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Beschreibung

Die gemeindenahe Pflege ist vielfältig und komplex. Dieses Lehrbuch beschreibt praxisorientiert die Rollen von Pflegefachpersonen und berücksichtigt dabei Aufgaben und Prozesse für deren Weiterentwicklung. Das Autor_innenteam:  •skizziert länderübergreifend die Entwicklung und Strukturen der gemeindenahen Pflege  •klärt, welche Konzepte Pflegefachpersonen unterstützen, um mit existenziellen Krisen, Rollenüberlastungen und der Selbstsorge professionell umzugehen  •integriert Ansätze der Caring Communities, quartiersbezogenen Gesundheitsberatung und der Pflege in Katastrophensituationen (Disaster Nursing) in die Pflegearbeit  •zeigt Besonderheiten des Pflegeprozesses mittels präventiver Hausbesuche auf, stellt individuelle und populationsbezogene Formen des Pflegeassessments vor und nennt häufige Pflegediagnosen, -interventionen und -ergebnisse  •beschreibt Pflegeinterventionen in der ambulanten Pflege, wie die Beratung von Altersschwerhörigen, die Wundpflege, die Übergangspflege sowie die spirituelle Begleitung und transkulturelle Pflege  •beschreibt, wie Autonomie und soziale Teilhabe für Familien, Kinder sowie Menschen mit Behinderungen oder sterbende Menschen gemeindenah ermöglicht werden können  •schildert, wie abhängige, entwurzelte, wohnungslose, sich selbst vernachlässigende und psychisch erkrankte Menschen niederschwellig versorgt werden können  •bietet mit pflegerischen Identifikationsfiguren in typischen Versorgungssituationen Einblicke in den Berufsalltag vertiefter ambulanter Pflege.

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Daniela Händler-Schuster

Helmut Budroni

(Hrsg.)

Gemeinde- und Familiengesundheitspflege

Lehrbuch für die ambulante Pflege

unter Mitarbeit von

Sonja Bächi

Georg Bollig

Andreas Büscher

Katja Daugardt

Franzisca Domeisen Benedetti

Katharina Fierz

Angela Flörl

Marie-Luise Friedemann

André Fringer

Michael Galatsch

Vanessa Grand

Martina Hasseler

Mareike Hechinger

Christina Köhlen

Markus Melloh

Mirjam Mezger

Gerhard Müller

Maria Müller Staub

Martin Nagl-Cupal

Sebastian Probst

Susan Schärli-Lim

Ilka Scholl

Michael Schulz

Robert Sempach

Corina Sgier

Julia Söhngen

Sabrina Stängle

Petra Stolz Baskett

Stefanie Sur

Thomas Teichler

Elif Tunay-Çot

Miriam Venn

Veronika Waldboth

Melanie Werren

Erika Zelko

Michael Ziemons

Gemeinde- und Familiengesundheitspflege

Daniela Händler-Schuster, Helmut Budroni (Hrsg.)

Wissenschaftlicher Beirat Programmbereich Pflege:

André Fringer, Winterthur; Jürgen Osterbrink, Salzburg; Doris Schaeffer, Bielefeld; Christine Sowinski, Köln; Angelika Zegelin, Dortmund

Prof. Mag. Dr. Daniela Händler-Schuster (Hrsg.) ist Professorin für gemeindenahe, integrierte Pflege

Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW)

Katharina-Sulzer-Platz 9

8400 Winterthur, Schweiz

E-Mail: [email protected]

Helmut Budroni, MScN (Hrsg.) ist Pflegewissenschaftler

Private Universität Witten/Herdecke

Alfred-Herrhausen-Straße 50

58448 Witten

E-Mail: [email protected]

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

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Anregungen und Zuschriften bitte an:

Hogrefe AG

Lektorat Gesundheit

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

Schweiz

Tel. +41 31 300 45 00

[email protected]

www.hogrefe.ch

Lektorat: Jürgen Georg, Martina Kasper, Brigitte M. Frey-von Matt, Caroline Suter

Bearbeitung: Thomas Sonntag

Herstellung: Daniel Berger

Umschlagabbildung: Cla Gleiser, Thalwil

Umschlag: Claude Borer, Riehen

Illustration/Fotos (Innenteil): Cla Gleiser, Thalwil

Satz: punktgenau GmbH, Bühl

Format: EPUB

1. Auflage 2023

© 2023 Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96098-2)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-76098-8)

ISBN 978-3-456-86098-5

https://doi.org/10.1024/86098-000

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Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Wir widmen dieses Buch allen Pflegefachpersonen, die sich für Menschen engagieren.

