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Bei der jährlichen Treibjagd wird Viril Graf von Tynnis versehentlich angeschossen. Er überlebt mit einer Fleischwunde. Es war ein tragischer Unfall, an dem der Graf nicht ganz unschuldig war, doch seine Frau, Gräfin Xenia, will mit dem zutiefst unglücklichen Täter, dem allseits beliebten Bernhard Fürst von Hochstein-Eckersburg keinen weiteren Kontakt halten. Sie geht sogar so weit, dass sie Bernhard des Hofes verweist, als er seinen besten Freund besuchen will. Immer und immer wieder versucht der Fürst, Kontakt zu dem Grafen herzustellen, der jedes Mal abgewehrt wird. Die einst so innige Männerfreundschaft scheint vorbei.
In seiner Wut und Enttäuschung verbietet Bernhard seinem Sohn Daniel fortan den Kontakt mit Virils Tochter Alina. Und auch Gräfin Xenia hat Alina längst verboten, den Fürstensohn weiterhin zu treffen. Das junge Paar ist verzweifelt. Ihre Liebe soll nun verboten sein?
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Seitenzahl: 133
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Verbotene Romanze
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Impressum
Verbotene Romanze
Ein Jagdunfall zerstört die Verbindung zweier Adelshäuser
Von Alexa Leopold
Bei der jährlichen Treibjagd wird Viril Graf von Tynnis versehentlich angeschossen. Er überlebt mit einer Fleischwunde. Es war ein tragischer Unfall, an dem der Graf nicht ganz unschuldig war, doch seine Frau, Gräfin Xenia, will mit dem zutiefst unglücklichen Täter, dem allseits beliebten Bernhard Fürst von Hochstein-Eckersburg keinen weiteren Kontakt halten. Sie geht sogar so weit, dass sie Bernhard des Hofes verweist, als er seinen besten Freund besuchen will. Immer und immer wieder versucht der Fürst, Kontakt zu dem Grafen herzustellen, der jedes Mal abgewehrt wird. Die einst so innige Männerfreundschaft scheint vorbei.
In seiner Wut und Enttäuschung verbietet Bernhard seinem Sohn Daniel fortan den Kontakt mit Virils Tochter Alina. Und auch Gräfin Xenia hat Alina längst verboten, den Fürstensohn weiterhin zu treffen. Das junge Paar ist verzweifelt. Ihre Liebe soll nun verboten sein?
»Guten Morgen, Gräfin Kogani!« Lebhaft und gut gelaunt begrüßte Bernhard Fürst von Hochstein-Eckersburg eine etwas aufgedonnert wirkende Dame in Jagdkleidung, die im Hof der Stallungen neben einem prächtigen Rotfuchs stand. Diese erwiderte den Gruß, während sie noch an dem Steigbügel ihres Sattels nestelte.
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen? Ist etwas nicht in Ordnung?«, erkundigte sich Bernhard aufmerksam und trat noch einen Schritt näher. Als Gastgeber achtete er peinlich genau darauf, dass alle seine Gäste zufrieden waren.
»Ach, es geht schon«, kam die etwas ungehaltene Antwort. »Die Aufhängung war ganz verdreht, wohl ein Fehler des Stallburschen.«
Die Dame warf ihren Kopf arrogant in den Nacken und Bernhard wusste, dass jetzt Vorsicht geboten war. Er strich sich rasch über seine kurzen Haare, die bereits einiges Grau aufwiesen, was ihm bestens stand. Sie bildeten einen attraktiven Kontrast zu seinen lebhaften blauen Augen.
»Ich kümmere mich nach der Jagd sofort darum, dass so etwas nicht wieder passiert«, antwortete er zuvorkommend.
Die Gräfin schnaubte ein halbes Lachen.
»Nun, für diese Saison ist das wohl vorbei, mein Lieber. Schließlich ist das heute der letzte Jagdtag.«
Bernhard musste ihr zustimmen. »Da haben Sie allerdings recht, Gräfin. Ich hoffe, Sie nehmen diesen kleinen Fauxpas nicht übel. Vielleicht war es einer der neuen Stallburschen, die gerade erst eingestellt wurden.«
Jetzt lächelte die Gräfin kokett und wurde privater.
