Die drei Säulen der Partnerschaft - Wolf Ollrog - E-Book

Die drei Säulen der Partnerschaft E-Book

Wolf Ollrog

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Beschreibung

Die drei Säulen der Partnerschaft Partnerschaft: das ist das Paradies der Träume - aber leider auch ein unübersichtliches Gelände voller Tretminen. Mehr als die Hälfte aller Partnerschaften werden wieder getrennt, und die übrigen sind auch nicht alle beglückend. Wie gelingen Partnerschaften? Was macht sie stabil? Wie können sich Partner gegenseitig fördern, wie kommen sie miteinander auf Augenhöhe? Was braucht es, damit eine Partnerschaft glücklich ist? Das möchten wir wissen, das möchten wir können. Kaum eine Frage prägt unser Leben mehr als die, ob uns unsere Beziehung gelingt. Sie entscheidet in hohem Maße über unser persönliches Glück und Unglück, oft auch über Gesundheit und Krankheit. Aber während wir in Schule, Betrieb und Hochschule über lange Jahre ausgebildet werden, um im Beruf zu funktionieren, bringt uns keiner bei, wie wir unsere Partnerschaft gut hinbekommen können. Oft ist es so, als müsste jedes Paar sozusagen das Rad neu erfinden. Aus seiner langjährigen Erfahrung in der Paarberatung schaut der Autor Paaren über die Schulter. Zielsicher trifft er die neuralgischen Punkte des Partneralltags und versteht es, sie zu wesentlichen Grundthemen zu bündeln. Im Modell der "drei Säulen" findet er ein Grundgerüst für Beziehungen und speziell für die Partnerschaft, das Paaren Orientierung geben und helfen kann, die ihrer wackelnden Beziehung wieder Halt geben oder sie retten möchten. Es ist ein Buch entstanden aus der Praxis für die Praxis. Der Autor bleibt nicht in der Analyse stecken, sondern zeigt konkrete Wege aus Partnerschafts-Sackgassen. Er macht Paaren Mut zu neuen Schritten. Er spricht leicht verständlich und würzt klare Urteile mit Humor (und vielen hintergründigen jüdischen Witzen) und Menschlichkeit.

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Der Autor:

Dr. Wolf Ollrog, verheiratet, zwei Kinder, evangelischer Pfarrer. Arbeitete als Gemeindepfarrer, Studentenpfarrer, Schulpfarrer und Hochschuldozent. Ausbildungen in Bondingpsychotherapie, Transaktionsanalyse und Systemischem Aufstellen. Arbeit in freier Praxis. Schwerpunkte: Bonding-Intensiv-Workshops, Workshops für Paare, Aufstellungsworkshops; Lebensbegleitende Supervisionsgruppen, Einzel- und Paarberatung.

Veröffentlichungen (u.a.): „Nie gesagte Worte“ in: Deutschland und seine Weltkriege: Schicksale in drei Generationen und ihre Bewältigung (2012); „Aus der Traum. 101 bewährte Vorschläge, wie man seine Partnerschaft vor die Wand fahren kann“ (2013); „Ein Quantum Leben. Woher wir die Kraft zum Leben nehmen“ (2014). „Wir müssen endlich reden. Die Partner-Diade – eine einfache Gesprächshilfe für schwierige Themen“ (2016); „Ich hätte dich gebraucht. Nachkriegsgeschichten“ (2017); „Geklopfte Sprüche. Über die Welt, die Liebe und andere unflätige Dinge“ (2019); „Eine Urlaubsliebe“ (2021).

Inhalt:

Vorwort

Einleitung: Beziehung – unser zentrales Lebensthema

1 Die erste Säule: Sicherheit

1.1

Die Hintertür

1.2

Das Ja zum anderen

1.3

Bindung und Liebe

1.4

Bindungsängste

2 Die zweite Säule: Eigenständigkeit und Gleichrangigkeit

2.1

Gleichheiten und Ungleichheiten

2.2

Die Abwertung des Partners

2.3

Das Ja zu sich selbst

2.4

Die Eltern-Kind-Falle

2.5

Die erwachsene Partnerschaft

3 Die dritte Säule: Austausch

3.1

Der Austausch

3.2

Die gemeinsame Schnittmenge

3.3

Das Streiten

3.4

Das Miteinander-Reden

3.5

Die körperliche Berührung

3.6

Gewohnheiten und Alltagsrituale

Schluss: Die ganz normale Partnerschaft

Anhang

(1) Die drei Säulen der Partnerschaft – Zusage für Partner

(2) Checkliste für die Partnerschaft

(3) Regeln für das Zwiegespräch

Vorwort

Diesem Buch liegt ein gleichnamiger Vortrag zugrunde, den ich beim Pfingsttreffen des „Förderkreis für Ganzheitsmedizin“ im Mai 2013 in Bad Herrenalb hielt. Das dort Vorgetragene habe ich hier erheblich erweitert und vertieft.

Es ist ein Buch, das aus der Praxis entstand und für die Praxis geschrieben ist, ein Niederschlag aus über dreißig Jahren Paarberatung. In diesen Jahren habe ich vielen Paaren gegenüber gesessen, zugehört und gelernt. Meine eigene Partnerschaft blieb davon nicht unberührt.

Das Buch wendet sich an Paare, die im alltäglichen Dschungel der Partnerschaft nach gangbaren Wegen suchen, die manchmal sich selbst, manchmal den anderen und manchmal auch ganz allgemein die Orientierung verloren, aber die Hoffnung zueinander noch nicht aufgegeben haben. Es ist ein Mutmach-Buch und ein Mitmach-Buch. Ich bemühe mich um eine verständliche, alltägliche Sprache, wie ich sie auch sonst spreche, und vermeide, soweit es geht, Fachausdrücke. Auch auf eine explizite Auseinandersetzung mit der Fachliteratur sowie Anmerkungen habe ich mit wenigen Ausnahmen im Interesse der Lesbarkeit verzichtet.

Während ich in meinem Buch „Aus der Traum – 101 bewährte Vorschläge, wie man seine Partnerschaft vor die Wand fahren kann“ die heiter-grimmige Seite des täglichen Scheiterns in der Partnerschaft unter die Lupe genommen und sozusagen die Negativ-Folie des Partnerschafts-Alltags nachgezeichnet habe, geht es mir hier darum, seine positive, gelingende Seite zu beschreiben. Ich schaue mir an, was eine Partnerschaft haltbar, ausgewogen und fröhlich machen kann.

Partnerschaft kann bisweilen ziemlich anstrengend sein, zugleich einfach und kompliziert, beflügelnd und nervenzehrend. Mit einer Portion Humor, also der Fähigkeit, einen Schritt zurückzutreten und sich selbst freundlich zuzusehen, gelingt sie leichter. Deshalb habe ich zu Beginn der einzelnen Kapitel und hier und da in den Text ein paar jüdische Witze eingestreut. Was mich für sie einnimmt, ist vor allem, dass sie die Welt von unten betrachten, aus der Perspektive derer, die meist nicht viel zu melden haben, denen nicht alles gelingt, die sich irgendwie durchs Leben schlagen. Der Witz macht das schwer Erträgliche erträglicher, ist sich der eigenen Brüchigkeit bewusst. Er macht unser Zusammenleben menschlicher1.

1 Die Texte sind größtenteils dem Buch „Der jüdische Witz. Soziologie und Sammlung“, hg. von Salcia Landmann, urspr. München 1963, hier: Patmos Verlag Ostfildern, 17. Aufl. 2013 (zitiert: SL und Seitenzahl) entnommen. Ich erzähle sie bisweilen in leicht anderer Form.

