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Jürgen Weber arbeitet nach seinem Studium als Arzt im Osten Deutschlands. Die Krankheit seines Vaters, der Oberstudienrat an der NAPOLA war, war entscheidend für Webers Berufswahl. Seine Leidenschaft gehört der Thoraxchirurgie. Über viele Jahre ist er am Aufbau einer großen Klinik beteiligt, die schließlich dem letzten medizinischen Stand entspricht. Weber ist ein Arzt aus echter Leidenschaft, die es heute fast nicht mehr zu geben scheint. Der Autor ging gänzlich in seinem Beruf auf, bis die Wende da ist: Und auf einmal muss sich Jürgen Weber für seinen Werdegang, für seine Position, für seine Existenz rechtfertigen. Es folgen turbulente Zeiten, wo Weber viel Lehrgeld bezahlen muss, bevor ihm eine neue Existenz gelingt. Doch was bleibt, ist Enttäuschung von einem Land, das einmal seine Heimat war.
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Seitenzahl: 140
Inhalt
Impressum 2
Widmung 3
Einleitung 4
Mehr sein als scheinen, so hat mein Vater mich immer geprägt 5
Mein Start ins Leben: Ich wurde am 26.7.1940 in Berlin-Charlottenburg geboren 7
Mein Start in das Leben eines Arztes 1966 10
Mein Vater und seine Tätigkeit in der NAPOLA Berlin-Spandau 27
Zurück in meine Kindheit und Jugend 36
Zurück nach dem Krieg 42
Zurück in meine Kindheit und Jugendzeit in Osterburg in der Altmark 49
Die Vor- und Nachwendezeit 62
Noch weiter in Zschadraß 75
Ich muss meine Erinnerungen aber noch einmal in die Zeit von 1977 und später lenken 92
Zurück zu meinem persönlichen Er-Leben 98
Wieder in Zschadraß 122
Zurück in die Jahre nach dem Systemwandel im Osten 133
Zurück in die Zeit von 1991 bis 1993 und die Folgejahre 138
Ausklang 170
Nachtrag 178
Nachtrag zur aktuellen Gesundheitspolitik 181
Impressum
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© 2022 novum publishing
ISBN Printausgabe: 978-3-99131-354-0
ISBN e-book: 978-3-99131-355-7
Lektorat: Mag. Angelika Mählich
Umschlagfoto: Jürgen Weber; 9dreamstudio | Dreamstime.com
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh
Innenabbildungen: Jürgen Weber
www.novumverlag.com
Widmung
Die nachfolgenden Seiten sind
meinen geliebten Kindern Grit, Ines und Dirk
und meiner geliebten Frau Ursula
in großer Dankbarkeit für ihr großes Verständnis
und ihr Einfühlungsvermögen
in meine besonderen Lebensinhalte gewidmet.
Einleitung
Ich bin Arzt durch Zufall geworden, aber ich habe meinen ärztlichen Beruf mit großer Leidenschaft und absolutem Vertrauen gegenüber meinen Patienten ausgeübt. Ich habe am Bett von schwerkranken Krebspatienten gestanden und versucht, ihnen die letzten Stunden ihres Lebens erträglich zu gestalten, ich kenne die Ängste und Sorgen der Patienten vor dem Entschluss zu einer medizinisch notwendigen Operation und ich habe später die Wünsche von Patienten erlebt, die sich dem Wahn der „Schönheitschirurgie“ untergeordnet haben und immer davon ausgingen, dass solche Operationen hundert Prozent glücklicher machen. In über fünfzig Jahren eigenverantwortlicher operativer Tätigkeit in der Lungen- und später in der Thoraxchirurgie und dann in über zwanzig Jahren in der rein ästhetischen Chirurgie konnte ich die Kompliziertheit von Patienten kennenlernen, die sich zunehmend über das Internet informieren und den Darstellungen des Fernsehens unterordnen. Ich musste auch zur Kenntnis nehmen, dass Ärzte den Patienten von Behandlungen abraten, zu denen sie selber keine Kompetenz besitzen. Dass Anwälte Patienten unterstützen, medizinische Arzt-Patient-Fragen in eine juristische Definition zu überführen, die nichts mehr mit dem ureigensten Arzt-Patient-Verhältnis zu tun haben, war eine persönlich sehr bittere Erfahrung. Ich habe leider auch erleben müssen, wie wirtschaftliche Orientierungen und kaufmännisch geführte Gesundheitseinrichtungen das Arztsein reduzieren auf eine Gesundheitsdienstleistung, die nur noch von Zahlen und nicht mehr von den intimsten Arzt-Patient-Beziehungen mit totalem Vertrauen ausgehen, sondern die wirtschaftliche Zeituhr regelt den Kontakt auf das niedrigste nur denkbare Volumen.
