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Geklopfte Sprüche - über die Welt, die Liebe und andere unflätige Dinge "Fromme Mädchen kommen in den Himmel; böse überall hin." "Haribo macht Kinder froh." "Haste Haschisch inner Tasche, haste immer was zu nasche." "Es gibt kein richtiges Leben im falschen". "Hochmut kommt vor dem Fall". Wir wachsen auf, umgeben von Sprüchen. Sprüche sind in. Sprüche sind einprägsam. Sie begleiten uns als Merkverse und Ohrwürmer. Kindern werden sie als Lebensweisheiten mitgegeben. Gute Redner würzen mit ihnen ihre Reden. Dies Buch ist prallvoll mit Sprüchen. Dies Buch ist ein Vergnügen! Auf humorvolle, auf hintersinnige, auf bissige, auf provozierende Weise legt es dem Leben das Messer an die Gurgel. Wer dieses Buch zur Hand nimmt, erlebt Überraschungen: vom fröhlichen Schmunzeln über die anderen und die Welt im Allgemeinen bis zum Gefühl, selbst ertappt zu sein, vom Herausposaunen schlichter Besserwissereien bis zum Erkennen unangenehmer Wahrheiten, von Perspektiven oberhalb bis zu denen unterhalb der Gürtellinie. Dabei sammelt dieses Buch aber keine bereits vorhandenen Sprüche ein. Vielmehr sind alle Sprüche ausnahmslos vom Autor formuliert. Thematisch wie inhaltlich folgt man ihm dabei über längere Strecken auf ungewohntes Terrain. Mit widerborstigem Spaß bürstet er wohlbekannte Überzeugungen, Moralvorstellungen und Benimm-Regeln gegen den Strich, und bleibt dabei dem Menschlichen auf der Spur. Es ist ein Buch voller durchtriebenem Ulk, dessen Hintersinn sich nicht selten erst im Nachschmecken entfaltet. Es macht auch nicht Halt vor abartigen und anrüchigen Themen, um die man gewöhnlich einen anständigen Bogen macht. Im Gegenteil, es sucht sie auf - im Verdacht, dass die Schattenseiten des Lebens nicht nur genauso wichtig sind wie seine sonnigen. Sondern dass sich in ihnen die Seele des Menschen offener und ungeschützter zeigt - menschlich eben.
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Seitenzahl: 117
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Für meine Frau
Dr. Wolf Ollrog arbeitet als Einzel-, Gruppen-, Paar- und Bondingpsychotherapeut in eigener Praxis.
Veröffentlichungen (u.a.): „Nie gesagte Worte“ in: Deutschland und seine Weltkriege. Schicksale in drei Generationen und ihre Bewältigung (2012); „Aus der Traum. 101 bewährte Vorschläge, wie man seine Partnerschaft vor die Wand fahren kann“ (2013); „Ein Quantum Leben. Woher wir die Kraft zum Leben nehmen“ (2014); „Die drei Säulen der Partnerschaft. Was Partnerschaften stabil, ebenbürtig und glücklich macht“ (2015); „Wir müssen endlich reden! Die Partner-Diade – eine einfache Gesprächshilfe für schwierige Themen“ (2016); „Ich hätte dich gebraucht! Nachkriegsgeschichten“ (2017); „Eine Urlaubsliebe“ (2021).
