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DER MASKENBALL von LYNNE GRAHAM Maskenball in Venedig! Gianluca hat in Darcy seine Prinzessin gefunden, doch am nächsten Morgen ist er allein in seinem Palazzo. Drei Jahre lang sucht Gianluca nach ihr. Und dann führt eine Anzeige ihn zu seiner Traumfrau: "Ruhiger, ungebundener Mann gesucht …! MEHR ALS EIN UNMORALISCHES ANGEBOT von ABBY GREEN Lia kocht vor Wut, als der arrogante Ben Carter auf einem Maskenball als Spende eine Million Dollar für sie bietet. Sie ahnt, der berüchtigte Playboy treibt ein falsches Spiel! Nur für den guten Zweck reist sie mit ihm ein Wochenende nach Brasilien! Doch als er sie am sonnigen Strand von Bahia verlangend küsst, kann sie dem verführerischen Bad Boy plötzlich nicht mehr widerstehen! Bis die Wahrheit Lia wie ein Dolchstoß trifft: Ben reizt nicht nur die Firma ihres Vaters, hinter seinen prickelnden Küssen steckt ein berechnender Plan … MEGAN MUSS SICH ENTSCHEIDEN von KATE HOFFMANN Ein romantischer Maskenball. Megan DeWilde, Managerin der Pariser DeWilde-Filiale, tanzt wie auf Wolken mit einem verführerischen Unbekannten. Dann der Schock: Es ist Phillippe de Villeneuve, Sohn des ärgsten Feindes ihrer Familie! In ihn darf sich Megan niemals verlieben. Doch Phillippe gibt nicht auf. Er besucht sie auf dem Schloss ihrer Großtante. Wird Megan auf ihr Herz hören und sich zu ihm bekennen? BALL DER TRÄUME von TRISH MOREY Als betörende Kleopatra besucht Eve den Kostümball ihres Chefs. Der attraktive Millionär Damien DeLuca hat nur noch Augen für sie, erkennt sie jedoch nicht. In der Firma ist sie sonst Luft für ihn. Was wird er sagen, wenn er erfährt, wer sie wirklich ist?
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Seitenzahl: 905
Cover
Titel
Inhalt
Der Maskenball
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
Mehr als ein unmoralisches Angebot ...
Cover
Titel
Impressum
PROLOG
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
EPILOG
Megan muss sich entscheiden
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
Ball der Träume
Impressum
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
Epilog
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Contents
IMPRESSUM
Der Maskenball erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 1998 by Lynne Graham Originaltitel: „The Vengeful Husband“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANA Band 1329 - 2000 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Dorothea Ghasemi
Umschlagsmotive: CURAphotography_GettyImages
Veröffentlicht im ePub Format in 08/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck
ISBN 9783733758936
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag: BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Eine zerbrechliche Schönheit in einem silbriggrünen Kleid. Schimmernde Haut, eine tizianrote Mähne und fesselnde grüne Augen. Eine heisere, verführerische Stimme, die im einen Moment messerscharf und im nächsten zuckersüß klang …
„Keine Namen … kein Strafexerzieren“, hatte sie gesagt.
„Ich will ihn gar nicht wissen“, hatte sie gesagt, als er ihr seinen Namen nennen wollte. „Nach dieser Nacht werde ich dich nie wieder sehen. Also was hätte es für einen Sinn?“
Das hatte noch keine Frau zu ihm, Gianluca Raffacani, gesagt, und daher war er umso schockierter gewesen. Noch keine Frau hatte in ihm nur ein Abenteuer für eine Nacht gesehen. Doch ihre Leidenschaft schien in krassem Widerspruch zu ihren Worten gestanden zu haben – bis er im Morgengrauen aufgewacht war und festgestellt hatte, dass seine geheimnisvolle Geliebte gegangen und der Adorata-Ring ebenfalls verschwunden war.
Die Erinnerung an jene verhängnisvolle Nacht in Venedig vor drei Jahren schmerzte immer noch, als Luca mit unbeweglicher Miene die geschlossene Akte mit der Aufschrift „Darcy Fielding“ auf seinem Schreibtisch betrachtete. Mit eiserner Selbstdisziplin, für die er in der internationalen Finanzwelt bekannt war, widerstand er der Versuchung, die Akte aufzuschlagen. Er hatte so lange gewartet, nun konnte er auch noch etwas länger warten. „Sind Sie sicher, dass sie es diesmal wirklich ist?“, fragte er leise.
Benito verspannte sich. Sie entsprach zwar in jeder Hinsicht der Beschreibung, doch er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sein Arbeitgeber eine leidenschaftliche Nacht mit der Frau auf dem Foto verbracht hatte …
„Ich werde erst sicher sein, wenn Sie sie wieder erkannt haben, Sir.“
Seufzend schlug Luca Raffacani die Akte auf, um das Foto auf der ersten Seite zu betrachten.
Als Luca sich verspannte und seine Miene versteinerte, wurde Benito blass. Die ungepflegte Frau, die eine schmutzige Jacke mit einem zerrissenen Ärmel, verwaschene Jeans, Gummistiefel und einen abgetragenen Regenhut trug, erinnerte vielmehr an eine Stadtstreicherin als an eine Lady. „Ich war zu voreilig …“
„Sie hat das Haar abgeschnitten“, unterbrach sein Arbeitgeber ihn schroff.
Benito schluckte mühsam. „Heißt das, sie ist es?“
„Wollte sie in diesem Aufzug auf eine Faschingsfeier gehen?“
„Signorina Fielding hat gerade Hühner gefüttert, als die Aufnahme gemacht wurde“, erklärte Benito. „Der Fotograf hat sein Bestes getan. Sie verlässt das Haus nicht oft.“
„Hühner?“ Luca zog die schwarzen Brauen zusammen, während er das Foto weiter betrachtete. „Ja, sie ist es – die hinterhältige kleine Diebin, die mich wie ein Profi bestohlen hat.“
Der Rubinring stammte aus dem Mittelalter und war ein unersetzliches Erbstück gewesen. Die Familie Raffacani war ein altes Fürstengeschlecht, und der erste principe hatte ihn seiner Frau Adorata zur Geburt seines ersten Sohnes geschenkt. Trotz des immensen Werts des Rings hatte sein Arbeitgeber jedoch nicht die Polizei verständigt. Mittlerweile überraschte ihn, Benito, allerdings gar nichts mehr …
Den Gerüchten zufolge, die im Raffacani-Imperium kursierten, hatten sich damals seltsame Dinge auf dem alljährlich stattfindenden Maskenball im Palazzo d’Oro ereignet. Und wenn es tatsächlich stimmte, dass Gianluca Raffacani verschwunden war, um die Diebin mit einer Gondelfahrt im Mondschein zu umwerben – etwas ausgesprochen Untypisches für einen gebürtigen Venezianer –, dann konnte er, Benito, nachvollziehen, warum sein Arbeitgeber nicht die Polizei eingeschaltet hatte.
Trotz der hohen Belohnung, die dieser inoffiziell ausgesetzt hatte, war der Ring seitdem nicht wieder aufgetaucht. Wahrscheinlich hatte irgendein reicher Sammler in England, der seine Herkunft lieber nicht hinterfragen wollte, ihn unter der Hand erworben. Er, Benito, war sehr enttäuscht gewesen, als die Nachforschungen des Privatdetektivs ergeben hatten, dass Darcy Fielding nicht vorbestraft war.
„Erzählen Sie mir von ihr.“ Sein Arbeitgeber klappte die Akte zu und schob sie weg.
Benito atmete tief durch. „Darcy Fielding lebt in einem großen alten Haus, das sich schon seit Generationen im Besitz ihrer Familie befindet. Ihre finanzielle Situation ist miserabel. Das Haus ist hoch belastet, und sie ist mit den Zahlungen im Verzug …“
„Wer ist der Hypothekengläubiger?“, erkundigte Luca sich leise.
Benito informierte ihn, dass die Hypothek zehn Jahre zuvor bei einer Versicherungsgesellschaft aufgenommen worden war.
„Kaufen Sie es“, wies er ihn an. „Fahren Sie fort …“
„Im Ort genießt die Lady einen guten Ruf. Bei seinen Nachforschungen hat der Privatdetektiv aber herausgefunden, dass die Haushälterin ihrer verstorbenen Patentante nicht gut auf sie zu sprechen ist.“
Luca kniff die Augen zusammen und verzog verächtlich den sinnlichen Mund. Unvermittelt schlug er die Akte wieder auf, um das Foto mit neuer Faszination zu betrachten. Ihr Haarschnitt war völlig missraten, doch der Schimmer ihrer makellosen Haut und das Strahlen ihrer Augen waren unverkennbar …
Als Luca wieder aufblickte, wusste er nicht mehr, wo Benito stehen geblieben war.
„Und falls die Lady es schafft, wird sie etwa eine Million Pfund erben“, fügte dieser hinzu.
Luca betrachtete seinen Berater, dem er bedingungslos vertraute. „Falls sie was schafft?“
„Die verstorbene Signora Leeward hatte drei Patentöchter. Und was bot sich ihr, als es darum ging, ihre weltlichen Güter aufzuteilen? Eine lebte mit einem verheirateten Mann zusammen, eine war alleinerziehende Mutter, und die dritte war ledig und erwartete ein Kind – und keine von ihnen hatte Aussicht auf einen Ehemann!“
„Ich kann Ihnen nicht ganz folgen“, sagte Luca.