Von meinen Eltern und in meinen verschiedenen Lebensabschnitten habe ich humanitäres Verhalten, Ehrlichkeit, Achtung vor dem Gegenüber und Fleiß und Gewissenhaftigkeit in der Arbeit vorgelebt bekommen und es für mich selber auch vereinnahmt.
Mehr sein als scheinen, so hat mein Vater mich immer geprägt
Ich habe meine medizinischen Wurzeln in der Universität Rostock 1960 bis 1966 gewonnen. Meine ehrwürdigen Lehrer waren u. a. Professor Schmidt, Prof. Bast, Prof. Brückner u.v.a.m.
Ich durfte eine große operativ geprägte Lungenklinik bei Leipzig führen und sie bis in die Neuzeit profilieren, nachdem ich zuvor im Krebsinstitut Berlin Buch – Robert-Rössle-Klinik – unter Prof. Tanneberger, Prof. Marx und Prof. Widow neue Erfahrungen in der Krebstherapie sammeln konnte.
Ich habe in zwei Gesellschaftssystemen gelernt, gearbeitet, und um die Existenz einer großen Klinik und um meine eigene gekämpft. Ich durfte an der Universität Leipzig als Dozent Vorlesungen halten und mit Prof. Lindenau erste Gedanken für die Entwicklung der Lungentransplantation in Leipzig entwickeln.
Ich habe mich mein ganzes Berufsleben der Wissenschaft gewidmet und empfinde es heute als meine moralische Pflicht, mein Leben und meine sehr persönlichen Erfahrungen aus DDR-Zeiten und in den letzten Jahrzehnten in der Bundesrepublik Deutschland für nachfolgende Generationen niederzuschreiben.
Dies soll keine alleinige Autobiografie sein. Aber um mein persönliches Anliegen zu verstehen und nachvollziehen zu können, muss ich dem Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin, einen besonderen Raum geben, denn unser Umfeld und die Menschen, mit denen wir es zu tun haben, prägen uns im Verhalten und in unseren eigenen verbalen Kommunikationen.
Der Stil der Diskussion unserer Politiker, nicht nur im Bundestag, kann nicht das Leitbild im Umgang der Menschen in einer Gesellschaft sein, weil zu viel Unwahrheiten und zu viele theoretische Behauptungen mit Untermalung von rein persönlichen privaten Sachverhalten Aggressionen auslösen und auch überhaupt kein Leitbild zum Umgang miteinander darstellen. Das hat mich schon seit Jahrzehnten zutiefst erschüttert und ich kann es auch bis heute nicht verstehen, geschweige denn nachvollziehen, dass der Bundestagsdiskussionsstil Leitbild sein kann für unsere Gesellschaft. Durch die kontinuierliche mediale Wiederholung solch negativer Leitbilder entwickeln sich auch in der Gesellschaft spiegelbildliche Willensäußerungen dessen, was sich im Bundestag und seiner Umgebung abspielt.
Das sich für mich das Schicksal meines Vaters nahezu identisch wiederholt hat, ist der besondere Anlass, über die Probleme des Systemwechsels in einer Gesellschaft und ihren Folgen nachzudenken.
Die ärztliche Tätigkeit in unterschiedlichen Systemen soll bei meiner rückwirkenden Betrachtung vordergründig sein. Privates steht im Hintergrund, wenngleich es nicht richtig ist, weil mein Privatleben von den beruflichen Notwendigkeiten bestimmt wurde.
Dass ich nicht alle wichtigen Dinge vollständig erwähnen kann, liegt einfach daran, dass man über die vielen Jahre auch sehr viel vergisst – manches vielleicht sogar bewusst. So fehlen mir z. B. sehr viele konkrete Erinnerungen an die Zeit der Schul- und Ausbildungszeit meiner Kinder Grit, Ines und Dirk. Aber auch viele Fakten zu bestimmten Lebenszeiten – z. B. in Vogelsang/Gommern.
