Geflüchtet. Zu zweit in den Westen. - Peter Tannhoff - E-Book

Geflüchtet. Zu zweit in den Westen. E-Book

Peter Tannhoff

4,8

Beschreibung

Sommer 1988. Ein Jahr vor der Öffnung der Ungarischen Grenze wagt der 22jährige Peter Tannhoff mit seiner Freundin die Flucht nach Österreich. Nach vorübergehender Festnahme und Verhören durch ungarische Grenzsoldaten scheint der Fluchtversuch gescheitert. Kaum auf freiem Fuß, unternehmen die beiden unter Einsatz ihres Lebens einen zweiten Versuch und schaffen es ohne fremde Hilfe über die Grenze nach Österreich. Ein bewegender Erlebnisbericht – stellvertretend für viele Ostdeutsche, die ihren Fluchtversuch nicht selten mit langjährigen Haftstrafen oder ihrem Leben bezahlen mussten.

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Peter Tannhoff

Geflüchtet

Zu zweit in den Westen

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig.

Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,

Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung

und Verarbeitung durch elektronische Systeme.

2., unveränderte Auflage

© 2011 by Verlag Ludwig

Holtenauer Straße 141

24118 Kiel

Tel.: +49-(0)431-85464

Fax: +49-(0)431-8058305

[email protected]

www.verlag-ludwig.de

ISBN 978-3-86935-152-0

Meiner Großmutter in tiefer Dankbarkeit gewidmet

Für Anregungen und Korrekturen danke ich Ramona, Philip und meiner Mutter.

Editorische Anmerkung / Notiz

Zur Einleitung sei gesagt, daß im folgenden hin und wieder auf Ereignisse Bezug genommen wird, die in dem vorausgegangenen Werk »Sprutz – In den Fängen der Nationalen Volks­armee« ausführlich geschildert werden. Obwohl das vorliegende Buch als Fortsetzung geschrieben wurde, versteht es sich dennoch als eigenständiges Werk. Eine vorherige Lektüre von »Sprutz« ist empfehlenswert, jedoch nicht erforderlich.

Weitere Informationen zu diesem Thema unter www.peter-tannhoff.de

2

Manchmal, wenn ich mich allein und unbeobachtet wähnte, sang ich leise den Schluß der Rockballade »Albatros« vor mich hin. Besser als dieses Werk der DDR-Band Karat hätte ich meine Empfindungen nicht in Worte fassen können. Mit dem »Albatros« hatte es eine ganz besondere Bewandtnis: Schon im Jahre 1979 auf der AMIGA-LP »Über sieben Brücken« erschienen, wurde der Titel plötzlich im DDR-Rundfunk nicht mehr gespielt. Zu spät dämmerte den Stasi-Zensoren, daß dieses Lied bei jedem nur halbwegs aufmerksamen Hörer Freiheitssehnsüchte bis hin zu Fluchtgedanken wecken mußte. Der Musik wohnt in der Tat eine Macht inne, die mehr bewirken kann, als man vielleicht im ersten Moment zu glauben gewillt ist. Schon immer wurde sie auch gezielt zu Propaganda­zwecken eingesetzt – oft mit beträchtlichem Erfolg, wie »Marseillaise« oder »Internationale« zeigen.

Nachdem mir mein bester Freund Jumbo den mir bis dahin unbe­kannten »Albatros« zu Hause auf Schallplatte vorgespielt hatte, wurde er schlagartig zu meinem Fluchtlied. Es läßt sich nicht bestreiten, daß die genial komponierte Ballade mein Bedürfnis nach Selbstbestimmung massiv verstärkte. Mit ihrem bewegenden Text2 sprach sie mir aus der Seele und weckte die während der Tautenhainer Gefangenschaft inten­siv durchlebten Gefühle aufs neue. Karat brachte es folgendermaßen auf den Punkt: Eingesperrt zu sein heißt letztendlich nichts anderes, als tot zu sein! Vor allem die letzte Strophe führte mir die düstere Zonen-Realität immer wieder plastisch vor Augen. Für mich bestand kein Zweifel, daß mit den »sich türmenden Wänden« die Mauer, mit den »Wolken aus Blei« der Kugelhagel der Mauerschützen gemeint war. Am Ende die ermutigende Botschaft, daß es sich lohnt, selbst gegen unüberwindlich scheinende Hindernisse anzukämpfen, um den Weg in die Freiheit zu finden. Jedesmal, wenn ich den »Albatros« hörte, fuhr es mir kalt über den Rücken. Dann sah ich mich schon mit dem Motorrad den Sperrgürtel zwischen Ungarn und Ex-Jugoslawien unter den Schüssen der Verfolger durchbrechen!

2Aus urheberrechtlichen Gründen konnte der Text leider nicht abgedruckt werden, ist aber problemlos im Internet zu finden.

3

Zurück in Erfurt, genoß ich erleichtert aufatmend den herrlichen Frühling und die bereits vermißten kleinen Annehmlichkeiten des Studentenlebens. Und wieder war es interessant zu beobachten, wie unterschiedlich dieses Leben auf die »Gedienten« bzw. »Ungedienten« wirkte. Probleme wie Angst vor gewissen Dozenten oder Klausuren, die für Ungediente Grund zum Stöhnen oder zur Aufregung waren, entlockten uns »Resis« nur ein Lächeln. Uns konnte buchstäblich nichts mehr schocken. Fast nichts. Bis eine Hiobsbotschaft eintraf, die meinen Freund Jumbo betraf. Am 17.Juni, dem in der DDR zu feiern streng verbotenen »Tag der deutschen Einheit«, hatte er mit Freunden und Bekannten zu Hause in einem Lokal gesessen. Nach ein paar Bierchen wurden einige, darunter auch Jumbo, etwas zu leichtsinnig und sangen die Nationalhymne der BRD. Wenig später erfolgte der Zugriff seitens der Stasi. Allerdings kamen die Sänger nicht mit einfachem Gefängnisaufenthalt davon, sondern sie wanderten für drei Monate in ein Zuchthaus. Man stelle sich vor, was das bedeutet! Drei Monate unmenschliches Zuchthaus für die deutsche Nationalhymne! Augenblicklich mußte ich an Schwedt denken und was die dort inhaftierten DDR-Soldaten erleiden mußten. Jumbo tat mir unendlich leid, doch konnte ich in der Situation nicht das Geringste für ihn tun.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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