Inhaltsverzeichnis

Widmung

Danksagung

Vorwort

Einleitung

1 Perspektiven von Gesundheit und Pflege

1.1 Ein Workshop auf einer TagungKatja Daugardt und Daniela Händler-Schuster

1.2 Entwicklung der gemeindenahen PflegeHelmut Budroni

1.2.1 Gemeindenahe Pflege im Wandel

1.2.2 Notwendigkeit von ambulanter Pflege

1.2.3 Langfristige Konzepte der Pflegesicherung

1.2.4 Ausblick

1.2.5 Literatur

1.3 Akademisierung und ProfessionalisierungKatharina Fierz und Daniela Händler-Schuster

1.3.1 Entwicklungen zur Studierbarkeit der Pflege

1.3.2 Notwendigkeit von professioneller Pflege

1.3.3 Advanced Nursing Practice/Advanced Practice Nursing

1.3.4 Reglementierung von APN

1.3.5 Interprofessionell agieren

1.3.6 Advanced Practice in der Gemeinde

1.3.7 Gemeindearbeit als erweiterte vertiefte Pflegepraxis

1.3.8 Wann ist eine APN-Rolle sinnvoll?

1.3.9 Unterstützung in der Rollenentwicklung

1.3.10 Ausblick

1.3.11 Literatur

1.4 Strukturen und Rahmenbedingungen in DeutschlandAndreas Büscher

1.4.1 Häusliche Krankenpflege und primäre Gesundheitsversorgung

1.4.2 Ambulante Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung

1.4.3 Ambulante Pflegedienste

1.4.4 Beratung zu Pflegefragen

1.4.5 Öffentlicher Gesundheitsdienst

1.4.6 Primäre Gesundheitsversorgung

1.4.7 Schlussfolgerungen für Deutschland

1.4.8 Literatur

1.5 Mobile Pflege und Betreuung in ÖsterreichAngela Flörl und Gerhard Müller

1.5.1 Geschichte und Entwicklung

1.5.2 Finanzierung mobiler Pflege und Betreuung

1.5.3 Ausbildung der Pflegeberufe

1.5.4 Formelle und informelle Dienste

1.5.5 Herausforderungen und Reformbedarf

1.5.6 Ausblick

1.5.7 Literatur

1.6 Spitalexterne Pflege in der SchweizDaniela Händler-Schuster und Corina Sgier

1.6.1 Geschichtliche Entwicklung

1.6.2 Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung

1.6.3 Finanzierung von Pflegeleistungen

1.6.4 Ausblick

1.6.5 Literatur

1.7 Spezialisierte Pflege – Community Health NursingHelmut Budroni, Katja Daugardt und Julia Söhngen

1.7.1 Community – eine Begriffsklärung

1.7.2 Caring Communities – sorgende Gemeinschaften

1.7.3 Neue Versorgungserfordernisse – neue Gesundheitsberufe?

1.7.4 Community Health: Public-Health-Perspektive

1.7.5 Community Health Nursing: Ein neues Berufsbild?

1.7.6 Partnerschaft in Communities

1.7.7 Handlungsfelder und Tätigkeitsschwerpunkte

1.7.8 Ausblick

1.7.9 Literatur

2 Pflegebezogene Gesundheitsversorgung und ihre Einflussfaktoren

2.1 Auf sich gestellt seinKatja Daugardt und Daniela Händler-Schuster

2.2 Soziale Ungleichheit und die AuswirkungenAndreas Büscher

2.2.1 Differenzierung von gesundheitlichen Ungleichheiten

2.2.2 Soziale Ungleichheit und Pflege

2.2.3 Ausblick

2.2.4 Literatur

2.3 Seltene Erkrankungen in der SchweizVeronika Waldboth und Vanessa Grand

2.3.1 Die Zeit der Diagnosestellung

2.3.2 Kindheit und Jugend

2.3.3 Die Transition von Familien

2.3.4 Lebensplanung abseits der Norm

2.3.5 Leben mit der Familie

2.3.6 Partnerschaft und häusliche Pflege

2.3.7 Assistenz und Selbstbestimmung

2.3.8 Berufswahl und Arbeit

2.3.9 Partizipation und Teilhabe

2.3.10 Die letzte Lebensphase

2.3.11 Ausblick

2.3.12 Literatur

2.4 Digitale Hilfen und niederschwellige AngeboteDaniela Händler-Schuster und Franzisca Domeisen Benedetti

2.4.1 Was ist Gesundheitskompetenz?

2.4.2 Digitalisierung im Gesundheitswesen

2.4.3 Beispiele von digitalen Anwendungen

2.4.4 Ambient Assisted Living

2.4.5 Telegesundheitspflege

2.4.6 Niederschwellige Gesundheitsangebote in der Gemeinde

2.4.7 Ausblick

2.4.8 Literatur

2.5 Gemeindebezogene Katastrophen: Disaster NursingMichael Galatsch

2.5.1 Katastrophen, mit denen Pflegefachpersonen konfrontiert werden

2.5.2 Tätigkeiten von Pflegefachpersonen im Katastrophenfall

2.5.3 Ausblick

2.5.4 Literatur

3 Konzeptuelle Rahmen für die Praxis

3.1 Und plötzlich ist alles andersKatja Daugard und, Daniela Händler-Schuster

3.2 Ohne sich selbst zu führen, geht es nicht!Thomas Teichler und Daniela Händler-Schuster

3.2.1 Grundbegriffe: Führung, Management und Leadership

3.2.2 Leadership und Selbstverantwortung

3.2.3 Leadership im Team

3.2.4 Eigenschaften funktionaler Teams

3.2.5 Leadership für Katja Schmids Team

3.2.6 Leadership von Organisationen und Systemen

3.2.7 Buurtzorg – ein innovatives Modell

3.2.8 Leadership für Katja Schmids Organisation und System

3.2.9 Ausblick

3.2.10 Literatur

3.3 Caring Communities als gemeindebezogene RessourceDaniela Händler-Schuster und Robert Sempach

3.3.1 Dynamische Veränderungen im Gesundheitswesen

3.3.2 Intermediäre Strukturen

3.3.3 Communities als Ressource und Notwendigkeit

3.3.4 Die Gemeinschaftsbildung im Sozialraum

3.3.5 Leitplanken des Caring-Communities-Konzepts

3.3.6 Vielfalt von Caring Communities

3.3.7 Gesundheit in den Quartieren fördern

3.3.8 Ausblick

3.3.9 Literatur

3.4 Quartiersbezogene GesundheitsberatungDaniela Händler-Schuster und Sonja Bächi

3.4.1 Menschen werden älter

3.4.2 Die Bedeutung von präventiven Beratungsangeboten

3.4.3 Ursachen des Eintritts in ein Pflegeheim

3.4.4 Kontinuität sichern

3.4.5 Ablauf der gesundheitsbezogenen Beratung

3.4.6 Ausblick

3.4.7 Literatur

3.5 Unterstützung von betreuenden AngehörigenFranzisca Domeisen Benedetti und André Fringer

3.5.1 Ausgangslage

3.5.2 Situation von betreuenden Angehörigen

3.5.3 Unterstützung bedarfsgerecht weiterentwickeln

3.5.4 Ausblick

3.5.5 Literatur

4 Ansätze in der Gesundheitspflege

4.1 Der rettende HausbesuchKatja Daugardt und Daniela Händler-Schuster

4.2 Community-Health-AssessmentHelmut Budroni und Miriam Venn

4.2.1 Ein Assessment in Partnerschaft

4.2.2 Gemeindearbeit – gemeinsame Arbeit

4.2.3 Das Marienviertel

4.2.4 Ausblick

4.2.5 Literatur

4.3 Klinisches AssessmentPetra Stolz Baskett

4.3.1 Definition und Struktur des Klinischen Assessments

4.3.2 Anamnesegespräch

4.3.3 Systematische körperliche Untersuchungen

4.3.4 Prozess der klinischen Entscheidungsfindung

4.3.5 Subjektive und objektive Daten

4.3.6 Assessment und Planung

4.3.7 Assessment diverser Bevölkerungsgruppen

4.3.8 Geriatrisches Assessment

4.3.9 Klinisches Assessment bei Personen mit Migrationshintergrund

4.3.10 Kommunikation des Klinischen Assessments

4.3.11 Ausblick

4.3.12 Literatur

4.4 Häufige Pflegediagnosen in der spitalexternen PflegepraxisMaria Müller Staub

4.4.1 Der Advanced Nursing Process

4.4.2 NNN-Assessment und klinische Entscheidungsunterstützung

4.4.3 Pflegediagnosen

4.4.4 Pflegeinterventionen

4.4.5 Pflegeergebnisse

4.4.6 Pflegediagnosen in der Spitex

4.4.7 Literatur

5 Ansätze zur familiären und individuellen Gesundheitsversorgung

5.1 Dem Tod von der Schippe gesprungenKatja Daugardt und Daniela Händler-Schuster

5.2 Partizipation, Selbstbestimmung, Autonomie und InklusionMartina Hasseler

5.2.1 Begriffsbestimmung

5.2.2 Rehabilitative Pflege

5.2.3 Unterstützende Maßnahmen

5.2.4 Ausblick

5.2.5 Literatur

5.3 Das erste familienbezogene PflegegesprächChristina Köhlen und Marie-Luise Friedemann

5.3.1 Anleihen aus der Familientherapie

5.3.2 Pflege und Familientherapie

5.3.3 Familien- und umweltbezogene Pflege

5.3.4 Konzept Gesundheit

5.3.5 Die Theorie des systemischen Gleichgewichts

5.3.6 Anwendung auf das Fallbeispiel

5.3.7 Der Fall von Eren Arslan

5.3.8 Ausblick

5.3.9 Literatur

5.4 Pflegende Kinder und JugendlicheMartin Nagl-Cupal

5.4.1 Was sind Young Carers?

5.4.2 Auswirkungen kindlicher Pflege

5.4.3 Bewusstsein als Voraussetzung für Unterstützung

5.4.4 Individuelle Situationsbeurteilung der Young Carers

5.4.5 Pflegeaktivitäten und ihre Auswirkungen

5.4.6 Unterstützungsmaßnahmen

5.4.7 Fokus auf die Familie

5.4.8 Familiäres Assessment