Einleitung: Beziehung – unser zentrales Lebensthema

Der Hauptmann tritt vor seine Truppe: „Soldaten! Jetzt geht es Mann gegen Mann!“ Da tritt der Infanterist Ruben Kohn vor: „Herr Hauptmann, bitte sehr, zeigen Sie mir meinen Mann! Vielleicht kann ich finden einen Weg und mich gütlich mit ihm verständigen!“ (nach SL, 307)

„Ich kann ohne dich nicht leben!“ – so schmalzen sich die Verliebten in den Nachmittags-Telenovelas an. So abgedroschen solche Klischeegefühle sind – auf eine gewisse Weise treffen sie ins Schwarze.

Der Mensch ist ein Herdenwesen. Für das Leben als Einzelgänger ist er nicht gemacht. Ohne die anderen sind wir nicht überlebensfähig. Manchmal, zugegeben, brauchen wir nichts so sehr wie Abstand oder Ruhe, im Streit etwa oder um uns selbst wiederzufinden. Aber lange hält das meist nicht vor. Dann zieht es uns wieder hin. Ein Leben ohne die anderen – das geht nicht.

Menschliches Leben gibt es nur in Beziehung. Aufeinander bezogen sein, das heißt Leben in zwischenmenschlichen Zusammenhängen, ist die Bedingung unseres Daseins. Immer befinden wir uns in Beziehungen.

Selbst der menschenscheueste Eigenbrötler, selbst wer sich ganz in sich und seine vier Wände zurückzieht, braucht zum Überleben gewisse Kontakte zu anderen Menschen.

Es gäbe uns nicht ohne die anderen. Beziehung hat uns hervorgebracht, indem sich unsere Eltern zusammentaten, Beziehung bleibt der Motor unseres Lebens. In symbiotischer Verbindung zu unserer Mutter treten wir ins Dasein, erleben die ersten Monate und meist auch die ersten Jahre unseres Lebens. Eine enge Verbindung zu anderen Menschen ist die Bedingung, dass wir aufwachsen und uns entwickeln können. Wir brauchen sie genauso dringend wie Essen und Trinken. Beziehung ist unsere innere Nahrung. Ohne Beziehung verkümmern und sterben wir. Das haben berühmt-berüchtigte Versuche an Waisenkindern und Menschenaffen, denen man zwar Nahrung gab, aber jede mitmenschliche bzw. artgenössische Begegnung vorenthielt, auf eindrückliche Weise bestätigt.

In den ersten Lebensjahren wird uns dieser Zusammenhang in der Regel im Rahmen der Familie vorgegeben. Das Kind muss „nur“ dafür sorgen, dass ihm die Menschen, von denen es abhängt, gewogen bleiben, dass es ihre Erwartungen erfüllt, dass es nicht aus dem Nest fällt. Das ist allerdings eine hochkomplexe Aufgabe, die seine ganze Kraft und Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. In diesen Anfangsjahren des Lebens bilden und festigen sich in ihm die Wege, wie es in Verbindung gehen und bleiben kann. Sie prägen einen Menschen für sein Leben. Das geschieht im Vollzug, ohne dass das Kind schon die Fähigkeit hätte, darüber zu reflektieren.

Je älter einer wird, in desto stärkerem Maße liegt es an ihm selbst, wie er seine Beziehung zu anderen gestaltet. Teils wähle ich mir die Menschen, mit denen ich mich zusammentue, selber aus, etwa meine Freunde oder Freundinnen. Ich bestimme selbst mit, wie weit ich mich einlassen will und auf wen ich mich verlassen kann. Teils muss ich mich aber auch mit Menschen arrangieren, die schon da sind, denen ich hier und da begegne – etwa Mitbewohner, Nachbarn, Arbeitskollegen, Vereinskumpel, Fremde beim Einkaufen, in der Straßenbahn und so fort.

Mit vielen Menschen trete ich in Beziehung, ob ich will oder nicht, gestalte den Kontakt auf meine Weise und positioniere mich. Ich tue es manchmal sehr bewusst und manchmal vielleicht auch, ohne dass ich es merke. Aber ich bin sozusagen zur Kommunikation verdammt. Es gilt der alte Satz von Paul Watzlawick: Ich kann nicht nicht kommunizieren. Auch wenn ich weglaufe, wenn ich mich einer Begegnung entziehe, gestalte ich die Beziehung mit. Und es kann, wie jeder weiß, auch das Nicht-Begegnen durchaus eine große Wirkung haben.

Mein ganzes Leben wird beherrscht von Begegnungen. Sie bestimmen in hohem Maße über mein Wohlbefinden. Mag sein, dass viele Begegnungen nur an mir vorbeirauschen. Begegnungen im Supermarkt, im Zugabteil, auf dem Fußballplatz können zwar manchmal eine große Bedeutung bekommen; normalerweise lassen sie mich aber kalt. Je häufiger ich aber mit anderen zu tun habe und je näher mir ein anderer kommt, desto gravierender wird, wie wir zueinander stehen. Insbesondere wenn es um den eigenen Partner, die eigene Partnerin geht, ist das die Frage Nummer eins: „Wie stehen wir zueinander?“

Beziehungen prägen unser Leben. Auch eine auf den ersten Blick nebenrangige Beziehung – etwa die zu einem Nachbarn oder einer Kollegin – kann sich zu einem Problemfeld auswachsen, das uns völlig aus dem Lot bringt. Jede Beziehung, die den Charakter der Dauerhaftigkeit besitzt oder der ich nicht ausweichen kann, macht mir zu schaffen.

Aber Beziehungen gelingen keineswegs immer. Viele Menschen leiden unter verbiesterten und verbitterten Kontakten, etwa mit ihren Eltern. Oder sie haben sich mit ihren Geschwistern verfeindet oder mit Verwandten oder mit unerträglichen Nachbarn. Oder mit der ganzen Welt. Manche leiden an zerbrochenen Freundschaften. Und sehr viele an gescheiterten Partnerschaften.

Kaum ein Mensch, der nicht Geschichten dazu erzählen könnte. Wie oft gelingen uns unsere Beziehungen nicht! Und es sind gerade diese unstimmigen, unbefriedigenden Beziehungen, die uns nicht loslassen und die unser Leben oft nachhaltig belasten.

Deshalb ist es eine tagtägliche, zentrale und höchst folgenreiche Frage für unser Leben: „Wie gelingen uns unsere Beziehungen?“

Ich bin überzeugt, dass, aufs Ganze gesehen, keine Lebensfrage, im Guten wie im Schlechten, uns so bestimmt und umtreibt wie diese: „Wie kriege ich meine Beziehung und meine Beziehungen hin?“ Das macht mich glücklich. Das macht mich krank.

