Geistertitel - Anne E. Fiebelkorn - E-Book

Geistertitel E-Book

Anne E. Fiebelkorn

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Beschreibung

Nichts in dem Leben der 19-jährigen Pieper ist gewöhnlich. Seitdem ihre Mutter vor 6 Jahren spurlos verschwand, musste sie sich mit ihren beiden älteren Schwestern allein durchschlagen. Während die chaotische Iken und die unnahbare Aline ihren Weg scheinbar gefunden haben, den Alltag trotz aller Hürden zu meistern, will sich Pieper nicht mehr damit abfinden, weitere Opfer zu bringen. Da meldet sich ihre Mutter plötzlich mit einer Postkarte und alles, wonach sich Pieper sehnt, scheint in greifbarer Nähe. Voller Zorn und gleichzeitiger Hoffnung erzählt Pieper ihre Geschichte, von Begegnungen mit eigenwilligen Menschen, von seltsamen Momenten nachts um halb 2 und davon, wenn etwas kommt und dich mitten ins Herz trifft.

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www.tredition.de

Anne E. Fiebelkorn wurde 1982 in Schleswig-Holstein geboren, machte eine Ausbildung als Buchhändlerin und studierte Kommunikationsdesign an der Kunsthochschule in Kiel.

Fast alle Ideen und Begegnungen, die sie seit ihrer Jugend begleitet haben, fanden einen Platz in ihrem Debütroman „Geistertitel“.

Nach mehreren Stationen in verschiedenen Städten zog es sie wieder ans Meer. Heute lebt sie mit ihrem Hund in Kiel.

Anne E. Fiebelkorn

GEISTERTITEL

Roman

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Danke

Barbara für die ständige Ermutigung, immer weiterzuschreiben, und für vieles mehr;

Annika und Laura für die wertvollen Korrekturen;

Astrid für die Unterstützung

Copyright © 2016 by Anne E. Fiebelkorn

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Umschlaggestaltung: Anne E. Fiebelkorn

Umschlagmotiv und Autorenfoto: © Sapieha

Gesetzt aus der Garamond

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN Paperback 978-3-7323-7236-2

ISBN eBook 978-3-7323-7238-6

Allen Arten von Zuhause gewidmet

eins

Bevor die Postkarte aus California bei uns ankam, lief alles seinen gewohnten Gang. Nicht besonders herausragend oder vorbildlich, doch es funktionierte auf seine eigene Art. Vielleicht sogar besser, als es bei anderen in dieser Situation der Fall gewesen wäre.

Zumindest habe ich mir das eine ganze Zeit lang erfolgreich eingeredet. Die Wirklichkeit und ich – wir sind keine besonders guten Freunde.

Manchmal überlege ich, was passiert wäre, wenn sie nie den Weg zu uns gefunden hätte. Jeden Tag gehen so viele Ansichtskarten auf unverständliche Weise verloren, landen im Nirgendwo oder in Briefkästen von wildfremden Menschen, die sich wundern, wer bloß zu dieser Schrift gehört. Die richtigen Adressaten allerdings müssen plötzlich lächeln und ins Haus rennen und die Karte herumzeigen. Selten lösen Postkarten so große Panik aus, dass sich alles, was gerade ist und sein wird, von Grund auf verändert. Selten teilen sie alles in ein Davor und Danach.

Und beim Danach sind wir nun angekommen.

Das Parkhaus ist menschenleer und beinahe stockfinster, die spärliche Beleuchtung beruhigt mich auch nicht. Das ist nicht ihre Schuld, die Lichter tun ihr Bestes, um mich zu erleuchten. Dennoch tappe ich im Dunkeln und in diesem Moment scheint es einfach nichts zu geben, das meine Gedankengänge lahmlegen könnte. Sie ziehen weiter Kreise und werden wie so üblich zu Sorgen, stecken sich gegenseitig an. Ein Gedanke ist nicht gern allein.

Ich drehe das Autoradio auf volle Lautstärke, um etwas zu hören, das lauter ist als alles in meinem Kopf, lehne dabei meine Stirn an das warme Lenkrad. Mein Blick fällt auf die Uhr: 18.34 Uhr. In zwanzig Minuten müsste das Flugzeug die Landebahn erreicht haben.

Mit geschlossenen Augen, immer noch gegen das Steuer gelehnt, taste ich auf dem Beifahrersitz nach meiner Tasche und krame die Ansichtskarte heraus. Streiche mit meinem Daumen über die Tesafilmreste und blinzele der abgedruckten Sonne entgegen. Obwohl ich sie mir schon so um die hundert Male angesehen und ganz genau inspiziert habe, warte ich dennoch darauf, dass die Landschaft vor meinen Augen unscharf wird und sich in eine geheime Botschaft verwandelt. Doch es bleiben die Palmen vor der untergehenden Sonne, darüber der Schriftzug California. Alles in Orangetönen, fast schon zu kitschig, um wirklich ernst genommen zu werden. Iken dagegen erkannte den Ernst der Lage sehr schnell. Bevor ich eingreifen konnte, hatte sie die Karte bereits zerrissen und nach einem Feuerzeug gezückt. Abends musste ich die Schnipsel dann heimlich mit Tesafilm wieder zusammenkleben.

Manche Kleinigkeiten bringen meine Schwester zum Ausrasten. Ein Rechtschreibfehler auf Plakaten der Kunstgalerie, ein neues Verpackungsdesign ihrer Gewohnheitsspeisen, ein herrenloser, angeleinter Hund vor Oskars Supermarkt. Genauso schnell hat sie sich auch schon wieder beruhigt. Nur diesmal nicht, denn ich warte noch darauf.

Ich bin noch nie in Amerika gewesen, aber als ich noch immer dabei bin, jeden Zentimeter der Karte abzusuchen, entsteht in mir der Wunsch, in diesem Augenblick dort zu sein. Von mir aus könnte es auch jeder andere Kontinent sein, wenn es nicht gerade hier, in diesem Auto und zu diesem Zeitpunkt wäre.

Und ich weiß, was auch immer ich in den nächsten Minuten oder Stunden tue, ich werde der Verlierer sein.

Es folgt ein Rocksong im Radio, genau das Richtige um mitzubrüllen, auch wenn man den Text nicht kennt. Beim Ende schlage ich um mich – zum Glück sieht mich hier niemand –, komme plötzlich auf die Autohupe und ein lautes Tuten geht durch das gesamte Parkdeck und beendet meinen Aktivismus schlagartig.

Da klopft es direkt neben mir an mein Fenster. Ein Mann bewegt seinen Mund, es passt nicht zu den Liedzeilen. Er gibt mir zu verstehen, ich solle die Scheibe runterkurbeln. Ich schüttele den Kopf, doch er bleibt dabei. Also probiere ich ein paar der Knöpfe aus, als erstes schiebt sich das Fenster auf der Beifahrerseite herunter, dann erst meins. Der Mann und ich sehen den fahrenden Fensterscheiben zu, als gehöre es zu der Vorstellung.

„Was haben Sie für ein Problem?“, frage ich gereizt und schalte das Radio aus.

„Was haben Sie für ein Problem?“

Als ich nicht reagiere, da die Ausführung Stunden dauern würde, schiebt er hinterher: „Sie haben mich angehupt.“

„Nicht absichtlich.“

Er verschwindet aus meinem Sichtfeld, um sich doch kurz darauf wieder zu mir herunterzubeugen. „Ist es, weil ich beinahe auf einem Frauenparkplatz geparkt hätte?“, überlegt er weiter. „Ich habe das Schild noch im allerletzten Augenblick bemerkt und war gezwungen, das Steuer rumzureißen. Das war vielleicht knapp. Oder störe ich ein eventuelles Zusammentreffen zwecks Austausch bestimmter Substanzen?“

„Was?!“

„Was?“

„Was ist mit Ihnen nicht in Ordnung?“, stutze ich.

Das bringt ihn zum Lachen. Es füllt das komplette Parkhaus mit einem Hallen, das nur ganz langsam untergeht. Ich steige aus dem Wagen und der Mann lehnt am nebenstehenden Auto und lacht noch immer, als wäre das alles ein Vergnügungspark und wir mittendrin. Mein Blick fällt auf seine Arme, verschränkt vor seinem Oberkörper im grauen Hemd, fällt auf seine Statur. Er muss mindestens zwei Köpfe größer sein als ich, Mitte Ende Dreißig irgendwas. Ich kann nicht gut schätzen, in Mathe bin ich eine Niete und auf dem Gebiet Männer finde ich mich nicht immer zurecht.

Ich schultere meine Tasche, drehe mich weg, mache mich auf, doch komme nicht weit, denn es wird schwärzer als schwarz. Zuerst denke ich, die Beleuchtung spinnt, doch ein Gefühl krabbelt mir die Kehle herauf, mein Kopf dreht sich, oder sind es die Autos? Alles verschwimmt vor meinen Augen. Ich suche was zum Festhalten, bevor ich mein Gleichgewicht verliere.

„Setzen Sie sich“, ruft er und stützt mich, ehe meine Beine ganz wegsacken.

„Ist Ihnen übel oder schwindlig?“

„Alles“ ist alles, was ich rausbekomme.