5.4.9 Familienkonferenz

5.4.10 Ausblick

5.4.11 Literatur

5.5 Palliativversorgung und Sterben zu HauseGeorg Bollig, Daniela Händler-Schuster und Erika Zelko

5.5.1 Hintergrund

5.5.2 Transfer zur Situationsbeschreibung

5.5.3 Palliativversorgung und End-of-Life Care – Begriffsklärung

5.5.4 Fragen nach dem Sinn des Lebens

5.5.5 Vorsorgen und entscheiden: Wer darf was entscheiden?

5.5.6 Unterstützungsmöglichkeiten für das Sterben zu Hause

5.5.7 Vorbereitung am Beispiel des Letzte-Hilfe-Kurses

5.5.8 Palliative Care und Community Health Nursing

5.5.9 Ausblick

5.5.10 Literatur

6 Vulnerabilität und prädisponierende Faktoren

6.1 Entwurzelt seinKatja Daugardt und Daniela Händler-Schuster

6.2 Vulnerabilität und vulnerable PersonengruppenHelmut Budroni

6.2.1 Vulnerabilität als menschliche Eigenschaft

6.2.2 Vulnerabilität als spezifisches Phänomen

6.2.3 Kompetenzen und Haltungen von Pflegefachpersonen

6.2.4 Ausblick

6.2.5 Literatur

6.3 Bei Selbstvernachlässigung agierenMelanie Werren und Daniela Händler-Schuster

6.3.1 Was ist Selbstvernachlässigung?

6.3.2 Welche Einflussfaktoren begünstigen Selbstvernachlässigung?

6.3.3 Identifikation und Umgang mit Selbstvernachlässigung

6.3.4 Resilienz erkennen

6.3.5 Für sich selbst Sorge tragen

6.3.6 Ausblick

6.3.7 Literatur

6.4 Menschsein – auf der StraßeStefanie Sur, Daniela Händler-Schuster und Helmut Budroni

6.4.1 Wohnungslosigkeit – Obdachlosigkeit

6.4.2 Ursachen von Wohn- und Obdachlosigkeit

6.4.3 Hürden und Hintergründe von Wohnungslosigkeit

6.4.4 Behördengänge

6.4.5 Sich in Schulden verlieren

6.4.6 Ungeklärter Versichertenstatus

6.4.7 Als erkrankter Mensch wohnungslos sein

6.4.8 Unterschätzte Brücken

6.4.9 Wohnungslosigkeit entgegenwirken: Formen der Beteiligung

6.4.10 Ausblick

6.4.11 Literatur

6.5 Der Gesundheitsbulli der Städteregion AachenMichael Ziemons und Elif Tunay-Çot

6.5.1 Soziale Lage und gesundheitliche Versorgung

6.5.2 Kumulation von gesundheitlichen Problemlagen

6.5.3 Bezug zur Städteregion Aachen

6.5.4 Wirksamkeit der Aachener Praxis

6.5.5 Praktischer Einsatz von Community Health Nurses

6.5.6 Ausblick

6.5.7 Literatur

6.6 Home-Treatment in der psychiatrischen PflegeIlka Scholl und Michael Schulz

6.6.1 Versorgungskonzepte

6.6.2 Psychiatrische Pflege in der Gemeinde

6.6.3 Advanced Nursing Practice in der Gemeindepsychiatrie

6.6.4 Das Gezeiten-Modell

6.6.5 Haltung psychiatrisch Pflegender

6.6.6 Entwicklung und Möglichkeiten

6.6.7 Ausblick

6.6.8 Literatur

7 Pflegepraxis in der Gemeinde

7.1 Wohnen in einem MehrgenerationenhausKatja Daugardt und Daniela Händler-Schuster

7.2 Transitionen begleiten und unterstützenMareike Hechinger, Franzisca Domeisen Benedetti und Daniela Händler-Schuster

7.2.1 Was sind Transitionen?

7.2.2 Arten von Transitionen

7.2.3 Transitionen unterstützen

7.2.4 Ausblick

7.2.5 Literatur

7.3 Spiritualität und Religiosität zulassenMirjam Mezger, Franzisca Domeisen Benedetti und Sabrina Stängle

7.3.1 Spiritualität und Religiosität – Begriffsklärung

7.3.2 Gespräche ermöglichen

7.3.3 Direktes und indirektes Ansprechen

7.3.4 Hoffnung und Hoffnungslosigkeit

7.3.5 Vielfalt gehört zum Alltag

7.3.6 Ausblick

7.3.7 Literatur

7.4 Wundpflege im häuslichen BereichSebastian Probst

7.4.1 Wundprävalenz und -ätiologie

7.4.2 Transition: Vom Spital nach Hause

7.4.3 Perspektiven bei der häuslichen Wundversorgung

7.4.4 Kompetenzen von Pflegenden

7.4.5 Ausblick

7.4.6 Literatur

7.5 Interkulturelle KommunikationSusan Schärli-Lim und Daniela Händler-Schuster

7.5.1 Warum interkulturelle Kompetenz wichtig ist

7.5.2 Kultur

7.5.3 Interkulturelle Kompetenz

7.5.4 Kultursensibel kommunizieren

7.5.5 Kommunikationsstile

7.5.6 Kontextarme und kontextreiche Kommunikationsstile

7.5.7 Kulturdimensionen

7.5.8 Ausblick

7.5.9 Literatur

7.6 Resilienzförderung bei AltersschwerhörigkeitDaniela Händler-Schuster und Markus Melloh

7.6.1 Das veränderte Hören im Alter

7.6.2 Auswirkungen der Altersschwerhörigkeit

7.6.3 Altersschwerhörigkeit und Demenzentwicklung

7.6.4 Veränderte Kommunikationsfähigkeit

7.6.5 Resilienz als fortlaufender Anpassungs- und Entwicklungsprozess

7.6.6 Die kommunikationsbasierte dynamische Resilienz

7.6.7 Ressourcen zur Integration des neuen Hörens

7.6.8 Was „neues“ Hören im Alltag erschwert

7.6.9 Hörhilfen auswählen und anwenden

7.6.10 Empfehlungen für eine APN-geleitete Pflege

7.6.11 Ausblick

7.6.12 Literatur

Herausgeber und Autorenverzeichnis

Sachwortverzeichnis

|17|Danksagung

Mit dem Erscheinen dieses Buches ist wieder einmal deutlich geworden, dass es den stetigen Dialog im Miteinander braucht und man Ziele nur gemeinsam erreichen kann. So gebührt der Dank für das vorliegende Werk allen Mitwirkenden, die ihren Beitrag vor allem in ihrer Freizeit verfasst und trotz privater Herausforderungen und der Coronapandemie weitergemacht haben. Auch denjenigen, die sich entschließen mussten, ihre Mitarbeit zugunsten verschiedener Gründe zurückzunehmen, möchten wir für den erbrachten Beitrag danken.

Und ein besonderer Dank geht an Claudia Kuhr, die uns mit ihrem geduldigen Lesen und Redigieren aller Beiträge besonders in der Schlussphase der Fertigstellung dieses Buches eine großartige Unterstützung war.

Wir möchten an dieser Stelle hervorheben, welche Bedeutung die tägliche Arbeit von Pflegefachpersonen für unsere Gesellschaft hat. Viele Pflegefachpersonen verfügen über eine unglaubliche Strahlkraft, sprechen andere Mitarbeitende in der positiven Persönlichkeitsentwicklung an und motivieren andere dazu, die Profession der Pflege aktiv mitzugestalten. In schwierigen Gesprächen sind sie in der Lage, Trost zu spenden. Mit Bedacht wählen sie ihre Worte und zeigen in der Begegnung mit anderen ein großes Empathievermögen. Jeden Tag setzen sie sich für die Bedürfnisse von Familien ein und agieren als ihr Sprachrohr in und außerhalb der Gemeinde. Wir hoffen, dass dieser Einsatz auch zukünftig von der Gesellschaft eine angemessene Wertschätzung erfährt.

|19|Vorwort

Heute ist es wichtiger denn je, dass Pflegefachpersonen auf komplexe Situationen reagieren können. Wir haben eine Zunahme der Zahl an älteren Menschen, die vor allem von Komorbiditäten, also von Begleiterkrankungen, betroffen sind und zu Hause leben. Zunehmend werden vor allem ältere Menschen mit gesundheitlichen Herausforderungen in häuslicher Pflegeumgebung gemeindenah versorgt.

Mit der Idee, verschiedene Pflegesettings abzubilden und eine Diskussionsgrundlage zu schaffen, welche die Kommunikation zur Weiterentwicklung der professionellen Pflege im deutschsprachigen Raum unterstützt, war es nie der Anspruch, die Vollständigkeit von Inhalten zu den jeweiligen Themen abzubilden. Es war und ist das Ziel, Inhalte für die professionelle Pflegepraxis aufzuzeigen und eine Vorstellung davon zu vermitteln, wie sich die professionelle Pflege weiterentwickeln kann. Mit der Absicht, eine länderübergreifende Perspektive abzubilden, ist deutlich geworden, wie bedeutsam der Dialog für das gegenseitige Verständnis von Pflege ist, und wie sehr Rahmenbedingungen die Gestaltung der Pflegepraxis beeinflussen.

Die Beiträge zeigen Handlungsoptionen auf, sich für und in der professionellen Pflegepraxis zu engagieren. In der gemeindebasierten, professionellen Pflegepraxis braucht es das Zusammenspiel verschiedener Player. Es gibt unzählige Orte, wo die professionelle Pflege agieren kann und zukünftig agieren muss. Wir können die Inhalte unserer Arbeit noch deutlicher benennen und nach außen tragen. Wir wünschen uns, dass dieses Buch Ideen davon vermittelt, wie Pflegefachpersonen ihre Profession vertreten und bewusst gestalten können.