„Darcy Fieldings reiche Patentante hat alles ihren drei Patentöchtern hinterlassen, unter der Bedingung, dass jede von ihnen innerhalb eines Jahres heiratet.“
„Und Darcy ist eine von den dreien, die Sie beschrieben haben. Welche? “
„Die alleinerziehende Mutter.“
Luca erstarrte. „Wann wurde das Kind geboren?“
„Sieben Monate nach ihrer Reise nach Venedig. Es ist vor Kurzem zwei geworden.“
Luca blickte starr ins Leere, bemüht, seine Wut zu unterdrücken. Cristo … Sie war von einem anderen Mann schwanger gewesen, als sie mit ihm geschlafen hatte! Das ist ein weiterer Nagel zu ihrem Sarg, schwor er sich. Er würde ihr zeigen, was es bedeutete, hintergangen und gedemütigt zu werden. Genauso wie sie es ihm gezeigt hatte …
„Was die Identität des Vaters des Kindes betrifft …“, fuhr Benito trocken fort. „Die Dorfbewohner glauben anscheinend, dass es der Verlobte ist, der die Lady vor dem Altar hat stehen lassen. In ihren Augen ist er ein Mistkerl der übelsten Sorte. Aber die Haushälterin ist da ganz anderer Meinung. Sie behauptet, er wäre zurzeit der Empfängnis im Ausland gewesen und hätte sich aus dem Staub gemacht, weil das Kind nicht von ihm sein konnte.“
Schweigend nahm Luca diese Informationen auf.
„Ich glaube nicht, dass die Lady lange allein bleibt“, erklärte Benito. „Nicht wenn es um eine Million Pfund geht. Sehen Sie mal auf Seite sechs nach …“
Luca schlug die entsprechende Seite auf. „Was ist das?“, fragte er, während er die Chiffreanzeige betrachtete.
„Ich vermute, dass Darcy Fielding per Annonce einen Ehemann sucht, um die Bedingungen des Testaments zu erfüllen.“
„Per Annonce?“ , wiederholte Luca ungläubig.
Frau vom Lande sucht ruhigen, häuslichen und ungebundenen Mann mit guten Umgangsformen, 25-50, für befristete Anstellung. Unterkunft wird gestellt. Ihre Zuschrift wird absolut vertraulich behandelt. Bitte nur ernst gemeinte Angebote.
„Sie sucht keinen Ehemann, sondern ein entmanntes Haustier!“, bemerkte Luca scharf.
„Ich muss wieder annoncieren“, meinte Darcy grimmig und schwenkte wütend die Schaufel. Sie war gerade damit beschäftigt, die einzige Box in dem großen Pferdestall auszumisten, die noch bewohnt war, und zwar von einem alten Tier.
Karen, die daneben stand und ihr gern ihre Hilfe angeboten hätte, es jedoch wohlweislich nicht tat, sah ihre Freundin überrascht an. „Und was ist aus dem Gärtner und dem Heimwerker geworden?“
Darcy schnitt ihrer Freundin, einer attraktiven dreißigjährigen Brünetten, ein Gesicht. „Ich habe sie gestern angerufen, um ein Vorstellungsgespräch zu vereinbaren …“
„In dem du ihnen dann mitteilen wolltest, dass es sich bei der Stelle eigentlich um eine Ehe handelt.“
„Na ja, der eine hatte schon einen Job gefunden, und der andere war umgezogen und hatte keine Nachsendeadresse hinterlassen. Ich hätte mir nicht so lange den Kopf darüber zerbrechen sollen, wen ich nehme.“
„Du hast doch nur fünf Zuschriften bekommen, und davon waren zwei obszön und eine äußerst seltsam. Was hat dich bloß geritten, ‚häuslich‘ und ‚mit guten Umgangsformen‘ zu schreiben? Trotzdem kann ich nicht gerade behaupten, dass ich über deinen Misserfolg traurig bin“, sagte Karen mit der für sie typischen Offenheit, die Darcy so an ihr schätzte.
„Karen …“, sagte Darcy und stöhnte.
„Bei der Vorstellung, dass du mit einem Fremden allein in diesem Haus bist, wird mir ganz anders“, gestand Karen. „Wie stehen denn die Chancen, dass einer der beiden sich auf deinen Vorschlag eingelassen hätte?“
Darcy straffte sich frustriert. „Wenn ich genug Geld geboten hätte, dann hätte einer von ihnen garantiert zugestimmt. Ich brauche mein Erbe, Karen. Ich würde sogar den Glöckner von Notre Dame heiraten, um die Bedingungen in Nancys Testament zu erfüllen! Dieses Haus befindet sich seit vierhundert Jahren im Besitz meiner Familie …“
„Aber es bricht über dir zusammen und frisst dich auf, Darcy. Dein Vater hatte kein Recht, dir eine solche Last aufzubürden. Wenn er Fielding’s Folly nicht hätte verfallen lassen, würdest du jetzt lange nicht so schlecht dastehen!“
Darcy hob das Kinn, und ihre grünen Augen funkelten entschlossen. „Karen, solange ich noch arbeiten kann, wird Fielding’s Folly weiter bestehen, damit ich es einmal Zia vererben kann.“
Sie hörte einen Moment mit der anstrengenden Arbeit auf, um ihre zweijährige Tochter zu betrachten, die in einer sonnenbeschienenen Ecke saß und eine ihrer Puppen kämmte.
Zum Glück hatte Zia weder ihr karottenfarbenes Haar noch ihre Kurzsichtigkeit, noch ihre Nase geerbt. Sie hatte glänzende schwarze Locken und zarte, ebenmäßige Züge und war ein auffallend hübsches kleines Mädchen. Kurzum, sie versprach einmal all das zu werden, was ihre Mutter sich immer verzweifelt und vergeblich gewünscht hatte …
Zia würde auf Partys nicht das Mauerblümchen sein, weil sie zu geradeheraus und unscheinbar war. Und sie würde auch niemals in Selbstmitleid schwelgen, weil sie mit einem Fremden geschlafen hatte, nur um sich zu beweisen, dass sie einen Mann anziehen konnte.
Eines Tages würde Zia nach ihrem Vater fragen. Und was musste sie, Darcy, ihr dann sagen? Oh, ich habe keine Ahnung, wie er heißt, weil ich seinen Namen nicht wissen wollte. Ich weiß nicht einmal, ob ich ihn wieder erkennen würde, denn ich habe damals noch keine Kontaktlinsen getragen, und meine Brille hatte ich nicht auf. Aber er hatte dunkle Augen, noch dunkleres Haar und eine wunderschöne Stimme …
„Was ist los?“
Sie errötete unter Karens fragendem Blick und betrachtete angelegentlich ihre Stiefel. „Mir ist nicht gut“, erwiderte sie wahrheitsgemäß, denn sie schämte sich, dass sie auf den ersten Playboy, dem sie je begegnet war, hereingefallen war.
Widerstrebend nahm Karen einen Brief aus der Tasche ihrer Jeans und reichte ihn ihr. „Hier, ein Nachzügler, schätze ich. Er ist heute Morgen gekommen und in London abgestempelt.“
Da sie sich bereit erklärt, die Anzeige unter ihrem Namen aufzugeben, hatte man die Zuschriften an sie weitergeleitet. Sie wohnte in dem Pförtnerhäuschen, das sie ihr vor Kurzem abgekauft hatte. Falls man ihr, Darcy, auf die Schliche kam, würde sie ihren Anspruch auf das Erbe verwirken, weil sie die Bedingungen des Testaments zu umgehen versuchte.
Doch sie hatte ihrem Vater versprochen, Fielding’s Folly unter allen Umständen zu halten. Wie konnte sie also zulassen, dass ihr vierhundert Jahre Familiengeschichte durch die Finger rannen?
Und, was noch wichtiger war, erst wenn sie heiratete, würde sie in der Lage sein, die Angestellten, die nach dem Tod ihres Vaters gezwungen gewesen waren, sich einen neuen Job zu suchen, wieder zu beschäftigen. Dass diese loyalen, pflichtbewussten Menschen noch immer unter dem mangelnden Geschäftssinn ihres Vaters litten, lastete noch schwerer auf ihrem Gewissen.
Darcy riss den Umschlag auf, nahm den Brief heraus und überflog ihn. „Er ist kein gebürtiger Brite … und er hat Erfahrung als Finanzberater …“
„Wahrscheinlich war er mal Bankangestellter“, warf Karen zynisch ein. Finanziell ging es ihr gut, doch nach ihrer Scheidung hatte sie nicht mehr allzu viel Vertrauen in das männliche Geschlecht.
„Er bietet Referenzen.“ Ihr optimistischer Gesichtsausdruck bewies, wie verzweifelt Darcy war. „Und er ist erst einunddreißig …“
„Woher kommt er?“
Darcy warf einen Blick auf die unleserliche Unterschrift. „Das sagt er nicht. Er schreibt lediglich, dass er ledig ist und gesund und eine befristete Stelle mit Unterkunft genau das ist, was er zurzeit sucht …“
„Er ist also arbeitslos und pleite.“
„Wenn es nicht so wäre, würde er sich wohl kaum bewerben. Ich finde, es klingt vernünftig. Und da er nicht weiß, um was für einen Job es sich handelt, hat er sich eben auf die wichtigsten Informationen beschränkt.“
Als Darcy fünf Tage später in dem kleinen Wohnzimmer in Karens Häuschen auf und ab ging, schob sie ihre dicke Brille hoch, strich über ihren Faltenrock und zupfte am Rollkragen ihres Pullovers.
In fünf Minuten würde er kommen. Da er keine Telefonnummer angegeben hatte und sie ihre Adresse vorerst geheim halten wollte, hatte sie ihm schriftlich einen Vorstellungstermin mitgeteilt, und er hatte diesen in einem weiteren Brief bestätigt. Diesem hatte sie entnommen, dass sein Vorname offenbar Lucas war, doch seinen Nachnamen hatte sie wieder nicht entziffern können.
