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„Marke“ sind doch inzwischen irgendwie alle! Nur so zu sein reicht aber in schnelllebigen disruptiven Zeiten nicht länger aus: Wie wird ein zwar markantes Unternehmen zu einem wirklich zukunftsbereiten Unternehmen? Wie kriegt es auch morgen so berechtigt wie geplant wertschätzende Aufmerksamkeit – und damit seinen Anteil an der so begrenzten „härtesten Währung der Welt“? Und wie macht es sich diese Beachtung zunutze, zum Wohl aller Beteiligten und für mehr Absatz, Umsatz und Gewinn? Das Experten-Duo Henkel & Berndt sagt, weshalb „Markenarbeit“ heute viel zu kurz springt und nichts mehr geht, ohne future-ready zu sein. Und bringt auf den Punkt, wie man das erreicht. Dafür stellen die Finger-in-die-Wunden-Leger vorausgehende Unternehmen auf den Prüfstand und dokumentieren, was sie entscheidend besser machen als alle anderen. Für den Erfolg, den alle wollen und wenige bekommen. Und um das zu sein, was heute für morgen zählt: bereit für die Zukunft. Alles so provokant wie ohne Wattebäusche – und so humorvoll wie ohne graden Zeigefinger. Mit tiefgründigen Einblicken in die Zukunftsbereitschaft dieser Unternehmen: Swiss Life Select – Finanzberatung nach dem Best-Select-Prinzip Einhell – Lösungen für Heimwerker und Handwerker, fürs Haus, für Garten und Freizeit Feldhoff & Cie. – Kommunikationsagentur in der Immobilienwirtschaft Proviande und Swiss Apéro – Soulfood aus der Schweiz Steigenberger Grandhotel and Spa Heringsdorf – Wellness-Resort auf Usedom Edding – markieren, dekorieren, lackieren Kaldewei – Badlösungen aus Stahl-Email Eleven Stories – mediterran essen, trinken und feiern in Köln
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Seitenzahl: 187
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://d-nb.de abrufbar.
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1. Auflage 2018
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Der Politologe Jon Christoph Berndt® ist Spezialist für Profilierung, Aufmerksamkeit und Vermarktungserfolg. Mit der Brandamazing Managementberatung in München begleitet er markenorientierte Unternehmen und Menschen dabei, ihren Erfolg planbar zu machen. Sie profilieren und präsentieren sich überzeugend und bekommen die Beachtung, die sie verdienen. Damit sind sie future-ready. Jon Christoph Berndt ist gefragter Experte in den Medien, Autor zahlreicher Bücher und Dozent an der Universität St. Gallen. Er hält international Keynote-Vorträge auf Deutsch genauso wie auf Englisch. Dabei ist ihm, bei aller fachlichen Substanz, Humor besonders wichtig – wer lacht, lernt.
www.brandamazing.com
Der Betriebswirtschaftler Prof. Dr. Sven Henkel® ist Inhaber des Lehrstuhls für Customer Behavior and Sales an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht. Zudem ist er Ständiger Lehrbeauftragter der Universität St. Gallen und Faculty Member der dortigen Executive School (Schwerpunkt Branding und Marketingkommunikation) sowie involviert in diverse Langzeitprojekte des dortigen Center for Customer Insight. Er forscht und arbeitet schwerpunktmäßig in den Feldern Markenführung, Behavioral Branding und Verkaufspsychologie und ist Academic Advisor bei Brandamazing. Seine Arbeiten werden regelmäßig in international anerkannten Fachmagazinen veröffentlicht.
So viele „Kauf mich!“-Botschaften zur selben Zeit: Da weiß man gar nicht mehr, wo man zuerst hinschauen soll! Die so knappe wie naturgemäß begrenzte Ressource Aufmerksamkeit wird umso kostbarer, je mehr Anbieter um sie buhlen. Da ist es immer schwieriger zu entscheiden, was man zuerst beachten soll, was anschließend und was überhaupt nicht. Die Folge ist, dass wir Unternehmen und ihren Produkten genauso wie unserem Gegenüber immer weniger Beachtung schenken. Es liegt auch daran, dass wir selbst viel lieber Absender als Empfänger von Botschaften sind; vor allem online. Die Aufmerksamkeitsspanne beschreibt die Zeit, in der sich die Aufmerksamkeit einer Person voll auf eine Sache konzentriert. Sie ist von zwölf Sekunden im Jahr 2000 auf nur noch acht Sekunden im Jahr 2013 gesunken. Damit ist der Mensch, was diese wesentliche Fähigkeit angeht, unter dem Niveau des Goldfischs angekommen. Der, davon geht die Forschung aus, kann stabil etwa neun Sekunden bei einer Sache bleiben.
