Fürsten-Roman 2703 - Nina Baumgarten - E-Book

Fürsten-Roman 2703 E-Book

Nina Baumgarten

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Beschreibung

Charlotte Prinzessin von Wachenheim ist sehr zufrieden mit ihrem Leben im Wüstenstaat Dubai. Sie hat einen guten Job in der Pharmaindustrie und vor allem die Möglichkeit, die Vergangenheit endlich hinter sich zu lassen. Mit ihren Eltern, dem Fürstenpaar, verstand sie sich zuletzt nicht sonderlich gut, und mit ihrem Ex-Freund Jan verbindet bis heute sie nur jede Menge Gefühlschaos und ungeklärte Fragen. Als er ihr plötzlich als neuer Chef gegenübersteht, gerät ihre Welt aus den Fugen. Und als er ihr dann noch weismachen will, er sei hier in den Emiraten, um sie zurückzugewinnen, weiß sie nicht mehr, was sie glauben soll. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle nimmt ihren Lauf, seltsame Dinge im Büro geschehen ...
Als Jan sie verdächtigt, dafür verantwortlich zu sein, verliert Charlotte jegliche Hoffnung in das erneute Aufflammen ihrer Freundschaft. Vielleicht sollte sie sich doch lieber dem charmanten Firmenboss Ali al-Mahadi zuwenden?


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Inhalt

Cover

Herzklopfen in Dubai

Vorschau

Impressum

Herzklopfen in Dubai

Bekommt ihre Liebe eine zweite Chance?

Von Nina Baumgarten

Charlotte Prinzessin von Wachenheim ist sehr zufrieden mit ihrem Leben im Wüstenstaat Dubai. Sie hat einen guten Job in der Pharmaindustrie und vor allem die Möglichkeit, die Vergangenheit endlich hinter sich zu lassen. Mit ihren Eltern, dem Fürstenpaar, verstand sie sich zuletzt nicht sonderlich gut, und mit ihrem Ex-Freund Jan verbindet bis heute sie nur jede Menge Gefühlschaos und ungeklärte Fragen. Als er ihr plötzlich als neuer Chef gegenübersteht, gerät ihre Welt aus den Fugen. Und als er ihr dann noch weismachen will, er sei hier in den Emiraten, um sie zurückzugewinnen, weiß sie nicht mehr, was sie glauben soll. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle nimmt ihren Lauf, seltsame Dinge im Büro geschehen ...

Als Jan sie verdächtigt, dafür verantwortlich zu sein, verliert Charlotte jegliche Hoffnung in das erneute Aufflammen ihrer Freundschaft. Vielleicht sollte sie sich doch lieber dem charmanten Firmenboss Ali al-Mahadi zuwenden?

Prinzessin Charlotte kurvte mit ihrem weißen Sportwagen die Sheik Zayed Road entlang, so schnell es der dichte morgendliche Verkehr erlaubte. Die Sonne brannte an diesem Septembermorgen bereits heiß auf die Arabische Halbinsel und ließ Chrom und Glas der Hochhäuser blitzen.

Sie atmete auf, als sich die Blechkolonnen endlich lichteten und sie in den außerhalb von Dubai City gelegenen Industriepark abbiegen konnte. Obwohl es erst neun Uhr morgens war, traf sie ein Schwall heißer Luft, als sie den Wagen verließ und den Firmenparkplatz überquerte.

Kaum hatte sie ihr Büro in der 25. Etage des spiegelnden Towers von EmiratesPharma betreten, klingelte ihr Telefon. Charlotte sah die interne Nummer der Chefsekretärin im Display und nahm eilig ab.

»Guten Morgen, Helen.«

»Morgen, Charlie. Können Sie bitte gleich mal zum Chef kommen?«, bat die Sekretärin der Geschäftsführung.

»Natürlich. Soll ich irgendwelche Unterlagen mitbringen?« Mit der freien Hand strich sich Charlotte den vom Sitzen im Auto verknitterten Rock glatt.

»Nein, nichts. Bis gleich!« Helen legte auf.

Das konnte nur eines bedeuten und würde möglicherweise ein wichtiger Moment in ihrem Leben sein.

Eilig nahm Charlotte eine Bürste aus ihrer Handtasche, glättete damit ihr über die Schultern gehendes hellblondes Haar und schlang es zu einem lockeren Knoten, der besser zu ihrem Business-Outfit passte und sie weniger mädchenhaft wirken ließ.

Kurz darauf betrat sie mit klopfendem Herzen das Vorzimmer von Mark Browning, Geschäftsführer des in Dubai sitzenden Pharmaunternehmens.