Mehr als äußere Ereignisse, mehr als berufliche Arbeit und Erfolg, mehr als öffentliche Anerkennung oder Nichtachtung, mehr als private Interessen und Liebhabereien entscheiden Beziehungen über unser inneres Wohlbefinden. Dazu passen wir uns an, verbiegen uns, nehmen große Strapazen auf uns – als Kinder sowieso und als Erwachsene immer noch. Immer möchten wir zusammengehören. Wenn einer mit seinem Leben nicht zurande kommt, lohnt es sich immer zu fragen: „Was ist mit deinen Beziehungen?“

Das ist die Kernfrage, wenn wir dem Schoß der Familie entwachsen: Wie finde ich jemanden, mit dem ich zusammenleben kann? Dafür treiben wir den größten Aufwand. Immer neu versuchen wir es mit der Partnerschaft, selbst nach mehreren Fehlversuchen. Obgleich an den Rändern der Gesellschaft auch andere Formen des Zusammenlebens praktiziert werden (und immer wurden), etwa in Wohngruppen, Kommunen oder Klöstern, und obwohl sich in den vergangenen Jahrzehnten die Lebenskultur verändert hat und es immer mehr Single-Haushalte gibt, ist das Zusammenleben als Paar für die meisten Menschen weiterhin das erstrebenswerte Hauptziel ihrer Beziehungsgestaltung. Das zeigen nach wie vor alle Umfragen. Selbst Beziehungs-Katastrophen löschen den Wunsch nach einer engen Beziehung in uns nicht aus. Beziehungslos zu sein empfinden die meisten Menschen als unrund und nicht komplett, als Mangel und Makel, als persönliche Unfähigkeit.

Dieser zentralen Lebensfrage, wie uns unsere Beziehungen gelingen, wird in den langen Lernjahren in der Schule kaum Beachtung geschenkt. Nur bei gelegentlichen Streitschlichtungen oder auf Klassenfahrten wird sie manchmal zum Thema. Ich empfinde das als fatales Defizit, im Grunde als Skandal. Unsere Gesellschaft bildet uns aus zu gut funktionierenden Arbeitnehmern; aber die meist viel wichtigere Frage, wie wir unsere Beziehungen hinbekommen und ob wir glücklich werden – das ist allein unser Privatproblem.

Der Einzelne bastelt sich etwas zurecht und nennt es Lebenserfahrung. Er schaut sich hier dies ab und dort anderes, wobei uns allerdings selten ein tieferer Einblick in den intimen Bereich anderer Beziehungen gelingt. Der naheliegende Blick auf die eigenen Eltern ist oft auch nicht besonders weiterführend, um es freundlich zu formulieren. Jeder muss auf seine Weise das Rad neu erfinden. Aber was er erfindet, läuft oft alles andere als rund. Das eiert, knirscht und fährt sich fest.

Partnerschaften, die uns Vorbild sein könnten, sind eher rar gesät. Beziehungen, die glücklich machen, sind offenbar Glücksfälle. Das Umgekehrte ist uns meist vertrauter: Partnerschaften, die mit großen Gefühlen starteten und dann auseinander gehen; Freundschaften, die uns teuer waren und dann zerbrechen; Nachbarn, die sich mochten und sich verfeindet haben; Geschwister, die zusammen aufwuchsen und dann kein Wort mehr miteinander reden, und so fort. Das sind oft bittere Erfahrungen. Am bittersten sind misslingende Partnerschaften.

Die Frage nach glücklichen Beziehungen stellt sich am dringendsten im Blick auf unsere Partnerschaft. In der Partnerschaft geht uns das Thema am heftigsten unter die Haut. An die Partnerschaft heften wir die größten Erwartungen. Nirgendwo wird das Thema „gelingende oder nicht gelingende Beziehung“ so oft, so intensiv, so verbissen und so folgenreich ausgefochten wie in der Partnerschaft. Das ist das Thema dieses Buchs: Was lässt eine Paarbeziehung gelingen?

Dabei geht es mir speziell um solche Paarbeziehungen, die auf Dauer angelegt sind und verlässlich sein wollen. Es geht mir um Beziehungen, die wir üblicherweise Partnerschaften nennen. Eine Mehrheit von ihnen, wenn auch inzwischen eine schrumpfende, wird traditionell als Ehe geführt. Allerdings, ob als Ehe oder nichteheliche Gemeinschaft, ob gleichgeschlechtlich oder gegengeschlechtlich, tut wenig zur Sache. Soweit sich Paare auf Dauer zusammentun, haben sie diese gemeinsame Perspektive: Sie wollen auch zusammenbleiben. Sie wollen sich aufeinander verlassen können. Sie möchten miteinander alt werden. Deshalb gelten nach meiner Beobachtung für sie die gleichen Einsichten und Regeln wie für traditionelle Partnerschaften.

Laut den neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes wird heute knapp jede zweite Ehe in Deutschland irgendwann geschieden. In der Stadt ist die Rate höher als auf dem Land. Die Zahlen sind über die Jahre kontinuierlich gestiegen. Und dabei ist jene immer größer werdende Gruppe von Menschen gar nicht erfasst, die nicht mehr heiratet. Über sie gibt es nur Schätzungen; aber geschätzt ist unter ihnen die Trennungsrate noch deutlich höher.

Die da auseinandergingen, waren fast alle mal mit anderen Wünschen gestartet. Scheiternde Beziehungen sind Alltag. Und auch wenn Menschen weiter zusammenleben, heißt das durchaus nicht, dass sie in glücklichen Beziehungen leben. Ganz im Gegenteil. Viele leben zwar noch unter einem Dach, haben sich aber nicht mehr viel zu sagen.

Dass Paare sich heute wesentlich leichter trennen können als früher, dass Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und Lebensfeldern davon betroffen sind, auch etwa religiös verwurzelte, für die das früher ganz undenkbar gewesen wäre, beklagen manche als Verfall fester Lebensstrukturen. Andere begrüßen und erfahren es als Akt der Befreiung und – insbesondere für Frauen – als große Errungenschaft.

Fakt ist: Das Thema macht heute vor niemandem mehr Halt. Mag auch die immer noch vorhandene negative moralische Bewertung der Trennung manche Paare, die eigentlich längst in zerrütteten Verhältnissen leben, vor dem letzten Schritt zurückhalten – es kann auch sie treffen. Jeder kennt Menschen, die sich getrennt haben oder die geschieden sind. Wer heute eine Scheidung hinter sich hat, gilt nicht mehr als Außenseiter. Das entlastet. Aber es ist meist mit vielen Unannehmlichkeiten verbunden und selten das Ende der Geschichte.

Fakt ist nämlich auch: Es ist ein Scheitern. Denn so sehr es manche Menschen als Befreiung, ja Erlösung empfinden, wenn sie sich aus einer Beziehung lösen, die sie als unerträglich erlebten, so sehr werden sie, jedenfalls in sehr vielen Fällen, wenn vielleicht auch nicht sofort, unweigerlich vom Schmerz über die Trennung und vom Verlust der früheren Nähe eingeholt und gebeutelt. Sie sind, so fühlen sie es, sich selbst, ihrem Partner, ihrer Familie, ihren Kindern nicht gerecht geworden, sind ihnen etwas schuldig geblieben. Ihre Beziehung ist gescheitert, hinterlässt Versagensgefühle, Scherben, Narben.

Sich zu trennen ist in aller Regel ein harter, alle Kräfte in Anspruch nehmender Prozess, der sich oft über Jahre hinzieht und alle anderen Aktivitäten beeinträchtigen kann. Er ist in jeder Hinsicht kostenintensiv. Die meisten überlegen es sich dreimal, und oft ist es ein langes Hü und Hott. Geht die Beziehung dann aber doch in die Brüche, stellen sich von selbst Fragen: „Was ist passiert? Warum hat es nicht geklappt? Wie erkläre ich mir und anderen, warum es nicht gutging? Vielleicht auch: Was habe ich selbst dazu getan, dass es schief lief? Was wollte ich eigentlich? Was wollte mein Partner bzw. meine Partnerin? Was habe ich nicht früh genug erkannt? Warum habe ich so lange mitgemacht? Wieso habe ich mich überhaupt auf den anderen eingelassen? Warum passiert gerade mir so etwas und warum passiert es mir eventuell immer wieder?“

Manche Menschen scheinen ihre Beziehung hinzubekommen. Sie versichern uns, sie fühlten sich akzeptiert und verstanden, unterstützt und getragen. Einigen von ihnen glauben wir das auch mehr oder weniger. Irgendwie scheinen sie das richtige Maß zwischen Nähe und Distanz gefunden zu haben, sie sind freundlich zueinander und haben keine großen Konflikte. Sie leben, wie es scheint, in einer dauerhaften, glücklichen Partnerschaft. Zweifelnd, aber auch mit ein bisschen Neid, fragen wir uns dann: Wie machen sie das?