Von draußen war das Geräusch eines Motorrads zu hören, und eine Minute später wurde die Tür aufgerissen, und Karen steckte aufgeregt den Kopf herein. „Gerade ist eine Riesenmaschine vorgefahren … und dieser Prachtkerl hat seinen Helm abgenommen! Es muss Lucas sein. Er ist fantastisch …“
„Er ist mit dem Motorrad hier?“ Darcy sah sie erstaunt an.
„Du bist manchmal so spießig“, meinte Karen vorwurfsvoll. „Ich wette, dass du nicht den Mut hast, diesen Kerl zu fragen, ob er dich heiratet.“
Darcy war sich bereits schmerzlich bewusst, dass sie keine andere Wahl hatte. Sie hoffte inständig, das Lucas, wer oder was auch immer er sein mochte, zustimmen würde, denn sie stand bereits mit dem Rücken zur Wand. Am Vortag hatte sie einen Brief von der Versicherungsgesellschaft bekommen, die ihr damit drohte, ihr Forderungsrecht geltend zu machen.
Darcy zuckte zusammen, als es klingelte, und Karen stürzte förmlich zur Tür. Darcy stellte sich an den Kamin und setzte eine unbeteiligte Miene auf. Er war also attraktiv. Attraktive Männer waren selbstherrlich. Sie schnitt ein Gesicht.
„Signorina Darcy?“, hörte sie eine Männerstimme mit Akzent überrascht fragen.
„Nein … Sie … sie ist da drinnen … und erwartet Sie“, erwiderte Karen stockend und kicherte. Dann wurde die Tür geöffnet.
Darcy war erstarrt, und ihr Herz klopfte schneller, denn die Stimme war ihr so bekannt vorgekommen. Dann wurde ihr jedoch klar, warum, und sie erschauerte. Er war Italiener! Es war der melodische Akzent, den sie wieder erkannt hatte, nicht die Stimme.
Ein sehr großer, dunkelhaariger Mann, der Motorradkluft und eine Sonnenbrille trug, betrat den Raum, und sie betrachtete ihn wie gebannt. Er hatte sehr breite Schultern, schmale Hüften und muskulöse Oberschenkel, und die enge Lederkluft überließ nur wenig der Fantasie. Und trotzdem hatte er mehr mit Zias Vater gemeinsam als nur den Akzent, denn dieser war auch sehr groß und gut gebaut gewesen.
„Bitte entschuldigen Sie, dass ich meine Sonnenbrille aufbehalte, aber meine Augen sind überanstrengt, und das Licht tut mir weh“, informierte er sie mit wohlklingender Stimme und unerwartet leise.
„Möchten Sie sich nicht setzen?“ Fast unbeholfen zwang Darcy sich, Platz zu nehmen.
Sie stand unter Schock, denn einen Macho, der mit dem Motorrad vorfuhr und eine enge Lederkluft trug, hatte sie nicht gerechnet. Mit dem Dreitagebart wirkte er ungefähr so häuslich und wohlerzogen wie ein Säbelzahntiger.
„Verzeihen Sie, wenn ich das sage, aber Sie sehen mich so merkwürdig an“, bemerkte er lässig, während er sich auf das kleine Sofa ihr gegenüber setzte. „Erinnere ich Sie an jemanden, Signorina?“
Darcy verspannte sich noch mehr. „Überhaupt nicht. Leider konnte ich Ihre Unterschrift nicht entziffern. Wie heißen Sie?“
„Belassen wir es vorerst bei ‚Luca‘. Dem Text Ihrer Anzeige nach zu urteilen, handelt es sich anscheinend um einen ungewöhnlichen Job“, sagte er leise. „Ich würde gern Genaueres darüber wissen.“
Sie fühlte sich wie eine Katze, die gegen den Strich gestreichelt wurde. Eigentlich hätte sie ihn befragen sollen und nicht umgekehrt!
„Schließlich haben Sie mir Ihren richtigen Namen auch nicht gesagt“, fügte er hinzu.
Verblüfft sah Darcy ihn an. „Wie bitte?“
„Ich habe Sie überprüft. Ihr Nachname ist ‚Fielding‘, nicht ‚Darcy‘, und Sie wohnen nicht in diesem Cottage, sondern in dem Herrenhaus“, zählte er kühl auf. „Sie haben einige Mühe auf sich genommen, um Ihre wahre Identität zu verbergen, und das beunruhigt mich natürlich.“
Sie sprang auf und betrachtete ihn wütend und verwirrt zugleich. „ Sie haben mich überprüft?“
Er zog lässig die Augenbrauen hoch und nahm langsam die Sonnenbrille ab. „Hier ist es dunkel genug …“
Darcy ertappte sich dabei, wie sie wie gebannt seinen Blick erwiderte. Er hat tolle Augen, dachte sie hilflos, dunkel wie die Nacht und unergründlich. Ohne Sonnenbrille sah er geradezu überwältigend aus. Dieser Mann war es gewohnt, von den Frauen angestarrt und angelächelt zu werden.
Unwillkürlich wich sie einen Schritt zurück und stieß dabei gegen den Sessel, auf dem sie gesessen hatte. Errötend ging sie um den Sessel herum, verzweifelt bemüht, so viel Abstand wie möglich zwischen Luca und sich zu bringen.
Dieser betrachtete sie aus zusammengekniffenen Augen. „Signorina Fielding …“
„Sie hatten kein Recht, mich zu überprüfen …“ Abwehrend verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Ich habe Ihnen Diskretion zugesagt. Hätte ich dasselbe nicht auch von Ihnen erwarten können?“
„In der Geschäftswelt ist es üblich, vor einem Vorstellungsgespräch Erkundigungen einzuziehen.“
Frustriert riss sie sich von seinem Anblick los. Vielleicht war es gut, dass er sie daran erinnert hatte, denn schließlich wollte sie ihm ein Geschäft vorschlagen. Er hielt sich wohl für clever, doch sie wusste bereits, dass er strohdumm sein musste. Nur ein Vollidiot wäre in einem Aufzug wie ein Mitglied der Hell’s Angels zu einem Vorstellungsgespräch mit einer Frau erschienen. Finanzberater? Von wegen! In der Branche war ein konservatives Erscheinungsbild üblich.
Darcy schalt sich im Stillen dafür, dass sie sich von seinem Äußeren hatte beeindrucken lassen. Sie nahm wieder Platz und faltete krampfhaft die Hände im Schoß. „Dann lassen Sie uns zur Sache kommen …“
Luca lehnte sich lässig auf dem Sofa zurück, streckte die langen Beine aus und betrachtete sie ruhig.
Herausfordernd hob sie das Kinn. „Ich hatte meine Gründe dafür, eine so ungewöhnliche Anzeige aufzugeben. Aber bevor ich sie Ihnen erkläre, sollte ich Ihnen einige Fakten nennen. Sollten Sie die Stelle annehmen, würde ich Sie gut bezahlen, obwohl Sie nicht zu arbeiten brauchen …“
„Ich brauche nicht zu arbeiten?“
„Richtig“, bestätigte sie. „Sie würden in meinem Haus wohnen, könnten tun und lassen, was Sie wollen, und wenn unser Arbeitsverhältnis beendet ist und Sie alle Bedingungen zu meiner Zufriedenheit erfüllt haben, erhalten Sie zusätzlich einen großzügigen Bonus.“
„Und wo ist der Haken?“, erkundigte er sich leise. „Muss ich etwas Illegales tun?“
Darcy errötete wieder. „Natürlich nicht. Der ‚Haken‘, wenn Sie es so nennen wollen, ist, dass Sie mich für sechs Monate heiraten müssten.“
„Heiraten?“ , wiederholte er ungläubig und beugte sich vor. „Der Job, den Sie zu vergeben haben, ist eine Ehe mit Ihnen?“
„Genau. Ich brauche einen Mann, der die Trauzeremonie mit mir durchzieht und sich mindestens sechs Monate lang wie ein Ehemann verhält“, erklärte sie steif.
„Warum?“
„Das geht nur mich etwas an. Ich glaube nicht, dass Sie es wissen müssen, um eine Entscheidung zu treffen“, erwiderte sie unbehaglich.
Luca senkte die Lider. „Ich verstehe nicht ganz … Könnten Sie es mir noch einmal erklären, Signorina?“
Er ist nicht gerade schnell von Begriff, dachte sie zerknirscht. Da sie das Schlimmste hinter sich hatte, fühlte sie sich jedoch schon besser und war auch nicht mehr verlegen. Wenn er tatsächlich ledig war, wie er behauptete, konnte er viel Geld verdienen, ohne etwas dafür tun zu müssen. Also wiederholte sie ihre Worte und nannte ihm anschließend das Gehalt, das sie zu zahlen bereit war, und den Bonus, den er bekommen würde, wenn er nach ihrer Trennung Diskretion übte.
Luca nickte, dann wieder, wobei er den Blick noch immer stirnrunzelnd gesenkt hielt. Vielleicht tut ihm das Licht in den Augen weh, überlegte Darcy. Vielleicht ist er auch platt angesichts der Vorstellung, fürs Nichtstun so viel Geld zu bekommen. Vielleicht war er aber auch so entsetzt über ihren Vorschlag, dass er noch nicht wusste, wie er darauf reagieren sollte.
„Ich bräuchte natürlich Referenzen“, fuhr sie fort.