Der tägliche Kampf um die Aufmerksamkeit wird im gesellschaftlichen Miteinander mit härtesten Bandagen geführt – unter den Menschen genauso wie zwischen den Unternehmen um die Gunst der Käufer und Konsumenten: Wie noch auffallen, als Firma mit ihrem Produkt wie als Mensch mit sich selbst? Wie den „Share of Voice“ bekommen, seinen Anteil an Beachtung aus der begehrten Zielgruppe, die man mit all den anderen Anbietern teilen muss? Die – inzwischen zu einfachen – Antworten auf diese Fragen sind, dass dafür heute alles ganz besonders schnell, bunt, laut und vor allem billig sein muss. Die Ware muss raus, morgen kommt neue! Da wird beim Elektrohändler Saturn der auch in Europa angekommene „Black Friday“ – der Freitag nach Thanksgiving läutet in den USA mit irrsinnigen Rabatten das Weihnachtsgeschäft ein – gleich zur „Black Week mit exklusiven Angeboten, täglich neuen Hightech-Highlights und stündlich wechselnden Schnäppchen“.
Aufmerksamkeit und Motivation zu handeln entstehen durch die erlebbare Einzigartigkeit von Aktionen. Weil Saturn hier aber bloß den Grund für noch eine durchschaubare Rabattschlacht findet, hört da kaum einer mehr hin.
Dazu gibt es den passenden Werbedonner.
Wer auf seine Kunden hört und weiß, was sie wollen, braucht bei Rabatten nicht mitzumachen.
Wer unsicher ist und vergessen hat, mit der Zeit zu gehen, gerät aus der Spur und braucht den Mehr-Schein-als-Sein-Hebel. Wenn sogar ein ehemals so edles wie klar positioniertes Medium wie der Spiegel auf einmal anfängt, sich zu verhalten wie der Aale-Dieter auf dem Hamburger Fischmarkt, ist Eindeutigkeits- und Klarheitsgefahr im Verzug. Es geht so weit, dass sich das Magazin, etliche Jahrzehnte mit dem Nimbus der gedruckten Wahrheit erschienen, in der „GMX Vorteilswelt“ als Zugabe verramscht. Der Mailprovider schickt seinen Usern das ultimative Stöhn-Angebot: „Ihr Online-Kredit mit bis zu 100 Euro Cashback! +++ DER SPIEGEL + Mini-Digicam gratis!“ Im Kontext damit droht die seit Jahrzehnten so unumstößliche, wertvolle Marke des gedruckten Spiegel irreparabel beschädigt zu werden. Die Online-Marketer nehmen es im Kampf um das bisschen Aufmerksamkeit billigend in Kauf. Das alles für ein paar neue Abonnenten, von denen sie nicht einmal wissen, wie lange sie bei der Stange bleiben werden. Denen gegenüber stehen langjährige Leser, die – derart vergrault – ihr Abonnement kündigen und nicht wieder zurückkehren. Schon gar nicht über GMX.
Bei den 14.000 „Beachte mich!“- und „Kauf mich!“-Botschaften, denen jeder Mensch täglich ausgesetzt ist, ist kein Anbieter dauerhaft auf diese Art erfolgreich. Vielmehr gilt: Nur wer zuerst auf seine Kunden hört und dadurch wirklich weiß, was sie sich wünschen, und ihnen dann die Aufmerksamkeit gibt, die sie verdienen, braucht bei so etwas Selbstzerstörerischem nicht mitzumachen. Wer allerdings unsicher ist und vergisst, beim wertvollen Miteinander mit der Zeit zu gehen, gerät aus der Spur und braucht den kurz gedachten Mehr-Schein-als-Sein-Hebel. Auch wenn es nicht länger gut geht, am lautesten zu schreien. Stattdessen muss der Sender Produkte haben, die man haben will, dafür die Signale der bindungswilligen Konsumenten wieder ernst nehmen und dafür wiederum offen für ihre Botschaften sein.