Häufig sind Pflegefachpersonen in der Gemeinde- und Familiengesundheitspflege auf sich selbst gestellt und müssen auf andere Disziplinen zugehen. Das setzt nach unserer Ansicht voraus, dass sich Pflegefachpersonen auskennen und sich der Bedeutung der Netzwerkarbeit bewusst sind. Insbesondere in der erweiterten klinischen Praxis sprechen wir von Advanced Nursing Practice (ANP) und Advanced Practice Nursing (APN). Mit dem neuen deutschen Studiengang zu Community Health Nursing (CHN) gehen wir davon aus, dass in Zukunft mehr Pflegeexperten und -expertinnen APN/CHN mit einem Master of Science im ambulanten Bereich tätig sein werden. Wir sind der Meinung, dass Pflegefachpersonen insbesondere mit einem Master of Science viele Gestaltungsspielräume in der Gemeinde- und Familiengesundheitspflege haben werden, wenngleich sie diese an vielen Orten erst noch initiieren und aufbauen müssen. Pflegefachpersonen identifizieren sich häufig mit dem Ort, an dem sie tätig sind, und mit der Rolle, die ihnen zugesprochen wird. Es besteht noch recht viel Potenzial, um enger miteinander zusammenzuarbeiten und der Spaltung zwischen Spital, Heim und Spitex entgegenzuwirken. Für Pflegefachpersonen, die sich in der |20|Gemeinde- und Familiengesundheitspflege engagieren, sollte die Wissenschaftsorientierung Bestandteil der täglichen Praxis sein. Wenn es um Community Health Nursing geht, ist es uns sehr wichtig, von der erweiterten Pflegeexpertise zu sprechen. Wir gehen davon aus, dass Pflegefachpersonen diese benötigen, um mit komplexen Langzeitverläufen zurechtzukommen. Vor dem Hintergrund, dass Menschen heute länger leben, älter werden, gebrechlicher und vielmals mit mehreren Erkrankungen gleichzeitig leben, benötigt es diese Spezialisierung, die im Übrigen in anderen Professionen selbstverständlich ist. Für andere Menschen Verantwortung zu tragen, dafür benötigt es verschiedene Kompetenzen. Wohlweislich vor dem Hintergrund, dass vor allem im deutschsprachigen Raum die Advanced-Nursing-Practice-Bewegung noch dabei ist, sich zu etablieren, sollen Beispiele von expertengeleiteter Pflegepraxis Mut machen, sich für deren Weiterentwicklung einzusetzen.

Die Herausgeberin, der Herausgeber

Daniela Händler-Schuster, Helmut Budroni

|21|Einleitung

Das Buch ist in sieben Kapitel unterteilt, die ein Spektrum der gemeindenahen Pflege abbilden, welches sich uns als ein Überblick der vielfältigen Themen darstellt, mit denen die Pflege in der Gemeinde befasst ist. In dem Buch agieren sechs Pflegefachpersonen als sogenannte Personas, die sich in der vertieften Pflegepraxis im Setting der Gemeinde zurechtfinden. So stehen Seraina Wyler, Katja Schmid, Joshi Huber, Volker Jansen, Claudia Volderauer und Michi Zech für Pflegefachpersonen, die in Österreich, Deutschland oder der Schweiz leben und mit unterschiedlichen Situationen konfrontiert sind. Es war uns ein Bestreben, ihnen einen Charakter zu geben. Alle Namen, Lebens- und Berufssituationen sind frei erfunden, etwaige Übereinstimmungen mit realen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Jedes Kapitel beginnt mit einer Situationsbeschreibung, die jeweils ein Einsatzfeld und/oder eine konkrete Situation im Berufsalltag einer der vorgestellten Personas abbildet und gleichzeitig eine mögliche Lebenswelt skizziert, die Ausgangs- und Zuwendungspunkt professionellen Handelns ist. In der Begegnung mit diesen Lebenswelten ergeben sich zentrale Fragen für dieses professionelle Handeln, die uns gleichsam als Leitfragen für die einzelnen Abschnitte der Kapitel gedient haben. Die Perspektiven der Autoren und Autorinnen konzentrieren sich bei der Zuwendung der jeweiligen Personas nicht auf das jeweilige Land, in dem die vorgestellte Persona agiert, sondern die professionelle Pflegepraxis wird aus der Perspektive der DACH-Länder Deutschland, Österreich und der Schweiz in Bezug auf das jeweilige Thema beschrieben. Wie wir professionelle Pflege gestalten, hängt von den Ländern ab, in denen die Pflegepraxis stattfindet. Die Geschichte des Landes, in dem wir arbeiten, die gesellschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Ausbildungs- und Bildungsbedingungen, die Umwelt, das Klima, die Infrastruktur und – nicht zuletzt – die Menschen bedingen die Art und Weise, wie wir die Pflegepraxis durchführen können. Die eigenständige Arbeit hängt schließlich auch vom Selbstbild der Pflegefachpersonen ebenso ab wie von der Beschaffenheit des Gesundheitssystems, etwa von der Dichte der Ärzte und Ärztinnen in der jeweiligen Region, Art und Anzahl der Pflegeeinrichtungen, ambulanten Dienste etc.

Dieses Buch ist ein Anfang und eine Aufforderung zugleich, das Feld der gemeindenahen, familienorientierten und wissenschaftlich fundierten Pflege weiter zu bearbeiten und weiterzuentwickeln und die Kenntnisse daraus miteinander zu teilen.

Die agierenden Personas

Joshi Huber ist 36 Jahre alt. Nach einer schwierigen Beziehung mit seinem Partner trennte er sich von ihm. Seitdem stellt er nicht nur sein bisheriges Privatleben infrage, sondern auch seine berufliche Existenz. Bislang war er als Pflegefachmann auf der Anästhesie eines Uni|22|versitätsspitals in der Schweiz, doch die Ökonomisierung und der Stellenabbau zehrten an seinen Nerven. Er stellte sich die Frage, ob er mit einem Master of Science in Pflege etwas Neues ausprobieren sollte. Joshi Huber hat erkannt, dass er viel für den psychiatrischen Bereich in der Community tun kann, und dass dieses Einsatzfeld durch die heterogenen Gemeinschaften sehr vielfältig geworden ist. Er liebt Grenzthemen und die Arbeit mit den Klienten und Klientinnen; das war ihm im Universitätsspital nie so deutlich geworden. Seit Kurzem arbeitet er in einem Gesundheitszentrum und besucht selbstständig in Koordination mit dem Arzt die Klienten und Klientinnen. Im Schwerpunkt besucht er jene, die auch von psychosomatischen Beschwerden betroffen sind. Durch den Masterabschluss gelingt es ihm, mit anderen Disziplinen auf Augenhöhe zu kommunizieren. Er findet in seiner Rolle Anerkennung.

Volker Jansen ist 42 Jahre alt, geschieden und hat zwei Töchter, die abwechselnd bei ihm und seiner Ex-Frau leben. Er hat viele Jahre in der Baubranche gearbeitet. Die Arbeit mit Menschen hat ihn jedoch seit jeher angesprochen, weshalb er entschied, eine Pflegeausbildung zu absolvieren, die er im letzten Jahr beendet hat. In seiner Abschlussarbeit befasste sich Volker Jansen intensiv mit den neuen Versorgungsformen im Gesundheitswesen. Mit dem Umzug ins Ruhrgebiet (Deutschland) erhofft er sich mehr berufliche Perspektiven als Pflegefachmann. Volker Jansen hat sich nach dem Studium im Bereich Community Health Nursing mit verschiedenen Bereichen auseinandergesetzt. Er hat eine Teilzeitanstellung in einer Hausarztpraxis in der Gemeinde, in der er wohnt. Neben der Beratungsarbeit besucht er selbstständig Klienten und Klientinnen und unterstützt diese im Alltag.