„Ich habe keine Referenzen als Ehemann …“
Sie atmete tief durch. „Ich meine natürlich, was Ihren Charakter betrifft.“
„Warum haben Sie nicht eine Kontaktanzeige aufgegeben?“
„Weil ich dann Zuschriften von Männern bekommen hätte, die an einer richtigen, dauerhaften Ehe interessiert sind“, sagte sie und seufzte. „Deshalb hielt ich es für klüger, es als Stellenangebot abzufassen …“
„Ruhig … häuslich … mit guten Umgangsformen.“
„Ich möchte keinen Mann, der mir im Weg ist und den ich von vorn bis hinten bedienen muss. Würden Sie sich als selbstständig bezeichnen?“
„Sí …“
„Na dann … Was denken Sie?“, fragte sie impulsiv.
„Ich weiß nicht, was ich davon halten soll“, erwiderte er sanft. „Mich hat noch nie eine Frau gebeten, sie zu heiraten.“
„Ich rede ja nicht von einer richtigen Ehe. Nach sechs Monaten werden wir uns scheiden lassen. Übrigens müssten Sie außerdem einen Ehevertrag unterschreiben“, fügte sie hinzu, denn sie musste sich gegen jegliche Ansprüche absichern.
Luca stand auf. „Ich glaube, ich brauche einen größeren finanziellen Anreiz, um auf meine Freiheit zu verzichten …“
„Das ist kein Problem“, unterbrach sie ihn. Wenn er bereit war, über ihren Vorschlag nachzudenken, würde sie ihm entgegenkommen. „Ich bin bereit zu verhandeln. Wenn Sie zustimmen, werde ich den Bonus verdoppeln.“
Da er nicht darauf reagierte, errötete sie wieder.
Er betrachtete sie mit einem unergründlichen Ausdruck in den Augen. „Ich werde es mir überlegen. Ich melde mich bei Ihnen.“
„Was ist mit den Referenzen?“
„Die bekommen Sie, wenn ich mich entschieden habe, die … die Stelle anzunehmen.“ Bei seinen letzten Worten leuchteten seine Augen auf. Amüsierte er sich etwa darüber, dass sie so verzweifelt eine Einigung mit ihm erzielen wollte?
„Ich sage Ihnen morgen Bescheid.“ Er ging zur Tür, zögerte dort jedoch und warf ihr einen fragenden Blick über die Schulter zu. „Es überrascht mich, dass Sie keinen Freund dazu überreden konnten. Schließlich ist es ja nur von kurzer Dauer.“
Darcy verspannte sich. „Unter diesen Umständen ist mir ein Fremder lieber.“
„Ein Fremder … Das verstehe ich“, meinte er sanft.
„Und, was für einen Eindruck hast du von Lucas?“, fragte Karen wenige Minuten später.
„Er heißt nicht Lucas, sondern Luca … Mein Eindruck?“ Geistesabwesend betrachtete Darcy ihre Freundin. „Es ist komisch, aber im einen Moment dachte ich, er hätte nur Muskeln und keinen Grips, und im nächsten hat er mich eines Besseren belehrt.“
„Hat er dir nicht vorgeworfen, du hättest ihn unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hierher gelockt? Hat er sich nicht vor Lachen ausgeschüttet oder dich gefragt, ob du ihn auf den Arm nimmst?“ Jetzt war Karen diejenige, die verwirrt dreinblickte.
Nachdenklich schüttelte Darcy den Kopf. „Trotz seines Aufzugs hat er sich sehr geschäftsmäßig verhalten. Das hat es mir wesentlich leichter gemacht.“
„Nur du schaffst es, ein Vorstellungsgespräch mit einem so tollen Kerl zu führen und ganz sachlich zu bleiben.“
„Männer wie er lassen mich kalt.“ Darcy spürte jedoch, wie sie errötete, als sie sich an ihre Reaktion auf seinen Anblick erinnerte.
Karens Augen funkelten. „Offenbar hat er dich doch nicht kalt gelassen, stimmt’s?“
„Karen …“
„Vergiss es. Ich sehe es dir an, wenn du lügst.“
Darcy zuckte zusammen. „Okay … Luca ist ganz attraktiv …“
„Ganz attraktiv?“ , wiederholte Karen ungläubig.
„Also gut.“ Darcy seufzte ergeben. „Er ist sensationell … Bist du jetzt zufrieden?“
„Ja. Deine Gleichgültigkeit Männern gegenüber macht mir ernsthaft Sorgen. Aber nun weiß ich wenigstens, dass du noch unter den Lebenden weilst.“
Darcy schnitt ein Gesicht. „Bei meinem Aussehen und meiner Ausstrahlung ist Gleichgültigkeit sicher das Beste, glaub mir.“
Karen presste die Lippen zusammen und dachte verächtlich an all die Menschen, die dafür verantwortlich waren, dass Darcy ein derart geringes Selbstwertgefühl hatte – ihr gefühlskalter, überkritischer Vater, ihre eitle und sarkastische Stiefmutter und all die Jungen, die Darcy als Teenager zurückgewiesen hatten. Zu allem Unglück hatte ihr Verlobter sie vor dem Alter stehen lassen, und sie musste ihr Kind allein großziehen.
Jetzt lief sie wie eine Vogelscheuche herum und ging kaum unter Leute. Langsam, aber sicher wurde sie zur Einsiedlerin, obwohl sie gar nicht wusste, was Freizeit war, weil sie sich für das verdammte Haus zu Tode schuftete. Jeder andere hätte längst aufgegeben und zumindest die Möbel verkauft, doch Darcy wäre eher verhungert, als dass sie zugesehen hätte, wie noch mehr Schätze aus Fielding’s Folly unter den Hammer kamen.
„Ich mag es nicht, wenn du so redest“, erklärte Karen. „Wenn du dir nur ein paar vernünftige Sachen kaufen und dich ein bisschen mehr für …“
„Warum sollte ich, wenn ich mit meinem Leben zufrieden bin?“ Darcy warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und fügte sichtlich erleichtert hinzu: „Ich muss Zia von der Spielgruppe abholen.“
Als Darcy das Pförtnerhäuschen verließ, dachte sie jedoch über Karens Worte nach. Unliebsame Erinnerungen waren in ihr aufgestiegen, und wieder einmal sah sie ihren ehemaligen Verlobten Richard vor sich, der ihre Brautjungfer Maxie angestarrt und schließlich im letzten Moment verkündet hatte, er könnte sie, Darcy, nicht heiraten, weil er sich in Maxie verliebt hätte. Und die Krönung war gewesen, dass Maxie ihn nicht einmal wollte!
Nach dieser Demütigung hatte die Episode in Venedig stattgefunden, wie Darcy sich unglücklich ins Gedächtnis rief. Sie hatte die Möglichkeit gehabt, für eine Nacht Aschenputtel zu spielen. Und dann hatte sie die Möglichkeit gehabt, auf dem Ponte della Guerra zu stehen und war am nächsten Tag wie ein Teenager versetzt worden. Sie hatte eine Ewigkeit gewartet und war am Boden zerstört gewesen, als ihr schließlich klar wurde, dass der Märchenprinz nicht kommen würde.
Eine erfahrenere und weniger gutgläubige Frau hätte natürlich gewusst, dass der so lässig geäußerte und dennoch so romantische Vorschlag nichts anderes gewesen war als die Floskel „Ich rufe dich an“. Ihr war es allerdings nicht klar gewesen. Nein, dachte Darcy und erschauerte heftig bei der Erinnerung daran, ich bin viel glücklicher, seit ich den Männern abgeschworen habe.
Und falls Luca, wer immer er sein mochte, ihren Vorschlag annahm, würde sie bald in der Lage sein, ihn und sein Machooutfit zu ignorieren …
Mit Schweißperlen auf der Stirn handhabte Darcy die schwere Motorsäge. Der alte Küchenherd verbrauchte sehr viel Holz. Schließlich legte sie eine Pause ein und bückte sich seufzend, um die Holzscheite in die Schubkarre zu tun.
„Darcy?“
Erschrocken richtete sie sich auf und drehte sich um. Luca stand dicht vor ihr. Unwillkürlich ließ sie den Blick über seine breiten Schultern, seine schmalen Hüften und langen Beine schweifen. Als sie ihm wieder ins Gesicht sah, stellte sie fest, dass er sich rasiert hatte.
Bei Tageslicht war er geradezu überwältigend attraktiv. Er hatte hohe, markante Wangenknochen, eine klassische Nase und volle Lippen, und seine Haut war sanft gebräunt …
„Ist was?“ Fragend zog er eine Augenbraue hoch.
„Sie haben mich erschreckt …“ Darcy errötete, als ihr bewusst wurde, dass sie ihn angestarrt hatte, und senkte den Blick. Zu ihrer Verblüffung entdeckte sie dabei ihren beiden Cockerspaniels Humpf und Bert, die zu seinen Füßen saßen und zu ihm aufsahen. Die beiden waren zwar liebenswert, aber alles andere als wohlerzogen und brachen in Gegenwart von Fremden normalerweise in lautes Gekläffe aus.
„Ich hatte Sie nicht erwartet“, erklärte Darcy unvermittelt.
„Ich habe erst geklingelt …“ Luca verstummte und betrachtete den großen Holzstapel. „Das haben Sie doch nicht allein gemacht, oder?“
Verlegen strich sie sich die feuchten Strähnen aus der Stirn und nickte.
„Gibt es hier keine Männer?“
„Nein, ich bin das Beste … aber das ist nichts Neues“, erwiderte sie leise. Es ärgerte sie, dass sie Männern gegenüber so befangen war, und sie hasste ihn dafür, dass er sie in dieser Situation überrascht hatte.
Er runzelte die Stirn.
„Ich dachte, Sie würden anrufen“, fügte sie schnell hinzu.