»Nein, Bernhard, Ihnen kann ich das einfach nicht übel nehmen. Das wissen Sie genau. Und wenn Sie mich einladen – falls Sie das tun –, komme ich nächstes Jahr natürlich auch wieder.«
Bernhard lächelte höflich zurück und stieg kurz auf ihren Ton ein.
»Das würde mich natürlich sehr freuen, Cynthia. Ich zähle auf Sie. – Oh, ich sehe gerade, dass Xenia Gräfin von Tynnis mit ihrem Mann eingetroffen ist. Wollen wir sie gemeinsam begrüßen? Die Gräfin ist doch eng mit Ihnen befreundet, soweit ich weiß.«
Ein Leuchten lief über Cynthias Gesicht, als sie der Gräfin ansichtig wurde.
»Oh, mit dem größten Vergnügen, lieber Fürst«, gab sie zurück und winkte einem Burschen, um ihm die Zügel zu übergeben.
Dann hakte sie sich bei Bernhard ein und beide traten auf die Ankömmlinge zu. Cynthia war nicht nur sehr intensiv blond, sondern auch etwas überschminkt, wie meistens. Ansonsten war das Paar ausgesucht elegant gekleidet und stand der edlen Jagdkleidung des Fürsten in keiner Weise nach.
Die Begrüßung war herzlich. Einzig Xenia hielt einen gewissen Abstand zu Bernhard und ihr Blick war kühler, als er seinem begegnete. Der Fürst kannte das bereits. Xenia sah die enge Männerfreundschaft zwischen ihm und Viril nicht immer gern.
Anschließend zog Cynthia ihre Freundin auf die Seite, um mit ihr allein zu sprechen, und so hatten Bernhard und sein bester Freund, Viril Graf von Tynnis, die Gelegenheit, kurz miteinander zu plaudern.
»Na, mein Lieber«, begann Viril und klopfte seinem Freund auf den Rücken, »hat Cynthia dich mal wieder umgarnt?« Der leise, aber liebevolle Spott in seiner Stimme war nicht zu überhören. Bernhard zuckte die Schultern, und Viril lachte leise.
»Du bist ein sehr begehrter Witwer, Bernhard. Schließlich siehst du blendend aus und bist auch ausgesprochen fit. Außerdem bist du schon einige Jahre allein und solch eine Jagd ist doch ein guter Anlass für die alleinstehenden Damen, dir etwas genauer auf den Zahn zu fühlen. Gräfin Cynthia jedenfalls ist an dir schon länger höchst interessiert. Das ist kaum zu übersehen, jedenfalls für mich.«
Neidlos blickte er seinen Freund an. Die beiden Männer waren etwa gleich groß, aber Viril wirkte etwas gedrungener. Er hatte außerdem einen dunkleren Teint und noch immer intensiv schwarze Haare, in die sich nur hier und da etwas Grau mischte.
»Aber ich bin nicht an ihr interessiert«, gab Bernhard leise knurrend zurück und grinste. Dann sah er sich um. »Wo ist denn eure reizende Tochter Alina geblieben? Will sie heute nicht mitreiten?«
Bernhard zog eine Schulter hoch.
»Na, wo wird sie schon sein? Im Stall natürlich. Sie ist ja eine Pferde- und generell eine Tiernärrin. Außerdem ist dein Daniel auch im Stall. Ich habe in diesen Tagen so den Eindruck gewonnen, dass die beiden ...«
Erstaunt schaute Bernhard den Freund an.
»Was denn, unsere beiden? Wie kommst du darauf? Ist mir da etwas entgangen?«
Viril grinste verschmitzt. »Offenbar. Hast du denn nicht gesehen, wie sie sich diese Woche angesehen haben? Und dass sie immer zusammengesteckt haben?«
»Ja, das Zusammenstecken habe ich wohl mitbekommen. Aber sie kennen sich doch schon seit Jahren und sind enge Freunde.«
»Nun, mein Lieber, dann mach dich darauf gefasst, dass es dieses Mal wohl mehr ist als Freundschaft. Da scheint eine kleine Liebelei oder auch etwas Ernsthaftes zu entstehen.« Viril lachte erneut. »Es sei den beiden gegönnt, jedenfalls von meiner Seite. Ich könnte mir keinen Besseren als deinen Daniel für meine kleine Komtess vorstellen.«
Bernhard war verblüfft. »Meinst du, dass es schon so ernsthaft ist? Das wollen wir erst einmal abwarten. Sie sind ja noch jung, die beiden.«
Viril zog ein zweifelndes Gesicht. »So jung aber auch nicht mehr. Meine Tochter ist bereits fünfundzwanzig und hat ihr Tiermedizin-Studium bald beendet.«
Bernhard senkte zustimmend den Kopf.