„Atmen Sie gleichmäßig, nicht zu tief … Sonst gelangt zu viel Sauerstoff in Ihr Gehirn.“

Ich versuche in der Dunkelheit etwas Angenehmes wie einen Palmenstrand zu erkennen, doch so weit reicht meine Vorstellung nicht, sie ist bloß Horrorszenarien gewohnt. Dafür lande ich in unserem alten Kino und mein Lieblingsfilm fängt gerade an. Dieser Moment, wenn die Lichter erlöschen und sich die letzten Stimmen räuspern und alles gespannt wartet.

Dann rieche ich wieder Benzin und Teerdecke, Reste von Abschiedstränen und Wiedersehensfreude.

„Besser?“, fragt er leise und klingt so nah.

„Hmja …“, antworte ich nicht sehr überzeugend.

„Möchten Sie einen Bonbon?“

„Hm?“

Seine Fingerspitzen sind sonderlich warm, während sie meine Handfläche berühren. Natürlich habe ich das da in meiner Hand bereits in den Mund gesteckt, bevor mir einfällt, dass es Chloroform oder ähnliches enthalten könnte.

„Keine Sorge“, meint er heiter, „die Stelle mit der Entführung kommt gleich erst.“

Ich lasse mir den Geschmack auf der Zunge zergehen, mache einen ersten Test, meine Augen wieder zu öffnen. Die Autos stehen gerade und tanzen nicht mehr im Kreis, als ich feststellen muss, dass es kein Bonbon ist. Konfekt mit einem zähflüssigen Kern, der wohl an Kaffee erinnern soll, trifft es eher. Ich teile ihm meine Erkenntnis mit.

„Diese neue Art der Dankbarkeit ist richtig erfrischend. Schmeißen wir doch alle alten Konventionen über Bord.“

„Ich muss los“, meine ich unbeirrt, „das Flugzeug landet gleich.“

„Holen Sie jemanden ab?“

Ich knurre so etwas wie ein Ja.

„Sie scheinen mächtig froh darüber zu sein.“

„In meinem Inneren brennt ein Feuerwerk grenzenloser Freude ab.“

„Offensichtlich. In der Halle ist übrigens die Hölle los. Ich musste vorhin jemanden wegbringen.“

„Und dann sind Sie so fröhlich?“

Etwas fällt aus seinem Gesicht und landet auf dem Boden, von dem ich mich erhebe.

„Keine schnellen Bewegungen“, warnt er mich, noch immer in der Hocke, nur sein Blick folgt mir nach oben. „Sonst kippen Sie gleich wieder um.“ Das Lächeln in sei nen Mundwinkeln hat sich verflüchtigt. Ich dachte schon, es wäre dort festgeklebt.

Ich klopfe mir den Dreck von meiner Jeans, während er mir noch einen Bonbon in die Anoraktasche steckt, diese vertrauliche Geste verwirrt mich. Zum Abschied hebt er nur seine Hand, im Gehen drehe ich mich noch einmal um.

„Wirklich alles okay mit Ihnen?“, ruft er mir zu, als gäbe es darauf eine einfache Antwort. Doch, die gibt es.

Nein. Eigentlich ist gar nichts okay. Überhaupt nichts. Alles geht gerade den Bach runter und ich kann nur zuschauen. Alles, womit ich die letzten sechseinhalb Jahre fertig werden musste, scheint bedeutungslos. Alle Gefühle, die ich in dieser Zeit entwickelte und minder erfolgreich bekämpfte, verwandeln sich in eine bedrohliche Leere. Alles ist ein großes Nichts geworden.

Ich trete hinaus an die Luft, ganz leise vernehme ich noch „Passen Sie auf sich auf“. Dann fällt mir ein, dass ich mich hätte bedanken können. Aber das ist nun auch egal, denn schlecht fühle ich mich eh schon.

Durch die hohen Fenster der Flughafenhalle scheint die Abendsonne genau in mein Gesicht. Für einen Augenblick spüre ich die Wärme, während Menschen an mir vorbeihasten, bepackt mit Koffern voller Erwartungen.

Im Ankunftsterminal fahren die Schiebetüren im Sekundentakt auf und zu, spucken Menschen mit Kofferkulis aus, als wären sie von einer langen, geheimen Mission endlich wieder zu Hause. Angehörige laufen auf sie zu, verbreiten ein Strahlen wie vom Kernkraftwerk, legen eine filmreife Wiedersehensszene hin. Da wird mir bewusst, dass ich für keinen Aspekt dieser Situation bereit bin.

Wenn ich mich hier übergäbe, hätte ich auf einmal den gesamten Platz für mich.

Mit einem klackernden Geräusch wechseln die Buchstaben auf der riesigen Anzeigetafel und informieren mich ganz beiläufig darüber, dass der Flug EZ224 aus London Verspätung hat, auf unbestimmte Zeit. Und er ist nicht der einzige. Ein Buchstabe ist falsch, es klackert erneut vor und zurück, bis der richtige gefunden wird.

Am Informationsschalter haben sich noch mehr Leute mit der Idee zusammengefunden, mal nachzufragen, was denn unbestimmt heißt und wieso überhaupt und wie können sie nur. Eine zufriedenstellende Antwort gibt es dennoch nicht. Also laufe ich ein paar Minuten ziellos durch die Menge, fahre mit den Rolltreppen auf und ab und lerne dabei die Slogans der übergroßen Werbereklamen auswendig.

In den Zeitschriftenläden auf der ersten Etage blättere ich alle Auslagenhefte durch, ohne auf die wirklichen Inhalte zu achten, und beneide dabei eine Familie, die ganz vorn an der Kasse steht. Während der Vater einen großen Haufen Magazine und Zeitungen bezahlt, teilt die Mutter mit ihren beiden Töchtern ihre endlose Freude über die bevorstehende Reise. Vielleicht grinst sie die beiden auch nur so an, weil der Vater gleich seinen selbst gebastelten Sprengsatz zündet – zumindest sehen sie sehr glücklich aus.

Möglicherweise verspätet sich das Flugzeug gar nicht, sondern ist längst abgestürzt und die Flughafenleitung zerbricht sich gerade den Kopf darüber, wie sie das den Beteiligten beibringen soll. Oder es musste auf einer einsamen Insel Not landen, wo es nur kannibalische Ureinwohner gibt. Danach kommen die Passagiere ins Fernsehen – sofern sie denn überlebt haben –, werden einzeln interviewt, dabei wird ein Satz eingeblendet, der die sprechende Person beschreiben soll. „Soundso, 26, ist nicht zufrieden mit dem Absturz“ oder „Soundso, 48, puzzelt in seiner Freizeit gern mit seinen Siamkatzen“.

In meiner Anoraktasche bewege ich die Autoschlüssel mehrfach in meiner Hand, spiele mit dem Gedanken, einfach wieder nach Hause zu fahren. Das Merkwürdigste daran ist die Gewissheit, dass es das Beste für alle wäre. Das Beste für sie. Und das Beste für uns.

Doch ich verharre zwischen dem Hier und Jetzt und den Erinnerungen, die an mir haften. Damalige Momente und Zustände warten hinter jeder Ecke darauf, mich heimzusuchen.

Nach dem letzten Shop am Ende des Ganges, wohin es niemanden mehr zieht, hole ich erneut die Amerikapostkarte aus meiner Tasche. Lese die wenigen Worte auf der Rückseite und starre auf die gerade Handschrift, die mir so entfernt bekannt vorkommt.

Hi,

how you’re doing?

Habt ihr das Paket zu Weihnachten bekommen?

Ich komme am 3. September nach Minneborg.

Flug EZ224 aus London, 18.54 Uhr.

Dol

Meine Mutter konnte nicht kochen; sie hat es auch nie mit dieser selbstverständlichen Motivation versucht, die andere Mütter besaßen, was ich allerdings erst im Nachhinein feststellen musste. Als Mittagessen gab es bei uns Kuchen oder Torte mit Gravur aus der Konditorei. Fehlerhafte Produktionen mit falschen Namen, Themen oder anderen Makeln landeten mit einem Preisnachlass auf unserem Küchentisch. Ich habe mir Geschichten überlegt, in denen dieser Kuchen die Hauptrolle hätte spielen sollen und mich gefragt, was damit nicht stimmte, wenn derjenige, der ihn bestellt hatte, ihn nun nicht mehr haben wollte. War es die Farbwahl, die Kombination der Buchstaben oder doch nur eine einfache Stornierung aus Gründen unüberlegter Entscheidungen?

An einem Tag im Sommer bekamen wir eine kleine Ausgabe einer Hochzeitstorte mit Verzierungen ersten Grades und einem Brautpaar aus reinstem bunten Zucker auf der Spitze. Ich hätte gerne gewusst, was diese beiden in Wirklichkeit gerade taten, während ich ihre Torte aß. Vielleicht ereilte sie ein Schicksalsschlag, dessen Pech sich auf alles übertrug, was mit ihrer Hochzeit zu tun hatte und daher nun durch meinen Darm kroch. Danach bekam ich keinen Bissen mehr hinunter. Bei Fototorten war es für mich sowieso vorbei. Ich konnte mich nicht dazu durchringen, fremde Gesichter zu zerstückeln und zu zermahlen, was Iken dagegen mehr als gut gelang. Sie zeigte mir dann jedes Mal den Brei in ihrem Mund und nie konnte ich wegsehen, denn da war ein Mensch auf ihrer Zunge, den niemand mehr erkannte.

