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Ein knappes Jahr nach dem Tod ihrer Mutter erfährt Gloria Prinzessin von Ahrenfeld durch ein altes Tagebuch, dass nicht Fürst Christian ihr leiblicher Vater ist, sondern wahrscheinlich der britische Rockstar Brian Donelly, mit dem ihre Mutter fünfundzwanzig Jahre zuvor eine leidenschaftliche Nacht verbracht hat.
Gloria reist kurzentschlossen nach Ibiza, dem Wohnort des Musikers, um letzte Zweifel mittels eines Vaterschaftstests auszuräumen und mehr über diese Affäre herauszufinden. Und tatsächlich kann sie auf einem Konzert Backstage mit Donelly sprechen. Er erinnert sich an ihre Mutter. Der Rockstar stimmt sogar einem Test zu. Dabei lernt Gloria auch seinen überaus charmanten Sohn und Manager Robin kennen und fühlt sich sofort unwiderstehlich von ihm angezogen. Während die Prinzessin gespannt auf das Ergebnis wartet, genießt sie mit Robin das Nachtleben Ibizas. Er flirtet heftig mit ihr, und es kommt zu einem verheißungsvollen Kuss, bei dem Gloria für einen Moment nur zu gerne verdrängt, dass er möglicherweise ihr Halbbruder ist ...
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Seitenzahl: 131
Cover
Schicksalsreise nach Ibiza
Vorschau
Impressum
Schicksalsreise nach Ibiza
Spritzige Sommerlektüre zum Wegträumen
Von Nina Baumgarten
Ein knappes Jahr nach dem Tod ihrer Mutter erfährt Gloria Prinzessin von Ahrenfeld durch ein altes Tagebuch, dass nicht Fürst Christian ihr leiblicher Vater ist, sondern wahrscheinlich der britische Rockstar Brian Donelly, mit dem ihre Mutter fünfundzwanzig Jahre zuvor eine leidenschaftliche Nacht verbracht hat.
Gloria reist kurzentschlossen nach Ibiza, dem Wohnort des Musikers, um letzte Zweifel mittels eines Vaterschaftstests auszuräumen und mehr über diese Affäre herauszufinden. Und tatsächlich kann sie auf einem Konzert Backstage mit Donelly sprechen. Er erinnert sich an ihre Mutter. Der Rockstar stimmt sogar einem Test zu. Dabei lernt Gloria auch seinen überaus charmanten Sohn und Manager Robin kennen und fühlt sich sofort unwiderstehlich von ihm angezogen. Während die Prinzessin gespannt auf das Ergebnis wartet, genießt sie mit Robin das Nachtleben Ibizas. Er flirtet heftig mit ihr, und es kommt zu einem verheißungsvollen Kuss, bei dem Gloria für einen Moment nur zu gerne verdrängt, dass er möglicherweise ihr Halbbruder ist ...
Unruhig streifte Gloria Prinzessin von Ahrenfeld durch den Salon des prachtvollen Schlosses in Brandenburg. Mehr und mehr fühlte sie sich dort wie eine Gefangene. Dabei stand die Tür offen, sie konnte jederzeit gehen. Aber wohin? Seit dem Tod ihrer Mutter zehn Monate zuvor war nichts mehr wie früher.
Ich sollte mir endlich einen Job suchen, dachte Gloria. Wozu hatte sie schließlich jahrelang studiert? Allerdings hatte Jura sie nie übermäßig gereizt, eigentlich hatte sie es nur studiert, weil ihre Mutter darauf gedrängt hatte. Nun war Fürstin Wilma nicht mehr da, um stolz auf ihre Tochter zu sein, und das nahm ihrem erfolgreich bestandenen zweiten Staatsexamen den Sinn. Gloria fühlte sich um die Anstrengung betrogen.
Ihrem Vater schien es herzlich egal zu sein, ob aus ihr eine erfolgreiche Anwältin wurde oder ob sie im Schloss herumsaß, ohne etwas Sinnvolles zu tun. Hauptsache, ihr jüngerer Bruder Maximilian würde in seine Fußstapfen treten und die Firma übernehmen, die Christian Fürst von Ahrenfeld vor zwanzig Jahren gegründet hatte.