Fragt man Kunden nach ihren Beziehungen zu bekannten Unternehmen (was sie von Marken erwarten, wie sie einbezogen werden wollen und welchen Einfluss eine gelungene Einbindung auf ihre Kaufbereitschaft hat), wünschen sie sich durchweg eine wertschätzende Beziehung auf Augenhöhe. Sie wollen vor allem, dass Unternehmen ihnen zuhören und sie verstehen.
Wobei das nicht mit ständigem Umgarnen verwechselt werden darf: Der Angler zum Beispiel schweigt gern zurückgezogen. Ihn treffsicher zu erreichen bedeutet deshalb für Marken, nur zu reden, wenn er sie fragt.
Allerdings bestätigen nur die wenigsten ein enges Verhältnis zu einer bestimmten Marke und dass sie sich von ihr gehört und verstanden fühlen. Etliche sind sogar der Überzeugung, dass die Unternehmen sich allein aus egoistischen Gründen für sie interessieren. Dabei ist das Erkennen und Erfüllen wahrer Konsumentenbedürfnisse ein zentraler Schlüssel zu nachhaltigem wirtschaftlichem Erfolg. Anbieter, die das schaffen, werden signifikant mehr empfohlen, gekauft und sogar verteidigt. Fazit: Marken, die Konsumenten und ihre Wünsche hören, werden mit höherer Kaufbereitschaft und Weiterempfehlung belohnt. Voraussetzung dafür ist, nicht nur Bedürfnisse zu erfragen, sondern vor allem das gesamte Handeln auf die Antworten abzustimmen.
Wie das nicht geht, macht Henkel vor, als man für das Geschirrspülmittel Pril ein neues Design und einen neuen Slogan sucht. Das Unternehmen schreibt einen Wettbewerb in den sozialen Netzwerken aus und verspricht, das Design mit den meisten Stimmen aus den Reihen der Crowd in den Handel zu bringen. An und für sich ein guter Ansatz für neues Zuhören. Mehr als 30.000 User machen mit. Der Entwurf mit einem hingekrakelten geflügelten Etwas und dem Spruch „Schmeckt lecker nach Hähnchen“ gewinnt mit über 3.500 Stimmen. Da setzt Henkel plötzlich eine Jury ein. Die selektiert nun die Vorschläge und gibt auf einmal nur noch einige wenige, ihr genehme Kandidaten zur weiteren Abstimmung frei. Das bietet erstes Futter für einen veritablen Shitstorm im Netz. Als dann noch herauskommt, dass für den ursprünglich zweitplatzierten Vorschlag „mit leckerem Brezelduft“ weniger als die abgegebenen Stimmen registriert sind, ist der PR-GAU perfekt. Das Marketing bei Henkel argumentiert, dass das Design schließlich zur Marke passen muss. Draußen in der Konsumentenwelt interessiert das allerdings niemanden. Das Learning: Im wertschätzenden Umgang mit der so hochsensiblen wie kritisch gewordenen Community hat man immer nur einen Schuss, und der muss sitzen.
Da hast Du recht. Wie die dennoch 30.000 User für ein derartiges Abtörnthema begeistern, ist mir erst recht schleierhaft.
Wer beachtet wird, bekommt Gehör, fühlt sich wertgeschätzt, ist gefragt.
Beachtung verspricht Profit in vielerlei Hinsicht – emotional für die Sinne und das Wohlbefinden, rational bei Umsatz und Gewinn. Das zu planen und für die eigenen Zwecke zu nutzen ist anspruchsvoll, und nicht jeder Vorstoß gelingt. Wichtige Voraussetzungen dafür, dass es klappt, sind auf der einen Seite echtes und ehrliches Verständnis für die Anliegen des anderen. Auf der anderen Seite braucht es das konsequent darauf abgestimmte sinnstiftende Handeln. Erst die schlüssige Kombination aus beidem erzeugt den Sog. Der sorgt dafür, dass man weniger tun muss, um mehr zu erreichen. So ergibt sich der Pull-Effekt, den alle wollen – diese gewisse Anziehungskraft profilierter Menschen genauso wie profilierter Unternehmen und Produkte. Wer sie hat, wird begehrt und muss nicht ständig „Beachte mich!“ und „Kauf mich!“ brüllen (im Gegensatz zur gegenteiligen Strategie – dem Push-Marketing). So ist man wirklich future-ready: Die besondere Kombination aus dem nachvollziehbaren Nutzwert (Was habe ich von dem Angebot?), dem Erscheinungsbild (Wie kommt es rüber?) und einer gewissen Gewitztheit (Inwiefern bereichert es mich?) sorgt für mehr und hochwertigere Aufmerksamkeit
Was ist „hochwertige“ Aufmerksamkeit? Laut dem bewährten AIDA-Modell entsteht sie generell (Awareness, A) durch das Interesse (I), das sich im besten Fall erst zum Verlangen (Desire, D) und dann zum Kauf (Action, A) entwickelt.