»Wissen Sie, worum es geht, Helen?«, wollte Charlotte angespannt wissen.

»Um den Abteilungsleiterposten«, gab die gepflegte Dame in mittleren Jahren Auskunft.

Hatte sie es doch geahnt! In Charlottes blaugrünen Augen blitzte es auf. »Haben die sich jetzt entschieden?«

»Ja.« Die Assistentin scrollte geschäftig auf ihrem Bildschirm herum, als wollte sie Charlottes Blick meiden. »Mark wird Ihnen gleich mehr darüber sagen.«

»Bitte, spannen Sie mich nicht so auf die Folter!«

Helen seufzte. »Ich weiß, Sie haben sich für den Posten beworben. Aber sie haben sich für jemand anderen entschieden. Er wird schon morgen anfangen.«

»Er? Also ein Mann. War ja klar«, sagte Charlotte enttäuscht. »Jemand aus dem Unternehmen?«

»Nein, ein Externer. Ebenfalls aus Deutschland und frisch eingeflogen.« Sie wies auf einen großen Koffer, der in einer Ecke des Vorzimmers abgestellt worden war. »Mark möchte ihn Ihnen als Erste vorstellen.«

Immerhin ein netter Zug vom Chef, sie nicht im Beisein des ganzen Teams vor vollendete Tatsachen zu stellen. Alle wussten ja, dass sie sich Hoffnungen auf den Posten gemacht hatte.

Charlotte atmete tief durch und versuchte, ihrer Enttäuschung Herr zu werden.

»Ach, aus Deutschland? Wissen Sie, wo er vorher gearbeitet hat?«

»Er war in der Pharmaforschung in Deutschland tätig, ich habe mir aber nicht gemerkt, bei welchem Unternehmen. Er hat auch Medizin studiert und einige Jahre im Krankenhaus gearbeitet«, gab Helen bereitwillig Auskunft. »Und zuletzt war er Inhaber von zwei Apotheken in Köln.«

Charlotte, die gerade anklopfen wollte, ließ die Hand sinken. In ihrer Magengrube breitete sich ein ungutes Gefühl aus.

Nein, das konnte nicht sein.

Es gab in Köln sicher mehrere Apothekenbesitzer mit Medizinstudium, die irgendwann mal in der Pharmaforschung gearbeitet hatten.

Sie klopfte energisch, drückte die Klinke hinunter und betrat mit festen Schritten das Chefbüro.

»Guten Morgen, Mark.« Sie zwang sich, den Blick zuerst auf den Geschäftsführer zu richten und nicht auf seinen Besucher, der ihr neuer Vorgesetzter sein würde.

Mark Browning nickte ihr freundlich zu und ruckelte an seiner Goldrandbrille. »Good morning, Charlie.«

Normalerweise mochte Charlotte die informelle Anrede, die im Unternehmen üblich war. Charlie gefiel ihr wesentlich besser als Charlotte, und ihren Adelstitel empfand sie ohnehin als lästigen Ballast. Doch in diesem Moment wünschte sie sich ausnahmsweise, als Prinzessin Charlotte von Wachenheim angesprochen zu werden. Es hätte ihr die Würde verliehen, die sie in dieser Situation dringend gebraucht hätte.

Sie ließ den Blick zu dem schlanken schwarzhaarigen Mann im grauen Anzug schweifen, der im Besuchersessel vor dem Schreibtisch saß und sich nun erhob, um sie zu begrüßen. Das Blut schoss in ihren Kopf, und die nächsten Worte des Geschäftsführers hörte sie wie durch ein fernes Rauschen.

»Ich möchte Ihnen Dr. Jan Katzbach vorstellen – den neuen Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung.«

Also war er es wirklich. Charlotte starrte ihn unverwandt an, während er auf sie zutrat.

Er war nur mittelgroß, nicht größer als Charlotte auf ihren High Heels, besaß aber ein ausdrucksvolles Gesicht und eine ungeheure Präsenz, die sie sofort wieder in ihren Bann zog. Genau wie vor dreieinhalb Jahren, als sie sich auf den ersten Blick in ihn verliebt hatte. Sie rechnete damit, dass er ebenfalls aus allen Wolken fallen würde, doch Jan wirkte nicht halb so überrascht wie sie. Das Aufleuchten in seinen klugen braunen Augen zeugte eher von Wiedersehensfreude.

Er machte eine kurze Geste, als wollte er sie in die Arme ziehen, besann sich jedoch eines Besseren und streckte ihr die Hand entgegen, während er ihr mit einem Anflug von Unsicherheit entgegenblickte.