Meine Mutter vergaß auch regelmäßig, mit mir in der ersten Klasse die Schultasche zu packen oder frische Kleidung herauszusuchen, sie vergaß überhaupt sehr viel, worauf die Eltern der anderen Kinder peinlichst genau achteten. Meine alleinigen halben Versuche erzeugten bei meiner Lehrerin bloß diesen Ausdruck: bedauernd und stets sorgenvoll, unübersehbar auf ihrer Stirn. Ich hasste dieses Gesicht, sollte es aber noch sehr häufig vor Augen haben.

Und wenn dieses gewisse Etwas in der Luft lag, nahm meine Mutter uns aus der Schule, täuschte den perplexen Lehrern ein akutes Geschwür oder innere Blutungen vor und fuhr mit uns dreien in den Freizeitpark, in dem sie je des Mal die Hellseherin aufsuchte, die keine Ahnung hatte, das wussten alle.

Ich erinnere mich an die Laute ihrer hohen Absätze in der Küche und im Flur, wie sie im Bad ihre Haare mit Haarspray besprühte und es danach noch lange so roch.

Meine Mutter wurde, so lange ich denken kann, bei ihrem Vornamen genannt. Dol. Von Dolores.

Und ich erinnere mich daran, wie ich am Morgen des 24. Februars vor sechs Jahren aufstand und sie war weg. Genau wie die Hälfte ihrer Kleidung, ein paar privater Dinge, der große Regenschirm, ihr guter Wintermantel, mein englisches Wörterbuch.

Ich weiß nicht, wann die Idee in ihrem Kopf entstanden ist, ihre Heimatstadt zu verlassen, zum Flughafen zu fahren, nach Amerika auszuwandern und ihre drei Töchter allein zurückzulassen. Vielleicht in dieser Nacht oder schon Jahre zuvor. Möglicherweise hatte sie alles genau geplant, hatte heimlich Informationen über Auswanderung gesammelt und war mit ihren Gedanken schon auf Reisen, als wir mittags aus der Schule kamen. Vielleicht traf es sie auch wie ein Schlag in dieser Nacht. Dieser Gedanke, der einen nicht loslässt. Wenn man etwas tun muss, um sein Leben zu retten.

Sie hatte keinen Zettel da gelassen, kein Zeichen, wo sie war, ob und wann sie zurückkam. Nichts.

Ich habe mir jahrelang darüber den Kopf zerbrochen und immer wieder die Tage davor in meinem Gedächtnis zurückgespult, um herauszufinden, was ich gesagt oder getan habe, weshalb sie ging. Oder was ich hätte tun oder sagen sollen, damit sie blieb.

Diese endlose Beschäftigung führt nur zu einem. Dass man verrückt wird.

Auf Flughäfen tickt eine andere Zeit, die Zeitzonen bringen alles durcheinander, nur auf die ständige Warterei kann man sich verlassen. Warten, dass man an die Reihe kommt, dass der Koffer aufgegeben wird, dass die Servicedame fertig mit Tippen ist, dass der Typ vor einem endlich seinen Gürtel ausgezogen hat, dass das Gerät nicht piept, dass die Sachen im Duty Free Shop noch günstiger angeboten werden, dass man durch den Schlauch laufen darf, dass man seinen Sitz gefunden hat. Jetzt nur noch gefühlte zehn Stunden, danach das Ganze rückwärts.

Seitdem ich einmal eine sehr eindrucksvolle Reportage über das Leben von Vielfliegern gesehen habe, kann ich mir den gesamten Vorgang in allen Details bildlich vorstellen. Denn geflogen bin ich selbst noch nie.

Ich warte bloß auf Durchsagen, doch fürchte mich gleichzeitig vor der Stimme, die mir in drei Sprachen mitteilt, dass das Flugzeug gleich landen wird und sich damit alle Konsequenzen in einem Sprühregen über uns ergießen. Man kann nicht wirklich danach greifen, nur fühlen, wenn man bereits durchnässt ist.

Auf der Damentoilette putzt sich eine junge Frau die Zähne und knotet ihre Haare zu einem Zopf, als stünde sie in ihrem eigenen Badezimmer. Ich frage mich, wie wohl ihr Leben aussieht und wie es wäre, sie zu sein.

Ich suche mein Spiegelbild nach Merkmalen ab, die Dol und ich gemeinsam haben könnten, doch finde nichts – zum Glück. Wo ihr Gesicht an Länge gewinnt, hat meins eher Kanten. Ich habe weder ihre dunkelblauen Augen noch ihre Haarkonsistenz. Doch vielleicht erkenne ich Dol jetzt gar nicht wieder, weil sie inzwischen süchtig nach Schönheitsoperationen oder Alkohol geworden ist und beides so lange genossen hat, bis das Geld alle war. Ich sehe mich nach einer Person um, die ihre Art besitzt, sich ruckartig zu bewegen. In der Ausgangssituation immerzu steif, darauf plötzlich ganz hektisch und wieder zurück zu Start. Als hätte man in der falschen Sekunde eines Films geblinzelt und nun kapiert man die Handlung nicht mehr. Aber auch das kann sich geändert haben.

Ich lasse mich auf die grauen geformten Plastikstühle gleiten, nur Menschen mit ihren Kulis und viel zu viel Gesprächsbedarf rollen an mir vorbei. Ich möchte schlafen, aber nicht hier aufwachen. Also lasse ich es sein.

Acht Lebenszeichen erreichten unser Haus während den sechseinhalb Jahren, in denen Dol vermisst wurde.

Die erste Postkarte kam nach 68 Tagen. Ich habe sie alle wie ein Sträfling gezählt.

Ansichtskarten legen meistens einen längeren Weg zurück und klingen in irgendeiner Weise fröhlich. Fröhlich, fort zu sein, etwas anderes zu erleben. Sonnenschein und Sehenswürdigkeiten und Grüße, etwas Neid verteilen, auch wenn das Wetter gar nicht so bombig ist und die Zimmer zu eng. Dols Karteninhalt war so oberflächlich, sie hätte sich die Mühe sparen können. Aber wahrscheinlich wollte sie uns nur wissen lassen, dass sie am Leben war und es ihr gut ging. Zumindest klang es so.

Anfangs habe ich die Karte noch ganz ehrfürchtig in die Küche gehängt und sie nie aus den Augen gelassen. Wenn ich wegsah, nahm ich manchmal an, es war bloße Einbildung und Dol war eigentlich gerade einkaufen und damit beschäftigt, die Angestellten im Supermarkt zu provozieren. Doch wenn ich dann an die Wand blickte, kam alles geradewegs auf mich zu. Zuerst blieb mir noch die Luft weg, dann gewöhnte ich mich allmählich an sie wie an ein Bild, das nicht besonders schön war, aber auch niemand abzuhängen vermochte.

Und dieses dicke Stück Papier war das beste Beispiel für den unvorhersehbaren Verlauf der Dinge, die man nicht beeinflussen kann. Die Welt dreht sich nicht um einen Moment oder ein paar Zeilen oder eine Person, habe ich dann festgestellt und hätte ganze Aufsätze damit füllen können. Habe ich auch. Nur zu den falschen Themen. Ungenügend war nicht nur eine Note, es war die Überschrift für die ersten Monate allein nur mit meinen beiden Schwestern und all dem Chaos, das ab und zu einen Sturm in mir auslöste und an manchen Tagen einen lebensgefährlichen Orkan.

Das zweite Lebenszeichen war ein Brief, eine Seite, beidseitig beschrieben auf Motelpapier, mit 15.000 Kronen darin, die Miete für vier Monate. Wieder ohne Absender. Als ich ihn fein säuberlich zu der ersten Karte an die Wand hing, warf mir Aline nur einen langen Blick zu, ich spürte ihn im Nacken wie einen unangenehmen Luftzug. Und noch immer hoffte ich – auch wenn ich es niemandem erzählte, denn meine beiden Schwestern fanden sich sehr schnell und gut zurecht. Sie wollten es zumindest unbedingt.

Zu Weihnachten erreichte uns sogar ein Päckchen mit einer Weihnachtsklappkarte mit bunten Weihnachtsmännern und viel zu viel Geglitzer auf der Vorderseite. Die drei kitschigen Schneekugeln, in denen weiße Kügelchen auf die Freiheitsstatue rieselten, wann immer man das Verlangen danach hatte, waren ein schwacher Trost für unser erstes Weihnachten ganz allein. Danach kam zu jedem Weihnachtsfest ein Päckchen mit Geschenken, die sich kein Mensch wirklich erträumt: Dinge aus Souvenirshops ohne Geschmack und Persönlichkeit. Das, was wir eigentlich brauchten, war in keinem Paket enthalten.

Und nach dem ersten Weihnachten ohne sie hörte ich auch letztendlich auf zu warten und heimlich zu hoffen, und Dol wurde zu einer Erinnerung, die nur durch die noch kommenden lächerlichen Päckchen heller wurde, sonst aber mit jedem Jahr verblasste.

Nur im letzten Herbst rüttelte mich ihre Post noch einmal wach, denn dort auf der Rückseite stand ganz klein Dols aktuelle Adresse in California. Aline und Iken hatten allerdings keinerlei Bedürfnis mehr, sich bei ihr zu melden, ihr Leben lief weiter. Doch meins – meins stolperte so vor sich hin.

Der weiße Pappbecher mit dem braunen Kaffeegemisch wärmt meine kalten Hände. Ich beobachte die Menschen um mich herum und nach und nach werden sie alle unwirklich. Wie wenn man bei Fernsehwerbung den Ton ausstellt, es wirkt einfach absurd.

