Melodien der Sehnsucht: Nur Sehnsucht brennt heißer - Lynne Graham - E-Book
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Melodien der Sehnsucht: Nur Sehnsucht brennt heißer E-Book

Lynne Graham

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Beschreibung

Eine Ehe ohne Liebe und Zärtlichkeit - jetzt reicht es der Musikerin Leah. Sie fordert von ihrem Mann Nik die Scheidung. Doch statt einzuwilligen, entführt er sie auf seine traumhafte Privatinsel ...

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Lynne Graham

Melodien der Sehnsucht: Nur Sehnsucht brennt heißer

Aus dem Amerikanischen von Daisy Remus-Tilley

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2015 by MIRA Taschenbuch

in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der englischen Originalausgabe:

The Unfaithful Wife

Copyright © 1995 by Lynne Graham

erschienen bei: Harlequin Enterprises, Toronto

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V./S.àr.l

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Covergestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Maya Gause

Titelabbildung: Thinkstock/Getty Images, München; pecher & soiron, Köln

ISBN 978-3-95649-410-9

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder

auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich

der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Alle handelnden Personen in dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

1. KAPITEL

Leah sah sich noch einmal flüchtig um und betrat dann schnell das Lokal. In der trotz der Mittagszeit schon gut besuchten Bar war es dunkel, und Leah konnte Paul nirgends entdecken. Nervös bahnte sie sich einen Weg durch das Gedränge, in panischer Angst, von irgendjemandem erkannt zu werden. Unglaublich erleichtert entdeckte sie schließlich in einer Ecke doch Pauls blonden Schopf.

Als sie auf Paul zuging, stand er auf. Er war ein großer attraktiver Mann, und sein Anblick erfüllte sie mit Stolz. “Du kommst spät”, beklagte er sich.

“Tut mir leid, ich konnte nicht früher weg.” Atemlos ließ Leah sich auf einen Platz sinken, wobei sie sich sicherheitshalber noch einmal nach einem bekannten Gesicht in der Menge umsah.

“Keine Angst, hier kennt dich bestimmt keiner.”

Leah beugte sich vor. “Der Mann da drüben starrt mich aber an!”

“Die meisten Männer sehen gern schöne Frauen an, und du bist nun mal eine besonders schöne, mein Liebling”, sagte Paul leise und griff dabei zärtlich nach ihrer Hand.

“Wirklich?” Leah, für die Pauls Komplimente noch immer ungewohnt waren, sah hoch. Ihr unsicherer Blick passte so gar nicht zu ihrer sonstigen äußeren Erscheinung. Sie trug ein elegantes Designerkostüm, ihr makelloses Gesicht wurde von glänzendem silberblondem Haar umspielt, und ihre strahlend blauen Augen funkelten mit ihren Diamantohrringen um die Wette.

“Wollen wir nicht lieber zu mir gehen?”, fragte Paul und ließ dabei einen Finger langsam über ihre Unterlippe gleiten.

Sofort erstarrte Leah. “Ich kann nicht. Jedenfalls jetzt noch nicht. Du weißt doch, wie ich darüber denke”, sagte sie leise und verspürte Angst, als sie sah, wie Pauls Gesichtsausdruck mit einem Mal kalt und abweisend wurde.

“Und du weißt, was ich davon halte, Leah Andreakis. Ich finde das verdammt frustrierend!”

Sie wurde bleich. “Paul, bitte …”

“Manchmal habe ich das Gefühl, dass du nur deine Spielchen mit mir treibst, solange dein Mann verreist ist.”

Leahs Blick war voller Schmerz. “Aber ich liebe dich!”

“Wann wirst du ihm dann endlich sagen, dass du dich scheiden lassen willst?”

Nun erbleichte Leah vollends, und ihre ebenmäßigen Züge nahmen einen gehetzten Ausdruck an. “Bald. Ich muss nur den richtigen Moment abwarten.”