Nicht, dass er Gloria nicht liebte. Aber er war hoffnungslos altmodisch und wünschte sich für sie vor allem eine glanzvolle Verbindung mit einem Vertreter eines alteingesessenen Adelsgeschlechts, wenn nicht gleich mit einem Prinzen eines europäischen Königshauses. Gloria sehnte sich zwar nach der liebevollen, vielleicht sogar leidenschaftlichen Beziehung zu einem Mann, wollte aber keinesfalls den einen goldenen Käfig gegen einen anderen eintauschen. Von den jungen Männern, die ihr vorgestellt worden waren, seit sie sechzehn war, hatte ihr keiner zugesagt. Während ihres Studiums in Berlin war sie drei Jahre mit einem Kommilitonen liiert gewesen, doch sie hatten noch rechtzeitig erkannt, dass sie nicht wirklich zueinander passten.
Der Butler Nils erschien im Salon und hielt ihr ein winziges silbernes Tablett hin, auf dem eine Visitenkarte lag.
»Prinzessin, da ist eine Dame, die Sie sprechen möchte.«
Neugierig nahm Gloria die Visitenkarte zur Hand. »Désirée Baronin von Borries«, las sie.
»Von Borri-es, man spricht es nicht wie ein langes i, sondern die Vokale getrennt«, korrigierte eine nasale Stimme von der Tür des Raumes her, der mit sorgfältig restaurierten Antiquitäten eingerichtet war.
Überrascht hob Gloria den Kopf und sah eine schlanke platinblonde Frau dort stehen, die nun auf den hohen Absätzen ihrer schwarzen Lederstiefel langsam näher kam. Sie erkannte in ihr eine langjährige Freundin ihrer Mutter, die auch auf der Beerdigung gewesen war, die sie abgesehen davon in den letzten zehn oder zwölf Jahren aber nicht mehr gesehen hatte.
»Baronin von Borries, ich muss doch sehr bitten, ich weiß gar nicht, ob die Prinzessin Sie überhaupt empfangen will«, protestierte der Butler. »Ich hatte Sie gebeten, im Entrée zu warten.«
»Ist schon gut, Nils«, versicherte Gloria besänftigend. »Es spricht nichts dagegen.« Die selbstsicher und resolut wirkende Erscheinung erschien ihr wie ein frischer Windstoß, der wohltuend durch den Raum fegte.
»Bitte verzeihen Sie, dass ich hier so reinplatze, Prinzessin.« Die elegante Baronin reichte ihr die Hand. »Ich bin unterwegs an die Ostsee und wollte auf dem Weg etwas abgeben, das Ihrer Mutter gehört hat.« Sie hob die Papiertüte eines Berliner Luxuskaufhauses, die sie in der linken Hand trug.
»Wirklich? Das ist aber nett, dass Sie extra vorbeikommen«, sagte Gloria überrascht. »Darf ich Ihnen etwas anbieten, Baronin von Borries?«
»Ein Kaffee wäre schön. Aber bitte nennen Sie mich Désirée.« Die modisch gekleidete und sorgfältig frisierte Dame folgte Glorias Geste und ließ sich auf der Couch nieder.
Gloria wandte sich an Nils. »Bitte bringen Sie uns Kaffee und etwas Gebäck.«
»Sehr wohl, Prinzessin.« Er verließ den Raum.
Sie setzte sich ihrer Besucherin gegenüber in den gemütlichen Ohrensessel und beugte sich leicht vor.
»Was haben Sie mir Schönes mitgebracht?«, kam sie in kindlicher Neugier sofort zur Sache, und die Freundin ihrer Mutter schmunzelte.
Sie war kräftig geschminkt für einen Vormittag in der Woche, und ihre Züge wirkten leicht erstarrt, wie von zu viel Botox, doch sie strahlte Herzlichkeit aus. Das konnte Gloria gerade gut gebrauchen.
Désirée nahm ein sorgfältig verarbeitetes hölzernes Kästchen, das einer kleinen Schatztruhe glich, aus der Papiertüte.
»Das hat mir Ihre Mutter vor vielen Jahren anvertraut. Sie hat nie wieder danach gefragt, vermutlich hat sie es vergessen. Und ich ebenfalls. Erst vor einigen Tagen, als ich etwas auf dem Dachboden gesucht habe, ist es mir in die Hände gefallen. Nun, da sie tot ist, weiß ich nicht, was ich damit machen soll, ich will es nicht einfach entsorgen, vielleicht ist der Inhalt ja wertvoll oder wichtig.«
»Warum geben Sie es mir und nicht meinem Vater?«, wunderte sich Gloria.