als das kakophonische Dröhnen aus all den üblichen Werbebotschaften. Und so für die stärkere Kundenbindung und mehr Umsatz und Gewinn.
Nicht nur clevere Aktionen, auch ganze Geschäftsideen setzen auf menschliche Nähe. Damit sie spürbar ist, müssen neue Anbieter zuerst genau wissen, für wen sie ihr Angebot überhaupt formulieren. Dann müssen sie sich anschauen, wie diese Menschen leben, was sie wollen und, vor allem, wie ihre geheimen Wünsche und Bedürfnisse aussehen. Das amerikanische Start-up dollarshaveclub.com schafft es. Die Macher knöpfen sich den Marktführer Gillette mit all seinen unterschiedlichen Rasierhobeln und den ganzen Varianten und Aufsätzen vor: 5-Klingen-Technologie, Präzisionstrimmer, Lubrastrip mit Indikator, Komfortschutz mit Mikrolamellen, ergonomischer Griff …
Am innovativsten sind hier nun mal die Kraftausdrücke. Sie kaschieren das generelle Low-Innovation-Level in dieser Branche sehr gekonnt.
Wie bei Tintenstrahldruckern sind die Geräte erstaunlich günstig. Dafür liegen die Klingen, die hier die Tinte sind, schnell bei um die 23 Euro für acht Stück. Die Verwirrung ist groß, die Preise sind gesalzen. Vielleicht lieber etwas von dem ewig zweitplatzierten Konkurrenten Wilkinson? Da kosten acht Ultraglide-Klingenaufsätze immerhin unter 20 Euro. Hilft allerdings auch nicht wirklich weiter.
Einfach, günstig und sexy geht anders: Der Dollar Shave Club grätscht mit einem Rasierklingen-Abonnement und dem Slogan „Shave Time. Shave Money.“ in den Markt. Den ersten Rasierer mitsamt Klinge gibt es ab einem Dollar mit der Post, und frische Klingen kommen für eine Handvoll Dollar automatisch immer wieder neu. Für den Mann, der sich täglich rasiert, ist das hochrelevant; immer richtig, immer gut versorgt, nie sind die Klingen aus, und vor allem gibt es nicht länger Verwirrung und Unsicherheit am Regal im Drogeriemarkt.
Erstaunlich, dass ein Multi-Milliarden-Markt so lange braucht, um das bewährte Abo-Modell für sich zu entdecken. Für Socken gibt es das seit 1999; es heißt blacksocks.com.
Ein Club mit solch einem Angebot ist immer hot. Sein Angebot sorgt mit all seinen Benefits für etwas inzwischen Hochwichtiges – die Abnahme der Entscheidung. Es beschränkt sich auf drei Rasierhobel und die jeweils passende Klinge. Es gibt keine Mindestlaufzeit für das Abo, und die Frequenz der Nachlieferungen kann jederzeit angepasst werden. Das Angebot ist günstig und cool – der Underdog gegen die Großen! Das sieht auch Unilever so und kauft kurzerhand den ganzen Laden für eine Milliarde Dollar. Aber dermaßen hintergründig, dass dabei die ganze Coolness und der Underdog-Approach erhalten bleiben.