„Bei Ihnen geht ja nie jemand ans Telefon.“
„Ich bin viel draußen.“ Darcy zog die Arbeitshandschuhe aus und bewegten ihre steifen Finger. Dabei vermied sie es, ihn anzusehen. Was war bloß mit ihr los? Sie benahm sich wie ein alberner Teenager, der verknallt war. „Lassen Sie uns ins Haus gehen.“
Sie nahm einen Armvoll Holzscheite und führte Luca ins Haus. Der lange Durchgang, der als Hintereingang diente, war dunkel, und zahlreiche Türen gingen davon ab. Die zahlreichen Räume, die früher einmal zur Küche gehört hatten, wurden jetzt nicht mehr benutzt. Aber nicht mehr lange, rief sie sich ins Gedächtnis. Wenn sie ihren Traum verwirklichte und das Haus der Öffentlichkeit zugänglich machte, konnten all diese Räume besichtigt werden.
Und ich werde meinen Traum verwirklichen, sagte sie sich entschlossen. Sicher wäre Luca nicht gekommen, wenn er ihr Angebot nicht annehmen wollte.
Darcy betrat die geräumige Küche und kniete sich vor den großen Herd, der am anderen Ende stand. Dann öffnete sie die Tür und warf einen Holzscheit in die Glut. „Kommen Sie jetzt aus London?“
„Nein, ich habe in Penzance übernachtet.“
Sie war so nervös, dass sie ihn nicht ansehen konnte. „Und wie lautet Ihre Antwort?“
„Ja. Meine Antwort lautet Ja“, erwiderte er leise.
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie blinzelte einige Male, bevor sie die Tür wieder zumachte. Vor Erleichterung war ihr einen Moment lang ganz schwindelig. Sie rappelte sich auf und drehte sich um. Dankbar lächelte sie ihn an. „Das ist toll … Das ist wirklich toll. Möchten Sie einen Kaffee?“
Luca, der an dem großen geschrubbten Pinientisch lehnte, erwiderte ihren Blick mit unbewegter Miene, und sie schluckte mühsam.
„Okay … warum nicht?“, meinte er schließlich.
Darcy setzte Wasser auf und warf ihm einen nervösen Blick zu. „Ich nehme an, dass der Job nicht unbedingt das ist, was Sie sich vorgestellt hatten“, sagte sie. „Aber ich verspreche Ihnen, dass Sie es nicht bedauern werden. Wie lange sind Sie schon arbeitslos?“
„Arbeitslos?“, wiederholte er.
„Tut mir leid, ich dachte …“
„Ich habe nie im Vereinigten Königreich gearbeitet.“
„Oh …“ Sie nickte langsam. „Und wie lange sind Sie schon hier?“
„Lange genug.“
Er hatte den Kopf leicht geneigt, und eine leichte Röte überzog seine Wangen. Daraus schloss Darcy, dass es ihm peinlich war, keinen Erfolg auf dem Arbeitsmarkt gehabt zu haben. Taktgefühl war leider noch nie ihre Stärke gewesen. Außerdem war ihr bisher gar nicht in den Sinn gekommen, dass er offenbar unbedingt einen Job brauchte, wenn er den weiten Weg von London hierher auf sich genommen hatte. Und erst jetzt fiel ihr auf, dass seine Lederhose schon ziemlich abgewetzt war.
Plötzlich verspürte Darcy Mitgefühl mit ihm, denn sie wusste genau, wie es war, wenn man pleite war und den Schein zu wahren versuchte. Vielleicht hatte der arme Kerl gar nichts anderes, was er zu dem Vorstellungsgespräch hätte anziehen können.
„Ich gebe Ihnen die Hälfte Ihres ersten Gehalts als Vorschuss“, hörte sie sich sagen.
Diesmal wirkte Luca erschrocken.
„Sie finden das wahrscheinlich sehr vertrauensselig, aber mir bleibt gar nichts anderes übrig, als Ihnen zu vertrauen. Falls Sie Aussicht auf einen anderen Job hätten und aussteigen würden, würde ich in Schwierigkeiten kommen“, gestand sie. „Wie möchten Sie Ihren Kaffee?“
„Schwarz … mit zwei Stück Zucker.“
Sie stellte einen angeschlagenen Teller mit Keksen und zwei Becher Kaffee auf den Tisch. Dann setzte sie sich und griff zu dem Block und dem Stift, die darauf lagen. „Ich brauche noch einige Angaben von Ihnen. Wie lautet Ihr Nachname?“
„Raffacani“, erwiderte er leise.
„Das müssen Sie mir buchstabieren.“
Luca nickte.
„Und ist ‚Luca‘ Ihr einziger Vorname? Ich brauche die Angaben für den Pfarrer, wissen Sie.“
„Gianluca … Gianluca Fabrizio.“
„Am besten buchstabieren Sie alles.“ Dann notierte Darcy sich sein Geburtsdatum. Raffacani, dachte sie. Warum hatte sie nur das Gefühl, diesen Namen irgendwo schon einmal gehört zu haben? Doch soweit sie wusste, war „Raffacani“ ein häufiger Name in Italien.
„Ich werde mich mit meinem Anwalt Mr. Stevens in Verbindung setzen“, erklärte sie schließlich. „Seine Kanzlei ist in Penzance. Sie können den Ehevertrag also bald unterzeichnen. Was ist mit den Referenzen?“
Luca nahm einen leicht zerknitterten Umschlag aus der Innentasche seiner Jacke, den er ihr reichte. Er enthielt zwei Dokumente mit beeindruckenden Briefköpfen, doch sie waren auf Italienisch abgefasst. „Ich werde Sie mir in Ruhe ansehen“, fügte sie hinzu und dachte an die alten Wörterbücher in der Bibliothek. „Aber sie sind sicher in Ordnung.“
„Wann soll die Trauung stattfinden“, erkundigte er sich.
„In drei Wochen, hoffe ich. Es wird eine Hochzeit in aller Stille sein.“ Sie hielt den Blick auf die Tischplatte gerichtet. „Aber da mein Vater dieses Jahr gestorben ist, wäre eine große Feier auch nicht angebracht.“
„Sie laden also nicht viele Leute ein?“
Unwillkürlich musste sie an die große Feier denken, die ihr Vater drei Jahre zuvor organisiert hatte und die dann noch nicht stattgefunden hatte. „Eigentlich wollte ich niemanden einladen“, räumte sie angespannt ein und stand nervös wieder auf. „Ich zeige Ihnen jetzt ihr Zimmer, ja?“
Luca erhob sich ebenfalls. Fasziniert betrachtete sie ihn. Seine Bewegungen waren so geschmeidig und lässig. Er war so selbstbeherrscht. Außerdem war er sehr zurückhaltend. Verärgert über ihre wachsende Neugier, verließ sie die Küche und ging ihm voran in die Eingangshalle.
„Was haben Sie vorhin gemeint, als Sie sagten, Sie wären das Beste hier?“, fragte er, als sie die breite Eichentreppe hochgingen.
„Mein Vater wollte einen Sohn, keine Tochter – zumindest nicht eine Tochter wie mich.“ Im Geist verglich Darcy sich mit ihrer Stiefschwester. Morton Fielding war von Nina, der hübschen Tochter seiner zweiten Frau, begeistert gewesen, und diese hatte ihn um den kleinen Finger gewickelt.
„Und Ihre Mutter?“
„Sie ist gestorben, als ich sechs war. Ich erinnere mich kaum an sie“, gestand Darcy zerknirscht. „Mein Vater hat einige Jahre später wieder geheiratet. Er wollte unbedingt einen männlichen Erben haben, aber es hat leider nicht geklappt.“
Sie öffnete die Tür zu einem großen, mit Eichenholz vertäfelten Schlafzimmer, in dem ein riesiges altes Himmelbett stand. „Das ist Ihr Zimmer. Das Bad ist hinter der Tür dort. Wir müssen es leider teilen, weil es das einzige auf dieser Seite des Hauses ist.“
Während Luca sich in dem spärlich möblierten, staubigen Zimmer umblickte, betrachtete sie ihn wieder und verspürte dabei ein erregendes Prickeln. Lässig ging er zu dem hohen Flügelfenster und sah hinaus. Sein schwarzes Haar glänzte im Sonnenlicht. Plötzlich drehte er sich um und blickte sie kühl an.
Prompt errötete sie wieder wie ein Schulmädchen und wandte sich abrupt ab.
Als er sie im Flur einholte, sagte sie: „Leider gibt es in diesem Haus kaum modernen Komfort, und im Ort ist auch nichts los …“ Sie zögerte unbehaglich, bevor sie fortfuhr. „Also, wenn Sie mal einen Tag freinehmen wollen, um sich zu amüsieren, habe ich Verständnis …“
„Um mich zu amüsieren?“, wiederholte er grimmig.
Darcy nickte und blickte starr nach vorn. „Ich gehöre zu den Leuten, die immer sagen, was sie denken. Ich lebe sehr zurückgezogen, aber ich kann wohl kaum von Ihnen erwarten, dass Sie es auch sechs Monate lang tun. Bestimmt möchten Sie ab und zu nach London fahren und …“
„Mich amüsieren?“, warf er trocken ein.
Sie lachte gekünstelt auf. „Na ja, Sie können schlecht eine Freundin mit hierher nehmen …“
„Ich habe keine Freundin“, unterbrach er sie schroff.
„Momentan vielleicht nicht, aber irgendwann werden Sie sich hier langweilen. Das geht allen Großstadtmenschen so …“
Luca blickte sie durchdringend an. „Es wird keine Frau geben, und ich werde auch nicht das Bedürfnis haben, eine kennenzulernen, das versichere ich Ihnen“, sagte er eisig.
