4,49 €
Heinz Strelow, Schriftsteller, Poet, Pazifist, opferte sein Leben im Widerstand gegen die Nazi-Diktatur. Als Quelle für dieses Büchlein diente vor allem der rege Briefwechsel zwischen Mutter Meta Strelow und ihrem Sohn. Diese Biografie soll dazu beitragen, die Erinnerung an Heinz Strelow und seine Zeit wach zu halten.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 58
Vorwort Die Kunstgewerblerin Meta Strelow (18911968), durch den 1. Weltkrieg verwitwet, verlegte ihren Wohnsitz ab 1941 aus dem vom Luftkrieg bedrohten Hamburg nach Bendestorf. Von März 1951 bis Juni 1966 führte sie in der Dorfmitte ein Geschäft für kunsthandwerkliche Waren mit dem Firmensymbol „Zum Jumbo“. Ihr einziges Kind, Heinz Strelow (1915-1943), unterstützte sie im Geschäft, nachdem er seine Hamburger Schule vorzeitig verlassen musste und ehe er zum Reichsarbeitsdienst (RAD) eingezogen wurde. Nach dem Kriegsende unterstützte Meta Strelow das frühe kirchengemeindliche Leben im Dorf.
Mutter und Sohn führten bis zu Heinz Tod einen regen Briefwechsel. Er hatte ihr auch seine poetischen Schriften aus dem Felde gesandt, die sie sorgfältig verwahrte und schließlich mit der gesamten Korrespondenz und diversen Familienpapieren der Kirchengemeinde Bendestorf zur Archivierung anvertraute. Da sie, soweit bekannt, keine Verwandtschaft hatte, hoffte sie sicherlich, dass durch das Archiv das Gedenken an ihren Sohn, an dessen Leben und Sterben, lebendig erhalten bliebe.
Der uns vorliegende schriftliche Nachlass dokumentiert die Beobachtungen und Erfahrungen eines jungen Soldaten, der aus seiner Distanz zum Hitlerregime und dem politisch-militärischen Geschehen seiner Gegenwart zum aktiven Widerstand fand. Er wusste, dass er dabei sein Leben aufs Spiel setzte.
Unsere kleine Schrift soll dazu beitragen, Strelow und seine von Krieg und Diktatur geprägte Zeit nicht zu vergessen.
Um das Archiv verdient gemacht haben sich Altbürgermeister Henry Rathjen und Pastor Wolfgang Heitmann. Heiner Braband trug dank seiner Fotosammlung zur Illustration dieser Schrift bei.
Fuhlsbüttel Den folgenden ersten Brief im 'Archiv Strelow' schrieb der zwanzigjährige Heinz im KZ Fuhlsbüttel an die Mutter und an die Freundin Liesel, die seine Ehefrau werden sollte.
„Liebe Eltern!
31.10.35
Abbildung 1 Brief aus dem Konzentrationslager Fuhlsbüttel.
Ich habe Eure Post erhalten. Ich danke Euch sehr, denn es war mir eine große Freude, insbesondere Mutters Bild. Grämt Euch nicht und macht Euch keine Sorgen, es geht mir gut. Ich liege jetzt auf einem Saal, was ich empfangen darf, habe ich auf einen Zettel geschrieben und dem Wäschepaket beigelegt. Mehr dürft Ihr nicht schicken. Keinen Mantel. […] Ich denke immer an Euch, und im Geiste bin ich stets bei Euch. Ich halte den Kopf hoch, und Ihr müsst es auch. Alles geht vorüber. […] Wir dürfen uns keinen übertriebenen Hoffnungen hingeben, wir müssen stark sein und uns immer lieb behalten.
Liebstes, bestes Liesel! Ich danke Dir für den Brief und für das Bild. Es klingt absurd, aber ich bin glücklich. Denn ich glaube, dass Du mich wirklich liebst. Du musst klar sehen, denn es wird schwer sein für Dich, aber ich hoffe, Liesel, daß Du stark sein wirst und auf mich warten wirst, wie lange es auch dauern mag. […] Es wird einst noch schöner für uns werden, wenn wir beide den Kopf hoch halten. Sei tapfer, ich werde Dich immer lieben, und keine Macht der Welt kann unsere Liebe zerstören. Behalte mich lieb. Ich grüße Dich und küsse Deine Augen. Heino“1
Eltern „Heino“, so nannte Meta Strelow, die Mutter, ihren Sohn Heinz, ihr einziges Kind. Geboren am 15. Juli 1915 in Hamburg, wuchs Karl-Heinz Adolf Strelow ohne seinen Vater Heinrich (Heinz) Strelow auf, der im Ersten Weltkrieg, am 29.04.1915, in Polen gefallen war. Heinrich Strelow war von Beruf Redakteur. Sein Sohn wollte ihm in diesem Beruf nachfolgen.
Abbildung 2 Mutter und Sohn.