Wieso bekommt es der eine besser hin als der andere? Warum schaffen es manche, eine lange, glückliche Beziehung zu leben, und andere kommen auf keinen grünen Zweig? Was machen die einen richtig und die anderen falsch? Ist das nur Täuschung? Oder ist das nur Zufall, blindes Schicksal, ob uns unsere Beziehung gelingt? Wie geht Liebe? Wenn wir das wüssten! Von diesen Fragen handelt dieses Buch. Im Folgenden gehe ich der Frage nach, was Partnerschaften brauchen, damit sie gelingen.

Natürlich sind Paare sehr verschieden, haben sehr individuellen Umgang miteinander und sind nur begrenzt vergleichbar. Was hier funktioniert, liefert dort Grund zum Bruch. Ob uns unsere Partnerschaft glückt oder misslingt, hat zunächst einmal viele individuelle Gründe. So viele Menschen es gibt, so viele Partnerthemen und -probleme gibt es auch.

Trotzdem gehe ich davon aus, dass es – bei aller Individualität und Vielfalt der Beziehungen – Muster und Grundstrukturen für funktionierende Beziehungen gibt, die auf bestimmte Weise in allen Partnerschaften Ausdruck finden. Es kann sein, dass eine Partnerschaft von Anfang an illusionäre Züge trägt und dass das Scheitern nur eine Frage der Zeit ist. Teils sind es grundsätzliche Geburtsfehler, etwa unterschiedliche Erwartungen, teils sind es typische Problemkonstellationen, etwa große Ungleichheiten zwischen beiden, teils sind es auch über die Jahre eingespielte Fehlentwicklungen, von denen man schon ahnen kann, dass ein Paar damit in große Schwierigkeiten kommen wird. Von denen soll im Weiteren die Rede sein.

Aber nicht bloß in unserer Paar-Konstellation folgen wir mehr oder weniger förderlichen Mustern; auch jeder Partner (bzw. jede Partnerin) selbst ist, unabhängig von der Partnerschaft, von individuellen Lebens-Mustern bestimmt, die sein oder ihr Verhalten prägen und die er oder sie in jede Beziehung mitnimmt. Ich rede von jenen in unserer Kindheit eingeübten und eingeschliffenen Verhaltensweisen, mit denen wir auf die Beziehungsbedingungen von damals reagiert haben. Will ich verstehen, was mein Anteil an der Gestalt, der Entwicklung und auch am Scheitern meiner Beziehung war, hilft mir das Zeigen auf meinen Partner nur begrenzt weiter. Die tiefere Antwort finde ich in mir selbst.

Natürlich hat der andere durch sein Verhalten vieles in mir ausgelöst. Aber ich habe mich meinerseits ja auf ihn eingelassen, ich war nicht bloß passiv. Und wie ich mich jeweils verhalten habe, war meine Reaktion, hatte mit meinen Möglichkeiten und Bedürfnissen, mit meinem Verhaltensrepertoire zu tun. Deshalb darf ich mich von dem, was mein Partner getan oder gelassen hat, nicht täuschen lassen.

Was sich auf den ersten Blick wie völlig neu und anders anfühlt, entpuppt sich bei nahem Hinsehen als alte Erfahrung in neuem Gewande. Fühle ich genauer hin, werde ich merken, dass mir viele Gefühle, die ich heute mit meinen Beziehungen verbinde, altvertraut sind, dass meine Art, in Beziehung zu treten, für mich typische Züge trägt, dass sich darin bestimmte Muster wiederfinden, die sich ausformten als Reaktion auf das Verhalten jener Menschen, deren Beziehung für mich überlebenswichtig war, also insbesondere auf meine Mutter, zweitens auf meinen Vater, drittens meine Geschwister und andere mir nahestehende Personen meiner frühen Kindheit.

Denn wie wir in Beziehung gehen und wie wir sie gestalten, hat eine lange Geschichte. Sie beginnt nicht erst mit unserer Partnerschaft, sie beginnt ganz am Anfang unseres Lebens. Unsere erste und zugleich grundlegendste Beziehung ist ohne Frage die zu unserer Mutter und im Weiteren zu unserem Vater. Ist sie stimmig und sicher, macht uns das innerlich stabil; ist sie gestört, deformiert oder zerbrochen, fehlt es uns an innerem Stand. In aller Regel hat das lebenslange Auswirkungen. Was am Anfang nicht gelang, wiederholen wir meist in späteren Beziehungen immer wieder; vor allem auch in unserer Partnerschaft. Üblicherweise gestalten wir unsere Beziehungen, ohne groß zu reflektieren, im Sinne jener eingeprägten Verhaltensweisen, die wir von zuhause mitbekommen haben. Wir haben das Gefühl, wir hätten volle Freiheit darüber, wie wir uns verhalten. In Wirklichkeit folgen wir den inneren Einstellungen, die wir mitbringen.

Will ich verstehen, was sich in unserer Partnerschaft abspielt, welche Sehnsüchte und Erwartungen, welche Ängste und Befürchtungen unser Verhalten steuern und warum wir in bestimmten Bereichen immer wieder aneinandergeraten, muss ich mir die Mühe machen und hinschauen, wie jeder von uns geworden ist. Will ich mich selbst und mein Gegenüber in unserem Beziehungsverhalten verstehen, ist der Blick auf unsere Anfänge unerlässlich. Anderenfalls bleiben wir uns ein Rätsel.

Darüber wird im Folgenden immer wieder zu reden sein. Dieses Buch wendet sich an Menschen, die ihre Beziehungen verbessern und dabei genauer hinsehen möchten und verstehen wollen, was schief lief und schief läuft und was sie tun können, dass ihre Beziehung mehr Spaß macht oder wieder flott kommt. Aber es ist kein Rezeptbuch. Denn leider besitzt niemand einen Zaubertrank, der ihm oder ihr das Partnerglück einflößen könnte. Niemand besitzt Geheimrezepte und Wundermedikamente, die man eben mal anwenden und einnehmen könnte, und dann würde alles gut. In der Partnerschaft ist man, wie mit sich selbst, auch wenn wir es uns wünschen, leider nie am Ziel, sondern immer unterwegs. Die gemeinsame Wanderung gelingt mal mehr, mal weniger. Es ist ein 24-Stunden-Dauergeschäft, ein unaufhörliches Sich-Einlassen, Sich-Zumuten, ein Sich-Verständigen und Sich-Abklären. Man muss daran „arbeiten“. Nur Sternenkindern fällt die lebenslange, glückliche Beziehung in den Schoß. Emil Normalverbraucher und Lieschen Irgendwer, also du und ich, gelingt ihre Beziehung nur, wenn sie kontinuierlich daran bauen und es immer wieder als Herausforderung verstehen, ihr Miteinander zu gestalten und zu verbessern.

Aber es gibt, davon bin ich überzeugt und darüber möchte ich im Folgenden handeln, einiges, mit dem wir uns das Leben schwer machen und was wir dabei falsch machen und einiges, was wir richtig machen können. Es gibt Rahmenbedingungen, innere Einstellungen und Verhaltensweisen, die unsere Partnerschaft, soll sie halten, erschweren bzw. die sie fördern und beflügeln können.