Vorwort
Buch: Allerweltsweisheiten und Geklopfte Sprüche
1.1 Merksprüche für alle Lebenslagen
1.2 Selbstbekenntnisse und Lebenslügen
1.3 Fromme Sprüche
1.4 Stammtischklopfer und Latrinenparolen
1.5 Suffsprüche
1.6 Anhang: Sprüche über die Deutschen
Buch: WiderSprüchliches über die Liebe
2.1 Spruchweisheiten über die Liebe
2.2 Zaubersprüche für Liebestolle
2.3 Leitsprüche zum Küssen und Berühren
2.4 Streitsprüche für den Partnerkampf
2.5 Sprüche aus der Weiberküche
2.6 Das Männeralphabet
2.7 Liederliche Sprüche übers Eigentliche
Buch: Sprüche über Unaussprechliches - Eine schamlose Anthologie
3.1 Ausdünstungen und Ausscheidungen
1 Körperflüssigkeiten
2 Körpergerüche
3 Mundgeruch
4 Schwitzen
5 Achselschweiß
6 Stinkefüße
7 Schwitzhände
8 Monatsdünste
9 Lokuserfahrungen
10 Impressionen beim Stuhlgang
11 Wasser lassen
3.2 Unangenehme Angewohnheiten
12 Schmatzen
13 Schlürfen
14 Kleckern
15 Rülpsen
16 Furzen
17 Kratzen
18 Beißen
19 Nägelkauen
20 Fingerlutschen
21 Popeln
22 Ohrenbohren
23 Schnäuzen
24 Rotzen
25 Schniefen
26 Hochziehen
27 Feuchte Aussprache
28 Rauchen
3.3 Kontaktstörungen
29 Nähehindernisse
30 Handgeben
31 Nervöse Hände
32 Gliederzucken, zappeln
33 Vorbeisehen
34 Grinsen
35 Laut sein
36 Leise reden, nuscheln
37 Husten, hüsteln, räuspern
38 Schluckauf
39 Schnarchen
40 Dauerduschen
41 Klatschen
42 Abklatschen
43 Stottern
44 Augenplinkern
45 Schwerhörigkeit
46 Sehschwäche
47 Übergewicht
48 Magersucht
49 Essbrechsucht
3.4 Nachlässigkeiten
50 Mangelnde Körperhygiene
51 Nachlässiges Outfit
52 Schmuddelkleidung
53 Fehlende Tischmanieren
54 Peekhaare
55 Schwarze Fingernägel
56 Offene Hose
57 Löchrige Socken
3.5 Missgeschicke
58 Darmgeräusche
59 Inkontinenz
60 In die Hose machen
61 Kotzen
62 Niesen
63 Gähnen
64 Schiefe Zähne
65 Zähneknirschen
66 Pickel
67 Haarausfall
68 Glatze
69 Schuppen
70 Schielen
71 Linkischer Gang
3.6 Verschönerungen und Verunstaltungen
72 Schminken
73 Schmuck
74 Mode
75 Haariges
76 Körperrasur
77 Nägel stylen
78 Piercen
79 Tätowieren
80 Schönheits-OPs
„Verträume nicht dein Leben. Lebe deinen Traum!“ „Wenn du nicht weiterkommst, ändere die Richtung!“ „Do what you love - Love what you do!“ „Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her!“ oder schlichter: „Grüß Gott, tritt ein, bring Glück herein!“ – Sprüche erfreuen sich großer Beliebtheit. Man verschickt sie als Kartengruß zu allen möglichen Anlässen, besonders gern zu Geburtstagen und Hochzeiten. Man stellt sie auf die Vitrine oder hängt sie eingerahmt an die Wand. Manche kleben sie sich übergroß auf die Tapete. Über die alten Niedersachsenhäuser schnitzte man Sprüche in den Eingangsbalken: „Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut im Himmel und auf Erden“. Solche Sprüche zeigen allen, welcher Geist in diesem Hause wehen möchte. Einprägsame Lebensweisheiten begleiten uns durchs Leben. Kinder bekommen Merksprüche mit auf den Weg: „Ehrlich währt am längsten“ oder „Tue recht und scheue niemand“. So schreiben sie es sich gegenseitig ins Poesiealbum.
Auf Sprüche treffen wir an allen Ecken und Enden, keinesfalls nur im Privaten, mehr noch in der Öffentlichkeit. Überall, wo etwas verkauft wird, begegnen uns Sprüche. Sie sind ein Eldorado der Werbetexter. Für Unternehmen, Markenfirmen, Handwerksbetriebe, Läden und Dienstleistungsfirmen ist ein eingängiger Werbespruch, mit dem sie ihre Produkte zu Ohrwürmern machen, Gold wert. An Plakatwänden, in Schulen, in Vereinshäusern, in Kirchen, Praxen und Psychozentren, als Buchtitel und Motto für Veranstaltungen, als Überschriften für Zeitungsartikel, in Werbeprospekten oder als Firmen-Logo, sogar als Briefkopf- oder Todesanzeigen-Motto begegnen uns Sprüche in allen Variationen und wollen uns mit ihren Botschaften naherücken. Die Produktion von Sprüchen floriert anhaltend. Jüngere Menschen versuchen sich sprücheschmiedend auf Graffitiwänden, bei Demonstrationen werden sie skandiert, auf Toiletten an die Wände geschmiert. Zeitungsredaktionen, Stammtische, Wahlveranstaltungen und Fußballarenen sind Orte unermüdlicher Sprüchefabrikationen.