Als sie die Treppe hinuntergingen, erschien Zia in der Eingangshalle. Sie trug ein gelbes T-Shirt und rote Leggings. „Mummy“, rief sie überschwänglich.
Luca erstarrte, und Darcy warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. „Das ist meine Tochter Zia … Ich bin noch gar nicht dazu gekommen, Ihnen von ihr zu erzählen.“
Er zuckte gleichgültig die Schultern. Offenbar lag ihm nichts an Kindern.
„Möchten Sie noch etwas besprechen?“, erkundigte er sich leicht ungeduldig.
Sie verspannte sich. Wenige Minuten später überreichte sie ihm den Scheck über den versprochenen Vorschuss, den er in die Innentasche seiner Jacke steckte. „Sobald ich den Termin weiß, lasse ich Ihnen eine Nachricht zukommen“, erklärte sie. „Vorher müssen wir uns nicht sehen.“
Luca schrieb eine Telefonnummer auf den Block, der noch auf dem Küchentisch lag. „Wenn Sie sich aus einem anderen Grund mit mir Verbindung setzen müssen, können Sie unter der Nummer eine Nachricht hinterlassen.“
Vierzehn Tage später riegelte Darcy die schwere Haustür auf und öffnete sie.
„Das wird ja Zeit“, beschwerte Margo Fielding sich scharf und rauschte in einer Parfümwolke an ihr vorbei, dicht gefolgt von ihrer Tochter Nina.
Entgeistert über den unerwarteten Besuch, folgte Darcy den beiden großen Blondinen ins Wohnzimmer.
Sie hatte die beiden nicht mehr gesehen, seit sie nach der Beerdigung ihres Vaters ausgezogen waren, um in die Stadt zurückzukehren. Beide waren nicht gut auf sie zu sprechen, da sie sich geweigert hatte, Fielding’s Folly zu verkaufen und den Erlös mit ihnen zu teilen. Obwohl Morton Fielding sie in seinem Testament großzügig bedacht hatte und Margo eigenes Vermögen in die Ehe mitgebracht hatte, war sie alles andere als zufrieden gewesen.
Margo warf ihr einen wütenden Blick zu. „Hättest du mir nicht sagen können, dass du heiratest?“, fragte sie, während sie am Kamin Position bezog. „Kannst du dir vorstellen, wie mir zumute war, als ich es von einer Freundin erfahren musste?“
Ihr Magen krampfte sich zusammen, als Darcy überlegte, woher Margo davon wusste. Vielleicht hatte die Pfarrersfrau ein bisschen geklatscht … „Tut mir leid … Ich hätte es euch nach der Hochzeit gesagt.“
Nina, die älter war als sie, betrachtete sie spöttisch. „Weil du Angst hast, dass dein Bräutigam in letzter Minute einen Rückzieher machen könnte, so wie Richard damals!“
Darcy wurde aschfahl. „Ich …“
„Ich dachte schon, du wärst endlich zur Vernunft gekommen und würdest diesen alten Kasten verkaufen, und dann beschließt du plötzlich zu heiraten“, bemerkte Margo verächtlich. „Ist er wenigstens vorzeigbar?“
„Mit Sicherheit nicht, sonst würde sie nicht so ein Geheimnis daraus machen.“ Nina schauderte ostentativ.
„Du bist doch nicht wieder schwanger, oder?“ Margo musterte Darcy vernichtend. „Die Leute werden es jedenfalls annehmen. Und ich möchte nicht, dass meine Bekannten mich als böse Stiefmutter betrachten. Also wirst du einen Empfang geben, und ich werde als Gastgeberin fungieren.“
„Dafür habe ich leider kein Geld“, erwiderte Darcy angespannt.
„Und was ist mit ihm ?“, drängte Nina.
Darcy errötete und wandte den Blick ab.
„Mittellos, nehme ich an.“ Margo tauschte einen zufriedenen Blick mit ihrer Tochter. „Hoffentlich ist ihm klar, dass wir einen Anspruch auf das haben, was übrig bleibt, wenn du Pleite machst.“
Darcy ballte die Hände zu Fäusten. „Ich habe nicht vor, Pleite zu machen.“
„Ich brenne darauf, diesen Typen kennenzulernen.“ Nina kicherte. „Wer ist es?“
„Er heißt Luca …“
„Was ist das denn für ein Name?“, fragte Margo.
„Er ist Italiener“, erwiderte Darcy widerstrebend.
„Ein Einwanderer?“, kreischte Nina. „Hoffentlich heiratet er dich nicht nur, um einen britischen Pass zu bekommen.“
„Ich werde am Wochenende eine kleine Verlobungsfeier in Truro für euch geben“, verkündete Margo und lächelte eisig. „Die Leute sollen nicht behaupten, dass ich es nicht wenigstens versucht hätte, meine Pflicht gegenüber der Tochter meines verstorbenen Mannes zu erfüllen.“
„Das ist sehr nett von dir“, sagte Darcy. „Aber …“
„Kein Aber, Darcy. Ich erwarte dich und deinen Verlobten am Freitag um acht, und zwar in angemessener Kleidung. Und wenn er in Gesellschaft genauso hoffnungslos ist wie du, sag ihm, er soll den Mund halten und einfach nur lächeln.“
Als Margo und Nina an ihr vorbeirauschten, eilte Darcy ihnen nach. „Aber Luca … Luca hat an dem Abend schon etwas vor“, log sie verzweifelt.
„Dann am Samstag“, erklärte Margo.
Darcys Lippen bebten. Wie hätte sie sich weigern können, ihren vermeintlichen Verlobten vorzuzeigen, ohne Misstrauen zu wecken? In ihrer Position konnte sie es sich nicht leisten, den Verdacht zu erregen, dass mit ihrer geplanten Ehe etwas nicht stimmte.
„Ich bin so froh, dass du endlich einen Mann gefunden hast.“ Nina warf ihr einen gönnerhaften Blick zu. „Was macht er beruflich?“
Darcy zögerte. „Er … er arbeitet in einer Bank.“
„Ein Bankangestellter … Wie süß ! Amors Pfeile sind über den Schalter geflogen, nicht?“
Völlig erschöpft und verärgert, weil ihre Stiefmutter wieder einmal bewirkt hatte, dass sie sich unzulänglich fühlte, stand Darcy da, als die beiden in ihren teuren BMW stiegen und davonfuhren.
„Luca, haben Sie keine meiner Nachrichten bekommen? Ich weiß, es ist sehr kurzfristig, aber Sie müssen unbedingt mit mir auf dieser Feier … auf unserer Verlobungsfeier in Truro erscheinen“, sagte Darcy, nachdem die Nummer, die Luca ihr gegeben hatte, zum vierten Mal gewählt und sich wieder der Anrufbeantworter eingeschaltet hatte. „Dies ist ein Notfall. Samstagabend um acht. Würden Sie sich bitte bei mir melden?“
„Dieser Mistkerl ist mit deinem Scheck auf und davon.“ Karen stöhnte verzweifelt. „Ich verstehe sowieso nicht, wie du dich zu dieser Feier nötigen lassen konntest. Sicher führen Margo und Nina etwas im Schilde. Und wenn Luca nicht auftaucht, werden die beiden sich auf deine Kosten amüsieren!“
„Ich habe noch vierundzwanzig Stunden Zeit. Sicher wird er sich bald melden“, erklärte Darcy entschlossen, während sie Zia umarmte.
„Darcy … du hast ihm auch geschrieben. Er ist offenbar nicht zu Hause, und wenn doch, ignoriert er dich …“
„So schätze ich ihn nicht ein“, widersprach Darcy. Den Referenzen, von denen eine von einem Richter am obersten Gerichtshof stammte, hatte sie entnehmen können, dass Luca sehr integer war.
Als das Telefon am späten Abend endlich klingelte, rannte Darcy hin und nahm ab. „Ja?“ , fragte sie hoffnungsvoll.
„Luca hier … Ich habe Ihre Nachrichten bekommen.“
„Dem Himmel sei Dank!“ Allein beim Klang seiner Stimme hatte sie ganz weiche Knie bekommen. „Ich dachte schon, ich müsste meine Stiefmutter anrufen und sagen, Sie wären krank geworden. Sie wäre außer sich gewesen. Wir haben uns noch nie gut verstanden, und ich wollte diese verdammte Feier auch nicht, aber es ist nett von ihr, sie auszurichten, nicht?“
„Leider gibt es da ein kleines Problem“, warf Luca leise ein. „Ich rufe nämlich aus Italien an.“
„Aus Italien?“ Sie blinzelte verwirrt. „Aus Italien?“ , wiederholte sie entsetzt.
„Aber natürlich werde ich mein Möglichstes tun, um rechtzeitig da zu sein“, versicherte er kühl.
Darcy seufzte schwer. Es war nicht seine Schuld. Schließlich hatte sie ihm gesagt, sie bräuchte ihn vor der Hochzeit nicht mehr zu sehen. Offenbar hatte er den Vorschuss benutzt, um nach Hause zu fahren und seine Familie zu besuchen. „Es tut mir wirklich leid“, erwiderte sie resigniert. „Meinen Sie, Sie könnten es schaffen?“
„Frühestens um neun … Es sei denn, wir wollen uns dort treffen.“
Sie verneinte sofort, denn auf keinen Fall wollte sie allein auf der Feier erscheinen.
„Dann entschuldigen Sie mich bei Ihrer Stiefmutter. Ich hole Sie ab.“
„Ich bin Ihnen sehr dankbar … Sie können Samstag hier übernachten“, bot sie ihm an.
„Das ist sehr nett von Ihnen, Darcy“, meinte er sanft.