1 Die erste Säule: Sicherheit

„Rabbi, was soll ich tun? Ich möchte heiraten, aber ich kann mich nicht entscheiden. Schmuls Tochter ist reich, aber hässlich. Lewis Tochter ist tugendsam, aber arm. Schlomos Tochter ist hübsch, aber leichtsinnig. Welche soll ich nehmen?“

Der Rabbi: „Du wirst mit keiner zufrieden sein.“ – „Aber wieso nicht, Rabbi?“ – „Weil du dich nicht entscheiden kannst.“ (mündl. Trad.)

Wie bekommen wir unsere Beziehungen hin? Was gibt Partnerschaften Halt und erzeugt in uns das Gefühl: „Hier bin ich richtig“? Was macht sie für uns sicher? Was macht sie für uns zu einem Ressourcen-Speicher und nicht zu einem nervenzehrenden Ort dauernder Auseinandersetzungen? Was brauchen wir, damit wir uns fröhlich dem anderen zuwenden und in der Partnerschaft entfalten und entwickeln können? Damit sie uns glücklich macht?

So vielfältig wie die Partnerschaften werden auch die Antworten darauf ausfallen. Doch gibt es Grundbedingungen, die für alle Partnerschaften gelten. Nach meiner Beobachtung steht eine stabile, auf Dauer angelegte, fröhlich machende und entwicklungsoffene Beziehung auf drei tragenden Säulen. Sie bilden das Fundament jeder Partnerschaft.

Eine Partnerschaft braucht

erstens die gegenseitige, grundsätzliche Zustimmung, das Ja zueinander

;

zweitens persönliche Eigenständigkeit, und damit verbunden wechselseitige Wertschätzung und Anerkennung

;

drittens einen lebendigen Austausch miteinander

.

Ich nenne diese Bedingungen die drei Säulen der Partnerschaft. Jede von ihnen ist nach meiner Überzeugung unverzichtbar für die Partnerschaft. Keine von ihnen darf fehlen. Wackelt eine von ihnen, ist sie zu schwach aufgestellt, zum Beispiel, indem einer nicht richtig ja sagt zum anderen oder indem die gegenseitige Anerkennung fehlt oder indem das Paar nicht genug Austausch miteinander hat, wackelt das gesamte Gebäude. Vernachlässigt ein Partner eine der drei Säulen oder meint er, ohne sie auskommen zu können, bekommt das Gebäude der Partnerschaft auf Dauer keinen Stand, ist immer bedroht, umzukippen. Kippeln sogar mehrere Säulen, indem die Partner sie nicht pflegen oder den Aufwand für nötige Reparaturen scheuen, wird es nicht lange dauern, bis das Haus in sich zusammenstürzt.

Steht umgekehrt eine der drei Säulen besonders fest, kann sie die anderen schwächeren Säulen eventuell eine Zeitlang, in manchen Fällen auch sehr lange, mittragen und etwas ausgleichen. Das betrifft besonders die erste Säule. Ist sie unumstößlich, etwa für ein Ehepaar, für das vielleicht aus traditionellen Gründen eine Scheidung nicht infrage kommt, dann bleibt die Beziehung zwar bestehen. Sie hat aber keine Kraft. Sie funktioniert noch, aber wirkt blutleer und mechanisch. Keiner von beiden ist glücklich.

Steht die zweite Säule besonders fest, etwa indem sich ein Paar große Freiheiten lässt oder indem einer vor allem seine Eigenständigkeit betont, verliert die Partnerschaft an Belang und Bindekraft, ist nur wie eine Folie für die Eigendarstellung des einen auf Kosten des anderen. Vielleicht macht es der andere Partner mit, solange er davon profitiert; aber er fühlt sich im Grunde nicht gemeint, bleibt innerlich allein.

Liegt etwa alles Gewicht auf der dritten Säule, dem Austausch, wird die Partnerschaft überfrachtet von den starken Gefühlen und Erwartungen des Augenblicks; aber die beiden überfordern die Gemeinsamkeit, und in Dürre- und Krisenzeiten bricht ihre Partnerschaft zusammen.

Das Säulen-Modell kann dazu dienen, nebensächliche Partnerthemen von hauptsächlichen zu unterscheiden. Es kann Partnern helfen, genauer hinzusehen: „Wo hapert es bei uns? Wackelt eine Säule? Was ist der Grund für die Schieflage unserer Partnerschaft? Warum sind wir - oder warum bin ich nicht glücklich?“ Manchmal reiben sich Partner an allen möglichen Problemen wund; aber sie merken nicht, dass etwas Grundlegendes zwischen ihnen aus dem Lot ist oder überhaupt nie richtig ins Lot gebracht wurde. Sie beklagen alle möglichen Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten am anderen, aber sehen nicht, dass der Bauplan ihrer Beziehung gar nicht stimmt. Denn in der Regel steht hinter den vielen kleinen Auseinandersetzungen eine große Thematik, die nicht gelöst ist.

1.1 Die Hintertür

Der Schadchen (jüd. Heiratsvermittler) gibt zu Bedenken: „Herr Doktor, Sie sollten nun wirklich heiraten!“ – „Nein, es ist mir zu riskant. Nehme ich eine junge Frau, weiß ich nicht, was für eine sie ist; vielleicht entpuppt sie sich als Biest. Nehme ich eine Geschiedene, wär‘ ich meschugge. Mit der hat’s ja schon mal einer nicht ausgehalten. Nehme ich eine Witwe, wer weiß, vielleicht hat sie ihren ersten unter die Erde gebracht. – Wissen Sie was? Am liebsten ist mir eine verheiratete Frau, die ihrem Mann gefällt, die können Sie mir vermitteln.“ (SL, 459)

Schön dumm, wer sich keine Hintertür offenhält! Riskante Geschäfte brauchen Auswege, denn sie können scheitern. Hintertüren halten uns Fluchtwege frei. Hast du dich verrannt, kannst du zurück. Wie oft brauchen wir Hintertüren im Leben, Alternativen, weitere Optionen! Das gehört zur Lebensklugheit. Wer mit ganz offenen Karten spielt, nicht noch ein Ass im Ärmel hat, wer gleich alle Trümpfe auf den Tisch legt, kann nicht mehr zulegen. Wer Geschäfte machen will, wer nicht ausgebootet werden will, wer mitbieten will, muss mindestens einen „Plan B“ in der Hinterhand haben. Volles Risiko zu gehen ist gefährlich, ist unprofessionell.

Die Hintertür ist, wenn einer mit jemandem etwas auszuhandeln hat oder ein riskantes Unternehmen plant, eine vernünftige Sache – nicht so in der Partnerschaft. In der Partnerschaft ist sie der Anfang vom Ende, ein grundsätzlicher Webfehler, eine Fehlschaltung, die vielerlei weitere Schwierigkeiten nach sich zieht. Sie ist eine sichere Gewähr dafür, dass eine Partnerschaft nicht glücklich wird und schnell an den Rand ihrer Möglichkeiten kommt. Aber sie ist eine große Verlockung.