Katja Schmid ist 32 Jahre alt und Mutter einer Tochter. Als Pflegefachfrau ist sie teilzeitbeschäftigt. Mit der Einschulung ihrer Tochter sucht sie nach einer neuen Perspektive, um sich beruflich zu verändern. Da sie seit jeher gern mit Familien zusammengearbeitet hat, möchte sie den ambulanten Bereich nicht verlassen. Sie schätzt die Abwechslung und die Unabhängigkeit, das freie und individuelle Arbeiten. Nachdem Katja Pflege studiert hat, arbeitet sie in einem ambulanten Pflegedienst in Deutschland. Sie hat die Möglichkeit, Beratungsangebote auf die Bedürfnisse der Familien abzustimmen. Sie berät und ist vernetzt mit den umliegenden Diensten. Sie ist maßgeblich daran beteiligt, wie Familien mit ihren Gesundheitsanliegen umgehen, und welche Hilfen sie erhalten.

Claudia Volderauer ist 36 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann in einer kleinen Gemeinde im Tirol. Sie hat einen Sohn, der in die Schule geht. Seit dem letzten Jahr arbeitet sie in Teilzeit als Wohnbegleitung in einem Mehrgenerationenhaus. Aufgrund der Zunahme an Pflegebedürftigkeit ist sie dabei, nach neuen Konzepten und Modellen zu suchen. Sie befasst sich mit der Frage nach neuen Möglichkeiten, da sie merkt, dass sie mit ihrem Wissen in der Wohnbegleitung an ihre Grenzen kommt. Die Hausärzte und Hausärztinnen in der Region sind schwer verfügbar. Nachdem Claudia Volderauer ihr Masterstudium in Pflege absolviert hat, ist ihr in der Pflegepraxis vor allem die Familienorientierung wichtig. Sie weiß von den Initiativen aus den Nachbarländern und glaubt daran, dass sich das Berufsbild der Community Health Nurse auf Masterebene auch in Österreich etablieren wird.

Seraina Wyler, 28 Jahre, ledig, wohnt seit vier Jahren mit ihrem Bruder in einer WG in Zürich. Sie ist im Wallis geboren und absolvierte vor sechs Jahren ihre Grundbildung. Als Pflegefachfrau hat sie den Schwerpunkt Kinder und Jugendliche. Sie hat mehrheitlich auf der Chirurgie im Kinderspital Zürich gearbeitet und möchte neue Felder in der Pflegepraxis kennenlernen. Sie ist bei der Kispex als Pflegeexpertin tätig. Bei der Kispex handelt es sich um pädiatrische Pflege im spitalexternen Setting in der |23|Schweiz. Sie setzt sich mit dem Aufbau einer vertieften Pflegepraxis auseinander und steht ein, wenn es um Fachfragen und konzeptionelle Entwicklungen geht. Sie hat sehr häufig mit komplexen Situationen zu tun, insbesondere wenn es um Familien geht, die ein chronisch krankes Kind oder ein Kind mit einer Behinderung betreuen und zusätzlich Migrationserfahrung haben.

Michi Zech ist 52 Jahre alt, ledig und lebt in Wien. Sie ist mehr als 30 Jahre in der Pflege beschäftigt und arbeitete mehrere Jahre als Streetworkerin. Da ihr der extramurale Bereich zu einseitig vorkam, pendelt sie zwischen der Sozialarbeit und der Pflege hin und her. Sie hat ein großes Interesse an Heilkräutern und alternativer Medizin und beschäftigt sich mit der Frage, ob sie im ambulanten Bereich auch zur Gesundheitsförderung beitragen kann. Sie möchte direkt dort ansetzen, wo Hilfe gebraucht wird. Ihr Vorbild sind die Nurses in Kanada, die obdachlosen Menschen helfen. Michi Zech ist dem Vorbild aus Kanada treu geblieben: Sie hat sich mit verschiedenen Versorgungsmöglichkeiten auseinandergesetzt und ist nun mit einem Gesundheitsbus unterwegs, mit dem sie im Auftrag der Stadt ein niederschwelliges Angebot für Menschen ohne festen Wohnsitz vertritt. Sie berät in Sachen Gesundheitsversorgung und Förderung, verteilt Medikamente und ist häufig die erste Ansprechperson in Gesundheitsfragen.

|25|1  Perspektiven von Gesundheit und Pflege

Im ersten Kapitel zeigen wir Perspektiven von Gesundheit und Pflegebedürftigkeit in der Gemeinde auf, geleitet von Fragen nach dem Verständnis von Pflegebedürftigkeit und Versorgungsbedarf sowie von den Rahmenbedingungen gemeindenaher Versorgung in den sogenannten DACH-Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz. Aufgaben, Funktionen und Rollen von Pflegefachpersonen in der kommunalen Versorgung werden in diesem Kapitel näher beleuchtet. Vorangestellt wird die Situation der Pflegefachpersonen Seraina Wyler, Michi Zech, Katja Schmid und Claudia Volderauer sowie Joshi Huber und Volker Jansen, die sich auf einer Tagung treffen und miteinander ins Gespräch kommen (Abb. 1-1).

Abbildung 1-1:  Pflegefachpersonen im internationalen Austausch (Zeichnung: Cla Gleiser, 2022)

|26|1.1  Ein Workshop auf einer Tagung

Katja Daugardt und Daniela Händler-Schuster

An diesem Samstag findet in Zürich die Tagung „Gesundheit in der Nachbarschaft“ statt, zu der Vertreter und Vertreterinnen aus dem Gesundheits- und Pflegebereich eingeladen sind. Ziel dieser Tagung ist es, Angebote zu definieren, die zur Förderung von „Caring Communities“ beitragen.

Nach verschiedenen Vorträgen am Vormittag finden am Nachmittag Workshops statt, an denen jeweils sechs Personen teilnehmen können. Die Teilnehmenden, die aus dem internationalen Raum kommen, haben die Aufgabe, unter vorgegebenen Fragestellungen zu diskutieren und sich auszutauschen. Neben Möglichkeiten der Gestaltung von Angeboten für Menschen mit einem niedrigen Pflegebedarf oder für Menschen im palliativen Kontext beschäftigt sich eine Gruppe mit dem Thema „Information und Beratung zu Betreuung und Pflege“.

Zunächst stellen sich die Teilnehmenden untereinander kurz vor. Es wird festgelegt, wer die Ergebnisse im Plenum vorstellt, und wer die Gruppe moderiert.

Katja Schmid (32 Jahre), die aus Deutschland kommt, übernimmt die Gesprächsleitung: „Wie wir heute Vormittag gehört haben, handelt es sich ja bei Caring Communities um Gemeinschaften in einem Quartier, einer Gemeinde oder in einem Dorf, in der Menschen füreinander sorgen und sich gegenseitig unterstützen. Welche Erfahrungen habt ihr denn in euren Ländern gemacht?“

Joshi Huber (36 Jahre) ist der Meinung, dass es in der Schweiz schon sehr viele Angebote gebe, die dazu beitragen würden, dass Menschen informiert seien, um sich um ihre Angehörigen zu Hause kümmern zu können. Als Beispiel nennt er das Projekt der Gemeinde Reichenburg und dem Partnernetzwerk „richäburg.füränand“, das wesentlich zur Kostenoptimierung im Gesundheitswesen beiträgt, indem es ein Umfeld schafft, in dem Senioren und Seniorinnen so lang wie möglich zu Hause leben können.

Katja Schmid (32 Jahre) berichtet von plötzlichen Gesundheitseinbrüchen, in denen es oft schwierig ist, sich zu orientieren. Sie stellt fest: „Vielleicht könnten sich sogenannte Gemeinschaften gegenseitig helfen. Braucht man dann überhaupt noch professionell Pflegende?“

„Natürlich!“ Rechts von ihr meldet sich die Wienerin Michi Zech (52 Jahre) zu Wort. Sie wendet ein, dass vor allem Angehörige viel zu wenig entlastet werden, und dass sie zu schützen seien, damit Pflege zu Hause gewährleistet werden könne. Das könnten Gemeindeschwestern tun, so wie damals die Gemeindeschwester „Schwester Agnes“, sicher eine der berühmtesten Vertreterinnen ihrer Zunft in der damaligen Deutschen Demokratischen Republik.