Gute Sprüche gehen nicht mehr aus dem Kopf: „Erst kommt die Arbeit, dann das Vergnügen!“ „Der Klügere gibt nach“. „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.“ „Frisch gewagt ist halb gewonnen.“ „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.“ Solche Sätze bohren sich in die Gehirngänge. Sie setzen sich als Grundwissen und Grundüberzeugungen im Menschen fest. Manche Bibelworte begleiten einen als Kommunions- oder Konfirmationsspruch durchs Leben: „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir“. „Irrt euch nicht! Gott lässt sich nicht verspotten. Was der Mensch sät, das wird er ernten.“ „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu“. Elterngebote und Einschärfungen wie „Der liebe Gott sieht alles“ oder „Ohne Fleiß kein Preis“ oder „Nach dem Klogang, vor dem Es-sen, Händewaschen nicht vergessen!“ prägen unsere kindlichen Überzeugungen. In solchen Sprüchen verdichten sich die Lebensweisheiten und Regeln von Generationen. Sie transportieren pädagogisches Basiswissen und affirmative Aufträge, sind Lebens-Ratgeber in komprimierter Form. Auch jene Sprüche, die kommerziellen Interessen dienen, wollen sich im Unterbewusstsein einnisten und unser Handeln steuern, beispielsweise „Ich bin doch nicht blöd!“ oder „O2 can do“ oder „Mit dem Zweiten sieht man besser!“ und „Im Ersten läufts“.
Viele der bekannten Sprüche sind Versatzstücke aus Gedichten großer Literaten, die sich verselbständigt haben: "Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen.“ „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ „Früh übt sich, was ein Meister werden will.“ Einstmals wurden sie vielleicht auswendig gelernt und aufgesagt, jetzt gehören sie zum festen, abrufbaren Bestand persönlicher Überzeugungen. Gern zitiert werden Sprüche, die bekannte Größen aus Theater, Kunst und Wissenschaft, Philosophen, Literaten oder Staatsmänner von sich gegeben haben oder die ihnen nachgesagt werden, Bonmots, die für eine Weile in aller Munde sind, die man parat haben muss: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“.
Was ein Spruch ist, ist weder inhaltlich noch formal exakt definiert. Er kann sich reimen oder nicht, er kann einzeilig, zweizeilig oder mehrzeilig sein. Er kann ein dichterisches Versmaß haben oder darauf verzichten. Trotzdem gibt es bestimmte typische Merkmale, die alle Sprüche verbinden. Ein Spruch muss vor allem kurz und einprägsam sein. Er muss sich einerseits leicht erschließen, andererseits eine ins Nachdenken führende Hintergründigkeit besitzen. Seine Form ist oft rhythmisch, seine Sprache abgespeckt, treffsicher und gekonnt. Der Spruch verdichtet eine Aussage auf das Wesentliche. Er pointiert und fokussiert, er trifft einen Sachverhalt, ein Gefühl, eine Einschätzung mit wenigen Worten auf den Punkt. Er kommt ohne Einleitung und Erklärungen aus. Mit knappsten Mitteln entfaltet er einen Spannungsbogen und macht sich dabei auch das Nicht-Gesagte, nur Assoziierte zunutze. Er nimmt ein Thema auf, führt es ohne Umschweife zum Kern und lässt den Hörer damit allein. Alles zum Verständnis Nötige trägt er bei sich. Er ist eine kleine Welt für sich. Er ist Minimalist.
Deshalb werden Sprüche in aller Regel einzeln gehört und verdaut. Es sind Einzelkunstwerke. Das gilt auch für Sprüche, die ursprünglich aus Gedichten stammen. Sobald sie aus ihrem Kontext genommen werden, stehen sie für sich allein. Zum kontinuierlichen Lesen oder zum Vortrag eignen sie sich nicht. Allenfalls bieten sie sich als Motto oder Aufmacher an. Oder sie können längere Ausführungen verdichten und zusammenfassen, wie die Quintessenz einer Geschichte oder eines Gedankens. Umgekehrt können sich in ihnen Geschichten auftun. Sie regen an, ins Erzählen und Sinnieren zu kommen. Oder auch ihnen zu widersprechen. Sie sind wie Überschriften für Besinnungsaufsätze.