“Wenn man bedenkt, dass dein Mann im Durchschnitt nur einmal im Monat eine Nacht unter einem Dach mit dir verbringt, kann ich gut und gerne nächstes Jahr noch hier sitzen. Vielleicht liebst du den Mistkerl am Ende doch.”

“Wie könnte ich denn?” Leah senkte den Kopf und verschränkte krampfhaft ihre Finger ineinander. “Du weißt doch, dass wir keine normale Ehe führen.”

“Daran hätte die Regenbogenpresse ihre wahre Freude!” spöttelte Paul.

“Das finde ich nicht komisch, Paul!”

“Nicht dein Liebhaber zu sein, darüber tröstet mich eigentlich nur die Tatsache hinweg, dass er es auch nicht ist. Du musst zugeben, dass es so etwas nicht alle Tage gibt. Sieh dich doch mal an – seit fünf Jahren verheiratet, noch immer Jungfrau, und dein Mann zeigt sich bei jeder Gelegenheit mit irgendeinem Flittchen im Schlepptau. Vielleicht ist er in Wirklichkeit schwul.”

Leahs Magen zog sich zusammen. Sie musste verrückt gewesen sein, Paul die Wahrheit über ihre Ehe gesagt zu haben. Nicht, dass er sein Wissen missbrauchen würde. In dieser Hinsicht vertraute sie ihm völlig. Aber ihr war klar, dass sie ihm zu viel erzählt hatte, nur um ihm die Eifersucht auf Nik zu nehmen.

“Sprich nicht so über ihn”, ermahnte sie Paul eindringlich.

“Glaubst du vielleicht, unter dem Tisch ist eine Wanze angebracht? Du hast unheimliche Angst vor ihm, stimmt’s? Ich glaube einfach nicht, dass du den Mut aufbringst, ihm zu sagen, dass du die Scheidung willst. Vielleicht verschwende ich nur meine Zeit.”

“Nein!”, flüsterte Leah fast verzweifelt. Der Gedanke, Paul verlieren zu können, versetzte sie in Panik. Sie hätte es nicht ertragen, wieder so leben zu müssen, wie sie es fünf Jahre lang getan hatte. Ein Leben voller Langeweile, ohne Sinn und Ziel. Bevor sie Paul kennen lernte, war ihr jeder Tag unerträglich lang erschienen. Sie hatte weder Abwechslung noch Freunde gehabt und war auf Schritt und Tritt beobachtet worden. Die Tür zu ihrem Gefängnis hatte sich am Tag ihrer Hochzeit hinter ihr geschlossen, und sie war so einfältig und naiv gewesen, dass sie dies anfangs nicht einmal bemerkt hatte.

“Wann sagst du es ihm also?”, drängte Paul.

“Bald, das verspreche ich dir.”

“Ich verstehe nicht, warum du nicht einfach mit Sack und Pack ausziehst. Scheidungsgründe hättest du ja wirklich genügend. Solange es Nik Andreakis gibt, stirbt Ehebruch bestimmt nicht aus.”

“Ich muss die Sache ordentlich erledigen. Das bin ich ihm schuldig.”

“Ich wüsste nicht, warum du ihm etwas schuldig sein solltest. Vor der Kirche und dem Gesetz ist er ja nicht einmal dein Ehemann”, meinte Paul beharrlich.

Leah warf einen Blick auf die Uhr und holte erschrocken Luft. “Ich muss gehen!”

Paul gab ihr schnell noch einen Kuss. “Ich rufe dich an”, versprach er. “Ich liebe dich.”

Fluchtartig verließ Leah die Bar. Der vornehme Kosmetiksalon, bei dem sie sich angemeldet hatte, lag drei Straßen weiter. Für ihre Treffen mit Paul ging sie enorme Risiken ein, und ihr war bewusst, dass die Gefahr, entdeckt zu werden, mit jedem Tag größer wurde. Aber ob das überhaupt einen Unterschied machen würde?