Eine halbe Familie steuert auf die Reihe zu, in der ich sitze, und sucht sich dann doch ganz plötzlich eine andere aus. Wahrscheinlich gucke ich wieder zu abweisend. Ich denke an die Frau, die früher in unserer Straße wohnte und stets eine große, dunkle Sonnenbrille trug, und wir wohnen nun wirklich nicht im Süden. Immer habe ich angenommen, sie wolle sich wie eine Prominente aus dem Fernsehen fühlen, die in ihren lässigen Freizeitklamotten die Straße entlang stolziert, ohne erkannt zu werden. Doch nun verstehe ich sie. Unsichtbar wollte sie sein, alles wahrnehmen, nur nicht wahrgenommen werden von anderen.

Hier bin ich allein unter hundert Menschen. Sie alle finden sich mit der Situation ab, niemand regt sich jetzt mehr auf. Ich möchte nichts hier lassen, auch keine Erinnerung.

Immerhin wirkt der Flughafen in der Nacht wunderschön. Künstliches Licht in Blautönen, gelbe Schilder mit Zahlen der Gates und flimmernde Fernseher. Alles, was einen versorgen kann, findet man hier. Und es beruhigt einen, wie die Dunkelheit sich langsam der Fenster annimmt, ab und zu rollt ein riesiges, weißes Flugzeug wie ein Wal aus dem düsteren Meer vorbei und die Leute suchen sich Plätze, an denen sie verweilen können, bis alles vorbei ist, während für das Personal das alles hier den Alltag darstellt.

Eine Gruppe Jugendlicher hat ein Lager mit Rucksäcken aufgeschlagen, sie sitzen zusammen auf dem Boden und lachen zeitweise auf, ich verstehe nicht weshalb. Einige Meter weiter entdecke ich ein Stück Abfallpapier. Vielleicht von einem Hamburger oder etwas ähnlich Fettigem, von meinem Platz aus ist es schlecht zu erkennen. Es fällt nur auf, weil es das einzige weit und breit ist auf einem spiegelblanken Grund. Ich wünschte, mein Kopf wäre so aufgeräumt wie der Fußboden dieser Halle. Dann beobachte ich einen Mann im Overall, der sich müde, doch nicht träge, mit einem Reinigungswagen daran zu schaffen macht. Niemand scheint ihn zu beachten, seine Person oder Tätigkeit, dennoch ist er da. Dunklere Haut als die meisten hier, Schnurrbart und kurzer Körperbau. Für einen Moment versuche ich mir sein Leben vorzustellen, wie er nach Hause zu seiner Frau kommt, die sein Lieblingsessen gekocht hat, obwohl er inzwischen ein anderes wählen würde, aber dankend nach dem Besteck greift und der Teller seines Sohnes leer bleibt, weil dieser gerade die Bekanntschaft mit den falschen Jungs aus seiner Schule gemacht hat und nun die Nacht seines Lebens verbringt, aber das muss nicht immer gut ausgehen.

Eine Gitarre reißt mich aus den Gedanken. Sie gehört einem Typ mit einem langen Pferdeschwanz, der immer wieder schnaufend lachend die Brille auf seiner Nase hochschiebt, weil ihm niemand sagt, wie bescheuert das aussieht. Entweder summe ich jetzt zu seiner schrägen Melo die oder ich ticke völlig aus, reiße ihm die Gitarre aus der Hand und zerschmettere sie auf den Plastikstühlen, die sich nicht verrücken lassen.

Bevor ich das in die Tat umsetze, krame ich nach meinem vorletzten Kleingeld und rufe zu Hause an. Es ist fast zwei Uhr nachts und Iken nimmt nicht sofort ab. Zweifellos muss sie erst den Videorekorder anhalten und wenn das Bild in einer schlechten Sekunde stoppt, eine unnatürlich hübsche Hauptfigur der Serie zum Beispiel die Augen nur halb geöffnet hat, kann es etwas dauern, bis sie ein Standbild gefunden hat, mit dem sie zufrieden ist.

„Dol ist noch nicht da, ein paar Flüge hier haben Verspätung“, sage ich, meine Stimme ist nach all den Stunden ganz eingerostet.

Iken wiederholt nur das, was sie seit Tagen vor sich hin wettert: „Sie kann in der Badewanne schlafen! Warum bringst du sie überhaupt wieder hierher?!“

„Iken …“

„Das ist ein Zeichen, ganz sicher ist das Flugzeug über dem Ozean abgestürzt und niemand wollte sich mit ihr ein Schlauchboot teilen, also ist sie bereits tot!“

„Iken!“

„Lass sie einfach dort und fahr zurück, ich warte auch mit der Folge auf dich, letztes Angebot!“

„Nein, Iken! Das werde ich nicht.“

„B–a–d–e–w–a–n–n–e!“

Ich lege auf.

Dols letzte Ansichtskarte fand ich vor neun Tagen in unserem Briefkasten. Ich weiß nicht, wie lange sie da schon gelegen hat; Iken und ich haben erkannt, dass Briefe selten etwas Gutes bedeuten. Die häufigsten davon sind Rechnungen, die wir nicht bezahlen können, oder eben Werbung für Dinge, die wir uns schlechtreden müssen, weil sie unerreichbar sind. Aline und Iken hatten mit keiner Postkarte mehr gerechnet, schon gar keiner, die uns mitteilte, dass Dol wiederkommen würde. Daran hatten sie nicht mehr geglaubt. Und wenn ich ehrlich bin, ich wohl auch nicht.

Kurz nachdem sie gegangen war, schwappte jede erdenkliche Emotion einfach so ohne Vorwarnung über mich: Trauer, Verzweiflung, Enttäuschung, Wut, Angst, Einsamkeit. Eine bunte Mischung der Launen, die man im Alltag nicht gebrauchen kann. Ich hatte nicht unbedingt den Wunsch, ihr in die Arme zu fallen, doch irgendetwas in der Art muss es gewesen sein. Das oder die Vorstellung, sie so lange zu schütteln, bis sie zusammenbricht. Auf einmal drehte sich alles um Dol, obwohl sie selbst nicht mehr da war. Und ich konnte ihr die ganze Bandbreite von Gefühlsresten nicht einmal vor die Füße kippen. Da hat man Jahre damit verbracht, diese Empfindungen irgendwo abzuladen oder in dem letzten Stück seines Körpers zu verstauen, da wirbelt sie den alten Staub mit einem Satz in blauem Kugelschreiber wieder auf. Ihre Heimkehr kommt so plötzlich, obwohl ich mich darauf hätte gefasst machen müssen, denn an dem Grund bin ich nicht ganz unbeteiligt.

Und nun ist alles ein großes Nichts geworden.

Ich muss wohl doch eingeschlafen sein, denn ich erwache von allgemeiner Unruhe. Leute begrüßen und umarmen sich, als hätten sie den Weltuntergang ganz knapp überlebt. Ich bin die einzige, die noch auf den Wartestühlen sitzt, und als die Situation endlich in meinem Gehirn angelangt ist, überfliegen meine Augen bereits die Halle. Es sind zu viele Körperteile im Weg, also warte ich, bis sich der Ankunftsterminal lichtet und die Schiebetüren nicht alle zwei Sekunden aufschnellen. Zwischen den letzten verirrten Personen entdecke ich sie.

Auf dem Boden vor ihrem Koffer hockend.

Wühlend zwischen den Dingen. Aufwühlend.

Vielleicht versteckt sie etwas, bevor sie mich trifft. Ich und ihr altes Leben treffen sie wie eine Kriegsverwundung. Vielleicht ist auch gar nichts dabei.

Und dann streift ihr Blick den Wartebereich und stoppt augenblicklich bei meiner Erscheinung. Einige Sekunden lang schauen wir uns an. Ich bleibe reglos sitzen. Mein Daumen zuckt, was er bei jeder Nervosität macht. Dol schließt ihren Koffer, hievt ihn auf den Kuli neben die anderen beiden, die einen längeren Besuch versprechen. Ich sehe mich nach den nächstgelegenen Notausgängen um. Ihre Pumps klacken auf dem gebohnerten Fußboden. Die gesamte Situation kommt mir so widersinnig vor, dass ich auf den lachenden Moderator warte, der die heimlichen Kameras aufdeckt. Hier … hier … uuuund hier in dem Gepäck zwischen der Unterwäsche. Dort ist das kleine Loch mit der Kamera, tadaa.

Als sie vor mir steht, erhebe ich mich aus der Position, in der ich die letzten Stunden verweilt habe; mein Körper schmerzt und meine Beine sind eingeschlafen.

„Das Parkhaus wird teuer“, sage ich, weil es das erste und einzige ist, das mir einfällt.

zwei

Minneborg liegt etwa zwei Autostunden vom Flughafen entfernt, ganz verborgen, als wollte es sich vor dem Rest der Welt verstecken. Es heißt, wer sich hier einmal niedergelassen hat, wird nicht mehr wegziehen. Ich kenne allerdings genügend Menschen, die es gar nicht erwarten konnten, von hier wegzukommen.

Vielleicht wollen sie alle in eine größere Stadt, nach Kryll zum Beispiel, wo es ein Einkaufszentrum auf drei Etagen und ein Kino mit Surround-Sound in allen Sälen gibt. Wenn ich mir einmal ein Bein brechen oder sich ein Tumor bei mir einnisten würde, käme ich in das Kryll Hospital. Bisher ist das noch nicht der Fall gewesen.