»Charlotte, ich freue mich sehr, dich zu sehen.«

»Sie kennen sich?«, fragte Browning verblüfft.

»Flüchtig«, erklärte sie kühl und registrierte den gekränkten Ausdruck, der in Jans Augen trat, während der Kontakt zu seiner Hand ihr einen wohligen Schauer den Arm hinaufjagte.

»Wir haben uns vor dreieinhalb Jahren bei einem Pharmakongress in Düsseldorf kennengelernt«, ergänzte sie. Das war nicht gelogen und würde hoffentlich nicht zu weiteren Nachfragen führen.

Ein Lächeln huschte über das füllige Gesicht des Geschäftsführers.

»Stimmt, Sie kommen ja beide aus good old Germany. Da freue ich mich, dass ich Ihnen in unserer internationalen Gemeinde endlich einen Landsmann bieten kann, liebe Charlie.«

Von über vierundachtzig Millionen Landsleuten muss es ausgerechnet er sein, dachte Charlotte gequält und musste ein hysterisches Auflachen unterdrücken.

Browning blickte verwundert auf ihre noch immer ineinander verschränkten Hände. Jan schien seine Finger gar nicht mehr von Charlottes lösen zu wollen.

»Da Sie alte Bekannte sind, hat sich die gegenseitige Vorstellung wohl erledigt«, stellte der Geschäftsführer fest und warf einen erleichterten Blick auf seine Armbanduhr. »Ich lasse Dr. Katzbach jetzt in die Personalabteilung begleiten, damit er noch einige Formalitäten erledigen kann. Haben Sie Zeit, ihn danach zu seiner Wohnung zu fahren und ihm ein bisschen die Umgebung zu zeigen, Charlie?«

Sie ahnte, dass diese höfliche Bitte eine verkappte Anweisung war, und schluckte. »Sicher. Wo ...?«

»Er wird eine Firmenwohnung im Princess Tower beziehen, genau wie Sie.« Browning zwinkerte ihr zu.

Charlotte wusste, dass in der Firma darüber gewitzelt wurde, wie passend die Unterbringung einer Prinzessin im Princess Tower war.

Sie begegnete Jans Blick. »Wir werden also Nachbarn«, bemerkte er.

Sein Lächeln hüllte Charlotte ein wie eine Umarmung. Und erinnerte sie daran, wie gut sich seine vollen, festen Lippen anfühlten.

»Genau.« Nachbarn, auch das noch.

Vor Jahren wäre sie glücklich gewesen, Jan stets in ihrer Nähe zu haben. Aber sie war nicht grundlos nach Dubai geflohen und hatte alle Brücken hinter sich abgebrochen. Er sollte sich bloß nicht einbilden, dass er sie noch einmal mit seinem Charme einwickeln und dann fallen lassen konnte.

»Ich warte in meinem Büro auf Sie.« Charlotte nickte Mr. Browning zu und floh aus dem Chefbüro, so schnell es der schmal geschnittene Rock erlaubte.

Sie fühlte sich wie eine Schlafwandlerin, als sie in ihr Büro zurückkehrte. Das konnte nur einer der zahlreichen Träume sein, die sie nach der Trennung gehabt hatte und in denen sie und Jan wieder zueinandergefunden hatten. Auch die räumliche Entfernung und der herausfordernde neue Posten in Dubai hatten ihn nicht aus ihren Gedanken und ihrem Herzen verbannen können. Beim Aufwachen hatte sie sich jedes Mal traurig gefühlt und sich gefragt, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Aus Unachtsamkeit stieß sie mit der Hüfte gegen ihre Schreibtischkante, und der Schmerz bewies ihr, dass dies kein Traum war. Offenbar spielte ihr das Schicksal einen besonders merkwürdigen Streich. Das konnte doch kein Zufall sein.

Inzwischen war auch ihre dänische Kollegin Brit Pedersen eingetroffen, mit der sie sich das Büro teilte. Sie blickte auf, als sich Charlotte ungewohnt plump auf ihren Stuhl plumpsen ließ, und hob verwundert die hellen Augenbrauen. »Guten Morgen. Stimmt was nicht? Du siehst irgendwie ... verstört aus.«

Charlotte atmete geräuschvoll aus. »Gerade hat mir Browning unseren neuen Abteilungsleiter vorgestellt.«

»Ach so. Tut mir leid für dich. Und ich war überzeugt davon, du würdest den Job bekommen! Du bist doch Everybody's Darling hier.« Brits Lächeln verriet nicht, ob die Bemerkung scherzhaft gemeint war oder ob Neid aus ihr sprach. Nur ihre grauen Augen blickten ein wenig lauernd.

