seine Magd begehrte, dann hielt er sich besser heraus.
Sein Weib Gudrun allerdings sah nicht ohne Neid auf den stattlichen jungen Mann und hätte jetzt gar nicht ungern die Stelle der lüsternen Magd eingenommen, denn ihr mehr als ein Dutzend Jahre älterer Gemahl hatte heuer nur noch wenig Interesse an der Einforderung ihrer ehelichen Pflichten.
Von Pflichten konnte unterdessen bei den beiden jungen Menschen im Stall keine Rede sein. Begehren und Wollust trieben sie an, hatten ihre nackten Leiber erhitzt und in Schweiß gebadet. Mit wilder Leidenschaft gaben sie sich einander hin, bis sie gemeinsam die Pforte zum Garten der wunderbarsten Gefühle durchschritten.
Danach lag Anne auf dem Bauch, den Kopf in die Beuge ihrer gekreuzten Arme geschmiegt. Widar ließ seine Fingerkuppen durch die Rinne ihres Rückgrats gleiten, dann schlug ihr mit der flachen Hand auf die prallen Hinterbacken, so dass es laut klatschte.
„He“, rief sie, „ich bin doch kein Mehlsack!“
Sie drehte sich auf die Seite und sah ihm in die Augen.
„Du verdrehst mir ganz schön den Kopf, du … du schöner Mann!“
Nachdem sich der Leineburger wieder angezogen und Anne ihm den einen und anderen Strohhalm aus den Haaren gesammelt hatte, verließ Widar den Stall und suchte den Müller in seiner Wohnstube auf.
„Gott zum Gruß, Müller!“, sagte er unbefangen und ohne mit einem Wort auf sein Treffen mit Anne einzugehen. „Ich war vor vier Tagen auf Wunsch des Herr Wolfgang von der Pfalz Pöhlde schon einmal hier, weil deine Mühle von einem Bären heimgesucht wurde. Hat sich der Braune inzwischen noch einmal hier sehen lassen?“
„Er ist nicht mehr gekommen, aber es ist ja auch schon fast drei Wochen her, seit ich bei Herrn Wolfgang war“, erwiderte Diebold mit leichtem Vorwurf in der Stimme. „Aber kürzlich kam Sieghard, einer der Köhler vom Oderhain hier vorbei und erzählte mir, dass der Petzel in der Nähe ihres Lagers herumstrich.“
„Und wie weit ist es von hier bis zu den Köhlern?“, erkundigte sich Widar gespannt.