Minneborg dagegen hat nur eine Hauptstraße vorzuweisen, auf der sich die meisten Geschäfte aufreihen. Es werden keine Lebensmittelläden durch große Supermarktketten ersetzt oder ganze Wohnhäuser für Parkplätze abgerissen. Alles bleibt wie es ist. Nicht einmal die jährlichen Feste und Aktivitäten werden erneuert. Darauf kann man sich stets verlassen. Ebenso wie auf die Tatsache, dass man sich keinen Film in unserem kleinen Kino ansehen kann, ohne jemanden zu treffen, den man kennt. Man kann keine obszöne Zeitschrift abonnieren, ohne dass Per, der Postbote, einem mit einem Auge zuzwinkert und man kann keine Mutter haben, die sich ohne Warnzeichen aus dem Staub gemacht hat, ohne dass man beim Bäcker oder beim Haareschneiden darauf angesprochen wird. Den mitleidigen Gesichtern auszuweichen erschien mir praktisch unmöglich, ein banales Gespräch anzufangen, das nicht irgendwann zwangsläufig bei der Wieso-nur-Frage endet, erwies sich als aussichtslos. Da teilt sich die Stadt auf einmal in zwei Hälften. Die eine gibt einem unnötige Ratschläge und kocht Suppen für einen, die man nicht einmal mag, und die andere hört auf zu tuscheln, wenn man zu nahe kommt. Die wenigen Menschen, denen das alles egal ist, waren mir in den Jahren am liebsten.

Das Geheimnis daran ist eine gute Beziehung zur Zeit. Man muss nur warten, bis neue Schlagzeilen und Themen an der Oberfläche brodeln, dann hat alles wieder zu seiner scheinbaren Normalität gefunden.

Erst als wir schon einige Kilometer auf der Autobahn sind, hört Dol auf, ständig die Radiosender zu verstellen, die ich hören will. Wir hatten noch nie denselben Musikgeschmack.

Ich kann mich kaum auf die Straße konzentrieren, weil ich sie immerzu anstarren will. Ich möchte sie fragen, wie es in Amerika war, wie ihr Leben bisher so verlaufen ist, ob sie schon früher zurückkommen wollte oder es niemals vorgehabt hat und seit wann sie diesen ausgefransten Bob als neue Frisur trägt. Und dann bin ich mir nicht sicher, ob ich die Antworten wirklich wissen will. Vielleicht würde ich mir im Nachhinein wünschen, ich hätte es nicht erfahren, doch dann schwebten die Wahrheiten so zwischen uns im Auto herum und endeten im besten Fall im Kofferraum. Aber aus meinem Kopf wären sie nicht fortzujagen und dort ist sowieso gerade zu viel los. Alles, was ich gern aussprechen möchte, doch einfach nicht über meine Lippen kommt, bereitet mir Kopfschmerzen.

Diesen Moment, meine Mutter nach all den holprigen Jahren wiederzusehen, habe ich mir schon so oft vorgestellt, dass ich ihn nicht mehr zählen kann, und nun fühle ich mich wie ein Marathonläufer bei den Olympischen Spielen, der jahrelang für diese Sekunden trainiert hat und plötzlich beim Start einen Fuß nicht mehr bewegen kann.

„Liest Per, der Postbote, noch immer sämtliche Postkarten und gibt unerwünschte Kommentare?“, fragt Dol indessen und beginnt, in ihrer Handtasche herumzukramen.

„Zumindest müsste er informiert sein, dass du wiederkommst …“

„Und die Andersson Kinder, sehen die mittlerweile normal aus?“

„Hm?“

„Na“, erklärt sie achselzuckend, „die hatten damals vor vier Jahren ganz verformte Köpfe, weißt du das nicht mehr?“

„Vor sechseinhalb Jahren“, betone ich und Dol hat gefunden, was sie gesucht hat. Sie zaubert eine Packung Zigaretten hervor und drückt auf den Anzünder.

„Du kannst hier nicht rauchen“, warne ich, bevor sie etwas entfachen kann.

„Ich seh hier nirgends ein Verbotsschild.“

„Ich meine es ernst! Das ist nicht mein Auto!“

Daraufhin mustert sie mich eingängig und danach das Innenleben des Wagens. „Na, das hättest du schlechter treffen können. Hast du wenigstens das Nummernschild ausgetauscht?“

Sie zündet sich dennoch ganz gedankenverloren ihre Zigarette von einer amerikanischen Marke an; diesmal finde ich den Schalter für das Fahrerfenster auf Anhieb, werfe die Kippe auf die Autobahn.

Dol lässt bloß die Hände sinken und schaut auf die Landschaft, die seit dreißig Minuten genau gleich aussieht.

„Jedenfalls war es etwas verfrüht, über die Entwicklung der beiden zu urteilen und womöglich hat es sich ja zurechtgewachsen. Du warst damals ja auch recht pummelig und nun sieh dich an … Habt ihr nichts Anständiges zu essen?“

„Dafür reicht das Geld nicht“, sage ich und Dol hält es für einen Witz.

„Und was ist mit der Frau … wie hieß sie noch gleich? Die immer nur mit ihrem Hund unterwegs war.“

„Frau Madsen?“

„Nein, nicht die.“ Dol verzieht das Gesicht wie bei dem Geruch von abgelaufener Milch.

„Frau Henriksen mit ihrem Plastikhund? Die immer so getan hat, als wäre er echt?“

„Ja genau die.“

„Die ist verstorben.“

„Achso.“

„Und Frau Blom?“, löchert sie weiter, aber diesmal mit einer Prise Süffisanz in der Stimme, „hat sie endlich ihr eigene Keksbäckerei?“

„Nein, noch nicht, aber ihre Ergebnisse sind mittlerweile genießbar geworden und man beißt sich nicht mehr die Zähne daran aus.“

Dol überlegt, nach wem sie sich noch erkundigen könnte, wer ihr sonst noch einfällt. Was ist mit uns liegt mir auf der Zunge, doch die Worte rutschen wieder hinab in meinen Hals. Und bevor ich einen zweiten Versuch starte, fährt sie mir schon über den Mund. „Da musst du raus, nimm die Ausfahrt!“ Sie greift mir ins Lenkrad. „Bist du bescheuert?“, schimpfe ich zurück. „Warum denn? Was sollen wir da?“

„Fahr ab, los“, befiehlt sie. Nach wenigen Sekunden hat sich ihre Aufregung schon wieder gelegt und ihr Tonfall klingt nach Monotonie und Langeweile, als sei ihr alles im Grunde gleichgültig.

Ich nehme im letzten Moment die Ausfahrt, fahre den Bogen und bin wütend. „Und jetzt?“

„Jetzt park da vorne.“

„Da darf ich nicht parken, das ist nur für Behinderte.“

„Dann humpeln wir halt hinaus.“

Ich suche nach einem anderen Parkplatz und fahre immer wieder die Runde.

„Dahinten ist doch alles frei“, ruft Dol verständnislos, „warum fährst du noch hier herum?“

„Weil ich nicht weiß, was du hier willst. Das ist ein Möbelhaus. Mit Möbeln“, betone ich.

„Hier gab es immer die besten Waffeln.“

Ich sehe sie entgeistert an. „Das war dein Ziel?“

„Vorhin sagtest du noch, dir fehlt was zu essen und hier sind wir. Anikis hausgemachte Waffeln. Mit Kirschen und Sahne 29 Kronen, Kaffee zum Mitnehmen 12 Kronen“, liest sie mir das Schild über dem kleinen Stand am Eingang vor.

„Ich will keine Waffel“, erwidere ich mürrisch. „Außerdem ist es halb acht morgens, die haben ihren Stand noch gar nicht auf.“

Wir stehen noch mitten auf der Parkgasse, während man die parkenden Autos um uns herum an einer Hand abzählen kann. Ohne ein weiteres Wort steigt Dol aus und läuft die paar Schritte zu dem Stand. Ich beobachte ihre Motivation, die sie an das geschlossene Fenster des Anhängers klopfen und danach zum Eingang des Möbelhauses wechseln lässt, um dort obendrein gegen die Scheiben zu poltern.

Wenn ich eine Vorfreude gehabt hätte, wäre sie jetzt bereits erlischt. Zum Glück hatten Freude an sich und Dol in meinem Leben nie etwas gemeinsam; ich war niemals positiv gespannt, wenn es um Dol ging, so blieb mir diese Enttäuschung immerhin erspart.

Nach acht sitzen wir schweigend auf der Bordsteinkante mit unseren Waffeln inklusive Kirschen und Sahne und einem Kaffee für Dol.

Ich warte auf etwas, das nicht kommt. Dol fragt nicht nach uns, was wir tun oder wie es uns ergeht. Sie fragt überhaupt nichts mehr.

Vielleicht haben wir uns auch zuviel zu sagen, sodass wir es ganz bleiben lassen. Doch wenn man die unzähligen Gespräche und Aussprachen von sechs Jahren nachholen möchte, müsste man jetzt damit anfangen.

Ich spüre die Sonne auf meinem Kopf, meine Haut tut weh. Die Septembersonne ist unnatürlich stark, dennoch friere ich. Der Kloß in meinem Hals hindert mich am Essen, obwohl die Waffel auf einer Geschmacksskala tatsächlich weit oben stünde und ich eigentlich am Verhungern bin. Jetzt.