Désirée hüstelte. »Es gab sicher einen Grund, warum Wilma es nicht zu Hause aufbewahren wollte. Möglicherweise sollte der Fürst den Inhalt nicht zur Kenntnis bekommen.«
»Das sähe Mama ähnlich, Geheimnisse vor ihm zu haben«, meinte Gloria mit einem kleinen Lächeln und strich liebevoll über das Holz, als wäre es die Hand ihrer Mutter. Sie versuchte das Kästchen zu öffnen, doch es war verschlossen.
»Hat sie Ihnen auch den Schlüssel dafür gegeben?«
»Leider nein. So groß war das Vertrauen dann wohl doch nicht.« Die Baronin lachte. »Es sieht aber nicht so aus, als wäre das Schloss schwer zu knacken.«
»Wann genau hat sie Ihnen das gegeben?«
Désirée dachte kurz nach. »Einige Wochen nach ihrer Hochzeit. Also vor rund fünfundzwanzig Jahren.«
»Hm, das wirkt tatsächlich so, als sollte niemand auf Schloss Ahrenfeld es finden«, murmelte Gloria. »Danke, dass Sie es all die Jahre aufbewahrt haben.«
»Wollen wir nicht Du sagen?«, bat Désirée. »Ich kannte dich schließlich schon, als du noch einen Strampelanzug getragen hast, und du hast hin und wieder auf meinem Schoß gesessen.«
Gloria gluckste. »Das mache ich jetzt lieber nicht mehr.«
Désirée betrachtete sie aufmerksam. »Du wirst deiner Mutter immer ähnlicher«, stellte sie fest.
»Das sagen mir viele Leute.« Gloria strich sich eine Strähne ihres langen kastanienbraunen Haars hinters Ohr zurück. Sie hörte es gerne, schließlich war die Fürstin eine äußerst attraktive Frau und selbst mit Ende vierzig, kurz vor ihrem Tod, noch ausgesprochen verführerisch gewesen.
»Du wirkst nur viel braver.«
Gloria runzelte die Stirn. Wie langweilig. »Inwiefern?«
»Deine Mutter hatte es als junge Frau faustdick hinter den Ohren. Verzeihung.« Die Baronin legte sich die Hand vor den Mund und grinste schelmisch. Die Ringe an ihren schlanken Fingern blitzten im fahlen Tageslicht des grauen Apriltages.
»Bitte erzähle mir was darüber«, bat Gloria. »Du warst doch mit ihr in diesem Schweizer Elite-Internat, richtig?«
»Stimmt genau. Oh, da könnte ich dir Geschichten erzählen ...« Désirée lachte belustigt auf und verzog dann den Mund. »Oder vielleicht lieber doch nicht.«
Der Butler betrat den Raum. »Möchten Sie wie geplant um halb eins zu Mittag essen, Prinzessin?«
Gloria blickte Désirée bittend an. »Du bleibst doch zum Essen?«
Sie fand es stets deprimierend, allein in dem riesigen Speisezimmer am langen Tisch zu essen, der sie nur daran erinnerte, dass seit Wilmas Tod keine Soiréen mehr stattfanden.
Der Vater war wie fast jeden Tag zu seinen Geschäften aufgebrochen und würde erst zum Abendessen wieder zu Hause sein. Seit dem tragischen Unfalltod seiner Frau war er bedrückt und redete nicht mehr viel. Ohne die quirlige, glamouröse Wilma hatte Schloss Ahrenfeld seinen Glanz verloren.
Die Baronin nickte. »Sehr gerne. Vor mir liegt noch ein weiter Weg mit dem Auto.«
»Wartet dein Chauffeur draußen in Wagen? Er kann gerne mit unseren Angestellten essen.«
»Nein, ich fahre selbst. Ich liebe es, am Steuer meines Sportwagens zu sitzen.«
Désirée blinzelte Gloria zu, und diese beneidete sie um die Lebenslust, die aus ihren blauen Augen sprühte.
Beim deftigen Essen sprach Désirée genussvoll dem Rotwein zu und langte kräftig zu.
»Köstlich! Ich versuche mich ja der Gesundheit zuliebe möglichst vegetarisch und vollwertig zu ernähren, aber es geht doch nichts über Gulasch mit Klößen.«
Gloria lächelte dünn und stocherte nur auf ihrem Teller herum. Sie hatte wie so oft in letzter Zeit keinen Appetit, egal wie gut die Köchin des Schlosses ihren Job verstand.