Viele Sprüche, besonders die Zweizeiler, besitzen über die treffsichere Sprache hinaus noch eine weitere attraktive Eigenschaft: sie überraschen mit einem pfiffigen Dreh, einem besonderen Clou, etwa in Form einer unerwarteten Wendung oder einer hintersinnigen Doppelbödigkeit, wie etwa in dem alten Zweizeiler: „Wer andern eine Grube gräbt – fällt selbst hinein“ oder „Der Lauscher an der Wand – hört seine eigne Schand“. „Unter jedem Dach – wohnt immer auch ein Ach.“ Die zweite Zeile setzt die Pointe.
Wer sich für Sprüche interessiert, muss nicht viel herumsuchen. Es gibt zahlreiche Sammlungen von Sprüchen, zum Teil schon aus sehr alter Zeit. Spruchgut findet sich bereits bei Homer oder bei Hamurabi. Ein erheblicher Teil der prophetischen Literatur der Bibel ist in Spruchform abgefasst; besonders in den sogenannten weisheitlichen Schriften des Alten Testaments (Sprüche Salomos, Prediger Salomos, teilweise die Psalmen, Buch Hiob und Hohelied) begegnet man umfangreichen, bis heute gebrauchten Spruchsammlungen aus uralter Tradition. Das Sprüchesammeln ist hipp. Jeder Postkartenshop und jede Buchhandlung hat Sammlungen davon im Regal, Sprichwörter für alle Lebenslagen, zu Geburtstagen, Hochzeiten und anderen Gelegenheiten, Sinnsprüche und kluge Worte über die Liebe, über allgemeine Lebensweisheiten oder Aussprüche berühmter Persönlichkeiten. Buchhandlungen haben Handbücher für geflügelte Worte auf Lager, dazu umfangreiche Ausgaben sprichwörtlicher Redensarten oder über den deutschen und internationalen Zitatenschatz. Auch das Internet bietet ein riesiges Reservoir an Sprüchen für alle Lebenslagen.
Wozu nun noch ein Buch voller Sprüche?
Zunächst einmal werden alle, die in das hier vorliegende hineinschauen, sofort merken: Die folgende Zusammenstellung fügt den vorhandenen Spruchsammlungen keine erneute Auswahl hinzu. Wer eine weitere Blütenlese mehr oder weniger bekannter Sprüche erwartet (so reizvoll das immer auch ist), wird enttäuscht. In diesem Buch ist kein übernommener Spruch zu finden. Die Sprüche sind ausnahmslos von mir formuliert. Auch inhaltlich und thematisch folgt man der folgenden Auswahl über weite Strecken auf ungewohntes Terrain. Was hat mich bewegt, Sprüche zu schmieden und zu klopfen?
Die einfachste Antwort ist: Der Spruch ist eine besonders reizvolle, anspruchsvolle Redeform. Sprachlich ist es eine Herausforderung, Sprüche zu formulieren, die im Ohr hängen bleiben. Einen guten Spruch zu setzen, ist Kunst und Spaß zugleich. Versuchen Sie es doch mal! Das gilt umso mehr, wenn man dem Spruch besondere formale Bedingungen abverlangt.
Ich habe mich entschieden, für diese Spruchsammlung bis auf einige Ausnahmen die Form des vierhebigen gereimten Zweizeilers zu wählen. Sie ist besonders eingängig. In der klassischen dichterischen Literatur hat sie eine Hoch-Zeit erlebt. Man tritt mit ihr in bewährte Stapfen. Die formale Vorgabe, eine Einsicht oder Überzeugung abzumagern und auf das Wesentliche zu konzentrieren und zugleich in Reimform einprägsam zu machen, hat mich immer neu gereizt.