Charlotte strich sich nachdenklich über den schmalen Nasenrücken. »Bin ich das?«

»Klar. Alle lieben die hübsche deutsche Prinzessin.« Ihre Kollegin erhob sich, um einen Aktenordner an seinen Platz zurückzustellen.

Sie war einen Kopf größer als Charlotte und um einiges kräftiger gebaut als die zierliche Prinzessin. Ihre Vorliebe für arabische Süßigkeiten schlug sich deutlich auf ihren Hüften nieder.

»Was hat das denn mit meinem Adelstitel zu tun?«, fragte Charlotte. »Ich bin einfach professionell und freundlich zu allen.«

»Von all deinen Vorzügen schätzt unser Big Boss die Professionalität sicher am meisten«, spottete Brit.

Charlotte seufzte. Ali al-Mahadi, ein Verwandter des Scheichs von Dubai, war der Inhaber von EmiratesPharma und machte ihr hartnäckig den Hof. Und das mochte tatsächlich auch mit ihrem Adelstitel zu tun haben.

»Was ist das für ein Typ, unser neuer Chef?«, kehrte ihre Kollegin zum Ausgangsthema zurück. »Du siehst besorgt aus – ist er so unsympathisch?«

»Nein, er ist ... er wirkt recht nett.« Charlotte überlegte, ob sie etwas über die Bekanntschaft mit Jan oder gar ihre vergangene Affäre preisgeben sollte. Doch bevor sie sich dazu durchringen konnte, erhielt Brit einen Anruf, der sie eine Weile beschäftigte. Charlotte versuchte, einige Mails zu beantworten, ohne sich jedoch darauf konzentrieren zu können.

Und schon stand Jan in der geöffneten Tür und klopfte höflich gegen den Rahmen.

Charlotte stellte ihn und Brit einander vor und nahm ihre Handtasche. »Auf Marks Wunsch fahre ich Dr. Katzbach zu seiner Wohnung und zeige ihm die unmittelbare Gegend«, erklärte sie Brit. »Ich denke, ich bin in zwei Stunden wieder hier.«

Kurz darauf schritt sie neben Jan, der seinen Koffer hinter sich her zog, durch die Flure der Firma. Es fühlte sich merkwürdig an, in seiner Nähe zu sein. Nicht vertraut, denn so eine tiefgehende Vertrautheit hatten sie nach den wenigen Treffen damals nie gehabt. Eher prickelnd, aufregend und gleichzeitig vollkommen unwirklich.

»Was für eine Affenhitze«, stöhnte Jan, als sie über den Parkplatz zu Charlottes Wagen gingen. Er löste seine Krawatte und öffnete die obersten Hemdknöpfe. »Es ist, als ob einem jemand Luft mit einem riesigen Föhn entgegenbläst.«

»Sei froh, dass du nicht im Juli angekommen bist. Jetzt im September ist es schon erträglicher.« Charlotte hatte sich inzwischen an das Klima gewöhnt, erinnerte sich aber noch gut an ihren ersten Sommer in Dubai, den sie tagsüber ausschließlich in klimatisierten Räumen hatte verbringen können.

»Und so eine feuchte Luft dabei. Ich dachte immer, in der Wüste würde trockene Hitze herrschen.« Er fächelte sich mit der Bordkarte, die noch in seiner Brusttasche steckte, Luft zu.

»Wo siehst du hier Wüste?« Sie machte eine Handbewegung zum Persischen Golf hin, der hinter den Hochhäusern hervorleuchtete.

»Betonwüste«, sagte er lächelnd. »Das Meer vor der Haustür ist natürlich super. Da kann man mal nach Feierabend baden gehen.«

»Theoretisch schon, allerdings gibt es oft Feuerquallen, wenn es heiß ist. Zum Glück hat unser Wohngebäude einen eigenen Pool.« Sie öffnete den Kofferraum.

Nachdem Jan seinen großen Trolley darin verstaut hatte, blickte er sie durchdringend an. »Sag mal, wollen wir wirklich übers Wetter reden? Du und ich haben uns wohl Wichtigeres zu sagen.«

Du selbst hast doch angefangen, übers Wetter zu reden, dachte Charlotte ärgerlich und ließ die Zentralverriegelung aufspringen.

»Stimmt. Zum Beispiel, warum du hier aufkreuzt und mir den Posten wegschnappst, für den ich mich beworben hatte«, antwortete sie kühl und schwang sich auf den Fahrersitz.

Jan nahm auf dem Beifahrersitz Platz und blickte Charlotte bestürzt an.