»Warum hattet ihr in den letzten Jahren eigentlich keinen Kontakt mehr, Mama und du?«, wollte sie wissen.
Désirée zuckte mit den Schultern.
»Wir hatten uns etwas auseinandergelebt. Und dann die räumliche Distanz – man kann sich eben nicht mal so einfach zum Shoppen oder Kaffeetrinken treffen, wenn die eine in Brandenburg lebt und die andere in Franken.«
»In die Karibik habt ihr es aber schon beide geschafft, oder? Nur eben nicht gleichzeitig«, meinte Gloria mit gutmütigem Spott.
Désirée lachte auf. »Da sagst du was! Kontakt hatten wir schon noch, mal ein Anruf zum Geburtstag oder eine WhatsApp-Nachricht zu Weihnachten. Nur zu einem Treffen hat es nie gereicht. Du weißt ja, die vielen gesellschaftlichen Verpflichtungen und all das.« Sie seufzte. »Alles Ausreden. Wir hätten uns natürlich mal verabreden können, doch wir dachten, wir hätten dafür noch alle Zeit der Welt. Es war ein Schock für mich, dass Wilma ...« Sie biss sich auf die Lippen.
Gloria senkte den Blick, und ihr Lächeln erlosch.
»Und wie läuft es bei dir?«, wechselte Désirée das Thema. »Wilma hat mir erzählt, dass du Jura studierst.«
»Ich habe kurz vor ihrem Tod das zweite Staatsexamen bestanden.«
»Donnerwetter, gratuliere! Und nun bist du sicher auf Jobsuche?«
Gloria stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus.
»Ich habe Jura nur studiert, weil Mama solchen Wert darauf gelegt hat und ich ihr eine Freude machen wollte. Anfangs dachte ich auch, es würde mir gefallen, aber ich sehe mich überhaupt nicht als Anwältin oder Unternehmensjuristin. Ich habe noch nicht eine einzige Stellenanzeige gesehen, die mich interessiert hat.«
»Hm. Das ist ja weniger schön. Und dein Bruder?« Désirée schob sich mit Genuss ein Stück Kloß mit Sauce in den Mund.
»Der studiert mit Leib und Seele BWL und Finanzwesen in Berlin. Er ist im fünften Semester und brennt darauf, in Papas Firma einzusteigen, wenn er fertig ist.«
»Alle Achtung. Wilma hat erfolgreiche Kinder«, sagte Désirée wehmütig, und Gloria erinnerte sich, dass der einzige Sohn der Baronin in seiner Jugend mit Drogenproblemen gekämpft hatte, sich nun erfolglos durchwurstelte und überwiegend vom Geld seiner geschiedenen Eltern lebte.
»Mit einem abgeschlossenen Jurastudium stehen dir viele Türen offen, du musst ja nicht unbedingt Anwältin werden. Es ist eine gute Basis für alles Mögliche. Du wirst schon noch deinen Weg finden«, sagte Désirée aufmunternd.
»Nicht, wenn ich mich weiterhin hier einigele und in Brandenburg versauere«, murmelte Gloria bedrückt. »Außerdem will ich Papa nicht allein lassen, doch er scheint mich ohnehin kaum zur Kenntnis zu nehmen.«
»Kindchen, wenn ich dir irgendwie helfen kann, lass es mich wissen.« Die Baronin griff über den Esstisch nach ihrer Hand, und Gloria hätte sich am liebsten in ihre Arme geworfen.
Nach dem Dessert gähnte Désirée verstohlen, und Gloria bemerkte, dass sie plötzlich sehr müde aussah.
»So kannst du nicht fahren«, sagte sie entschlossen, als sie in den Salon zurückkehrten. »Du ruhst dich erst einmal aus.«
»Ein Nickerchen wäre in der Tat nicht übel«, gestand die Baronin.
»Ist doch kein Problem. Leg dich aufs Sofa. Ich wecke dich, wann du willst.«
»Ja, bitte in einer halben Stunde. Ich werde heute Abend zu einem Dinner auf Rügen erwartet.« Sie legte sich auf das Sofa, kuschelte sich in eines der olivgrünen Kissen und schloss die Augen.