Zia übernachtete bei Karen im Pförtnerhäuschen. Als Karen ins Haus zurückkehrte, um dort auf Luca zu warten, fiel ihr Blick in den großen Spiegel in der Eingangshalle.
Plötzlich wünschte sie, sich ein neues Outfit für die Verlobungsfeier gekauft zu haben. Das braune Kleid, das sie trug, war viel zu weit und reichte ihr bis über die Knie, und der Rüschenausschnitt, mit dem sie von ihren viel zu kleinen Brüste hatte ablenken wollen, wirkte nunmehr richtig altmodisch. Sie fühlte sich in Hosen viel wohler und hatte noch nie ein Händchen dafür gehabt, Sachen zu finden, die ihr standen …
Ganz hinten in ihrem Kleiderschrank hing immer noch das grüne Designerabendkleid, das ihre ehemalige Freundin Maxie ihr zur Hochzeit geschenkt hatte, komplett mit dazu passenden Schuhen und perlenbestickter Tasche. Sie hatte sich in ihrer Gegenwart immer unwohl gefühlt, weil Maxie so reserviert und sich ihrer Wirkung als Frau zu sehr bewusst gewesen war. Und das Kleid hatte sie seit ihrer Rückkehr aus Venedig nicht mehr angesehen, weil sie nicht an jene leidenschaftliche Nacht erinnert werden wollte. Trotzdem hatte sie es nicht über sich gebracht, es wegzugeben, denn für wenige Stunden hatte es ihr die Illusion vermittelt, schön zu sein.
Das schrille Läuten der Klingel unterbrach die Stille und riss Darcy aus ihren Gedanken. Schnell öffnete sie die schwere Tür und erstarrte, als sie Luca sah.
Er trug einen sehr eleganten Smoking, ein makellos weißes Hemd, den Kopf stolz erhoben und eine Hand lässig in die Hosentasche geschoben, sodass die Hose über seinen muskulösen Schenkeln spannte. Er sah so fantastisch aus, dass ihr der Atem stockte.
„Sie haben sich einen Abendanzug geliehen“, bemerkte Darcy leise, sobald sie die Sprache wieder gefunden hatte.
Luca musterte sie mit gerunzelter Stirn. „Vielleicht bin ich für den Anlass zu elegant gekleidet?“
„Nein … nein … überhaupt nicht.“ Sie errötete verlegen. Dann fiel ihr Blick auf den roten Porsche, der neben ihrem alten Landrover stand. „Wo, in aller Welt, haben Sie den Wagen her?“, fragte sie hilflos.
„Den habe ich geliehen.“
Langsam schüttelte sie den Kopf. Wenn sie in dem Wagen bei Margo vorfuhren, würde diese sie so lange mit Fragen löchern, bis sie die Wahrheit über Lucas sozialen Status erfuhr. Und das wollte sie, Darcy, ihm nicht antun, denn es rührte sie, dass er sich ihretwegen so viel Mühe gegeben hatte. „Ich würde gern in dem Porsche fahren, aber es wäre klüger, den Landrover zu nehmen“, sagte sie daher.
„Dio mio … Sie machen wohl Witze.“ Ungläubig betrachtete er den verbeulten Landrover. „Das ist eine Rostlaube.“
Darcy öffnete die Tür des Landrovers. „Ich weiß, wovon ich rede, Luca. Wenn wir in dem Porsche vorfahren, glaubt meine Stiefmutter, dass Sie im Geld schwimmen. Wenn wir nicht ehrlich sind, werden wir dumm dastehen. Der Wagen ist bestimmt dreißigtausend Pfund wert …“
„Siebzig.“
„ Siebzig tausend Pfund?“
„Und ein paar Zerquetschte“, ergänzte Luca trocken.
„Ich wünschte, mir würde jemand so einen Schlitten anvertrauen. Wir werden den Wagen an der Straße abstellen und den Rest zu Fuß gehen.“ Besorgt warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr und stieg dann ein. „Ich würde Sie ja fahren lassen, aber das alte Mädchen hat einige Macken.“
„Das ist wirklich lächerlich.“ Sichtlich widerstrebend nahm er auf den Beifahrersitz Platz.
Er war wütend, doch es machte ihr überhaupt nichts aus, denn so wirkte er viel menschlicher. „Glauben Sie mir, Sie werden heute Abend genug Aufsehen erregen. Sie sehen sehr gut aus …“
„Tatsächlich?“, meinte er ausdruckslos.
„Ach kommen Sie, keine falsche Bescheidenheit. Ich wette, Sie haben schon als Baby die Herzen aller Frauen gebrochen.“
„Sie sind sehr offen.“
„In den Klamotten sehen Sie wie ein Filmstar aus“, plapperte sie weiter. „Glauben Sie, Sie könnten heute Abend so tun, als wären Sie scharf auf mich? Nein, sagen Sie nichts“, fügte sie hinzu und lachte verlegen. „Es ist nur so, dass Margo und Nina es sofort merken, wenn etwas faul ist, und einen Mann wie Sie werden sie nicht erwarten.“
„Was erwarten sie denn?“
„Einen ganz normalen, langweiligen Mann, der in einer Bank arbeitet.“
„Wie kommen Sie darauf, dass Banker langweilig sind?“
„Jedes Mal, wenn ich das Büro des Filialleiters meiner Bank betrete, tut er so, als wollte ich ihn bestehlen. Der Mann ist so ein Pessimist“, fuhr Darcy fort, erleichtert darüber, dass er auf ihre Frage nicht näher eingegangen war. Es war so peinlich, einen Mann darum bitten zu müssen, eine solche Show abzuziehen! „Wenn er mir sagt, um wie viel ich mein Konto überzogen habe, nennt er mir sogar den Betrag hinter dem Komma …“
„Sie haben Ihr Konto überzogen?“
„Es ist nicht so schlimm, wie es sich anhört. Sobald wir verheiratet sind, werde ich gute Neuigkeiten für den Filialleiter haben – zumindest hoffe ich, dass es gute Neuigkeiten sind.“ Sie warf ihm einen besorgten Blick zu und wünschte, sie wäre nicht so offen gewesen. „Keine Angst, wenn alle Stricke reißen, kann ich immer noch etwas verkaufen. Ich bin Ihnen gegenüber eine Verpflichtung eingegangen und werde Sie nicht im Stich lassen.“
„Ich bin beeindruckt. Haben Sie sich für heute Abend eigentlich schon eine Geschichte ausgedacht?“, fragte Luca mit einem ironischen Unterton.
„Eine Geschichte?“
„Wann und wo wir uns kennengelernt haben und so weiter.“
„Natürlich“, erwiderte sie überrascht. „Wir sagen, dass wir uns in London kennengelernt haben. Ich bin zwar seit über einem Jahr nicht mehr dort gewesen, aber das wissen die beiden bestimmt nicht. Ich möchte den Eindruck erwecken, dass wir uns Hals über Kopf ineinander verliebt haben, sodass niemand sich wundern wird, wenn wir uns trennen.“
„Sie tragen ja einen Ring.“
„Den habe ich geliehen, so wie Sie den Porsche. Ohne Ring können wir nicht so tun, als wären wir verlobt.“ Sie hatte sich den Diamantring von Karen geborgt und hatte schreckliche Angst, ihn zu verlieren, weil er eine Nummer zu groß war.
„Meinen Sie nicht, Sie sollten mir einige Informationen über Ihre Familie geben?“, fragte Luca. „Meine jüngere Schwester ist die einzige nahe Verwandte, die ich habe. Sie ist Studentin.“
„Oh … In Ordnung. Meine Stiefmutter Margo war zuerst mit einem wohlhabenden Geschäftsmann verheiratet, der schon mit einem Fuß im Grab stand. Sie haben eine Tochter bekommen, Nina, die als Model arbeitet. Margo hat meinen Vater geheiratet, um gesellschaftliches Ansehen zu erlangen, und er sie, um einen Sohn zu bekommen. Dad war immer knapp bei Kasse, aber Margo und Nina können sogar aus einer vertrockneten Zitrone noch etwas herausquetschen. Ihnen gegenüber war er sehr großzügig. Das ist einer der Gründe, warum das Anwesen in einem so schlechten Zustand ist … Ich habe es zusammen mit hohen Erbschaftssteuern geerbt.“
„Sehr treffend“, bemerkte er ein wenig stockend.
„Margo und Nina sind echte Snobs. Sie verbringen den Sommer in Truro und den Rest des Jahres in ihrem Apartment in London. Margo mag mich nicht, aber sie gibt gern Partys und legt sehr viel Wert auf die Meinung anderer Leute.“
„Tun Sie das auch?“
„Du meine Güte, nein! Als alleinerziehende Mutter kann ich mir das kaum leisten.“
„Sie sollten mir zumindest den Namen des Vaters Ihres Kindes sagen“, meinte er.
Plötzlich war die Atmosphäre im Wagen äußerst spannungsgeladen. Darcy gab mehr Gas und verstärkte den Griff ums Lenkrad. „Das habe ich noch niemandem erzählt“, erwiderte sie steif, und dann sagte keiner von ihnen mehr ein Wort.
In einiger Entfernung von dem großen Haus ihrer Stiefmutter, das auf einem weitläufigen Anwesen am Stadtrand von Truro lag, stellte Darcy den Wagen ab und führte Luca die gewundene Auffahrt entlang. Ihr Mut sank, als sie die zahlreichen Wagen sah, die vor dem Haus parkten. „Ich glaube, es sind viel mehr Gäste da, als ich erwartet hatte. Falls jemand Ihnen zu viele Fragen stellt, tun Sie einfach so, als wäre Ihr Englisch miserabel“, riet sie nervös. „Außerdem sollten wir uns von jetzt an duzen.“
„Ich werde schon zurechtkommen.“ Luca legte ihr eine Hand auf den Rücken, und sofort überlief sie ein Prickeln. Als sie seinem Blick begegnete, setzte ihr Herz einen Schlag aus.