Ich will versuchen, etwas in die Tiefe zu gehen und wissenswerte Einzelheiten ausgraben, die wahrscheinlich – wenn auch nicht heute, dann aber ganz bestimmt in Jahren später – für die junge Generation von Interesse sein könnten.
Sehr viele persönliche Begegnungen mit Menschen unterschiedlichster sozialer Stellungen haben mein Leben bestimmt.
Mein Start ins Leben: Ich wurde am 26.7.1940 in Berlin-Charlottenburg geboren
Meine frühe Kindheit in Berlin war ungetrübt, denn noch herrschte hier kein Kriegsgeschrei, obwohl der Zweite Weltkrieg seit dem 1. September 1939 bereits seinen Anfang genommen hatte. Polen, Frankreich und Großbritannien hatten Deutschland bereits den Krieg erklärt. Auch Finnland und Italien waren bereits seit Herbst 1939 in das Kriegsgeschehen integriert. Dennoch: Ich wurde noch in eine heile, sozial gesicherte und politisch nicht aktive Familie hineingeboren. Aber die Nazis hatten bereits die Macht übernommen.
Geburtsurkunde
23.10.1940
23.10.1940
Weihnachten 1941 in Berlin
Ostseevergnügen 1942 mit meinem Vater und meiner Schwester
Mein Start in das Leben eines Arztes 1966
Ich habe am 15. Juni 1966 meine Approbation als Arzt nach abgeschlossenem Medizinstudium an der Universität Rostock erhalten. Zur damaligen Zeit war das Gesundheitswesen staatlich und wir bekamen unsere Urkunde vom Rat des Bezirks Abteilung Gesundheitswesen. Am 21. Juni 1966 erhielt ich von der Medizinischen Fakultät der Uni Rostock die Urkunde über die erfolgreiche Verteidigung meiner Doktorarbeit und konnte mich nun als Doktor der Medizin – Dr. med. – bezeichnen. In der mikrobiologischen Arbeit ging es um die Wasserqualität der Oberwarnow in Rostock im Hinblick auf Eignung als Badegewässer. Die Colititer-Bestimmung war die entscheidende Richtgröße. Die hierzu notwendigen Untersuchungen im Labor der Uni Rostock – damals unter der Leitung von Prof. Keil, der auch mein Doktorvater war – waren für mich sehr interessant und waren eigentlich die Basis, dass ich mich auch später für experimentelle Untersuchungen interessierte. Das liegt alles mehr als fünfzig Jahre zurück – also über ein halbes Jahrhundert. Ich habe zwangsweise über diesen langen Zeitraum aktiver eigener ärztlicher Tätigkeit Medizingeschichte erlebt – sowohl in der Medizintechnik und in der digitalen Kommunikation mit anderen Fachbereichen, aber auch in der ideologischen Auseinandersetzung zwischen dem Staat und seinem Gesundheitswesen.
Approbation
Dr. med.
Heute würde ich sagen, wir waren vor fünfzig Jahren Pioniere unserer Zeit. Die eigene Verantwortung für eigenes Handeln zu tragen, war eine schwere Last, die aber durch das kollektive Verhalten der anderen Kollegen ertragbar gemacht wurde, weil es auch noch nicht die heute üblichen juristischen Verwicklungen einer ärztlichen Behandlung am Patienten gab. Dass ich eine vorsätzliche Körperverletzung mache, wenn ich einemPatienten aus Krankheitsgründen zur Gesundungeine Spritze verabfolge, habe ich erst in der BRD gelernt. Eine für mich bis heute völlig unverständliche Interpretation ärztlichen Handelns. Ärztliches Handeln zum Ziel einer Gesunderhaltung und/oder Therapie muss diese Notwendigkeit einschließen bzw. ausschließen, dass ein solcher Akt a priori juristisch relevant wird.