Meta Strelow führte in Hamburg ein Geschäft in zentraler Lage für kunstgewerbliche Artikel und künstlerische Bilder, zuerst am Neuen Wall Nr. 48, dann in den Colonnaden Nr. 58. Wie viele Hamburger Geschäftsleute auch, suchte und fand sie für sich, ihren Sohn und ihre Ware Schutz vor dem drohenden Bombenkrieg in der Nordheide. Sie erwarb ein Wochenendhaus mit Grundstück in Bendestorf, Am Schierenberg, und konnte 1952 in der Dorfmitte ein Gebäude pachten, in dem sie den Kunstgewerbehandel wieder aufnahm. Eine Skulptur vorm Eingang warb mit dem Geschäftsnamen „Zum Jumbo“. Das erinnerte gleichzeitig an das Hamburger Geschäft.
Jugend Heinz Strelow war ein literarisch begabter junger Mensch. Einige nachgelassene, bisher nicht veröffentlichte Gedichte, sowie eine poetische Kurzgeschichte, die wir an anderer Stelle abdrucken wollen, zeugen davon. Er besuchte die koedukative Hamburger Lichtwarkschule, deren besondere Pädagogik Unterrichtsfächer wie Literatur, Kunsterziehung, Musik, Geschichte, Chor und Orchester, darstellendes Spiel und Sport betonte und ihre Schüler zu kreativen, selbständig arbeitenden und denkenden Menschen erziehen wollte.2
Abbildung 3 Der "Jumbo" vor dem Geschäft.
Über die geschäftlichen Verbindungen seiner Mutter hinaus pflegte auch der Sohn - ähnlich wie der spätere Bundeskanzler Schmidt - freundschaftliche Kontakte zu Familien in Worpswede und Fischerhude. Er besuchte sie häufiger, auch noch während seiner Arbeitsdienstzeit. Ostern 1932 wurde Strelow in die Obersekunda, also in das 11. Schuljahr versetzt. Das Abitur wurde damals am Ende der 12. Klasse (Prima) abgelegt. Er verließ die Schule jedoch vorher, im Januar 1933. Warum? Sein Abgangszeugnis vom 16.01.1933 weist zwar in den mathematischnaturwissenschaftlichen Fächern z.T. mangelhafte Leistungen auf, dem stehen aber gute und sehr gute Noten in anderen Fächern gegenüber. Er wäre damit wahrscheinlich versetzt worden. Die Mutter schreibt später, ihr Sohn habe die Schule verlassen müssen.3 Dagegen sprechen andere Zeugen vom freiwilligen Abgang.4 Vorstellbar ist, dass er sich wegen seiner politischen Aktivitäten unter Druck gesetzt fühlte. Oder war ihm sein Einsatz für den Kommunismus wichtiger als die Schule - gerade angesichts der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933? Jedenfalls arbeitete er jetzt im Geschäft der Mutter, ohne in seinen Wunschberuf, Journalistik, eintreten zu können.
Wie kam es zu Strelow‘s Haft im Konzentrationslager Hamburg-Fuhlsbüttel? Wie Helmut Schmidt in seinem Rückblick berichtet, wurden die Lichtwark-Schüler politisch nicht indoktriniert. Das politische Klima der Schule könnte mit links-liberal bezeichnet werden, sofern Politik für die Mehrheit der Schüler überhaupt eine Rolle spielte. Gleichwohl können wir dem unten abgedruckten Brief des Klassenlehrers Johannes Schomaker entnehmen, wie zu seinem Bedauern ein „dem Kommunismus verschworener Klassenlehrer“ Einfluss auf seine Obersekundaner (11.Klasse) nahm, sodass Heinz sich dem verbotenen kommunistischen Jugendbund (KJVD) anschloss.5 Wie es scheint, wurde Heinz durch einen ehemaligen Mitschüler verraten.6
Abbildung 4 Naturfreund/Wandervogel.
Strelow wurde am 8. 10. 1935 verhaftet und ohne Prozess als Häftling Nr. a III/8 wegen seiner Mitgliedschaft in einer kommunistischen Vereinigung in das KZ Fuhlsbüttel eingeliefert.7 Über seine Haft und seine Behandlung dort sind keine Dokumente erhalten, weil die Gestapo kurz vor Kriegsende alle Unterlagen über die KZs Neuengamme und Fuhlsbüttel vernichtete. In seiner Korrespondenz geht Strelow auf diese Zeit nicht ein. Nur aus erhaltenen Verpflegungs-Abrechnungen der Gestapo lässt sich feststellen, dass Strelow dort als sog. 'Schutzhäftling' bis zum 23.11.35 einsaß.8
Der oben erwähnte und unten zitierte Brief des Klassenlehrers vom 21.12.1942 an die Mutter, war dessen Versuch, das Reichskriegsgericht im Verfahren gegen Strelow milde zu stimmen. Johannes Schomaker charakterisiert Strelow hier als sensiblen, intellektuellen, bildungswilligen und im Klassengespräch führenden Schüler.
„Sehr geehrte, liebe Frau Strelow!
Wie es so natürlich ist, stellen Sie sich immer wieder die Frage, wie Ihr Sohn Heinz diesem politischen Mißgeschick ausgeliefert werden konnte. Wenn Sie aber den Werdegang Ihres Heinz verfolgen, so wird manches auftauchen, das den unternommenen Schritt möglich erscheinen läßt und das zugleich als mildernder Umstand gewertet werden muß.
Ich habe Ihren Sohn ja eine ganze Reihe von Jahren, eben als sein Klassenlehrer von der Sexta bis zur