Partnerschaften, die dauerkriseln, die keine innere Ruhe finden, denen der sichere Halt fehlt, die sozusagen auf Abruf und Abbruch stehen, mangelt es sehr oft daran, dass einer der beiden Partner – oder sogar beide – sich nicht eindeutig zum anderen bekennt, dass also die erste Säule, die Säule der Sicherheit, wackelt. Es fehlt der gemeinsamen Lebensgestaltung die verlässliche Zustimmung, die Klarheit des Jaworts, mit dem sich der eine auf den anderen einlässt und auf das sich der andere seinerseits verlassen kann. Ist nur einer von beiden dazu bereit, oder stellen sich sogar beide unter Vorbehalt, kann die Beziehung keine Standfestigkeit bekommen. Wenn sich zwei zusammentun und einer von beiden (oder sogar beide) hält sich eine Hintertür offen, ist das wie eine Ausstiegsklausel aus der Beziehung.

Natürlich gibt es verständliche Gründe, warum jemand vermeidet, sich festzulegen. Ein Grund kann zum Beispiel sein, dass jemand sich innerlich noch nicht reif genug fühlt für eine feste Bindung, dass er oder sie noch nicht Abschied genommen hat von den betreuten Jahren ihrer oder seiner Kindheit oder den Tobejahren der Jugend. Es gibt viele Menschen, die, wenn sie sich partnerschaftlich zusammentun, eigentlich noch an zu Hause hängen oder lieber noch in einer WG lebten, die noch kindlichen Halt suchen oder jugendlichen Erprobungs-Nachholbedarf haben.

Ein anderer Grund für die Hintertür kann sein, dass jemand Angst bekommt vor der zu großen Aufgabe, vor dem Gefühl, dass er der Verantwortung und den Verpflichtungen nicht gewachsen ist, die da auf ihn oder sie zukommen; vor allem etwa wenn es um Kinder geht. Die Devise solcher Menschen lautet: „Schütze dich vor Zusagen, die du vielleicht nicht einhalten kannst! Lege dich lieber nicht fest! Lass dich nicht festnageln!“

Vielleicht zweifelt einer auch an seiner Partnerfähigkeit, denkt, er (oder sie) könne und möchte nicht für sich garantieren, möchte ehrlich sein und dem anderen nicht mehr ankündigen, als er meint halten zu können. Dieser Zweifel an sich selbst, diese innere Verunsicherung bremst ihn aus, nimmt dem, was er sagt und tut, die Kraft. Er lässt sich dann vielleicht vom anderen Partner nur mitziehen. Eine Sonderform ist, wenn einer sagt: „In diese Welt kann man doch keine Kinder setzen!“ Auch dahinter steht in aller Regel ein Selbstzweifel.

Andere lehnen so etwas wie eine Heirat oder ein festes, öffentliches Partnerschaftsversprechen, etwa aus gesellschaftskritischem Protest gegen eine starre bürgerliche Moral, vehement und grundsätzlich ab. Oder, in der gehobeneren Variante: sie finden es „nicht mehr zeitgemäß“ und spießbürgerlich, sich ein öffentliches Ja zu sagen. Standesamt und Kirche erscheinen ihnen wie verstaubte Konventionen und eher als Fesseln denn als Stütze. Sie verzichten zugleich auf die traditionellen Begleitmittel der Partnerschaft, insbesondere die Eheschließungsfeier und das ganze verwandtschaftliche und öffentliche Gewese darum. Sie sind überzeugt, dass es ihrer Liebe guttut und sie eher herausfordert, sich nicht hinter eingefahrenen Sicherheiten auszuruhen.

Wieder andere haben vielleicht herbe Enttäuschungen hinter sich und scheuen einen neuen Reinfall. Sie wollen sich eine mögliche weitere Trennung nicht erschweren. Sie fassen die Partnerschaft gewissermaßen nur noch mit spitzen Fingern an. Sie sind misstrauisch ihren eigenen Wahrnehmungen und Gefühlen gegenüber und misstrauisch gegen den Partner. Nur noch mit Vorsicht, nur noch ganz kleinschrittig wagen sie sich zu bewegen. So lassen sie oft den richtigen Zeitpunkt zum Jasagen verstreichen, und dann verläppert sich die Beziehung allmählich.

Bisweilen ist es auch so, dass jemand, weil er ein gebranntes Kind ist und in seiner Vergangenheit nur Unverlässlichkeit erlebt hat, jeder Beziehung misstraut und sich schützt vor neuen Enttäuschungen. Da gab es vielleicht eine klettige oder übergriffige, emotional vereinnahmende Mutter oder eine zu enge Beziehung zum Vater, und dann ist der Mensch, obwohl inzwischen erwachsen, innerlich nicht frei für einen Partner, eine Partnerin.

Vielleicht ist er oder sie immer noch mit der Abwehr des damaligen Zugriffs, Übergriffs oder Missbrauchs beschäftigt. Vielleicht ist er oder sie immer auf der Hut, sich nicht vereinnahmen zu lassen. Natürlich hätte er oder sie eine andere Nähe gebraucht und sucht beim Partner auch heute sehnlich danach. Aber die alten Erfahrungen schießen immer wieder quer. Irgendwann wird es solchen Menschen zu eng. Dann brechen sie aus. Sie halten sich nicht eigentlich eine Hintertür offen, sondern stürzen sozusagen irgendwann aus dem Haus.

Schließlich meinen manche, sie brauchten ein gewisses Maß an Freiheit, sonst ersticke ihre Liebe. Deswegen könnten sie sich nur auf eine „offene Partnerschaft“ einlassen – bei aller momentanen, vor allem sexuellen Nähe. Sie sagen: „Ich bin nicht für die Treue geschaffen.“ Sie möchten sich nicht verpflichten, immer nur von einem einzigen Essen zu kosten. Sie wollen sich die jugendliche Möglichkeit offen halten, mal hier und mal da zu naschen und vielleicht damit den häuslichen Normalgeschmack zu würzen. Manch einer besteht darauf, dass nur so die Liebe die richtige Freiheit hätte und frisch bliebe und dass starre Regeln sie nur abwürgen könnten.

Menschen, die sich eine Hintertür offenhalten, können durchaus in Partnerschaften leben; aber sie stellen ihre Beziehung unter Vorbehalt. Vielleicht sind sie wunderbare Menschen mit Eigenschaften zum Verlieben, mit Witz und Charme und besonderen Fähigkeiten. Doch ihre Partnerschaft bekommt keine Tiefe, keine Verlässlichkeit. Meist haben sie eine Partnerin oder einen Partner, die oder der sich sehr um sie bemüht. Der Partner spürt, dass er da einen flattrigen Vogel gefangen hat und baut ihm goldene Käfige. Aber er spürt: Der Vogel will weg. Im partnerschaftlichen Tagesgeschäft kann das, begeistert von seinem bunten Gefieder, betört von seinem Gezwitscher, eine Weile in den Hintergrund treten. Aber in bestimmten Situationen stellt sich plötzlich heraus: Wir leben eine Illusion. Zurück bleiben bittere Enttäuschungen und beißende Wunden.

Menschen, die sich Hintertüren offenhalten, zeigen sich überall dort bedenklich, wo es darum geht, durch Worte, Gesten, Verhaltensweisen eindeutig zu werden. Sie vermeiden klare Bekenntnisse. Das zeigt sich in vielen kleinen und großen Partner-Situationen. Sie sagen zum Beispiel ungern: „Ich liebe dich“, allenfalls: „Ich mag dich.“ Sie vermeiden Aussagen wie: „Ich bleibe bei dir“ oder: „Du bist der (oder die) Richtige für mich!“ oder: „Ich will mit dir alt und grau werden!“ oder erst recht: „Ich will Kinder haben mit dir!“ Sie sagen zum Beispiel: „Im Moment ist doch alles o.k., was hast du denn?“ oder wenn sie unter Druck kommen: „Ich brauche noch Zeit, ich bin noch nicht so weit“ oder: „Erst mal sehen, wie ich beruflich weiterkomme“ oder „Erst mal sehen, was mit meiner Mutter wird“ – Argumente, bei denen sich nicht absehen lässt, wie lange sie noch gelten.