Aber es waren nicht nur formale Anreize, die mich in die Welt der Sprüche führten. Der Spruch verdichtet Gedanken. Jeder Spruch ist ein kleines Gedicht über ein Thema. Kein Wunder, dass sich Religion und Philosophie, Dichtung und Literatur, Lebensweisheit und Ratgeberkultur dieser Sprachform schon immer bedienten. Sie ist ein Vehikel für besonders hervorgehobene Aussagen, die mit dem Anspruch daherkommen, festgehalten zu werden. Sprüche sind Merkverse. In ihrer geschliffenen Sprachgestalt werden sie zum Ohrwurm. Sie können gescheit und tiefsinnig sein, ins Nachdenken bringen und Einsichten vermitteln. Sie können Erfahrungen deuten. Sie können Ratschläge verteilen und zu einem Verhalten auffordern. Sie können witzig, bissig, ironisch oder zweideutig sein. Sie können auch blödeln, veralbern und einfach nur Spaß verbreiten. Auf keine dieser Varianten wollte ich verzichten.
Darüber hinaus können Sprüche noch eine weitere Eigenschaft besitzen, die mich fasziniert; sie können auch zuspitzen und überzeichnen. Sie sind bisweilen wie Parolen, erscheinen mir besonders geeignet für Gegenpositionen, Einwürfe, Zwischenrufe und unpassende Bemerkungen, die sich querlegen und die gewohnten Denkwege unbequem machen. Das Gewand vertrauter Allerweltsweisheiten, die gern den Anspruch behaupten, Grundeinsichten und Leitsprüche für Lebensfragen anzubieten, gibt dem Spruch einen gewissermaßen seriösen Anstrich. Es hat mich gereizt, ihn auch als sperrige oder doppelbödige Ansage zu nutzen. Es hat mir einen widerborstigen Spaß gemacht, manche mit ihm transportierte wohlbekannte, von Generation zu Generation weitergegebene Überzeugung, Moralvorstellung und Benimm-Regel gegen den Strich zu bürsten. Der Spruch, gerade auch der beliebte und vertraute, verlockt und erzeugt immer auch den Widerspruch.
Querlegen möchten sich die folgenden Sprüche darüber hinaus auch in der Auswahl der Themen. Ein beträchtlicher Teil von ihnen bringt das zur Sprache, was man üblicherweise nicht für spruchtauglich hält. Bestimmte Themen und Inhalte werden in unserem Spruchgut fast ganz ausgespart – die aber in unserem Alltag eine erhebliche Rolle spielen; Sprüche, die die kleinen und sehr kleinen Dinge des Lebens betreffen, Erfahrungen und Gefühle, über die niemand weiter Worte verliert, weil sie als belanglos oder lächerlich angesehen werden. Das gilt umso mehr, wenn sie auch noch als uncharmant, peinlich, unanständig oder schamlos gelten. Viele der folgenden Sprüche, vor allem im dritten Buch, schenken dem üblicherweise Übergangenen, Abgewerteten und nicht Ausgesprochenen Aufmerksamkeit, widmen dem Unaussprechlichen ihr Ohr. Sie geben dem einen Sprechraum, was den meisten Menschen keinen Spruch wert ist. Mich hat gerade das Abseitige angeregt. Ich wollte auch das Unfeine zur Sprache bringen, wollte auch das Gemeine, Alberne, Banale und Nicht-Anspruchsvolle nicht aussperren und habe deshalb um Primitiv-Sprüche keinen Bogen gemacht. Das Sprücheklopfen ist eben auch ein Tummelfeld für Unkorrektes und nicht Salonfähiges, für politisch und moralisch Unerträgliches und rechts oder links Liegengelassenes, ebenso für Obszönes und Sexualisiertes, das ungeschützt meist nur im privaten Rahmen oder unter Gleichgesinnten gesprochen wird. Im öffentlichen Bereich begegnet solcher Schlichtsprech in Stammtischkneipen oder Bierzelten, wenn Alkohol die Zungen löst, bisweilen auch an Mauern, Hauswänden, in Unterführungen oder auf öffentlichen Toiletten. In solchen Sprüchen begegnet man einer weniger geschminkten, oft unsympathischen Kehrseite des Lebens, und man darf sie auch als Teil einer, wenn auch unorganisierten, subversiven Gegenkultur zum elaborierten Spruchgut der Anständigen und literarisch Gebildeten verstehen.