Ich ertappe mich dabei, wie ich immer wieder nach links schaue, um zu überprüfen, ob sie auch wirklich neben mir sitzt. Von allen Dingen, die man irgendwann vorher plant, hat man eine genaue Vorstellung, wie sie sein werden. Doch manchmal ist das im Nachhinein so weit entfernt von der Wahrheit, dass man sich betrogen fühlt. Die Realität findet immer wieder ihre eigene Hintertür. Jetzt.

„Brauchst du einen neuen Stuhl?“, durchbricht Dol meine Gedanken, während sie ihre Serviette in die gefaltete Pappe steckt. Anscheinend gucke ich sehr begriffsstutzig, denn sie erklärt weiter: „Oder eben einen Papierkorb oder einen Haufen Kerzen? Willst du reingehen, will ich damit fragen.“ Sie zieht die Wörter so lang, als könnte ich nur Lippen lesen. Und ich verschiebe das Jetzt auf später. Sechs Jahre Gedankenaustausch müssen sich auch möglicherweise erst einmal warmlaufen.

„Wir müssen nach Hause“, antworte ich und bei dem Wort Hause kommt mir fast die Sahne wieder hoch. „Jorn braucht das Auto und ich will mir nicht schon wieder eine Lektion darüber anhören müssen, dass private Vereinbarungen genau denselben Bedingungen zugrunde liegen wie Geschäftstermine. Zeit ist Geld und Geld macht sein Leben rund.“

Dol blickt nach vorn, ihr Mund ist verkniffen, sie faltet die Waffelpappe erneut, dann sieht sie wieder zu mir. „Jorn?“

Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll und in diesem Moment wünschte ich, ich würde so lange und laut lachen, bis mir der Bauch wehtut oder zu albernem Gegacker wird. Einfach nicht mehr aufhören.

Auf dem Weg zum Auto erkläre ich ihr, dass Jorn ihr Schwiegersohn ist, der Mann von Aline. Bei der Erkenntnis, dass ihre älteste Tochter geheiratet hat und sie war nicht einmal bei der Trauung dabei, bekommt sie ganz seltsame Augen. Als wollten sie gleich wegschwimmen.

Den Rest der Fahrt schweigen wir mehr oder weniger, das können wir ja ganz gut, verstellen dabei nur abwechselnd die Radiosender.

Auf der Hauptstraße in Minneborg wird Dols Körper ganz steif, nur ihre Augen verfolgen die Läden und Häuser und Fußgänger, ein Panoramablick auf die plötzliche Gegenwart. Verglichen zu damals hat sich nicht viel verändert – und doch alles.

Etwa dreizehn Stunden später als geplant biegen wir in den Papenweg ein und mich überkommt eine bleierne Müdigkeit, die nicht weiß, dass der Tag noch nicht überstanden ist.

Das letzte Stück nicht asphaltierter Papenweg ist vom gestrigen Regen noch etwas schlammig. Ich fahre langsa mer und wir ziehen in Zeitlupe an dem Grundstück der Anderssons vorbei, das mit der exakt gestutzten Hecke und der gleichmäßigen Anordnung der Stauden nicht ganz zum Rest der Straße passen will, denn dieser ist bunt und überwuchert, wie der Vorgarten von Frau Blom, den wir jetzt hinter uns lassen. Die Häuser, die letzten von Minneborg, die letzte Straßenlaterne, der letzte Rest des Sandweges und schlussendlich das allerletzte Haus, Veetrikki, das ist mein Zuhause.

Ich glaube nicht an Spukhäuser, nicht so sehr wie einige Kinder aus Minneborg. Eine Zeit lang machten sie einen Bogen um Veetrikki, klingelten hingegen bei allen anderen Eingängen im Umkreis, wenn Halloween oder Langeweile ihnen Anlass dazu gab. Wir hatten unsere Ruhe, daher machte mir dies nie besonders viel aus. Ich wusste, dass es nicht die Geister waren, vor denen man sich fürchten musste. Irgendwann hörte ich in der Schultoilette das Gerücht, jemand sei in dem See, der direkt an unser Haus angrenzt, ertrunken. Ich habe laut über das Bild gelacht, das sich die Bewohner von diesem Grundstück gemacht haben, denn genau genommen wohnt hier nur die Friedlichkeit und wir sind ihre Gäste, aber die Leute machen sich gern gegenseitig Angst.

Die meisten Häuser werden von ihren Besitzern geformt und verändert, passen sich deren Wünschen an. Veetrikki jedoch bleibt sich treu, behält all die Versprechen und Sehnsüchte in seinen Hausmauern. Versteckt unter der Veranda. Manchmal scheine ich sie sehen zu können. Und dann denke ich, dieses Haus wird uns alle überleben, wird sein Bestes geben, um uns für ein paar Jahrzehnte – mehr oder weniger – als Zuhause zu dienen, es ist unsterblich. Und ich für meinen Teil könnte mich glücklich schätzen, bis zum Ende hier zu verweilen.

Als mein Vater sich eines ihm vermeintlich besseren Lebens zuwandte, zeigte Dol uns dieses Haus und sagte: „Hier werden wir ab jetzt wohnen.“ Ich erinnere mich an das starke Gefühl von Ehrfurcht, das sich beim Anblick in mir ausbreitete. Nach der schäbigen Wohnung, in der wir übergangsweise hausten, erschien es mir wie ein Privileg, hier zu wohnen. Ein Privileg, das ich noch immer zu schätzen weiß.

Das ist der einzige Part, den Dol gut hinbekommen hat.

Der silberne BMW kommt mit einem Ruck am Ende des Papenweges, neben dem zweistöckigen Haus mit den drei Wohnungen, zum Stehen. Man muss einige Schritte über den stoppeligen Rasen laufen, bevor man die Veranda und den Eingang überhaupt zu Gesicht bekommt. Ein paar Obstbäume, ungemähte Wiese, die sich mit dem Schilf am Seeufer ablöst, die Gartenmöbel vom Sperrmüll, Ikens altes Fahrrad, diverse Blumentöpfe, die auf der überfüllten Veranda keinen Platz mehr fanden. Dol sitzt regungslos im Wagen und starrt auf all das, was vor ihr liegt, als würde es sich bewegen und auf sie zukommen.

Ich steige aus, die Sonne strahlt und es ist wie bei herrlichem Wetter auf Beerdigungen; Dol in Jorns Auto vor Veetrikki und die Sonne scheint stolz, das alles passt einfach nicht zusammen.

Es riecht noch immer nach Sommer. Ich schaue in den Himmel und danach auf den Beifahrersitz, Dol hat sich keinen Zentimeter bewegt.

Als ich sie anspreche, sagt sie, sie wolle noch das Radiointerview zu Ende hören, mit eintöniger Stimme, die Augen weit aufgerissen. Ich warte geduldig. „Wie lange geht das denn noch?“

„Dreizehn Minuten.“

Ich knalle die Fahrertür zu und schleife zwei ihrer Koffer über den Rasen, die drei Verandastufen herauf, durch den Hausflur in unsere Wohnung bis zu dem Türrahmen ihres Zimmers, und dort halte ich bei dem Anblick die Luft an.

Ich stehe nach wie vor auf demselben Fleck, als Dol hinter mir hereinkommt und abrupt neben mir stoppt. Wir schauen beide auf das Rechteck, das einmal ihr Fenster darstellte und nun über und über mit gelben Klebezetteln bedeckt ist. Das Licht kommt nicht hindurch, es bestrahlt die Post-its von der Rückseite, was der ganzen Aktion einen dramatischen Auftritt verleiht.

Es sind Türen. Eine gezeichnete Tür auf jedem Post-it, ein paar Striche bloß pro Haftnotiz. Bevor ich sie zählen kann, ist Dol nach draußen entschwunden.

Gerade will ich Ikens Zimmertür öffnen, da ist sie mir bereits zuvor gekommen und steht im kurzen Pyjama vor mir. Auf ihrer linken Wange befindet sich ein Kissenabdruck, wie ein kleiner Ausschnitt eines U-Bahnplans oder ein Unfall auf einer Kreuzung. Kreuz und quer.

„Türen?!“, zische ich.

„Zirkuswagentiere“, entgegnet sie.

„Ich mein die Post-its, was soll das? Hattest du in der Nacht nichts zu tun?“

„Die sind nicht von heute Nacht, die sind von früher, hab ich neulich gefunden.“

„Und? Hat das wieder irgendwas mit Kunst zu tun?“

„Alles hat mit Kunst zu tun … Das sind 68 Türen. Durch Türen kann man kommen und gehen und in diesem Fall auch gerne fort bleiben. Ganz und gar.“

Ich erwidere nichts, denn die Zahl 68 schwirrt in meinem Kopf herum und stößt sich an den Enden. Iken hängt noch etwas ran und stockt in der Mitte, als hätte sie einen Geist gesehen. Dol stellt ihren letzten Koffer auf dem Tep pich ab und ich ahne, wie sich die Zeugen in Western fühlen, kurz bevor einer von den beiden Cowboys schießt.

„Und, bist du jetzt eine prüde Waffen-vernarrte Amerikanerin?“, spottet Iken.

„Bist du jetzt eine gefeierte, berühmte Künstlerin?“, kontert Dol.

Ich wünsche mir Musik im Hintergrund oder ein Geräusch, das alle hochschrecken lässt, einen Brand oder eine Werbepause, bei der man getrost wegschalten kann. Doch ich finde nichts zum Unterbrechen. Nur brechen, das geht leicht.