Sie vermeiden Gespräche über die Zukunft und weitreichendere Pläne und schieben Entscheidungen über eine Eheschließung, über Kinder, über eine gemeinsame Immobilie, schon gar über die Altersversorgung auf die lange Bank. Sie sind, wenn es um die Beziehung geht, redefaul. Sie meiden nicht unbedingt die Nähe, aber sie meiden die Verbindlichkeit.

Sie zeigen sich öffentlich nicht gern zusammen mit dem Partner, halten lieber etwas Abstand. Wenn sie dem Drängen der Partnerin oder des Partners schließlich nachgegeben haben und heiraten, wollen sie es möglichst klein halten. Sie reden nicht von „meiner Frau“ (bzw. „meinem Mann“). Sie feiern ihre Verbindung (etwa den Kennenlerntag oder Hochzeitstag) nicht, lehnen Familienfeiern und große Feste ab. Sie umgehen offizielle Einführungen in die Familie des Partners oder halten den Kontakt zu ihr locker. Sie tragen keinen gemeinsamen Ring. Sie führen getrennte Kassen und geben dem anderen keinen Einblick in ihre Finanzen.

So vielfältig die Gründe und Erscheinungsformen des Hintertüröffnens sein können – die Folgen, die Auswirkungen sind gleich. Wer nur mit Vorbehalt in eine Beziehung geht, wer es vermeidet, sich zu binden und festzulegen, versetzt den Partner in einen Wartestand. Er selbst bremst die Zügel, hält die Pferde still und glaubt für sich selbst verständliche und überzeugende Gründe dafür zu haben. Der Partner (oder die Partnerin) allerdings scharrt mit den Hufen. Je vorsichtiger und vorbehaltlicher der eine sich verhält, desto mehr wird der Partner bzw. die Partnerin sich anstrengen, ihn doch noch zum Laufen zu bringen.

Dass sich jemand, der die partnerschaftliche Festlegung meidet, überhaupt in eine Partnerschaft begibt, hat darin seinen Grund, dass er sich eigentlich sehr wohl nach Nähe sehnt. Wie jeder Mensch trägt er die Sehnsucht nach einer sicheren Bindung und Verlässlichkeit in sich. Es ist die Ur-Sehnsucht, die wir aus dem Mutterleib und als Säuglinge mit in die Welt nehmen, die wir brauchen, um innerlich anzukommen.

Aber wenn jemand im Verfolg dieses Grundbedürfnisses nach stimmiger Nähe Brüche und Enttäuschungen erlebt hat, wird er vorbehaltlich. Er sucht zwar weiter die Nähe und Bindung, versucht es immer wieder mit einer Partnerschaft, aber er schützt sich zugleich vor den damit für ihn verbundenen Verletzungen. So lässt er sich nicht richtig ein und inszeniert damit selbst, was er eigentlich nicht will. Er wiederholt immer wieder die alte Erfahrung: „Ich bekomme nicht, was ich suche, wenn ich mich auch noch so sehr bemühe.“

Die Wirkungen auf den Partner sind massiv. Die meisten Partner machen es zunächst mit. Meist ist es so, dass nur der eine der beiden sich nicht festlegen möchte, und der andere nimmt es in Kauf. Er gibt sich mit halben Zusagen zufrieden – etwa aus Angst, den Partner sonst ganz zu verlieren.

Mehrheitlich sind es Männer, die sich mit einem klaren Bekenntnis zur Partnerin schwertun. Nicht wenige Frauen lassen sich darauf ein, weil sie heimlich hoffen, ihren Partner nach und nach doch noch einzufangen. Sie spüren es zwar als innere Enttäuschung, dass der andere kein klares Ja zu ihnen sagt, aber sie begreifen es zunächst einmal als Herausforderung: „Das ruckelt sich schon! Ich liebe ihn ja! Den schleife ich schon noch zurecht! Was mein Partner nicht einbringt, gleiche ich eben aus.“ Im Überschwang der Verliebtheit scheuen sie keinen Aufwand und sind umso mehr bereit, ihre ganze Energie in die Partnerschaft einzubringen. Manche Frauen oder Männer arbeiten verbissen daran. Das macht sie blind. Sie übernehmen sich. Indem sie innerlich für die Beziehung mehr tun als der andere, entsteht in ihnen ein gefühltes Gefälle.

Lässt sich zum Beispiel ein Partner nur unter Vorbehalt auf eine Beziehung ein, bedeutet das für seine Partnerin, dass sie sich nur als eine momentane Option empfindet. Sie fühlt sich nicht wertgeschätzt und für wichtig gehalten. Sie hat Angst, ob der Partner sie wirklich will. Die Unklarheit des anderen konfrontiert sie mit der eigenen Unsicherheit. Nicht selten begegnet sie darin einem eigenen Lebensthema, etwa der Erfahrung, dass sie als Kind nicht bekam, was sie brauchte, dass sie um alles kämpfen musste. Vielleicht begegnet sie ihrer alten Angst, verlassen zu werden und fühlt sich nicht geliebt. Das macht sie anfällig dafür, statt die Beziehung zu klären sich umso mehr anzustrengen und mit immer neuem Einsatz um sie zu kämpfen.

Aber mit der Zeit erlahmt jeder Eifer. Auch wenn es vielen schwerfällt, der Wahrheit ins Auge zu sehen, nachdem sie so viel Herzblut investiert hatten. Ihren zu hohen Einsatz bezahlen sie mit tiefen Verunsicherungen. Heimlich bohren in ihnen die Fragen, die sie vielleicht offen nicht auszusprechen wagen: „Will mich mein Partner überhaupt? Will er mich noch? Warum zeigt er mir nicht, dass er mich will? Was mag er nicht an mir, was fehlt ihm, was mache ich falsch, dass er nicht richtig ja zu mir sagt? Bin ich ihm nicht gut genug? Hat er vielleicht noch andere Eisen im Feuer? Hat er vielleicht jemanden anderes gefunden?“

Irgendwann wendet sich dann das Blatt. Die immer um den Partner kämpfen müssen, haben das Gefühl, sie allein trügen die Last der Beziehung. Und der Partner erfährt es als bedrängend. Je länger dieses innere Gerangel anhält, desto mehr wächst in beiden Groll. Das ist die Quelle von vielen Vorwürfen. Viele Paare stecken bis an die Halskrause voller Vorwürfe. Dann fragen sich beide: „Warum tue ich mir das noch an? Wachsen nicht auf anderen Bäumen auch leckere Früchte, die vielleicht weniger aufwändig erreichbar sind?“

Hält sich einer der beiden Partner eine Hintertür offen, also sagt er kein klares Ja, darf er sich nicht wundern, wenn seine Beziehung auf keinen grünen Zweig kommt. Er stellt von Anfang an die Weichen so, dass die Fahrt aufs Abstellgleis führt. Es ist ein Königsweg, eine Beziehung instabil zu machen und im Kern zu verunsichern. Immer schwebt die mögliche Trennung im Raum. Indem sich einer unklar hält, schafft er die Möglichkeit, jederzeit aus der Beziehung auszusteigen. Alles, was die beiden tun und erleben, bleibt gewissermaßen vorläufig. Jedes Problem, und erst recht jede Krise, stellt das ganze Gefüge in Frage. Die Trennungsoption schwebt immer mit im Raum. In solchem Kontext kann sich die Liebe nicht entwickeln.