„Per meraviglia“, sagte er kühl. „Kannst du nicht wenigstens lächeln? Und halt dich gerade!“
Sie errötete und hätte am liebsten mit einer scharfen Bemerkung gekontert, doch im nächsten Moment wurde die Tür von Margos Haushälterin geöffnet.
Margo und Nina standen inmitten einer Gruppe in der Eingangshalle. Sie nahmen nur kurz von ihr Notiz und ließen den Blick sofort zu ihrem Begleiter schweifen. Beide erstarrten förmlich und starrten ihn unverhohlen an. Plötzlich verspürte Darcy Belustigung und eine gewisse Genugtuung darüber, die beiden Frauen, die ihr das Leben als Teenager so schwer gemacht hatten, auf diese Weise zu überraschen.
Ohne die Hand von ihrem Rücken zu nehmen, schob Luca sie vor.
„Darcy … Luca“, sagte Margo gestelzt.
Er streckte ihr die Hand entgegen und erwiderte ruhig: „Luca Raffacani, Mrs. Fielding … Ich bin sehr erfreut, Sie endlich kennenzulernen.“
„Bitte sagen Sie Margo zu mir.“
Nina, die ein sehr offenherziges Kleid trug, musterte Luca mit einem gekünstelten Lächeln. „Ich bin überrascht … Sie sehen ganz anders aus als Richard. Darcy hatte immer ein Faible für Naturburschen.“
„Richard?“, wiederholte er.
„Oh, ich hoffe, das war jetzt nicht indiskret“, meinte sie gespielt bestürzt. „Ich dachte, Sie wüssten, dass Darcy schon mal verlobt war …“
„Und vor dem Altar stehen gelassen wurde. Deswegen freut es mich, dich jetzt so glücklich zu sehen, Darcy!“, fügte Margo hinzu.
Darcy zuckte zusammen und vermied es, Luca anzusehen. Margo nutzte die Gelegenheit, indem sie ihm die Hand auf den Arm legte.
„Lass uns den Ring sehen“, trällerte Nina.
Als Darcy die Hand ausstreckte, wurde sie mit zahlreichen falschen Komplimenten überhäuft.
Anschließend gingen sie in das große Wohnzimmer, in dem sich zahlreiche elegant gekleidete Gäste drängten. Margo wandte sich an Luca und sagte leise: „Ich hoffe ja, dass die Ehe Darcy auf andere Gedanken bringt. Was halten Sie von Fielding’s Folly, Luca?“
„Es ist Darcys Zuhause und offensichtlich von historischem Wert …“
„Aber es verschlingt so viel Geld und ist eine so große Bürde. Die Sorge darum hat meinen armen Ehemann frühzeitig ins Grab gebracht. Es ist immer dasselbe mit diesen alten Familien – viel Land und kein Geld. Morton war fast genauso stur wie Darcy, aber er hätte sich wohl nie träumen lassen, dass sie mit allen Mitteln an dem Besitz festhält …“
„Ich glaube nicht, dass wir jetzt darüber sprechen müssen“, unterbrach Darcy sie.
„Es muss doch mal gesagt werden, Schatz, und dein Verlobter gehört jetzt zur Familie“, erklärte ihre Stiefmutter von oben herab. „Zweifellos hast du ihm alles in den rosigsten Farben geschildert, und das ist nicht sehr fair …“
„Ich weiß genau, wie es um das Anwesen steht.“ Lächelnd wandte Luca sich von Margo ab, nahm Darcys Hand und zog sie an sich.
„Stimmt. Sie sind ja in der Finanzbranche tätig“, bemerkte Nina mit einem amüsierten Blick. „Ich kann kaum glauben, dass Sie nur ein Bankangestellter sind …“
„Ich auch nicht. Darcy, was hast du deiner Familie bloß erzählt?“ Er lachte rau. „Ich war so überarbeitet, dass ich Sonderurlaub genommen habe, den ich hier in England verbringe. Dass ich dabei Darcy kennengelernt habe, war eine unerwartete Zugabe.“
„Wie habt ihr euch denn kennengelernt?“
„Ich weiß nicht, ob ich es Ihnen sagen soll“, erwiderte er mit einem neckenden Unterton.
„Von mir aus gern“, ermunterte Darcy ihn. Dass er so locker mit Margo und Nina umging, verschlug ihr den Atem. Allerdings war es nicht weiter verwunderlich, denn die beiden waren reizend und hingen förmlich an seinen Lippen.
„Es ist in London passiert. Sie ist mir rückwärts in den Wagen gefahren und ist dann ausgestiegen und hat mich angeschrien. Ich mag Frauen, die mir die Stirn bieten“, scherzte er, und sie sah ihn entsetzt an. „Am Steuer geht immer dein Temperament mit dir durch, stimmt’s, cara? Am liebsten hätte ich sie erwürgt, und im nächsten Moment hätte ich sie am liebsten geküsst …“
„Und was hast du getan?“, hörte sie sich fragen.
„Ich finde, einige Dinge sollten unter uns bleiben …“, sagte er in verführerischem Tonfall und streichelte dabei mit dem Zeigefinger ihre Wange. Prompt errötete sie und verspürte ein intensives Prickeln.
„Und ich dachte immer, meine kleine Stiefschwester wäre schüchtern“, meinte Nina leise, wider Willen fasziniert.
„Wohl kaum, wenn sie schon ein Kind hat“, warf Margo scharf ein. „Mögen Sie Kinder, Luca?“
„Und ob“, erwiderte Luca nachdrücklich.
„Wie schön! Kommen Sie, ich stelle Sie den anderen Gästen vor. Lass den armen Mann für einen Moment los, Darcy.“
Darcy ließ seinen Ärmel los. Sie hatte überhaupt nicht gemerkt, dass sie sich an Luca festhielt. Verwirrt beobachtete sie, wie er von einem Mitarbeiter des Partyservice zwei Gläser Champagner entgegennahm.
„Du gibst dir nicht viel Mühe, stimmt’s?“, flüsterte er ihr ins Ohr.
„Ich fordere Margo nach Möglichkeit nie heraus“, flüsterte sie zurück. „Sie hält mir dann immer die peinlichsten Momente meines Lebens vor Augen.“
„Komisch, ich habe nicht den Eindruck, dass du eine Frau bist, die sich als Fußabtreter benutzen lässt.“
„Entschuldige mich“, sagte sie leise und eilte in die Eingangshalle.
„Ich weiß zwar nicht, was er in dir sieht, aber er wird bald herausfinden, dass er einen großen Fehler gemacht hat“, ertönte eine scharfe Stimme hinter ihr.
Als Darcy sich umdrehte, sah sie sich ihrer Stiefschwester gegenüber. „Das wird die Zeit zeigen.“
„Luca ist ja nicht einmal dein Typ. Was glaubst du, wie lange du die Konkurrenz fernhalten kannst? Und seinem Outfit nach zu urteilen, scheint er auch nicht so arm zu sein.“
„Luca zieht sich eben gern gut an.“
„Ein Pfau mit einer unscheinbaren kleinen Henne im Schlepptau?“, höhnte Nina. „Er wird sich bald nach etwas Aufregenderem umsehen. Ich bin davon überzeugt, dass er ein Doppelspiel treibt. Wahrscheinlich ist er auf den britischen Pass aus … Warum sollte er dich sonst heiraten?“
Ja, warum sonst? Wiederholte Darcy im Stillen, als Nina wieder wegging. Unter normalen Umständen hätte ein Mann wie Luca sie keines Blickes gewürdigt.
„Darcy …“ Luca stand in einiger Entfernung und lächelte demonstrativ. „Ich habe mich schon gefragt, wo du steckst.“
Er war wirklich ein guter Schauspieler, wie sie im Lauf des Abends feststellte. Er wich ihr nicht von der Seite, bezog sie in die Gespräche mit ein und widmete ihr seine ganze Aufmerksamkeit. Doch sie war vielmehr damit beschäftigt, sich auf ihn zu konzentrieren.
Vergeblich versuchte sie, das Bild des schweigsamen Mannes in Motorradkluft vor ihrem geistigen Auge heraufzubeschwören. Luca Raffacani schien ein Chamäleon zu sein, denn im Smoking wirkte er wie ein anderer Mensch.
Jetzt sah sie einen Weltmann, der sich auf dem Parkett bewegen konnte. Er war kühl, sehr geistreich und fast beängstigend clever. Die anderen Leute waren genauso beeindruckt, und ständig war er von irgendwelchen Grüppchen umgeben.
Um ein Uhr morgens führte Luca sie in den Wintergarten, wo einige Paare tanzten. „Du warst so still“, beschwerte er sich.
„Und das überrascht dich?“ Starr blickte Darcy zu ihm auf und wich einen Schritt zurück. In dem gedämpften Licht hatte sein markantes Gesicht etwas Finsteres. „Du bist wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Ich habe das Gefühl, dass ich dich überhaupt nicht kenne …“
„Das tust du auch nicht.“
„Und trotzdem passt du hier auch nicht ganz rein“, sagte sie unsicher. „Du hebst dich irgendwie von der Masse ab.“
„Das bildest du dir nur ein.“ Lachend zog er sie an sich.
Als sie mit den Brüsten seine Brust berührte, wurde sie von Hitzewellen durchflutet, und die Knospen richteten sich auf. „Entspann dich“, drängte er sie. „Margo beobachtet uns.“