Anbieter, die sich allein über den Preis (mehr für weniger, schnell und unbegrenzt verfügbar) und nicht vor allem über ihre Begehrlichkeit (weniger für mehr, ausgewählt und persönlich, begrenzt verfügbar) positionieren, brauchen weder zu fokussieren noch zuzuhören. Sie werden lange ihre Kundschaft haben, jedoch für ihre kurzsichtige Geschäftspolitik früher oder später mit weniger Marge oder gar Unterdeckung bezahlen. Im Sinne der langfristigen Kundenbindung und damit der Sicherung ihrer Existenz kommen auch sie auf Dauer nicht umhin, ihre potenziellen Kunden genauer anzuschauen und ihnen wirklich zuzuhören. Und dabei den Markt und die ganze Konkurrenz sehr genau im Auge zu haben. Viele Unternehmen fokussieren sich bereits nachvollziehbar und mit Erfolg auf die Bedürfnisse ihrer Kunden. Andere versuchen es und scheitern daran – weil sie zwar Zuhören versprechen und Beachtung suggerieren, aber beides mehr Schein als Sein und damit nicht eindeutig spürbar ist.
Schlüssige Fokussierung ist eine zentrale Voraussetzung für geplant bekommene Aufmerksamkeit.
Wer fokussierte Botschaften sendet, ist bereit dafür, genau solche auch zu empfangen und beides dann mit fokussiertem Handeln in Einklang zu bringen. Und zwar online genauso wie offline: Laut der Studie „Erfolgsfaktoren im E-Commerce“ punkten digitale Fachhändler zusehends gegen den Gemischtwarenladen Amazon. Dort werden Online-Kunden zu ihren Erfahrungen mit mehr als 100 Shops befragt. Dimensionen sind Website-Design, Service, Bedienung, Preis-Leistungs-Verhältnis, Sortiment, Bezahlung und Check-out sowie Versand und Lieferung. Amazon, so das Ergebnis, ist nicht schlechter geworden. Vielmehr holen die Wettbewerber, die aus der analogen Welt kommen, auf; grade bei den besonderen Amazon-Stärken Schnelligkeit und Service. Gleichzeitig wird Amazon wegen seiner schieren Größe als zusehends unübersichtlich wahrgenommen. Zu viele Informationen und Angebote überfordern den User und halten ihn vom Einkauf ab.
Bei Waren stört die Masse, beim Streaming ist sie ein USP. Die Vorteile schierer Größe zu nutzen erfordert manchmal auch, neue Geschäftsfelder zuungunsten der angestammten höher zu priorisieren.
Vor allem aus diesen Gründen – neben zum Beispiel mehr Vertrauen in Know-how und Kompetenz spezialisierter Anbieter – bekommt der Online-Fachhandel Aufmerksamkeit, genauso wie Curated Shopping (betreutes Einkaufen). Es kombiniert den elektronischen Handel und die Vorzüge der persönlichen Ansprache im Laden. Mit der Fachberatung im Netz stößt der E-Commerce in die Domäne des stationären Handels vor. Vorreiter sind Herrenausstatter wie outfittery.com und modomoto.com: Man füllt online einen Fragebogen aus, der Vorlieben und Stil ermittelt. Die Wünsche werden in einem Telefonat detailliert. Einige Tage später kommt ein Paket mit mehreren kompletten Outfits nach Hause. Was nicht gefällt, geht zurück. Der Service ist in der Regel kostenfrei, und die Margen entsprechen denen des Einzelhandels. Dieses Konzept dient allen: Der Händler bekommt Beachtung und Umsatz, weil er den Nerv der Zeit trifft. Er füttert mit den Profilen seine Algorithmen. Die sind mit der Zeit so fein ausgesteuert, dass sie Teile der menschlichen Beratung übernehmen können. Der Kunde wiederum, hier der Einkaufsmuffel Mann, ist maximal angetan.
Und vereinsamt allmählich vor dem Rechner. Ich dagegen weiß noch, wie es ist, bei Karstadt zu shoppen und dabei schüchtern-verliebt die Verkäuferin in der Jeansabteilung zu beäugen ...
Er darf ein Outfit erwarten, mit dem er sich gut gekleidet fühlt. Außerdem bekommt er auch hier das, was angesichts der zunehmenden Komplexität in seinem Leben das Wertvollste überhaupt ist: geistige Entlastung. Zudem sind Erlebnisse mit den schicken Online-Stores adäquate Gesprächsthemen für den gepflegten Smalltalk. Alles also voll am Schmerzpunkt des kultivierten urbanen Mittvierzigers.