Es folgt nichts weiter. Dol nimmt ihren Koffer und trägt ihn in ihr Zimmer. „Na gut, dass wir drüber gesprochen haben“, merkt sie gleichmütig an.

„Kennst du noch diesen Flur hier? Er freut sich schon wahnsinnig darauf, deinen Rücken zu sehen!“, brüllt Iken und wirft ihre Tür ins Schloss, dass ich meine, die Wände zittern zu spüren.

68 Tage. Eine Tür für jeden Tag zwischen Dols Verschwinden und der ersten Postkarte. Iken machte sich immer über meine Hoffnung lustig, ließ keine Gelegenheit aus, mir zu beweisen, wie lächerlich verschwendet jeder weitere Gedanke an Dol sei. Bewältigung hat wohl viele Arten. Wie auch immer. Aber wir hätten in diesen 68 Tagen zusammen warten oder schreien können.

Wir hätten zusammen.

drei

Meine Schwester, Aline, ist eine Superheldin. Nur ohne Kostüm, ohne Umhang oder Diadem. Sie ist immerzu inkognito und ich glaube, ich bin die einzige, die von ihren Heldentaten und Superkräften weiß. So muss es sein. Für jeden anderen ist sie eine durchschnittliche 26-jährige Frau in Jeans und alten Pullovern, mit Make-up nur zu besonderen Anlässen. Perfektionismus kann sie sich nicht leisten, dafür hat sie alles andere im Griff. So muss es sein.

Alles, was Dol einfach in dieser Nacht liegen gelassen hat, nahm meine älteste Schwester wieder auf, versuchte schneller hineinzuwachsen, als sie es sonst gemusst hätte. Versuchte alles wieder in Gang zu bringen. Unseren Alltag, die Finanzen, unser Leben neu zu definieren, neue Gewohnheiten in neuen alten Umständen verpackt. Für alle anderen auf dieser Welt ging das Leben schließlich auch nahtlos weiter. Sie wusste, wie schnell es auseinanderbricht, wenn man nicht ständig aufpasst, wie wichtig es war, dass sie ihre Sache gut machte, sonst übernähme das Jugendamt diese Aufgabe im Handumdrehen. Mit einem Fingerschnippen kann ein mühsam aufgebautes Kartenhaus zusammenfallen. Sie überzeugte jeden, dass wir allein klar kämen und sie alle kauften es ihr ab.

In Filmen und Reportagen über schwierige Familien verkorksen die Kinder dann völlig oder schmeißen den Haushalt, versorgen nebenbei noch ein Baby, während die Eltern im Vollrausch auf dem Wohnzimmerteppich liegen oder eben auf fremden Teppichen in fremden Wohnungen. Im Fernsehen sehen diese jungen Menschen dann immer unheimlich stark aus. In Wirklichkeit kommen niemals Freunde vorbei, da man den neuen Zustand so lang wie möglich geheim halten möchte, was minder funktioniert. Wenn das Thema in Schulpausen auf nervtötende Eltern fällt, hat man nichts beizupflichten und für den ausgesprochen seltenen Fall, dass man tatsächlich freiwillig einer Sportmannschaft oder Theatergruppe beitreten sollte, steht niemand am Rand und winkt oder geht danach mit einem Pizza essen und lobt den Ehrgeiz.

Eine Superheldin ist auch nur eine Person, selbst wenn sie sich möglicherweise besonders schnell fortbewegen kann, überall dabei sein kann sie nicht. Und man passt sich und seine Erwartungen schließlich an. Das ist die Sache, die man beim Älterwerden lernt.

Das einzige, was vorne und hinten fehlte, war schlichtweg Geld. Dol hatte zwar selten eine wirklich gut bezahlte Arbeit, aber es fehlte uns ein ganzes Einkommen. Nachts saß Aline am Küchentisch und rechnete an den vielen Zahlen herum, die größer und größer wurden und uns verhöhnten.

Dann erschien Jorn am Horizont. Jorn, der Architekt, der nie aufhören kann, mit seinen Bauten und Gebilden zu prahlen. Ich habe anfangs noch versucht, mich länger als zehn Minuten mit ihm zu unterhalten, doch dann aufgegeben. Aufgeben hat so einen schlechten Ruf, dabei erspart es einem so viel vergeudete Zeit und unnötige Versuche.

Als Aline mir erzählte, sie würde ihn heiraten, dachte ich zuerst, sie machte einen schlechten Scherz. Ihr Blick war zu erschrocken für eine eigentlich sonst so erfreuliche Nachricht (wenn es sich eben nicht um Jorn handeln würde). Und auf einmal waren wir finanziell abgesichert. Ich sagte ihr immer wieder, wir würden es auch so schaffen, sie müsse sich nicht für jemanden hergeben, der sie wie eine Puppe neu einkleidete, um mit ihr auf langweiligen Veranstaltungen zu glänzen, den Rest stellte ich mir lieber nicht vor. Doch Aline dachte an uns, an eine Zukunft ohne Geldsorgen. Er ist nicht ihre große Liebe, das sehe ich aus kilometerweiter Entfernung, doch meine Schwester ist nicht so naiv, Wünsche zu hegen, deren Erfüllung nicht garantiert ist. Tagträumerei kann sie sich nicht leisten.

Manchmal denkt man, es geht nun ewig so weiter, doch plötzlich ist die Phase vorbei und eine nächste bricht an. Als Iken und ich volljährig wurden, lebte Aline schon mit Jorn zusammen in der schicken Wohnung in Kryll und wir verloren unsere Schwester an Designermöbel und Mahlzeiten mit Musikuntermalung statt Fernsehgeplapper im Hintergrund. Und Iken und ich blieben auf Veetrikki zurück.

Eigentlich muss Aline einen riesigen Kopf haben, denn sie weiß alles. Vielleicht ist auch das ihre Superkraft. Auf jede meiner Fragen hat sie eine passende Antwort parat. Auch wenn sie manchmal lautet: „Das willst du gar nicht wissen, glaub mir. Ist besser so.“

Frau Blom sagte dazu immer, es sei ein Jammer, dass Aline nicht studieren konnte. Für Frauen wie sie sei die Universität gemacht. Ich weiß nicht, wie ausgerechnet Frau Blom so etwas wissen will, sie sagte jedenfalls immer: „Es ist ein Jammer, ein Jammer.“ Ein Jammer stets zweimal. Doch jammern bringt einen auch nicht voran.

Ich glaube nicht, dass ich Superheldenkräfte in mir trage. Es gibt Menschen, die retten, und andere, die gerettet werden. Ich denke, ich gehöre keiner der beiden Sorten an.

Diesmal hat Jorn erneut gewonnen. Wenn ich mir sein teures Auto für Notfälle wie diesen leihe, muss es danach pünktlich zu einem vereinbarten Zeitpunkt wieder so in seiner Tiefgarage stehen, als hätte es niemand auch nur einen Millimeter bewegt. Danach fährt man mit dem Bus nach Hause und versucht, das schlechte Gefühl auf dem Weg zu lassen, am besten noch vor dem Ortseingangsschild von Minneborg, um danach von ihm angerufen und darüber aufgeklärt zu werden, was man diesmal wieder falsch gemacht habe. Der Beifahrersitz war schmutzig. Die Autokarte lag nicht an ihrem Platz. Der Radiosender war verstellt. Der Autoschlüssel war nicht richtig im Briefkasten. Wie kann ein Schlüssel nicht richtig in einem normalen Briefkasten sein, wenn ich ihn selbst hineingeworfen habe? Vermutlich ist er wieder halb hinausgekrochen, um etwas Luft zu schnappen. Es ist ein lächerliches Spiel, das Jorn jedes Mal gewinnt.

Im Bus zurück nach Minneborg hält mich ein Junge vom Schlafen ab. Es ist der, der überall seine Notizen hinterlässt. Nicht nur in seinen eigenen Büchern, auch in denen der Stadtbibliothek und in den alten Restbeständen der Schulbücherei. Seine Gedanken zu den Texten in kurzen, knappen Sätzen eröffnen einem neue Welten. Ganz klein stehen sie am Rand, dabei sind sie manchmal größer als die Geschichte selbst.

Ganz hinten sitzt er, vertieft in ein Buch, den Bleistift mit zuckender Hand bereit. Wahrscheinlich existiert für ihn die Außenwelt gerade nicht mehr. Ich frage mich, wessen Leben er dort reflektiert und wünschte, er würde einmal meins in Augenschein nehmen. Wir säßen dann zusammen, er böte mir Interpretationen und Abhandlungen an, sekundäre Ideen über Inhalt und Form meiner Lebensgeschichte, und ich würde nicken und „aha“ und „hm okay, verstehe“ sagen. Von Weitem hat man eine bessere Sicht, es sieht trügerisch schön aus.

Bevor ich ihm den Vorschlag unterbreiten kann, hält der Bus auch schon vor Oskars Supermarkt und entlässt mich in den Spätsommervormittagshimmel. Tüte raschelt im Vorgarten der Anderssons herum. Als sie mich erblickt, schleicht sich ein schuldiger Ausdruck in ihre Augen. Ich recke meinen Hals nach kaputten Blumenkübeln oder metertiefen Löchern, doch es steht noch alles in Reih und Glied. Blumen wie Zinnsoldaten.

Als sie merkt, dass ich den Grund für ihr reumütiges Verhalten nicht wahrnehme, kommt sie schwanzwedelnd auf mich zu. Hunde wirken auf bestimmte Art immer fröhlich und sind leicht zufriedenzustellen. Im nächsten Leben wäre ich gern ein Hund.