Nik schien völlig egal zu sein, was sie tat. Sie sah ihn ungefähr einmal im Monat, wenn er nach London kam, im vergangenen Jahr sogar noch seltener. Manchmal bat er sie, bei einem Geschäftsessen als Gastgeberin zu fungieren, aber selbst das war in letzter Zeit kaum vorgekommen. Wenn Nik ihr etwas mitzuteilen hatte, tat er das über das Personal.

Während ihrer gesamten Ehe hatte sich Nik nicht ein einziges Mal mit ihr in der Öffentlichkeit gezeigt. Er war nicht mit ihr essen gegangen, hatte sie nie ins Theater ausgeführt oder eine Party mit ihr besucht. Niks ausschweifendes Nachtleben spielte sich ausschließlich an der Seite anderer Frauen ab. Er schlief in einem separaten Flügel des Hauses, und selbst an den wenigen Tagen, die er überhaupt dort verbrachte, hörte Leah ihn nachts weggehen und erst frühmorgens zurückkommen.

Als sie sich jetzt dem Hintereingang des Salons näherte, dachte Leah einen Moment lang daran zurück, wie sie früher nächtelang wachgelegen und weinend auf Nik gewartet hatte. Immer wieder hatte sie sich gefragt, was sie falsch gemacht hatte und wie sie ihn nur auf sich aufmerksam machen konnte. Das war nun vorbei, und Leah verdrängte die Erinnerung daran voller Wut.

“Es tut mir leid, ich habe leider meinen Termin bei Ihnen verschwitzt”, erklärte sie der Empfangsdame im Salon und bestand dann darauf, trotzdem den vollen Preis zu bezahlen und auch noch ein großzügiges Trinkgeld zu geben. Charlie, der Eigentümer des Salons, bot ihr an, sie trotz ihrer Verspätung gleich dranzunehmen, aber Leah lehnte dankend ab und setzte sich nur, um auf ihren Chauffeur zu warten.

Charlie beugte sich zu ihr hinunter. “Ach, übrigens, Mrs Andreakis, Ihr Leibwächter war vorhin hier und wollte Ihnen etwas ausrichten.”

Leah erstarrte und wurde kreidebleich.

“Keine Sorge”, sagte Charlie trocken. “Ich habe ihm gesagt, Sie wären im Massageraum.”

Leah wurde feuerrot. “Danke.”

“Ich soll Ihnen ausrichten, dass Mr Andreakis zu Hause auf Sie wartet.”

Nik wartete auf sie? Nik, der dies die letzten fünf Jahre nicht ein einziges Mal getan hatte? Eigentlich hatte er frühestens in zwei Wochen wieder in London sein wollen. Leah erschauerte unwillkürlich und bekam ein flaues Gefühl im Magen.

Charlie setzte sich neben sie. “Sie sind für solche Spielchen einfach nicht gemacht.”

“Ich weiß nicht, was Sie damit …”

“Seit fünf Jahren kommen Sie jede Woche zu uns, und während der letzten Monate konnte man Ihnen vom Gesicht ablesen, was mit Ihnen los ist.” Er seufzte. “Aber ich möchte nicht als der Idiot in die Geschichte eingehen, der Nik Andreakis’ Frau ein Alibi verschafft hat. Er ist ein Mann, der anderen die Finger bricht. Allein bei dem Gedanken werden mir schon die Knie weich.”

Sofort bekam Leah ein schlechtes Gewissen. “Es tut mir leid.”

“Und mir tut leid, dass ich Ihnen nicht helfen kann. Es hat nämlich richtig gut getan, Sie zur Abwechslung mal glücklich zu sehen.”

“Mrs Andreakis?”

Leah zuckte zusammen, als ihr bulliger Leibwächter Boyce neben ihr auftauchte. Während sie aufstand, musterte Boyce misstrauisch den Mann, der da so dicht neben der Frau seines Chefs gesessen hatte.