Gloria klemmte sich das Holzkistchen unter den Arm und rannte, zwei Stufen auf einmal nehmend, die breite gewundene Treppe zu den Schlafzimmern hinauf. Zögernd ging sie ins Zimmer ihrer Mutter. Seit deren Tod hatte sie es nicht mehr betreten – es tat zu weh. Ihr Vater, der seit einigen Jahren von Wilma getrennt schlief, hatte es noch nicht übers Herz gebracht, die persönlichen Dinge seiner Frau wegzugeben, und so betrat nur das Hausmädchen ab und zu den Raum, um zu lüften. Alles war noch so, als würde Wilma jederzeit zurückkehren.
Gloria zerriss es fast das Herz beim Gedanken, dass sie ihre Mutter nie wieder dort an der Frisierkommode würde sitzen sehen, wo sie sich in ihrer Kindheit gegenseitig die langen braunen Haare frisiert hatten und wo ihnen die gleichen großen dunklen Augen aus dem Spiegel entgegengeblickt hatten – der Blick der Fürstin tiefgründig und kokett, der ihrer Tochter ernsthafter und etwas schüchtern.
Gloria starrte sich einen Moment im Spiegel an. Sie wirkte brav, da hatte die Baronin schon recht. Sie wusste, dass die Leute sie hübsch fanden, doch sie machte nichts aus dieser guten Anlage. Auch heute trug sie nur Jeans und einen einfachen Wollpullover – wozu sollte sie sich herausputzen, um allein im Schloss zu sitzen oder in der Gegend herumzuspazieren?
Zögernd griff sie nach einem der Flacons, die auf der Frisierkommode standen und sprühte sich einen Hauch Bleu de Chanel hinter die Ohren – ein Parfüm, das die Fürstin kurz vor ihrem Tod gekauft und noch nie benutzt zu haben schien. Jedenfalls kannte Gloria den Duft nicht und konnte es ertragen, ihn zu riechen. Alle anderen hätten sie zu sehr an Wilma erinnert.
Gloria nahm einen erdbeerroten Lippenstift und zog sich die Lippen nach. In ihrem ungeschminkten Gesicht leuchtete die Farbe viel zu grell, und so wischte sie es sich hastig wieder ab. Schließlich war sie nicht hergekommen, um sich aufzudonnern, sondern um nach einem Schlüssel zu suchen.
Ihr Blick fiel auf einen ledernen Schmuckkasten, in dem die Fürstin ihren weniger wertvollen Schmuck aufbewahrt hatte. Der kostbare lag natürlich im Safe.
Gloria erinnerte sich, dass früher in der untersten Schublade winzige Schlüssel gelegen hatten, für Kofferschlösser und ähnliches. Sie probierte einige durch und tatsächlich passte einer.
Mit vor Aufregung zitternden Fingern öffnete sie die kleine Schatztruhe und hob gespannt den Deckel. Sofort fiel ihr Blick auf das Porträtfoto eines gut aussehenden, etwa Mitte dreißigjährigen Mannes. Dichte dunkle Haare umrahmten stufig geschnitten und knapp schulterlang ein gebräuntes Gesicht mit grünbraunen Augen, die vor Schalk blitzten. Für meine Süße, stand mit Filzstift im unteren Teil des Fotos. Die Rückseite war leer.
Gloria ließ sich auf den Stuhl der Frisierkommode sinken, legte das Bild zur Seite und betrachtete den Rest: Eine alte Konzertkarte, eine getrocknete Rose, die gepresst worden war und ein Notizbuch im DIN-A5-Format mit kitschigem Herzmotiv auf dem kartonierten Einband.
Sie blätterte es durch. Es war ein Tagebuch, und bevor Gloria sich die Frage stellen konnte, ob sie das Recht hatte, es zu lesen, war sie schon mittendrin. Ihre Augen wurden immer größer, je weiter sie zum Schluss blätterte. Ungläubig überflog sie die letzten Seiten. Als sie den letzten Absatz las, stieß sie einen erschreckten Schrei aus und sprang auf.
Einen Moment verharrte sie regungslos mit vor den Mund geschlagenen Händen, wie ein geblendetes Tier in Schockstarre, dann schnappte sie sich Buch und Foto und rannte die Treppe hinunter.
Die Baronin lag leise schnarchend auf dem Sofa. Gloria kniete neben ihr nieder und rüttelte sie an der Schulter.
»Wach auf! Was ist auf Mutters Junggesellinnenabschied in London passiert?«, drängte sie.
»Wie bitte?«, murmelte Désirée schlaftrunken.
»Wer ist das?« Gloria wedelte ungeduldig mit dem Foto vor ihrer Nase herum.