»Und mein Daniel ist tatsächlich schon achtundzwanzig und leitet erfolgreich unser Gestüt. Du hast natürlich völlig recht. Er hatte ja schon einige Freundinnen, aber da war nie etwas Bleibendes dabei. Na, mein Lieber, dann behalten wir das mal im Auge und warten ab. Ich könnte mir keine schönere und klügere Schwiegertochter vorstellen.«
Er schmunzelte. Dann reckte er den Hals, denn neue Tiere wurden aus dem Stall geführt und in seine Richtung gebracht.
»Ich denke, eure Pferde kommen gerade. Das passt wie gerufen. Wir haben aber noch etwas Zeit. Meine Söhne sind offensichtlich noch im Stall und auch die Gäste sind noch nicht vollzählig. Da sind wohl doch einige Langschläfer dabei.«
Er grinste gutmütig, und Viril tat es ihm nach.
»Na ja, nicht jeder steht gern in aller Herrgottsfrühe auf. Noch dazu bei diesem kühlen Wetter. Es soll ja wenigstens trocken bleiben heute, aber es ist schon recht kalt für den jetzigen Spätsommer. Es wird wohl doch schon bald Herbst.«
Bernhard nickte weiteren Gästen zu, die eintrafen und verabschiedete sich fürs Erste von Viril.
»Ich muss meine Gastgeberpflichten erfüllen«, sagte er bedauernd und fügte hinzu: »Waidmannsheil, Viril.« Dabei klopfte er seinem Freund auf die Schulter.
»Das wünsche ich dir auch, Bernhard. Ich werde derweil mal schauen, wo meine Frau abgeblieben ist. Sie steckt wahrscheinlich immer noch mit Cynthia zusammen.«
Es war nicht zu überhören, dass er davon nicht viel hielt. Bernhard machte sich lachend auf den Weg.
Er wich Cynthia geschickt aus, die ihn intensiv mit den Augen verfolgte. So hob er nur die Hand und sie verstand, dass er sich um weitere Gäste kümmern musste. Gerade begrüßte er das Fürstenpaar Helena und Viktor von Mickburg-Pagen sowie deren gerade knapp erwachsenen Sohn Theodor, der zum ersten Mal an einer Treibjagd teilnahm und entsprechend aufgeregt war. Der hoch aufgeschossene und schmalschulterige junge Mann gab sich Mühe, sein Pferd Billfred zu halten, das die Anspannung spürte und nervös hin- und hertanzte. Bernhard warf einen kritischen Blick auf das Tier.
»Kommst du mit deinem Pferd zurecht, Theodor, oder sollen wir dir ein anderes Tier geben?«
Der junge Mann sah den Sprecher etwas unglücklich an, aber er hatte sich vorgenommen, das allein zu schaffen.
»Danke, Durchlaucht, aber ich denke, das gibt sich schon, wenn es erst einmal losgeht.«
Bernhard nickte zufrieden. »Da hast du wohl recht, mein Junge. Gut so«, sagte er freundlich und nahm seinen Rundgang über den Hof wieder auf.
»Da seid ihr ja endlich! Wo habt ihr denn bloß gesteckt?«
Der Fürst wirkte etwas ungehalten, als seine beiden erwachsenen Söhne Daniel und der wenige Jahre ältere Michael in Begleitung von Alina endlich ebenfalls auf dem Hof auftauchten. Alle drei lächelten und schienen sich angeregt unterhalten zu haben. Daniel beugte sich rasch beiseite und flüsterte der hübschen Komtess noch etwas ins Ohr. Dann nickte Alina dem Fürsten freundlich zu und sah sich nach ihren Eltern um, um sich diesen anzuschließen.
Daniel senkte währenddessen ebenso wie Michael schuldbewusst den Kopf. So blickte der Fürst nur auf zwei schwarze Lockenköpfe.
»Wir haben uns mit Gräfin Xenia verquatscht«, erklärte Daniel.
Erstaunt blickte der Vater ihn an. »Mit Gräfin Xenia? Was wollte sie denn von euch?«
Die Brüder hoben den Blick. »Sie hat sich angelegentlich nach Young Sun erkundigt. Wir konnten sie doch nicht einfach abweisen«, sagte Daniel.