Nachdem sich die Tür der Limousine hinter ihr geschlossen hatte, war es um Leahs Fassung geschehen. Sie fühlte sich erniedrigt und zutiefst beschämt. Ausgerechnet ihr Friseur fürchtete sich davor, in einen Ehestreit hineingezogen zu werden. Dabei war Nik doch völlig gleichgültig, was sie tat. Trotzdem hatte der fröhliche Charlie, der sie die letzten Jahre oft genug aufgeheitert hatte, offensichtlich wirklich Angst.

Alle schienen Nik zu fürchten, dabei hatte Leah ihn kein einziges Mal die Stimme erheben hören. Allerdings war sie selbst in der ersten Zeit ihrer Ehe ihm gegenüber ziemlich verschreckt gewesen, ehe ihr seine eisige Gleichgültigkeit allmählich klar gemacht hatte, dass sie für ihn als menschliches Wesen völlig bedeutungslos war. Er hatte sie nur geheiratet, um an die Aktien zu kommen, die ihr Vater ihr überschrieben hatte.

Ganz zu Anfang hätte sie sogar manchmal schwören können, in Niks Blick so etwas wie Hass zu bemerken. Selbst bei der belanglosesten Äußerung hatte seine Stimme bedrohlich geklungen, und seine Gegenwart hatte ihr Angst gemacht. Damals hatte sie gelernt, sich im Hintergrund zu halten, niemals Aufmerksamkeit zu erregen und ihm möglichst aus dem Weg zu gehen. Leah nahm an, er nahm ihr übel, dass er sie hatte heiraten müssen, um an ihre Aktien zu kommen. Andererseits hätte er sich seither leicht von ihr scheiden lassen können. Das Ganze war ein Rätsel, das sie sich einfach nicht erklären konnte.

Und jetzt war Nik, der fünf endlose Jahre lang nie von seinem starren Terminkalender abgewichen war, urplötzlich nach Hause gekommen. Die Angst, die Leah mühsam verdrängt hatte, war sofort wieder da, als sie die Eingangsstufen ihres großen alten Hauses hinaufstieg. Die untreue Ehefrau kehrt zurück, dachte sie bitter.

Dabei war sie gar keine richtige Ehefrau. Eigentlich hätte sie schon vor langer Zeit um ihre Freiheit bitten sollen, aber damit hätte sie ihren Vater bitter enttäuscht.

Die ersten siebzehn Jahre ihres Lebens hatte Leah alles getan, um ihn glücklich zu machen, und auch ihm zuliebe Nik geheiratet und damit den größten Fehler ihres Lebens begangen. Er hatte ihr die Freiheit genommen, ohne ihr dafür etwas zu geben. Aber damit war es nun vorbei. Seit dem Tod ihres Vaters waren schon fast zwei Monate vergangen.

“Mr Andreakis erwartet Sie im Salon”, teilte der Butler Leah mit.

Nik stand neben dem Kamin. Vor langer Zeit hatte der Anblick seiner großen männlichen Erscheinung Leah in freudige Erregung versetzt, jetzt aber sah sie ihn wie durch eine Trennscheibe.

Nik Andreakis, der legendäre griechische Industriemagnat, ein sagenhaft reicher und einflussreicher Mann. Von den handgemachten Schuhen bis zur maßgefertigten Garderobe war er die Eleganz in Person und ein ausgesprochen gut aussehender Mann. Dichtes dunkles Haar, sonnengebräunter Teint, faszinierende dunkelbraune Augen. Wo immer er hinkam, stand Nik im Mittelpunkt des weiblichen Interesses. Das wusste er, genoss es und nutzte es auch aus, wenn ihm danach war.

Es herrschte eine eigenartige Spannung im Raum. Nik musterte Leah mit seinen dunklen Augen. “Dein Lippenstift ist verschmiert.”

Erschrocken berührte Leah ihren Mund. “Tatsächlich?”

Nik zog die Augenbrauen zusammen und sah seine Frau durchdringend an. “Wir haben nicht viel Zeit, deshalb komme ich gleich zur Sache. Wir fliegen nach Paris.”