Heute kann man sich nicht mehr vorstellen, dass die Röntgenfilme in der Dunkelkammer entwickelt wurden, dass die Spritzen als Glasspritzen immer wieder neu sterilisiert und in Glasschalen gelagert wurden und dann mit einer Kornzange entnommen werden mussten. Mulltupfer wurden von Hand gedreht, kamen dann in die Trommel und wurden sterilisiert. Auch elastische Binden wurden immer wieder gewaschen und dann wieder aufgewickelt. Es gab auch noch keine separaten OP-Kleidungen, mit denen man sich in den OP-Trakt begab. Die OP-Räume waren frei zugänglich, es gab in der Regel noch keine Schleusen. Die Narkoseärzte arbeiteten ohne Mund-Nasen-Schutz und den Blinddarm haben wir unter einer Äthertropfnarkose über eine Schimmelbuschmaske ans Tageslicht befördert. Wir mussten diese Äthertropfnarkosen auch sehr oft selber durchführen, was ich persönlich sehr ungern tat, denn man musste höllisch aufpassen auf die Pupillenreaktion. Bis zur Zahl 20 sind die Patienten mit dem Zählen meist nicht gekommen, dann konnte es losgehen, es musste möglichst schnell operiert werden wegen der immer gegebenen Gefahr einer Ätherüberdosierung. Und wehe, wenn der Pat. am Ende der OP zu früh presste!!
Meine chirurgische Händedesinfektion 1967/68, bis über das Ellbogengelenk war man im Wasser
Narkoseärztin 1968 ohne Mund-Nasen-Schutz
1968 Glasspritzen – Entnahme aus der Glasschale
In der Versorgung von überwiegend älteren Patienten war es Routine, subkutane Kochsalzinfusionen anzulegen. Man bildete am vorderen Oberschenkel eine Hautfalte und führte dann eine Streukanüle in das subkutane Gewebe ein und nun konnte über einen Zeitraum von ca. 1,5 Stunden die Kochsalzlösung in das Gewebe „einlaufen“ – 500 bis 1000 ml auch in zwei Sitzungen. Solche Streukanülen habe ich dann Jahrzehnte später erneut verwendet, wenn wir die „Kleinsche Lösung“ vor der eigentlichen Fettabsaugung in das Gewebe eingebracht haben.
Lange und sehr ausführliche Visiten in der Inneren Medizin stempelten uns zu untertänigen Pflichtassistenten, die den Worten des Chefarztes lauschten, wenn es um Erklärungen von Krankheitsbildern ging.
Diskussion außerhalb der Krankenzimmer während einer Chefarztvisite
Kreiskrankenhaus Burg/bei Magdeburg – 1967
Aber da gab es auch Momente des Frohsinns und der Heiterkeit, wenn das gesamte Team feiern wollte. Es war Mitte der sechziger Jahre eine unbeschreibliche Kollegialität und ein sehr unkompliziertes Miteinander. Schaut man in die Gesichter der Kollegen, so sieht man nur freudige Gesichtszüge.
Stimmungsbild einer Fröhlichkeit in der Inneren Medizin Kreiskrankenhaus Burg/bei Magdeburg – 1967
Bevor ich auf die besonderen systemrelevanten Einflüsse auf mein ärztliches Dasein zu sprechen komme, muss ich noch zu den inzwischen historischen medizinischen Aktivitäten einige Ausführungen machen, weil es für die junge Generation wahrscheinlich lohnenswert ist, davon zu hören. Ich bin davon überzeugt, dass in den heutigen Vorlesungen darüber nicht mehr oder kaum gesprochen wird, weil einfach die Zeit dafür nicht mehr reicht. Auch im Studium wirken Leistungsdruck und die Zeit.
Ich bin bereits als Student tief in die Medizin integriert worden. Der Anlass dafür war sehr traurig, denn mein Vater hatte 1963 einen Lungenkrebs (kleinzellig), der in der Lungenklinik Lostau unter der Leitung von Prof. Friedel diagnostiziert wurde.
Ich hatte zu der Zeit gerade mein Physikum bestanden, hatte einen Roller „Troll“, war mit einer Medizinstudentin in der Beziehung und war schnell mal zwischen Rostock und der Lungenklinik Lostau bei Magdeburg unterwegs.
Mein Motorroller „Troll“
Als Medizinstudent nach dem Physikum wurde man damals – 1963/64 – von den Kollegen schon geachtet. So wurde ich auch immer sehr in das Krankheitsbild meines Vaters eingeweiht. Die engen Beziehungen zur Lungenklinik Lostau und zu Prof. Friedel blieben über viele Jahre sehr fest, zumal ich dann nach der Operation meines Vaters in der Lungenklinik Vogelsang/Gommern meine Ausbildung in der Pflichtassistentenzeit und dann in der Ausbildung zum Facharzt wahrgenommen habe. Primäres Facharztziel war der Facharzt für Lungenkrankheiten, der sich dann in der Ausbildung zum Facharzt für Chirurgie bzw. später Thoraxchirurgie verändert hat.