Gelebte entgegengebrachte wie bekommene Aufmerksamkeit ist die härteste Währung, die es gibt. Dagegen sind Euro und Dollar nur vergängliche Tausch- und Zahlungsmittel, die fortwährend Risiken und Schwankungen unterliegen. Aus dieser Warte betrachtet, ist die Aufmerksamkeit nicht nur das härteste, sondern auch das stabilste Zahlungsmittel. Und zwar nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht: immer willkommen, immer anerkannt, immer gut für ein Tauschgeschäft. Von beiden Seiten zeitgemäß gespielt, sorgt sie für mehr wertschätzendes Miteinander sowie für guten Umsatz und sauberen Profit.
DAS ELEVEN STORIES IST FUTURE-READY:
„Man muss ein großes Versprechen abgeben dann immer wieder neu erfüllen – mit dem, was auf Teller und ins Glas kommt, indem man dem Gast eine wirklich feine Zeit bereitet.“
JÜRGEN HÖRMANN, GESCHÄFTSFÜHRENDER GESELLSCHAFTER
Aus dem zukunftsbereiten Tagebuch von Henkel & Berndt:
HERINGSDORF
Ich sag’s ja schon immer: Die Marke Lidl ist so stark, dass sie es sogar mit Danone aufnimmt.
Die machen die jahrzehntelang gepflegte Zwei-Marken-Gesellschaft kaputt – und den Rest von dem bisschen Marge schaffen sie so auch noch.
Ich kenn‘ das aus St. Gallen: Nach der Uni gibt’s Bündnerfleisch und Sbrinz – mit den Fingern!
DÜSSELDORF
In Deutschland jetzt auch, heißt Swiss Apéro. Dazu am besten ein Mäulchen voll Petite Arvine.
Webex ist ein internetbasierter Telefondienst des US-amerikanischen Telekommunikationsanbieters Cisco. Egal, wo man ist, ob man digital telefonieren, sich treffen oder Powerpoint-Präsentationen von unterschiedlichen Orten aus gemeinsam bearbeiten möchte – Webex hat die passende Lösung. „Arbeiten Sie unabhängig von Ihrem Standort“, verspricht die Website, und der Einstieg ist tatsächlich denkbar einfach. Man klickt „Kostenlos Starten“, erstellt einen Account und kann sofort mit bis zu zwei Personen kostenlos konferieren und arbeiten. Wer mehr will, zahlt. So weit, so gut, so einfach, so smart. Dabei ist es oftmals auch so nervig und so anstrengend, überall erreichbar zu sein und überall zu arbeiten. Das Internet macht die Welt zu einem hypermobilen Ort. Die nächste Flugbuchung, der nächste Leihwagen, der Pizzadienst, die Banküberweisung, der Smokingverleih, der Feierabendflirt … Alles ist immer zu haben und nur einen Klick entfernt. Was wie der Himmel auf Erden klingt, hat viele Schattenseiten. Vor allem die, dass wer zu viel Auswahl und zu viele Möglichkeiten hat, schnell verwirrt bis überfordert ist.
Es ist die Pest! Viele fühlen so, und dennoch machen alle mit. Ich auch.
Brauche ich nach Frankfurt und Berlin auch noch die ÖPNV-App für München auf dem Smartphone? Wozu ist noch mal dieses Bildbearbeitungstool, das ich mir am Wochenende heruntergeladen habe? Egal, in der Hosentasche vibriert es sowieso immer.
Informationsüberlastung ist Stress pur. Davon los kommt man am besten im Trappistenkloster mit radikalem Handyentzug – gebucht auf klosterportal.org. Mobilität ist kein Mittel zur Überwindung von Distanz, sie ist ein Lebensstil. Meilensammeln, Onlineshoppen und Bloglesen gehören zum Alltag dazu und verändern das Verhalten im beruflichen wie im privaten Umfeld nachhaltig. Nichts geht mehr schnell genug, nichts ist mehr einfach genug. Jede Information, deren Verarbeitung mehr als zwei Sekunden erfordert, wird zunächst ignoriert oder hintangestellt. Entsprechend gilt es, mobile Angebote so zu konfigurieren, dass sie leicht verdaulich, aus Kundensicht relevant und möglichst überall erhältlich sind.