Leah erstarrte. “Nach Paris?”, wiederholte sie erstaunt.

Nik stand bereits an der offenen Tür. “Komm schon”, drängte er ungeduldig.

“Ich soll mit dir nach Paris reisen?”, fragte Leah hilflos. “Jetzt … gleich?”

“Ja.”

“Aber wieso?”

“Es geht um eine geschäftliche Angelegenheit im Zusammenhang mit dem Nachlass deines Vaters.”

Leah konnte sich absolut nicht vorstellen, dass es da noch etwas zu regeln gab, denn obgleich sich Nik nicht einmal dazu herabgelassen hatte, der Beerdigung ihres Vaters beizuwohnen, hatte er unverzüglich seine Anwälte damit beauftragt, über das Erbe zu verfügen. Während Leah noch um ihren Vater trauerte, hatte Nik kurzerhand alles verkauft, was Max Harrington gehört hatte. Nicht ein einziges Andenken war ihr von ihm geblieben.

Widerstand regte sich in ihr, und sie hob den Kopf. “Hast du etwa noch etwas übersehen?”

“Nein. Etwas, wonach ich gesucht habe, ist endlich gefunden worden”, erwiderte er und verzog fast hasserfüllt das Gesicht, als er Leahs erstaunte Miene sah. “Das glaube ich jedenfalls. Bete um deinetwillen, dass ich Recht habe”, fügte er kurz angebunden hinzu.

Leah wurde blass und trat einen Schritt zurück. “Um meinetwillen? Ich verstehe nicht, was das heißen soll.”

“Das will ich auch nicht hoffen.” Nik wandte sich ab. “Und jetzt komm, der Jet ist startklar.”

“Fliegen wir heute noch zurück?”, fragte Leah aufgelöst, während er sie hinter sich herzog. “Ich habe doch gar nichts eingepackt!”

“Du wirst es überleben.”

“Was ist denn überhaupt los?”, rief Leah, als sie schließlich im Wagen saßen. Nik strafte sie mit Nichtachtung, griff zum Telefon und führte ein langes Gespräch auf Griechisch, so dass Leah kein Wort verstand.

Sie starrte blicklos aus dem Fenster und dachte dabei sehnsüchtig an Paul, den ersten Mann in ihrem Leben, der sie als Mensch mit eigenen Gefühlen und Gedanken behandelt hatte und nicht darauf aus war, sie auszunutzen.

Im Flugzeug nahm Leah sich vor, Nik in Paris zu sagen, dass sie die Scheidung wollte. Sie konnte nicht länger warten und riskieren, Paul zu verlieren. Nik hatte sie um ihre Jugend betrogen, jetzt wollte sie endlich ihr eigenes Leben leben.

Am Pariser Flughafen erwartete sie ein Wagen, dessen Fahrer sie durch den dichten Nachmittagsverkehr chauffierte und schließlich in einer viel befahrenen Straße anhielt. Leah stieg aus und folgte Nik, der mit großen Schritten auf ein Bankgebäude zuging.

Im Foyer wurden sie von drei Männern erwartet. Einen von ihnen erkannte Leah als den Anwalt ihres Vaters. Der Mann wollte etwas zu ihr sagen, aber Nik schnitt ihm rüde das Wort ab.

Wenig später fuhren sie mit dem Lift hinunter in den Schließfachraum, und Leah fragte sich unwillkürlich, ob vielleicht doch noch einige der begehrten Reedereiaktien vorhanden waren. Wie konnte ein so unermesslich reicher Mann wie Nik nur so unglaublich habgierig sein?

Unten drückte der Anwalt ihr unvermittelt einen Schlüssel in die Hand und wandte sich dann ab.

“Gib ihn mir”, drängte Nik angespannt.