Der Krebs meines Vaters war inoperabel!
Heutiges Fachkrankenhaus Vogelsang/Gommern; ehemals Lungenheilstätte; Die Landesversicherungsanstalt der preußischen Provinz Sachsen eröffnete im Jahre 1899 in einem Waldstück bei Gommern (nahe Magdeburg) die erste Lungenheilstätte für Frauen, zuerst mit 160 Betten. Die Klinik Vogelsang galt lange als Musteranstalt, verfügte als Erste über eine autarke Stromversorgung, eine Geschirrspülmaschine und einen eigenen Krankenwagen. https://de.wikipeda.org HYPERLINK „https://de.wikipeda.org%3ewiki/“ HYPERLINK „https://de.wikipeda.org%3ewiki/“ HYPERLINK „https://de.wikipeda.org%3ewiki/“> HYPERLINK „https://de.wikipeda.org%3ewiki/“ HYPERLINK „https://de.wikipeda.org%3ewiki/“ HYPERLINK „https://de.wikipeda.org%3ewiki/“wiki> Lungenheilstätten
Schoefer, Günther Rudolf, OMR Dr. med. Chefarzt der Lungenklinik zu meiner dortigen Ausbildungszeit 1966 bis 1977; geb.22.11.1919 in Ruppersdorf/Schlesien; gest. 31.10.1995 in Vogelsang/Gommern, Arzt, Obermedizinalrat
OMR Dr. G. Schoefer;Nach dem 1939 am Gymnasium in Trebnitz/Schlesien abgelegten Abitur studierte S., ein Bauernsohn, 1940–45 Medizin an den Universitäten Breslau und Halle, unterbrochen durch den Militärdienst und eine Tuberkulose-Erkrankung. Nach seiner Approbation und Promotion 1945 in Halle war S. Assistenzarzt in einer Allgemeinpraxis in Halle und 1946–48 am Tuberkulose-Krankenhaus Stapelburg. 1948 begann seine Tätigkeit als Oberarzt am Krankenhaus Vogelsang bei Gommern – damals eine Tuberkuloseklinik. 1951 wurde er kommissarischer, 1952 leitender Chefarzt und 1970 Chefarzt der Thoraxchirurgie, ab 1952 zugleich Ärztlicher Direktor bis zum Erreichen der Altersgrenze 1984. 1952 war S. als Facharzt für Lungenkrankheiten, 1972 als Facharzt für Chirurgie anerkannt worden. Sein besonderes Engagement galt der Tuberkulose- und Krebsbekämpfung. Es ist sein herausragender Verdienst, dass er unter den in der DDR gegebenen Einschränkungen in Vogelsang ein hochleistungsfähiges Zentrum der Lungenheilkunde und später der Thoraxchirurgie aufbaute. S. begründete hier eine Schule für Krankenschwestern und -pfleger, die bald hohes Ansehen genoss, sowie eine der ersten Blutbanken mit eigenem Spenderstamm. Er führte modernste Techniken der bildgebenden und funktionsermittelnden Diagnostik (z. T. Eigenentwicklungen) ein. Mit seinem Namen sind dauerhaft die Kavernostomie bei fortgeschrittener Lungentuberkulose sowie die erweiterten Resektionen des fortgeschrittenen Bronchialkarzinoms verbunden. Teilresektionen der Luftröhre aus verschiedensten Indikationen führte er in Europa als einer der ersten durch. Seine Mitarbeiter – Krankenschwestern, Laboranten und Ärzte – spornte er sehr konsequent zu dauerhaft überdurchschnittlichen Leistungen an. Mit diesem Team leistete S. einen wesentlichen Beitrag dazu, dass die Lungentuberkulose als Volksseuche beseitigt werden konnte. S. war 1977–79 Vorsitzender der Sektion Thoraxchirurgie der Gesellschaft für Chirurgie der DDR, 1975–86 gehörte er dem Vorstand der Gesellschaft an. Er veröffentlichte auf nationalen und internationalen Tagungen und in medizinischen Zeitschriften mehr als 70 wissenschaftliche und einige populäre Beiträge. Für seine Leistungen wurde S. mit den Titeln eines Medizinal- (1961) und Obermedizinalrates (1972) sowie mit der Hufelandmedaille in Silber (1966) und Gold (1984) geehrt.;Werke: Narkosebronchografie als Routineuntersuchung, in: Das Deutsche Gesundheitswesen 11, 1956, 780–782; Langzeitergebnisse bei lokal-chirurgischer Behandlung von Kavernen, in: Zs. für Erkrankungen der Atmungsorgane 133, 1970, 64–68; Die parasternale Mediastinal- und Lungenbiopsie, in: ebd. 140, 1974, 99–104 (mit Jürgen Weber); Extrahiatale Zwerchfellhernien im Erwachsenenalter, in: Zentralblatt für Chirurgie 99, 1974, 146–153 (mit Jürgen Weber). http://www15.ovgu.de/mbl/Biografien/0964.htm
Ich war in der Lungenheilstätte Vogelsang/Gommern, als mein Vater nach der Operation eine Lungenembolie erlitt. Ich habe Nachtwache bei ihm gehalten. Damals war es modern, in einer solchen Situation in ein Sauerstoffzelt gelegt zu werden. Das haben wir auch mit meinem Vater gemacht – er hat die Lungenembolie überlebt – leider später nicht den Krebs.