»Du hast dich dafür beworben? Das wusste ich nicht.« Er wirkte ehrlich überrascht, doch sie hatte damals den Eindruck gewonnen, dass er auch überzeugend lügen konnte.

»Du schienst aber nicht allzu überrascht darüber, mich zu sehen«, gab sie lauernd zurück.

Jan nickte. »Ich wusste, dass du bei EmiratesPharma arbeitest. Deswegen bin ich überhaupt hier ... um dich wiederzusehen.«

Charlotte zog die feinen Augenbrauen zusammen. »Woher weißt du, dass ich hier arbeite?«

»Ich habe in der Pharmazeutischen Zeitung einen langen Artikel über EmiratesPharma gelesen und dich auf einem der Fotos wiedererkannt.«

Das klang plausibel, sie hatte diese Publikation in der deutschen Fachpresse gesehen. »Ach ja, ich weiß, welchen Artikel du meinst.«

Sie startete den Wagen und fuhr Richtung Innenstadt.

»Ich habe ein bisschen im Internet recherchiert und festgestellt, dass du in der Abteilung Forschung und Entwicklung arbeitest. Und dann habe ich gesehen, dass der Posten des Abteilungsleiters neu besetzt werden soll, und habe mich spontan beworben«, erzählte er. »Woher sollte ich wissen, dass du an diesem Job Interesse hast?«

Charlotte warf ihm einen ungehaltenen Seitenblick zu. »Ist das so abwegig?«

Jan sah sie nachdenklich an. »Mir scheint, die Emirate sind nicht gerade fortschrittlich in Bezug auf weibliche Emanzipation oder gar eine Frauenquote. Glaubst du, die hätten einen so wichtigen Posten einer jungen, noch nicht sehr berufserfahrenen Frau gegeben? Du hättest ihn sowieso nicht bekommen, selbst wenn ich mich nicht beworben hätte.« Er sprach mit geduldiger Milde wie zu einem Kind. »Noch dazu habe ich promoviert und du nicht. Du weißt, dass das in unserer Branche ein großer Vorteil ist. Oder hast du inzwischen einen Doktor?«

»Nein. Aber ich arbeite immerhin seit zweieinhalb Jahren bei EmiratesPharma, die hätten mich bevorzugen sollen. Außerdem suchten sie jemanden mit sehr guten Englischkenntnissen. Keine Ahnung, wie du das geschafft hast«, grummelte sie. Sie selbst verdankte ihre hervorragenden Englischkenntnisse einigen Gastsemestern in London.

Jan zuckte mit den Schultern. »Mein Medizinstudium und meine Berufserfahrung in der Forschung früher haben mir große Pluspunkte gebracht, und sie waren bereit, darüber hinwegzusehen, dass mein Englisch ein wenig eingerostet ist. Ich mache seit der Zusage einen Onlinekurs zur Auffrischung, und sie haben mir hier einen Platz in einem Intensivkurs gebucht. Ich denke, ich werde mich ausreichend gut verständigen können.«

Und die Emiratis und sonstigen männlichen Führungskräfte und Kunden würden ihn zweifelsfrei ernster nehmen als eine mädchenhaft hübsche Neunundzwanzigjährige, deren Adelstitel sie vermutlich an eine Operettenfigur denken ließ, dachte Charlotte bitter.

»Wieso habe ich von deiner Bewerbung nichts mitbekommen? Du hattest doch sicher Vorstellungsgespräche?«

»Natürlich. Das erste hat als Zoom-Konferenz stattgefunden. Und das zweite hier, vor einem Monat. Ich habe mich dabei diskret nach dir erkundigt. Man sagte mir, du seist im Urlaub.«

»Stimmt, vor einem Monat habe ich meine Familie in der Pfalz besucht. Mein Vater hat seinen Sechzigsten groß gefeiert.«

Charlotte hatte ein sehr distanziertes Verhältnis zu ihren Eltern, dem Fürstenpaar von Wachenheim. Dieser besonderen Familienfeier hatte sie allerdings nicht aus dem Weg gehen wollen, auch um bei dieser Gelegenheit noch einmal ihre hochbetagte Großmutter wiederzusehen.

»Geht es deiner Familie gut?«, erkundigte er sich.

Das war vermutlich nicht nur eine höfliche Floskel, denn sie hatte mitbekommen, wie familienverbunden Jan war.

»Ja, die Für...« Sie unterbrach sich selbst, als ihr einfiel, dass sie ihm nie von ihrer adligen Herkunft erzählt hatte. Es nun zwischen Tür und Angel zu tun, wäre unklug. Charlotte hüstelte und tat so, als hätte sie sich versprochen.