Leah wurde klar, dass es sich nur um den Schlüssel für das Schließfach ihres Vaters handeln konnte. Zum ersten Mal in ihrem Leben ignorierte sie ihren Mann, trat einen Schritt vor und sah zu, wie der Bankbeamte eine Box aus dem Fach hob, sie auf den Tisch stellte und dann den Raum verließ.

“Leah”, begann Nik, und seine Stimme hatte einen drohenden Unterton, aber Leah blickte starr geradeaus.

“Das Fach hat meinem Vater gehört, und jetzt ist es meins.”

“Pass auf, was du sagst!”

Sein bissiger Ton verfehlte seine Wirkung nicht. Leah sah Nik an und erstarrte. Der unverhüllt brutale und gewalttätige Ausdruck in seinen Augen ließ sie erbleichen und jede Widerstandskraft verlieren. Sie legte den Schlüssel auf den Tisch.

“Wenn es hier drin ist, brauchst du dir keine Sorgen zu machen”, sagte Nik heiser. “Wenn nicht, dann kannst du froh sein, wenn du morgen noch mal die Sonne aufgehen siehst.”

Wenn was in der Box war? Kleine Schweißperlen bildeten sich auf Leahs Stirn, und die Knie wurden ihr weich. Sie sah Nik fassungslos an, aber er beachtete sie gar nicht, sondern steckte mit zitternden Händen den Schlüssel ins Schloss.

Es musste um mehr als nur Aktien gehen. Leah hatte Nik noch nie so unbeherrscht gesehen.

Die Box war voller Papiere. Nik murmelte aufgeregt etwas auf Griechisch, während er den Inhalt des Fachs durchwühlte und wahllos Briefe und Fotos auf dem Tisch verstreute. Er war bleich und aufs Äußerste angespannt, und seine Suche wurde immer fieberhafter.

Leahs Blick fiel auf ein großformatiges Hochglanzfoto, auf dem eine Gruppe von Männern und Frauen in eindeutiger Situation abgelichtet war. Schockiert und angewidert wandte Leah sich ab. Warum hatte ihr Vater so etwas nur aufgehoben?

“Was ist das alles?”, fragte Leah leise, da Nik offensichtlich mehr über den Inhalt des Fachs wusste.

“Was das ist?” Nik lachte freudlos. “Lauter zerstörte Existenzen! Die Geheimnisse anderer Leute. Dein Vater hat von der Angst seiner Opfer gelebt, wie eine widerliche Küchenschabe!”

Kreidebleich blickte Leah ihn an. “Wie kannst du so etwas über meinen Vater sagen?”

Aber Nik hörte ihr gar nicht zu. Er kramte noch immer in der Box herum. “Dass er es ausgerechnet mir überlässt, dieses Dreckszeug wegzuschaffen, ist noch die Krönung. Ich muss mir die Hände schmutzig machen, weil es keinen Menschen gibt, dem ich diese widerwärtige Trophäensammlung anvertrauen könnte. Alles hat er behalten, anstatt es zu vernichten, diese miese Ratte!”

Leah stützte sich an der Wand ab. Sie konnte einfach nicht glauben, was ihrem Vater vorgeworfen wurde. “Was soll das heißen?”

“Bist du schwerhörig?” Nik sah sie hasserfüllt an. “Was glaubst du, warum ich dich geheiratet habe?”

“Wegen der Aktien”, erwiderte sie mit bebender Stimme.

“Es gab überhaupt keine Aktien!”, fuhr er sie wütend an. “Die Reederei hat nie existiert.”

“Du lügst”, erwiderte Leah kaum hörbar.

Niks Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf das Papier in seiner Hand. Dann schlug er plötzlich mit der Faust auf den Tisch. “Theos mou!”, stieß er böse hervor. “Es ist nur eine Kopie!” Er kam langsam auf Leah zu, wie ein Tiger, der zum tödlichen Sprung ansetzt. “Das Original hat er dir gegeben, stimmt’s?” fragte er mit gefährlich ruhiger Stimme.

“Was für ein Original?” Leah konnte kaum noch sprechen.