Meine Schritte verlangsamen sich, je näher wir Veetrikki kommen. Normalerweise werde ich zum Ende hin schneller, denn ich weiß, gleich bin ich zu Hause und nirgendwo ist es besser als dort. Nur diesmal habe ich nicht den leisesten Hauch einer Ahnung, was mich erwartet.

Kartons erwarten mich. Kartons, die sich im Garten stapeln und alle von einer Umzugsfirma stammen, welche laut ihrem Slogan flotter als flott sein muss. Ich sehe mich um, aber es scheint sich wohl niemand für sie zu interessieren. Nachdem ich ein bisschen auf und ab laufe und mir vorstelle, wie es ist, die Tür aufzuschließen und Dol in unserer Wohnung zu sehen, wie sie sich wieder ganz heimisch fühlt, lasse ich mich auf die Verandastufen fallen.

Die Wohnung über uns blieb einige Monate leer, nachdem der junge Mann mit seiner Schwester oder Freundin (ich wusste es nie genau) ausgezogen ist. Manchmal machte er in seiner Wohnung solchen Krach, dass ich nachmittags nicht schlafen konnte. Ich habe mich dann gefragt, wie viele schwere Schatztruhen er besitzt, die er hin- und herschieben kann. Anscheinend war das seine Lieblingsbeschäftigung.

Als noch immer niemand zu sehen ist und Tüte bereits alles durchgeschnüffelt hat, stehe ich auf und betrachte die Umzugskisten aus der Nähe. In der ersten sind zumindest keine schweren Dinge drin, die man über den Fußboden schurren kann. In der zweiten türmt sich hübsches Geschirr, weiß mit geschwungenen, blauen Linien. Der dritte Karton ist gefüllt mit Büchern, das kann man niemandem verdenken. Ich lese von ein paar Romanen die ersten und letzten Sätze.

„Geht es gut aus?“, höre ich eine Stimme plötzlich rufen und blitzartig verschließe ich den Karton wieder, sehe mich zu allen Seiten um. Doch im Garten ist niemand, im See schwimmt niemand und auf der Veranda hat sich auch niemand versteckt. Erst als ich ein paar Schritte rückwärts gehe und meinen Kopf in den Nacken lege, erkenne ich eine Gestalt auf dem Dach der Veranda sitzen. Die Sonne blendet mich und lässt mich rote Kreise sehen.

„Willst du dir die Liebesromane ausleihen?“, fragt der Typ, den ich hier noch nie zuvor gesehen habe. „Dann erfährst du auch den Mittelteil. Von uns liest die eh keiner mehr.“

„Hm nee, mit der Liebe hab ich’s nicht so“, antworte ich.

„Verstehe.“

Und da ich sonst nichts habe, biete ich ihm meinen Namen an. „Ich heiße Pieper und wohne unten mit meiner Schwester und …“ Ich spreche den Satz nicht zu Ende.

„Joshua“, sagt er kurz. Das Alter von Fremden zu schätzen, habe ich aufgegeben, aber auf den ersten Blick könnte er in meine Schule gehen, sogar in einen meiner Kurse. Dann müsste er zumindest nicht mehr sehr lange bis zum Abschluss ausharren. Vielleicht gehört er auch zu den bedauernswerten Personen, die wegen der Zeit danach, der „Zeit ihres Lebens“, schon völlig aus dem Häuschen sind.

Normalerweise bin ich nicht gut im Bekanntschaften schließen. In Unterhaltungen frage ich selten nach. Mir fallen nie kluge Fragen oder gewitzte Bemerkungen ein und eigentlich interessiert es mich auch nicht besonders. Dann schaue ich immer in die andere Richtung und will weg. Ich weiß nicht, wie alle anderen das so gut hinbekommen.

„Hast du bestimmte Hobbys?“, versuche ich es trotzdem.

„Warum?“, fragt er, „gibt es hier was Empfehlenswertes?“

„Ich mein, räumst du gern um oder so?“

Sein Schweigen klingt verwirrt. Zu Recht.

„Schon gut.“ Ich laufe die Veranda hoch, als ich erneut seine Stimme höre: „Ist hier grad noch wer eingezogen?“

„Nein“, rufe ich, ohne ihn zu sehen.

„Wem gehört dann der ganze Krempel auf der Veranda?“

Ich pfeife nach Tüte, die schon wieder Richtung Papenweg unterwegs war, und lege dann doch noch mal den Kopf in den Nacken. Er ist aufgestanden, auf dem Dach, durchsucht seine Hosentaschen, hinter ihm ein geöffnetes Fenster, und sieht in die Luft. Als würde er überlegen zu springen und dann zu testen, ob ihn die Wolken tragen. Der Schirm seiner Baseballkappe verdeckt halb seine Augen. Auf seinem T-Shirt steht der Name einer Band, von der ich mal was gehört habe. Die Textzeile We have thunderstorms in our hearts hat sich mir allerdings ins Gehirn gebrannt.

„Der liegt immer da“, beantworte ich seine Frage. „Das sind alles Sachen von Herrn Frenzen, die er früher aus anderen Ländern mitgebracht hat. Von uns ist bloß die Lichterkette, die geht aber nur noch teilweise … na ja und der Weihnachtsmann.“ Ich verschweige, dass die Weihnachtsmannfigur, wenn man ihren Bauch streichelt, nur noch Ho Ho … ruft, danach rauscht es fünf Sekunden lang.

„Okay“, sagt er nur. „Hast du zufällig ein Feuerzeug dabei?“

Ich weiß nicht genau, wie man jemanden willkommen heißt. Vielleicht wäre ein Früchtekorb angebracht, oder Brot und Salz.

„Nein. Nachts ist es mir egal, aber wenn du nachmittags Krach machst, gibt es Ärger!“

Er lacht ein bisschen und ich meine es todernst. Dann gehe ich rein, während er anscheinend noch immer keine Eile verspürt, sein neues Zuhause einzurichten.

Wenn ich Herrn Frenzen besuche, braucht er jedes Mal unendlich lange, um die Tür zu öffnen, dann tapert er genauso langsam in die Küche und kocht Kakao oder Tee. Wir essen niemals Kuchen, nur Kekse oder ab und zu auch Marmeladenbrote zusammen. Er erinnert sich gut an die frühere Zeit.

Herr Frenzen ist der Hausbesitzer von Veetrikki und wohnt neben uns im Erdgeschoss. Ich setze mich in sein Wohnzimmer, nachdem Tüte mit mir hineingeschlüpft ist, und sehe mir die Patience-Karten an, die auf dem Couchtisch liegen und darauf warten, zu Ende gelegt zu werden. Meine erste Frage lautet jedes Mal: „Waren Sie heute schon draußen?“ Und er ruft jedes Mal aus der Küche so etwas wie „Ja, selbstverständlich“, darauf folgen Wetterbeschreibungen bis ins Detail. Auch diesmal kommt er mit einem „Ja ja vorhin, der Sommer will einfach nicht zu Ende gehen“ davon.

Er kommt mit zwei Teetassen und einer ungeöffneten Kekspackung ins Zimmer, das für mich nur aus Mustern besteht. Der Sofabezug und die Gardinen, die Kissen auf dem Sessel, die Tischdecke und selbst die Bordüre an der Wand, kein Muster passt in irgendeiner Form oder Farbe zusammen. Und er ist zwischen allem. Als er sich ganz behutsam auf das Sofa setzt, höre ich seinen Knochen und Gelenken beim Knacken zu. Ich empfinde dieses Geräusch als sehr beruhigend. Sie arbeiten noch unaufhörlich weiter. Tüte ist mit einem Satz neben ihm, ihr Kopf zeigt in eine andere Richtung, ihre Augen fixieren jedoch ganz genau die Zitronenkekse, die von der Packung auf die Untertasse und dann zum Mund wandern. Herr Frenzen spricht mit seinem Hund wie mit einem Menschen. „Tüte, du weißt ganz genau, dass du nicht aufs Sofa darfst, wenn wir Besuch haben. Und nein, auch kein Gebäck. Du hattest heut morgen bereits etwas. Das muss noch ein wenig vorhalten.“ Er klopft ihr leicht auf den Bauch und sie springt enttäuscht hinunter.

„Brauchen Sie Nachschub?“, frage ich. „Ich wollte morgen sowieso zu Oskar.“

„Das ist sehr lieb, aber nein nein, meine Frau kauft nachher noch ein. Du weißt ja, sie kann sich nie zurückhalten, wenn es um zuckerhaltigen Proviant geht.“

Und wie immer dann sehe ich ihm sehr lange in seine trüben Augen. Ein flüchtiger Moment von grausamer Realität. Häufig beginnt er daraufhin zu husten oder sich nach seinem Hund umzusehen. Und ich muss einen Keks essen, um auf einen anderen Geschmack zu kommen.

„Dol ist wieder da“, sage ich, weil ich nicht weiß, wie ich diese Information sonst loswerden soll. „Sie ist oben und packt ihre Sachen aus.“

Herr Frenzens Tasse scheppert auf die Untertasse und er murmelt ein „Oh Gott. Oh Gott.“

Ich hätte es ihm schon viel früher sagen können. An dem Tag, als wir ihre Postkarte fanden zum Beispiel. Doch bis heute habe ich nicht wirklich daran geglaubt, dass Dol nach Hause fliegen würde. Sie hätte einfach nicht erscheinen