1.2 Das Ja zum anderen

„Rebbe, erkläre uns, was ist der Unterschied zwischen Konsequenz und Inkonsequenz?“

„Der Unterschied“, antwortet der Rebbe, „ist ganz klein. Manche sehen ihn gar nicht. Konsequenz ist: heute so, morgen so. Inkonsequenz ist: heute so, morgen so.“ (nach SL, 823)

Die erste Säule, die eine stabile Partnerschaft braucht, ist also die Säule der Sicherheit. Sie ist die Zentralsäule. „Sicherheit zuerst“ – das haben wir schon mal aus der Politik gehört. Dieser Parole der 60ger Jahre stand ich selbst politisch nicht besonders nah. Aber sie stimmt leider. Allerdings auf andere Weise als man sie damals propagierte und für die Politik instrumentalisierte. Sicherheit in der Partnerschaft wird nicht dadurch gewonnen, dass ich mich gegen den anderen aufrüste. Auch in der Politik halte ich das nicht für zielführend. Sondern dass ich zum anderen Ja sage. Ja sagen stiftet Sicherheit.

Sicherheit in der Beziehung bedeutet, dass ich weiß, woran ich mit dir bin und woran du mit mir bist. Ich brauche, damit es gut geht, diese Klarheit: „Will ich oder will ich nicht?“ Und du: „Sagst du ja zu mir oder nicht?“ Was mich sicher macht, ist unser gegenseitiges Ja. „Ja, ich will die Beziehung mit dir.“ Das klingt vielleicht zuerst lapidar und ist doch alles andere als selbstverständlich. Kein Ja-Vielleicht, kein Je-Nachdem, kein Versuchen-wir’smal. Denn ohne ein eindeutiges Ja wackelt jede Beziehung.

Manche Romantikerinnen neigen dazu, Blütenblätter abzuzählen: „Er liebt mich, er liebt mich nicht...“ Das ist ein schönes Spiel, aber kein gutes Modell für die Partnerschaft. Es wird nicht reichen. Ja sagen zum anderen ist eine große Sache. Es fordert meine ganze Person. Denn es ist ein Ja, ohne dass ich weiß, ob es gut geht. Sage ich ja zu dir, lasse ich mich auf etwas Unbestimmtes ein, das ich nicht im Griff habe. Deshalb scheuen viele davor zurück.

Wenn Partner ja zueinander sagen, bedeutet das in vieler Hinsicht, dass sie ein großes Risiko eingehen. „Kann ich mein Versprechen einhalten?“ fragen sich viele. „Bin ich der Zukunft gewachsen? Bin ich überhaupt gut genug, bin ich partnerfähig? Kann ich einem anderen ein Ja sagen, wo ich mich doch schon auf mich selbst nicht verlassen kann?“ Mancher möchte sich erst selbst finden, möchte vielleicht erst noch irgendwas in seinem Leben hinkriegen. Andere haben Angst, es würde ihnen zu eng in der Beziehung, sie verlören sich. Der andere würde sie zu sehr krallen, sie auffressen. Sie ziehen deshalb die Halbdistanz vor. Sie leben „ein bisschen“ Partnerschaft.

Und es gibt weitere Bedenken. Die beiden ahnen vielleicht, dass nach den tollen Tagen der ersten Zeit auch langweilige kommen. Davon haben die meisten schon mal gehört. Aber meist kommt es noch schlimmer. Je länger eine Beziehung dauert, desto deutlicher treten auch die Unterschiede zwischen beiden hervor, sie merken, dass der andere manchmal völlig anders denkt, fühlt und handelt. Dann fragt sich mancher: „Wie konnte ich mich bloß auf dich einlassen?!“ Ältere Paare wissen davon zu erzählen.

Auch in anderer Hinsicht ist Partnerschaft riskant. Die beiden wissen ja nicht, was auf sie zukommt. Vielleicht stehen Ihnen sehr schwere Erfahrungen bevor. Vielleicht wird einer von beiden krank, büßt Fähigkeiten ein, wird mit familiären Aufgaben besonders belastet, muss mit Krankheiten und Behinderungen leben, verliert die Arbeit und das Einkommen. Oder ein schwerer Schicksalsschlag ändert das Leben der beiden. All das wissen sie vorher nicht.

Es gibt viele Bedenken gegen die Partnerschaft. Manche scheuen darum dieses große Wort und suchen weichere Wege. Sie sagen nicht Ja. Aber sie sagen auch nicht Nein. Sie zögern. Sie halten sich im Vagen. Sie leben eine „Schwankel“-Beziehung. Sie halten sich für die Trennung offen. So können viele Jahre verstreichen. Währenddessen dümpelt ihre Beziehung dahin.

Wenn zwei trotzdem ja sagen, dann ist es ein hohes Wagnis. Es ist ein offenes Spiel. Es ist, wie wenn Eltern ja sagen zu einem Kind. Was weiß ich denn, ob es gesund zur Welt kommt? Ob es gesund bleibt und sich gut entwickelt? Aber vorbehaltlich kann man Kinder nicht bekommen. Genauso ist es mit der Partnerschaft. Vorbehaltlich kann auch die Liebe zwischen Partnern nicht gedeihen. Sie braucht das ganze Ja.

Wenn Menschen eine Beziehung nur unter Vorbehalt aufnehmen, begeben sie sich quasi auf Beobachtungsposten. Sie warten ab: „Mal sehen, was kommt. Nur wenn du dich so oder so verhältst, kann ich mit dir leben oder bei dir bleiben. Wenn nicht – na, dann geht’s halt nicht.“

Vielleicht zweifeln sie, ob sie schon den Richtigen oder die Richtige gefunden haben, ob nicht noch wer Besseres kommt, einer, der nicht nur zweite Wahl ist. Das ist kompliziert. Oder sie stellen Bedingungen, drohen damit, zu gehen, wenn der andere sich nicht ändert. Das macht Angst. Oder sie leben in der Angst, es könnte nicht klappen, sie könnten etwas falsch machen. Das verunsichert. Manche halten den anderen auch hin mit dem selbstzweiflerischen Satz „Ich bin noch nicht so weit“. Das lähmt.

Sie fühlen dem anderen den Puls, sie beäugen und bewerten ihre Partnerschaft, sich selbst und den Partner wie einen Kollegen in der Probezeit. Menschen in der Probezeit strengen sich besonders an. Sie wissen, was immer sie tun, steht es unter Beobachtung und Kontrolle. Sie dürfen nichts falsch machen. Das ist anstrengend und ängstigend.

In der Phase des Kennenlernens ist das alles durchaus angemessen. Denn da ist das Ende ja offen. Die noch nicht entschiedene Situation setzt alle Kräfte in Gang. Wir sind im gegenseitigen Interesse einverstanden, dass wir zunächst eine Zeit brauchen, wo jeder ohne Verpflichtung prüfen kann, ob er sich einlassen will oder nicht. Jeder kann wieder aussteigen.

Aber irgendwann muss die Probezeit zu Ende sein. Sonst zerstört sie die Substanz. Wenn ich nicht weiß, woran ich bin, kann ich mich nicht wirklich einlassen. Nur eine Zeitlang kann ich das ohne Schaden aushalten. Je länger unsre „Probezeit“ dauert, desto lauter ruft sie nach Klarheit. Wenn sich dann einer von uns entschieden hat, während der andere zögert, stimmen die Gewichte nicht mehr. Dann entsteht eine Schieflage.