“Du weißt genau, wovon ich rede. Wenn es nicht hier ist, musst du es haben. Max war kein Dummkopf. Er wusste genau, dass ich dich fallen lassen würde wie eine heiße Kartoffel, sobald ich das Dokument habe. Also, wo ist es?”

“Hör auf damit!”, rief Leah voller Angst. “Lass mich in Ruhe!”

“Ich habe mich fünf Jahre lang erpressen lassen, um meine Familie zu schützen. Das nehme ich keinen Tag länger hin!”

Ihr Vater ein Erpresser? Das konnte nicht sein! Leah war dem Zusammenbruch nahe.

“Ich habe mich immer gefragt, ob er dich für mich als lebenslange Bestrafung vorgesehen hatte”, sagte Nik verbittert. “Aber eines kann ich dir sagen, pethi mou, dann drehe ich dir lieber deinen schlanken Hals um und gehe dafür lebenslang ins Gefängnis.”

Starr vor Angst sah Leah in das hasserfüllte Gesicht über sich, bis ihr plötzlich schwarz vor Augen wurde und sie in eine erlösende Ohnmacht sank.

2. KAPITEL

Leah kam erst in der Limousine wieder zu sich, und auch nun war Niks Gesicht dicht über ihr. Entsetzt fuhr sie hoch und tastete verzweifelt nach dem Türgriff, obwohl der Wagen in voller Fahrt war. “Geh weg!”, schrie sie voller Panik.

“Wie empfindsam wir plötzlich sind.” Nik sah sie spöttisch an. Er hatte sich wieder völlig im Griff. “Also, wo ist die Urkunde?”

“Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich keine Ahnung habe, wovon du sprichst. Ich kann einfach nicht glauben, dass mein Vater ein Erpresser gewesen sein soll.”

“Ganz schön mies, was?” Nik musterte sie ohne jede Gefühlsregung. “Er war ein echter Profi. Er hatte sich auf reiche Leute und Prominente spezialisiert und verstand sein Geschäft. Er hat die Leute nie ganz ausgenommen. Wenn sie lange genug gezahlt hatten, ließ er sie in Ruhe, behielt aber zu seinem Schutz das Beweismaterial. Damit hat er ein Vermögen gemacht.”

“Das kann ich nicht glauben!”, rief Leah.

“Meinst du, er hat die Pornobilder zu seinem Vergnügen aufbewahrt?”

Leah senkte betroffen den Kopf.

“Wenn er sich also die Mühe machte, eine Kopie von dem Papier anzufertigen, mit dem er meine Familie in der Hand hatte, dann behielt er mit Sicherheit auch das Original, und da ich schon alle anderen Möglichkeiten überprüft habe, steht für mich fest, dass er es dir gegeben haben muss.”

“Das hat er aber nicht!”

“Wenn du versuchen solltest, mir damit zu drohen, mache ich dich fertig!”

“Du bist ja verrückt!” Leah schluchzte auf.

“Bis jetzt habe ich sehr viel Geduld gezeigt. Fünf Jahre lang habe ich mich an die Leine legen lassen”, stieß Nik verbittert hervor. “Ich war nur sicher, so lange wie ich mit dir verheiratet war. Ich hatte gehofft, du würdest dich irgendwann zurück in Daddys Schoß flüchten, aber im Lauf der Jahre wurde mir klar, dass du in mich verliebt bist.”

“Was?”, unterbrach Leah ihn fassungslos.

“Du bist wie besessen.” Nik sah sie verächtlich an. “Jede normale Frau hätte es längst aufgegeben und wäre gegangen, du aber hast bis zum bitteren Ende die treu sorgende Ehefrau gespielt, damit ich mich über meinen Seelenhandel auch ja nicht beklagen konnte!”

Ein Gefühl aufsteigender Hysterie schnürte Leah die Kehle zu. Nik schien tatsächlich zu glauben, dass sie ihn liebte! Einen Moment lang lag ihr Pauls Name auf der Zunge, aber ihr sechster Sinn hielt sie davon ab, noch mehr Staub aufzuwirbeln.