»Das wäre problematisch geworden, das stimmt«, entgegnete der Fürst, der das oft schlecht einzuschätzende Temperament der Gräfin nur zu gut kannte.
»Der Rappe ist eines unserer wertvollsten Tiere im Stall. Warum hat sie nach ihm gefragt? Sie kennt ihn doch«, überlegte er laut.
»Ja«, mischte sich Michael ein. »Sie kennt ihn aber nur von der Rennbahn. Sie wollte ihn offenbar einmal genauer in Augenschein nehmen. Er ist ja auch eine Augenweide. Außerdem, da sie nun einmal da war, wollte sie auch Alistair sehen.«
Das Erstaunen des Fürsten wuchs.
»Alistair? Warum denn das? Will sie etwa in die Zucht einsteigen? Das hätte Viril mir aber bestimmt schon erzählt – natürlich nur, wenn er davon weiß.«
Daniel und Michael zuckten mit den Schultern.
»Keine Ahnung«, kam es unisono von ihnen.
»Sehr merkwürdig«, murmelte ihr Vater. Dann sammelte er sich und blickte über den Hof, der von Menschen und Pferden sowie den höchst aufgeregten Jagdhunden nur so wimmelte. »Jetzt aber los. Die meisten sind schon da. Es fehlen, glaube ich, keine Gäste mehr, oder? Der Willkommensgruß wird gleich geblasen. Ich werde mal aufsitzen und schauen, ob alle da sind.«
Trotz seiner neunundfünfzig Jahre schwang sich Fürst Bernhard mit Leichtigkeit in den Sattel. Das Reiten war eine seiner Lieblingsbeschäftigungen in seiner knappen Freizeit. Es hielt ihn jung, und seine Söhne bewunderten ihn für seine gute Konstitution.
Bernhards Blick schweifte über die Jagdgesellschaft und er nickte dem Bläser zufrieden zu. Dieser hob das Horn an die Lippen und blies das Willkommen. Alle saßen rasch auf, das kurze Hornsignal »Aufbruch zur Jagd« ertönte und die Hundemeute, die Treiber und die adelige Gemeinschaft stoben unter lautem Hufgetrappel und Jauchzer hinaus Richtung Wald.
Als der Schuss fiel, erregte das zunächst kein Aufsehen. Doch der anschließende gellende Schrei drang weit durch den Wald und war alles andere als normal. Und die hohen, spitzen Rufe, die darauf folgten, sowie weitere sonore Schreie waren auch nicht das, was eine Jagdgesellschaft normalerweise im Wald zu hören bekam. Es musste etwas Schlimmes passiert sein.
»Viiirriiil!«, schrie Xenia aus Leibeskräften, während sie ihr Pferd mit den Hacken brutal antrieb.
Ihr Mann lag im Gras, das verwirrte Reittier, auf dem er gesessen hatte, stand ein Stück weiter auf der Lichtung und senkte den Kopf, um ein wenig frisches Gras zu genießen.
»Viril, mein Lieber, was ist passiert?« Xenia war abgesprungen und kniete an der Seite ihres Mannes. Dieser hatte die Augen geschlossen, aber er atmete. Dann sah sie das Blut.
»Hilfe«, schrie sie, und die Tränen stürzten ihr aus den Augen. »Hilfe, Hilfe.«
Sie selbst war völlig hilflos angesichts des Unglücks. Sie schlug abwechselnd die Hände vors Gesicht, dann wieder streichelte sie den Kopf des Verunglückten.
»Ich bin schon da, Xenia, lass mich ran«, keuchte eine Stimme hinter ihr.
Bernhard war über die Lichtung galoppiert und bereits abgesprungen, bevor sein Tier richtig angehalten hatte. Seine Augen waren vor Schreck weit aufgerissen, sein Gesicht totenblass.
Xenia rutschte ein Stück zur Seite. Nun würde alles wieder gut werden, dachte sie. Sie verließ sich in diesem Moment auf Bernhard als Mann der Tat, auch wenn sie diese so sehr enge Männerfreundschaft öfter verurteilte. Sie war ihr einfach unheimlich.
»Er ist einfach vom Pferd gefallen, Bernhard!«, jammerte sie. »Das viele Blut! Ist er ...«
Doch Bernhard schien sie gar nicht zu hören.