Die Österreicherin Claudia Volderauer (36 Jahre) pflichtet ihr bei. Katja Schmid schreibt Stichpunkte auf und vergewissert sich, ob sie alles Notwendige erfasst hat.

Volker Jansen (42 Jahre) betont den Aspekt „Hilfe zur Selbsthilfe“, der in Deutschland gesetzlich verankert sei.

„Wie könnte diese Hilfe denn in einer Caring Community aussehen?“, fragt Seraina Wyler.

Volker Jansen erklärt, dass er sich ein solches Konzept in Form einer gesundheitsbezogenen Beratung vorstellen könnte. „Eine Beratung, die von Pflegefachpersonen mit besonderer Expertise durchgeführt wird, die in der Lage sind, erweitertes Wissen situationsspezifisch anzuwenden. Das müsste so jemand sein wie eine Community Health Nurse. In Finnland gibt es solche Pflegeexperten.“

Alle schauen ihn fragend an.

„Also keine Freiwilligen?“, fragt Joshi Huber nach.

Zögernd bringt Katja Schmid den Einwand ein, dass sie nicht wisse, ob eine gesundheitsbezogene Beratung nicht eher zum Aufgabenbereich von Hausärztinnen und Hausärzten gehöre. Die wüssten doch um Krankheiten am besten Bescheid.

|27|Joshi Huber schüttelt den Kopf: „So einfach ist das nicht. Da kommen verschiedene Berufsgruppen zusammen. Die Pflege muss sich da positionieren!“

„Ja sicher“, sagt Michi Zech, „aber wie? Bei uns in Österreich ist das gar nicht so einfach. Alle reden von APNs und niemand will sie reglementieren.“

„Ja, das kennen wir auch so in der Schweiz!“, sagt Seraina Wyler etwas resigniert und fragt interessiert weiter: „Wie sind eigentlich bei euch in Österreich die rechtlichen Strukturen? Das klingt so, als wenn es bereits Studienangebote im Bereich Advanced Nursing Practice gibt, aber keine Einsatzfelder.“

„Genau!“, bestätigt Claudia Volderauer. „Es gibt Pflegefachpersonen, die eigentlich schon ähnlich wie APNs arbeiten, aber es nicht wissen …“

„Moment!“, unterbricht Volker Jansen. „Das sind dann aber keine Pflegeexperten, die in der Gemeinde arbeiten, oder? Wäre das denn nicht ein Gewinn? So eine Community Health Nurse könnte doch dazu beitragen, Caring Communities in ihrer Entstehung zu fördern, meint ihr nicht? Ich bin mir nicht sicher, wie bei uns die Gesetzgebung ist, aber wahrscheinlich gibt es da auch Unterschiede in unseren drei Ländern.“

Seraina Wyler macht plötzlich einen nachdenklichen Eindruck und entgegnet den anderen gegenüber: „Ich frage mich schon die ganze Zeit, warum die Gemeindearbeit plötzlich wieder so an Bedeutung gewonnen hat, und was eigentlich der Unterschied zwischen einer Advanced Practice Nurse und einer Community Health Nurse ist …“

Plötzlich läutet der Gong und es wird Zeit, in das Plenum zurückzukehren. Jeder greift sich noch schnell einen Informationsflyer über einen Masterstudiengang Community Health Nursing, der auf dem Tisch liegt.

Leitende Fragen

Welche Möglichkeiten der pflegebezogenen Versorgung gibt es in der Gemeinde?

Inwieweit ist die Rolle der Advanced Practice Nurse in der Schweiz reglementiert?

Sind Community Health Nurses die Lösung für gesundheitsbezogene Herausforderungen?

Was bedeutet heute Community Health Nursing für den deutschsprachigen Raum?

Kann Community Health Nursing als ein neues Berufsbild bezeichnet werden?

Wie unterscheidet sich Community Health Nursing von Advanced Practice Nursing?

Wie unterscheiden sich die Rahmenbedingungen der Pflegepraxis in den Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz?

Was bedeutet es, wenn wir von Community sprechen?

Was sind Tätigkeitsfelder von Community Health Nurses und welcher Abschluss ist für eine solche Bezeichnung notwendig?

1.2  Entwicklung der gemeindenahen Pflege

Helmut Budroni

In der Situationsbeschreibung sind die Pflegefachpersonen zum Thema gemeindebezogene Arbeit rege im Gespräch. Dabei bleibt die Frage offen, wie sich die gemeindebezogene Arbeit entwickelt hat, und welche Gründe dazu beigetragen haben, dass die gemeindebezogene Arbeit an Bedeutung gewonnen hat. Betrachtet man die Entwicklungen der gemeindebezogenen Gesundheitsversorgung in den DACH-Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz, aber auch in Europa, ist diese von ähnlichen Veränderungen geprägt, insbesondere in den vergangenen drei bis vier Jahrzehnten. Wenn Hackmann mehr als 20 Jahre vor Entstehung des vorliegenden Buches konstatierte, dass „die Geschichte der ambulanten Pflege in Deutschland bis heute nicht geschrieben“ sei (Hackmann, 2001, S. 209), so trifft dies zweifelsohne auch heute noch zu, und dies wird auch sowohl |28|für den schweizerischen wie auch für den österreichischen Kontext festgestellt (Messner, 2017; Walter, 2003).

Die Grundlinien der Entwicklung der gemeindenahen Versorgung von kranken und pflegebedürftigen Menschen unterscheiden sich bis zum Zweiten Weltkrieg und in den Nachkriegsjahren durchaus voneinander. Während in Deutschland und auch in der Schweiz religiöse Liebesdienste und eine an den Prinzipien der Rotkreuz-Mutterhäuser und der Diakonissenanstalten nach dem Kaiserswerther Modell orientierte Tätigkeit das Modell der vorberuflichen Pflege prägte, hatte die Krankenversorgung durch protestantische Religionsgemeinschaften in Österreich einen geringen Stellenwert. Rotkreuz-Mutterhäuser gab es hier nicht, im Gegenteil überwog schon im frühen 19. Jahrhundert die Zahl der weltlichen Pflegenden die der geistlichen (Messner, 2017). Allerdings verordneten sich zumindest die Organisationen in der Schweiz schon im frühen 20. Jahrhundert politische und religiöse Neutralität, wie es im folgenden Zitat zum Ausdruck kommt:

„Die Gemeindeschwester muss religiös und politisch neutral sein. Deshalb kann nur das Rote Kreuz, das als Organisation völlig neutral ist, dafür sorgen, dass die Gemeindeschwester neutral und unabhängig ist. Dank ihrer Schwesterntracht und namentlich dank dem Rotkreuzzeichen stehen der Gemeindeschwester alle Türen offen. Überall wird sie als Freundin, als Vertraute, als vom Himmel geschickte Hilfe willkommen geheissen.“

(„La Croix-Rouge suisse“, 1. August 1922, S. 89)

Gleichwohl finden sich in den drei hier beschriebenen Ländern viele Parallelen hinsichtlich der Entwicklung der gemeindenahen Pflege, etwa dahingehend, dass vor allem Ordensgemeinschaften, aber auch der Kriegsopfer-Versorgung in den Anfängen der (beruflichen) Krankenpflege eine besondere Bedeutung zukam. Die nachfolgenden Abschnitte werden daher eine gemeinsame Betrachtung mit überwiegendem Fokus auf Deutschland darstellen, allenfalls wird auf Besonderheiten in Österreich und in der Schweiz hingewiesen.

1.2.1  Gemeindenahe Pflege im Wandel

Die Versorgung pflegebedürftiger Menschen zu Hause hat ihren Ursprung in der Gemeindepflege in der Mitte des 19. Jahrhunderts und ist seitdem zahlreichen Wandlungen unterworfen. Entstanden im Kontext der Neugründungen religiöser Pflegeorden sowie der in Deutschland und der Schweiz nach dem Mutterhausprinzip organisierten Diakonie (Moers, 1997), nahm die Gemeindepflege, von einem karitativ-christlichen Verständnis geprägt, neben Aufgaben der Krankenpflege auch die Betreuung von Familien, die Armenfürsorge, Aufgaben in der Alten- und Jugendarbeit sowie der Seelsorge wahr (Moers, 1997). Bischoff-Wanner (2014) beschreibt in ihrer Ausarbeitung zur „Pflege im historischen Vergleich“ drei Entwicklungslinien, die für die Verberuflichung der Pflege im 19. Jahrhundert prägend waren:

die Industrialisierung und die „soziale Frage“

den Wandel der Geschlechterverhältnisse in der bürgerlich-industriellen Gesellschaft

die Entwicklung der Medizin zur Naturwissenschaft.