“Ich liebe dich nicht”, sagte sie leise.

“Du sprichst mit dem Mann, den du zu deinem siebzehnten Geburtstag geschenkt bekommen hast! Hast du mich in irgendeiner Zeitung gesehen und bist dann zu Daddy gelaufen, damit er dir mich besorgt?”

“Du musst ja verrückt sein!”

“Ich weiß nur, dass der liebe Max für dich die Dreckarbeit erledigt hat. Er hat mich gejagt wie ein Tier.”

“Das bist du ja auch!” stieß Leah hervor. “Noch dazu eine ganz miese Kreatur. Und deine Selbstgefälligkeit ist einfach unglaublich!”

“Sieh mal einer an, meine sonst so perfekte Ehefrau kann ja richtig die Stimme erheben. Die Wahrheit schmeckt dir nicht, aber ich weiß, dass ich mit voller Absicht in die Falle gelockt worden bin. Damals wurde ich zu einer geschäftlichen Besprechung in euer Haus eingeladen, und seltsamerweise war dein Vater gerade an diesem Tag verhindert. Aber du warst da, und kein heißblütiger Grieche hätte da weggesehen. Dein Vater wusste genau, dass Heirat für mich nicht in Frage kam, also schnüffelte er so lange in meinem Privatleben herum, bis er etwas ausgegraben hat, das überhaupt nur zwei Menschen wussten, und die hätten darüber niemals geredet.”

“Und was war das?”, fragte Leah kaum hörbar.

“Das weißt du ganz genau. Max wusste, dass er bald sterben würde, und er hat das Geheimnis mit Sicherheit an dich weitergegeben.”

“Ich habe nichts von ihm bekommen!”

“Wenn du es nicht hast, dann weißt du zumindest, wem er es überlassen hat.”

Der Chauffeur öffnete unvermittelt die Tür, so dass Leah beinahe aus dem Wagen gefallen wäre. Voller Panik sah sie hinaus auf die menschenleere Straße. Am liebsten wäre sie einfach davongelaufen. Sie wusste, wo sie war – vor Niks Pariser Wohnung, in der sie damals ihre Hochzeitsnacht ganz allein verbracht hatte.

“Versuch ruhig, wegzurennen”, sagte Nik gefährlich leise. “Du würdest nicht mal bis zur nächsten Straßenecke kommen.”

Kreidebleich und mit zitternden Knien betrat Leah mit Nik das Haus und dann den Lift. Auf dem Weg nach oben sagte sie nichts. Sie wusste, dass sie Nik in ihrer Verfassung nicht gewachsen war. Er hatte sich auf diesen Tag offenbar fünf Jahre lang vorbereitet und seiner Rache entgegengefiebert, genau wie er den Tod ihres Vaters herbeigesehnt haben musste, um sie endlich loszuwerden.

“Denkst du gerade an deine Hochzeitsnacht zurück?”, fragte Nik verächtlich. “Ich kann einiges auf Befehl tun, aber das Bett mit dir zu teilen gehört leider nicht dazu. Zur Heirat konnte dein Vater mich zwingen, aber nicht dazu, mit dir …”

“Hör auf damit!”, schrie Leah ihn fast hysterisch an.

“Wieso hast du ihm das eigentlich nie erzählt? Max hätte doch sicher rasend gern einen Enkel gehabt, um deine Position zu sichern.” Er packte Leah an den Schultern. “Aber du hast ihm all die Jahre nichts von dem leeren Platz neben dir im Ehebett gesagt. Warum nicht?”

Leah nahm noch einmal all ihre Kraft zusammen, riss sich von Nik los und floh in eines der großen Schlafzimmer mit angrenzendem Bad. Sie verriegelte die Badezimmertür hinter sich, zog sich dann wie in Trance aus und ging unter die Dusche.