»Ruf den Krankenwagen, Xenia«, ordnete er knapp an, dann beugte er sich wieder hinunter.
»Viril, Viril, kannst du mich hören?«, rief er in höchster Angst. Doch der Freund war offenbar bewusstlos. Vorsichtig betastete Bernhard Virils Arme und Beine.
»Es scheint nichts gebrochen zu sein«, stellte er erleichtert fest.
Während Xenia in ihrer Verwirrung wild auf den Tasten ihres Handys herumdrückte, drehte er den Freund vorsichtig auf die unverletzte Seite. Er sah das Loch in der Jacke, direkt über der Hüfte, sofort und die Tränen traten ihm in die Augen.
»Viril, es tut mir so leid«, schluchzte er. »Aber was hast du auch auf dieser Lichtung an dieser Stelle zu suchen? Das ist doch Schussgebiet.«
Er schniefte ein paar Mal. Schließlich reichte ihm Xenia ein Taschentuch.
Währenddessen versuchte er vergeblich, Viril seine Jacke auszuziehen und mithilfe des Hemdes einen Verband anzulegen. Doch es gelang ihm mit seinen zitternden Händen nicht, und er musste das Vorhaben wieder aufgeben. Immerhin hatte die Blutung aufgehört. Ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war, wusste er nicht. Verzweifelt hoffte er, dass schnell Hilfe kommen würde.
Dann spürte er, dass ihn Xenia mit verquollenen Augen anstarrte. Die schwarze Wimperntusche lief ihr über die Wangen.
»Was soll das heißen, Bernhard?«, fragte sie jetzt gefährlich leise. Offenbar hatte sie erstaunlich schnell geschaltet. »Willst du damit etwa sagen, dass er hier nicht hätte reiten dürfen? Willst du damit etwa andeuten, dass er von jemanden unserer Gesellschaft angeschossen wurde? Und wer sollte so etwas ...« Dann schienen ihr fast die Augen aus dem Gesicht zu treten. »Du! Du hast ihn angeschossen?!«
Ihre Augen schienen noch größer zu werden, während Bernhards Tränen erneut flossen. Er nickte.
»Es war ein Unfall, Xenia. Ein furchtbarer Unfall. Das musst du mir glauben«, sagte er fast flehentlich. »Ich habe ihn nicht kommen sehen, ich war ganz auf das Wild konzentriert, das gerade im Waldstück dort drüben« – er zeigte mit dem Arm nach links in die ungefähre Richtung – »zu verschwinden drohte. Ich wollte es unbedingt erlegen, bevor es unerreichbar geworden wäre.«
Er machte eine Pause, denn er musste sich schon wieder die Nase putzen.
Dann fuhr er etwas ruhiger fort:
»Ich stand dort drüben am gegenüberliegenden Waldrand. Er hat mich wahrscheinlich nicht gesehen.« Er wies mit dem Arm nach rechts. »In dem Moment, als ich abgedrückt habe, stürmte Viril auf seinem Pferd in vollem Galopp in die Schussbahn. Was hätte ich machen sollen? Es ging alles so furchtbar schnell. Ich konnte die Kugel doch nicht mehr aufhalten, Xenia, ich konnte nur noch zusehen, wie er getroffen wurde und vom Pferd fiel.«
Bernhard machte eine kurze Pause.
»Aber er hätte hier nicht so unkontrolliert quer zu unseren Jagdbahnen reiten dürfen. Das muss er doch gewusst haben. Ich weiß nicht, warum er es getan hat. Das heißt, ich kann nur vermuten, dass er auch hinter demselben Wild her war wie ich und im Jagdfieber nicht aufgepasst hat.«
Erneut schüttelte es Bernhard, aber Xenias Augen waren bei seinen Worten schmal und hart geworden. Jedes andere Gefühl außer einer kalten Wut war daraus verschwunden.
»Wenn er stirbt, hast du ihn auf dem Gewissen, Bernhard. Das vergesse ich dir nie, das schwöre ich dir jetzt und hier, an der Seite meines Gatten, den du angeschossen hast.«
Ihre Stimme war ebenso kalt und hart wie ihre Augen.
»Hast du den Notruf erreicht?«, fragte Bernhard, der ihr nur halb zugehört hatte. Seine volle Konzentration galt seinem Freund.
»Es hat nicht geklappt«, sagte Xenia kurz angebunden.