Diese ganze Zeit möchte ich ungeachtet der tödlichen Erfahrung mit der Diagnose Krebs in der eigenen Familie nicht missen, denn was ich in den beiden Einrichtungen Lostau und Vogelsang gelernt habe, bereichert meinen medizinischen Erfahrungsschatz bis heute.
Prof. Dr. med. habil. H. Friedel war der Nestor der Bronchologie in der DDR und hat bahnbrechend die apparative und methodische Endoskopie der Atemwege international geprägt. Ich bin stolz darauf, bei und mit ihm gearbeitet zu haben. In Lostau habe ich die Mediastinoskopien durchgeführt, nachdem ich diese sehr heikle operative Untersuchung des Mediastinums (Mittelfellraum) bei OD Dr. Thümmler in Vogelsang erlernt habe; https://www.lungenklinik-lostau.de/unsere-lungenklinik/pressemitteilungen/einzelansicht/browse/1/article/460/abgesagt-festveranstaltung-zu-ehren-prof-dr-med-heinrich-friedel.ht
https://www.google.de/search?source=univ&tbm=isch&q=R%C3%B6ntgenbilder+Lungentuberkulose&fir=TpftRRdUcyjGrM%252CZ02sUmKWjsAmSM%252C_%
https://www.google.de/search?q=Liegekuren&tbm=isch&source=iu&ictx=1&fir=AC_Q6pYRibvObM%252Cz4YCd8B68hz-lM%252C_%253Bn0okCfsGwFCBFM%252CIzUdtreqxLxMlM%252C_%2
https://www.google.de/search?source=univ&tbm=isch&q=Pneumothorax+Apparat&fir=pFK7sLsbOLadTM%252CaO5Q__JXLQfmQM%252C_%253BQbDfQVmxZWGjIM%252C80R-h9Q4a
Die Lungentuberkulose war Ende der sechziger Jahre noch sehr gegenwärtig. Die Behandlung bestand aus Liegekuren, Medikamenten, wie INH, PAS und Streptomycin, und im Zweifelsfall musste auch operiert werden. Ich kenne noch die Lungenkollapsverfahren, die Ölplomben, die Thorakoplastiken, Kavernostomien u.v.a.m. Es war für mich eine aufregende Zeit, Patienten mit einer Kavernostomie zu verbinden, wenn diese über die Öffnung im Bereich des Rückens über die Lungenöffnungen (vergrößerte Bronchiolen) atmeten und vor allem auch husteten. Während der Behandlung konnten die Patienten nicht sprechen, weil ihnen der Atemstrom für die Sprache fehlte. Durch diese „offene“ Behandlung konnten die Kavernen aber ausheilen und später wurde der Defekt durch eine Plastik verschlossen.
J. Weber 1991: Offenlegung von Kavernen oder Empyemen durch Fensterung von außen. In „Chirurgie der Infektionen“, Schmidt/Keine; 3. überarbeitete Auflage, Leipzig: J. Barth 1991
Ich habe dieses Prinzip später in die Therapie von Empyemen auch nach Pneumonektomien übernommen.