Die Industrialisierung führte zu einer Verelendung und gleichzeitig Vereinzelung großer Teile der arbeitenden Bevölkerung in den Industriegebieten – die gewachsene familiäre, nachbarschaftliche und dörfliche Hilfe im Krankheitsfall ging zunehmend verloren, weil arbeitende Menschen sich in den Zentren der Industrie ballten, um Arbeit zu finden und ihren Lebensunterhalt zu verdienen (Bischoff-Wanner, 2014). Während auf der einen Seite das Bürgertum wirtschaftlichen sozialen Aufstieg erfuhr, entstand gleichzeitig eine besitzlose Arbeiterschaft, deren Gesundheitsstatus allenfalls als ökonomische Größe Beachtung fand, also vor allem im Sinne der Arbeitsfähig|29|keit betrachtet wurde. Erst allmählich nahm der Staat regulierende und koordinierende Aufgaben wahr, die er vor allem an die bestehenden Vereine delegierte, die damit zunehmend die Funktion eines Öffentlichen Gesundheitsdienstes wahrnahmen.

War es für bürgerliche Frauen bis dahin schwierig oder gar unmöglich, einer außerhäuslichen Tätigkeit nachzugehen (Bischoff-Wanner, 2014), nahmen die sich verändernden industriellen Arbeits- und Lebensverhältnisse auch Einfluss auf das Geschlechterverhältnis im Bürgertum. So entwickelten sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zunehmend die sogenannten Frauenberufe, die dem Verständnis nach als nicht zu bezahlende Liebestätigkeit angesehen wurden, in deren Tradition ja auch die Orden und Mutterhäuser standen. Dies entsprach aber auch dem zunehmenden Familienbild, das zunächst im bürgerlichen Milieu, später aber auch im Kleinbürgertum und der Arbeiterschaft Verbreitung fand. Es lag nahe, Frauen, die auch in der Familie für die Fürsorge und (körperliche) Pflege zuständig waren, ebenso die Aufgaben der Krankenpflege zu übertragen (Bischoff-Wanner, 2014). Allerdings soll auch nicht verschwiegen werden, dass gebildeten Frauen, denen im 19. Jahrhundert der Zugang zu Universitäten noch weitgehend verwehrt blieb, „die Erschließung dieses neuen Berufsfeldes entgegenkam, weil ihnen neben Gouvernante und Lehrerin bis dahin nur wenig standesgemäße Berufe offen standen“ (Braunschweig, 2004, S. 115).

Schließlich spielte auch die Entwicklung der Medizin mit ihren naturwissenschaftlich-technischen Errungenschaften im 19. Jahrhundert und die damit verbundene Entwicklung des Krankenhauswesens sowie der steigende Bedarf an Krankenpflegepersonal und auch der Gemeindeschwestern eine wichtige Rolle bei der Verberuflichung der Pflege (Bischoff-Wanner, 2014).

Um die Wende zum 20. Jahrhundert begannen in Deutschland jedoch zahlreiche der damals tätigen Gemeindeschwestern, sich aus der Abhängigkeit der streng hierarchisch organisierten Mutterhäuser oder Ordensgemeinschaften, die auch zu ihrer Zeit bereits einen „Anachronismus“ darstellten (Bischoff-Wanner, 2014, S. 29), zu lösen und im Rahmen der Privatpflege als freie Schwestern oder sogenannte „wilde Schwestern“ gegen schlechte Bezahlung und ebensolche Arbeitsbedingungen ihren Dienst zu tun.

Als eine der Vorkämpferinnen für die freien Schwestern wird Agnes Karll (1868–1927) beschrieben, die in Deutschland die erste Berufsorganisation der Krankenpflegerinnen Deutschlands gründete (Messner, 2017). Es entstanden jedoch keine nennenswerten eigenen Organisationsformen der Gemeindepflege, sie blieb in der Hand kirchlicher Träger, bis ihr im Zuge nationalsozialistischer Gesundheitspolitik eine verstärkte Aufmerksamkeit zuteilwurde, die zu einer Neuorganisation der Krankenpflege mit Aufgaben der Volksgesundheits- und Rassenpflege (Steppe, 1996) führte. Die NS-Politik, deren Interesse zunehmend den Euthanasie-Programmen galt, konnte sich in der Gemeindepflege jedoch nicht durchsetzen (Moers, 1997).

Da sich die Gemeindepflege am Ende des Zweiten Weltkrieges in Deutschland nach wie vor überwiegend in der Trägerschaft von Kirchen und Wohlfahrtsverbänden befand, wurde sie im Zuge der Entnazifizierungsprozesse als unbelastet eingestuft. Damit ist zwar von einer Kontinuität für die Arbeit der Gemeindepflege in der Nachkriegszeit auszugehen, die jedoch in den fünfziger und sechziger Jahren einem regelrechten Austrocknungsprozess unterlag (Moers, 1997).

Dieser ließ sich zum einen auf eine zunehmende Dominanz der stationären Versorgung zurückführen, zum anderen auf den Rückgang an Nachwuchs in den Mutterhäusern und Ordensgemeinschaften, auf die nach wie vor schlechte Bezahlung und die schlechten Arbeitsbedingungen sowie auf Kosten- und Integrationsprobleme, die sich mit der Umstellung auf weltliches Pflegepersonal ergaben. Da dessen Einsatz für die Wohlfahrtsverbände mit |30|untragbaren Kosten verbunden war, entstand in der Gemeindepflege eine Versorgungslücke, auf die in Deutschland gesundheitspolitisch mit dem Modell der Sozialstationen reagiert wurde, welches die rheinland-pfälzische Landesregierung zum Ende der sechziger Jahre entwarf. Dieses Modell zielte mit der Verbindung aus kranken- und sozialpflegerischen Diensten auf die Förderung der Pflege in der Familie einerseits und die Entlastung des stationären Sektors andererseits. Gleichzeitig wurden Leistungen der Krankenpflege in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen, womit sich die Pflege in der Gemeinde von einer karitativ-seelsorgerischen Tätigkeit zu einer funktionalen Dienstleistung der Krankenversorgung entwickelte. Die 1970 in Rheinland-Pfalz eröffneten Sozialstationen, deren Träger ausschließlich Wohlfahrtsverbände waren, markieren den Beginn der Aufbauphase einer ambulanten und gemeindenahen Versorgungsstruktur, die 1987 zunächst mit etwa 1600 Sozialstationen bundesweit ihren vorläufigen Höhepunkt fand.