Und das scheint so schwierig zu sein. Obwohl es dafür eigentlich nur und vor allem wichtig ist, die Wünsche und das mobile Verhalten der Zielgruppe erst einmal genau zu verstehen.
Neulich bei 160 km/h auf der Autobahn. Da rechts, ein Plakat in Pink. Darauf steht groß in Grau „Anschnallen“, darunter in Weiß „Für sie“. Darunter ein riesengroßes Paar zartrosa Babyschuhchen. Das Foto erfasst man schneller als die Schrift. Geht es hier, auf der Autobahn, tatsächlich um Werbung für Schuhe? Oder etwa um Kindersitze für Mädchen? Nur wer jetzt hart abbremst, erfasst grade noch so, worum es wirklich geht: Ganz unten rechts, zwar stylish, aber viel zu klein, steht weiß unterlegt: „Runter vom Gas“. Man soll wohl die Kinder anschnallen. Oder langsamer fahren? Oder beides? Bei der inhaltlichen Qualität des Plakats dauert die Analyse vom Wahrnehmen bis zur abgeschlossenen Dekodierung fünf Sekunden. In der Zeit fährt der Autofahrer Hunderte Meter weit, im Blindflug. Gleichzeitig telefoniert er mit der einen Hand und fummelt mit der anderen am Navi rum. Dabei sind die menschliche Auffassungsgabe und unsere kognitive Verarbeitungskapazität seit der Steinzeit nahezu unverändert – bei ständig mehr Informationen, die auf jeden von uns einprasseln. Da verstehen die Leute von der Verkehrssicherheitskampagne als Urheber des Plakats nicht im Ansatz, wie Kommunikation für naturgemäß mobile Verkehrsteilnehmer geht.
Beim Erstkontakt investiert der Kunde maximal Sekunden.
Laut einer Studie von ProsiebenSat.1 ist jedermann jeden Tag rund 12.000 Impulsen ausgesetzt, von denen er sich lediglich drei neue merkt. Entsprechend ist es im Marketing essenziell wichtig, gerade die Botschaften für die mobile Zielgruppe so eindeutig und spannend zu gestalten, dass sie einerseits unmittelbar wahrgenommen (im Sinne von Aufmerksamkeit) und andererseits im Anwendungskontext verarbeitet werden (im Sinne von Relevanz). Ein zentraler Erfolgsfaktor bei der Erregung geplanter Aufmerksamkeit ist die Wahl des richtigen sensorischen Reizes. Während der Mensch heutzutage visuell schnell überfordert ist, bietet beispielsweise die Ansprache des Geruchssinns weiterhin großes Potenzial. Ob die Brezel von Ditsch besonders gut schmeckt oder nicht – sobald der passionierte Bahnfahrer den Bahnhof betritt, zieht ihn der Duft des einschlägig bekannten Backwarenstands magisch an. Er löst den Pawlowschen Reflex aus und adressiert das Urbedürfnis Hunger.
Dass da nur der Anschein von manufakturellem Brezelschlingen nach Großmutterart aufrechterhalten wird, blendet er in diesem Moment des Verlangens einfach aus.
Das weiß man auch bei Abercrombie & Fitch, wo die Verantwortlichen für das ganzheitliche In-Store-Erlebnis on the brand weder den Sound noch das Licht vor Ort regeln lassen; und schon gar nicht das Beduften mit dem markeneigenen Parfüm Fierce (zu Deutsch: wild).
Warum sollten die ihre Mitarbeiter auch zum Selberhandeln befähigen? Selbst die Temperatur im Laden, hört man, wird zentral aus New Albany, Ohio, gesteuert.
Die Folge: Beim Sightseeing in der Londoner Savile Row duftet es beim näheren Hinschnuppern irgendwie so wie in der Sendlinger Straße in München … Der Tourist nimmt unwillkürlich die Witterung auf und kann sich nicht dagegen wehren: Hier muss doch irgendwo der Laden sein, wo es die coolen Shirts gibt, ohne die ich sowieso nicht nach Hause kommen darf!
Was, wenn Apollo, Saturn und Kaufhof auch anfangen mit Duft? In Hamburg und München musste Abercrombie & Fitch schon runtergehen vom Zerstäuber ...