Das Leistungsprofil der Sozialstationen sollte den gesundheitlichen und sozialen Aufgaben entsprechen und damit pflegerische und hauswirtschaftliche Dienste sowie Familienpflege und Dorfhilfe neben sozialen und sonstigen gesundheitlichen Diensten (z. B. Fußpflege) sichern. Prioritär waren Kostenersparnis und die Förderung von Selbsthilfepotenzialen in Familie und sozialer Gemeinschaft zur Sicherung des Subsidiaritätsprinzips. Die Inanspruchnahme der Dienste von Sozialstationen stieg schnell an, bezog sich jedoch überwiegend auf Pflegeleistungen, während die Inanspruchnahme sozialer Dienste sowie die Aktivierung der familiären oder nachbarschaftlichen Hilfen nur in geringem Umfang gelang. Zudem stießen die Sozialstationen, die in der Regel nur einmal täglich die pflegebedürftigen Klienten und Klientinnen aufsuchten, angesichts zunehmender Bedarfe und genereller Qualifikationsmängel der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an ihre Leistungsgrenzen. Die Abnahme kommunikativer und psychosozialer Hilfen, wie sie in der klassischen Gemeindepflege gewährt wurde, und die gleichzeitige „Konzentration auf somatische, medizinisch-pflegerische Leistungen“ (Moers, 1997, S. 106) führten dazu, dass die Zielsetzung der Gemeindenähe verfehlt wurde und längerfristiger oder mehrmals täglicher Hilfebedarf die Kapazitäten der Sozialstationen erschöpfte. Einer Öffnung und Erweiterung des Leistungsspektrums der Sozialstationen standen sowohl Vertreter und Vertreterinnen der Sozialpolitik wie der Wohlfahrtsverbände und der Sozialwissenschaft kritisch gegenüber. Somit blieb eine qualitative Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung des Leistungsangebotes weitgehend aus (Schaeffer & Ewers, 2001). Moers (1997) benennt hierfür drei wesentliche Gründe: Die Entlastung des stationären Sektors stand im Vordergrund, wodurch die Sozialstationen vorwiegend auf die Versorgung von Akutkranken eingerichtet waren und entsprechend ausgebildetes Pflegepersonal beschäftigten. Jedoch stieg gleichzeitig der Bedarf an ambulanten Pflegeleistungen bei Menschen, die dauerhaft auf pflegerische Versorgung angewiesen waren. Gleichzeitig war aber die Refinanzierung ambulanter Pflegeleistungen nur in den Bereichen Krankenhausersatz- oder Behandlungspflege möglich. Dadurch wurden wesentliche Bestandteile ambulanter Pflegeleistungen in den Bereichen Kommunikation, psychosoziale Betreuung und Netzwerkarbeit nicht bezahlt und in der Folge auch nur unzureichend geleistet.

1.2.2  Notwendigkeit von ambulanter Pflege

Den Sozialstationen in Deutschland gelang es nicht, den wachsenden Bedarf an ambulanter pflegerischer Versorgung zu decken. Es entstanden daher zunehmend private Pflegedienste, die ihrerseits jedoch keinen Anspruch auf bezirkliche Bedarfsdeckung und damit auch nicht auf einen Gemeindebezug hatten (Moers, 1997). Da private Pflegedienste keinerlei öffent|31|liche Zuschüsse erhielten, konnte ein Gemeindebezug auch nicht aufrechterhalten werden, denn eine Refinanzierung gemeindebezogener Leistungen war im Leistungskatalog der seinerzeitigen Kostenträger (Krankenkassen) nicht vorgesehen.

In Deutschland erfolgten gesundheitspolitische Kurskorrekturen, in deren Folge 1984 ein Modellprogramm aufgelegt wurde, das eine Ausweitung der Aufgaben der Sozialstationen vorsah, deren Kompetenzen und Rahmenbedingungen vor allem im Hinblick auf die Langzeitversorgung von alten und pflegebedürftigen Menschen verbessert werden sollten. Zielten gesundheitspolitische Entscheidungen bezüglich der ambulanten Pflege zuvor vor allem darauf ab, Krankenhauspflege zu vermeiden oder zu ersetzen, hatte nun die Vermeidung von Pflegeheimeinweisungen Priorität. Die nun zusätzlich mit Altenpflegekräften und Zivildienstleistenden ausgestatteten Sozialstationen konnten zwar gut in die Strukturen der Sozialstationen integriert werden, jedoch konnten sie Defizite im Leistungsangebot der Pflegedienste nicht kompensieren. Als Ursache hierfür führt Moers neben einem insgesamt steigenden Bedarf auch einen qualitativen Anforderungswandel an, der aus den oftmals komplexen Versorgungsbedarfen der Patienten und Patientinnen resultierte (Moers, 1997).

1.2.3  Langfristige Konzepte der Pflegesicherung

Nach rund 20-jähriger Diskussion wurde in Deutschland schließlich im Jahr 1994 die Soziale Pflegeversicherung eingeführt und 1995 das Modell der sozialen und privaten Pflegeversicherung unter dem Dach der Krankenkassen angesiedelt. Damit sollten die Weichen für eine langfristige Absicherung von Pflegeleistungen gestellt werden. Für die Wohlfahrtsverbände als derzeit noch überwiegender Träger ambulanter Pflegeeinrichtungen bedeutete dies, dass sie einem wachsenden Wettbewerb ausgesetzt waren, der zu einer Zunahme privatgewerblicher Anbieter führte. Leider blieb auch zu diesem Zeitpunkt eine qualitative Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung der ambulanten Pflegelandschaft, wie sie mit der Einführung der Pflegeversicherung insbesondere im Hinblick auf die Aspekte der Gemeinwesenorientierung und die Aktivierung von Selbsthilfepotenzialen durch professionelle Anbieter intendiert war, weitestgehend aus. Bedenkt man, dass die berufliche Sozialisation ambulant tätiger Pflegekräfte grundsätzlich im stationären Bereich erfolgt und diese somit auf die Anforderungen der häuslichen Pflege nur unzureichend vorbereitet werden, erscheint dies jedoch wenig verwunderlich. So ist der Fokus der professionellen Pflege auch heute noch oftmals weniger auf die lebensweltliche Situation und Funktion des Familiensystems gerichtet, sondern eher auf pflegefachliche Standards (Stratmeyer, 2005) oder an institutionell-organisatorischen Belangen orientiert. Darüber hinaus waren (und sind) die ambulanten Pflegeeinrichtungen nach wie vor nur unzureichend auf die Pflege von Schwerstkranken vorbereitet, womit wiederum das Krankenhaus eine Substitutionsfunktion der Defizite in der ambulanten Versorgung einnimmt (Schaeffer, 2002).

Ebenfalls in den 1990er-Jahren wurden auch in Österreich mit dem Bundespflegegeldgesetz gesetzliche Rahmenbedingungen zur Pflegesicherung geschaffen mit dem Ziel, pflegebedürftige und auf Dauer auf Unterstützung und Hilfe im Alltag angewiesene Menschen und deren Angehörige durch Geldleistungen zu entlasten.

Die nachfolgenden Beiträge befassen sich mit dem Verständnis von Pflegebedürftigkeit in den DACH-Ländern und gehen auch auf die spezifischen Entwicklungen und Rahmenbedingungen der gemeindenahen Pflege ein.

1.2.4  Ausblick

Die Pflege zu Hause hat in den letzten drei bis vier Jahrzehnten im deutschsprachigen Raum ein enormes Wachstum und auch eine Zunahme des Wettbewerbs insbesondere durch die priva|32|ten Anbieter von häuslicher Pflege erfahren. Dabei war die professionelle Pflege enormen Wandlungen unterworfen, die mit einer beruflichen Entwicklung und Spezialisierung der Pflege einhergegangen sind. Hier liegen die Gründe vor allem auch darin, dass sich das Altern in den vergangenen Jahren stark verändert hat. Heute unterscheiden sich ältere Menschen stärker als früher hinsichtlich der Wohnsituation, der Art und Weise des Miteinanderlebens, der wirtschaftlichen Verhältnisse, der formalen Bildung, aber auch bei der ausländischen Wohnbevölkerung oder des Migrationsstatus.

Heute umfassen die Leistungen von ambulanten Pflegediensten abhängig von den jeweiligen Ländern unterschiedliche Angebote. Häufig sind diese auf elementare Pflegehandlungen fokussiert oder sie bieten auf spezifische Erkrankungen zugeschnittene Pflegemaßnahmen an. Hauswirtschaftliche Angebote sind dabei häufig gebunden an Dienstleistungen, die über die ambulanten Pflegedienste angeboten werden. Hier liegt Potenzial. Nicht zuletzt aufgrund der veränderten Gesellschaft und der großen Bedeutung der hauswirtschaftlichen und (sozial-)betreuerischen Unterstützungsleistungen wird sich in den kommenden Jahren die Art und Weise, wie Pflege umgesetzt wird, verändern. Zu Hause zu leben und zu altern wird in Zukunft für viele Menschen wichtiger. Wir benötigen qualifizierte Fachpersonen, die sich für die gemeindebezogene Arbeit engagieren, für die der Bereich attraktiv ist und in dem sich vor allem auch junge Menschen weiterentwickeln können.

Weil Menschen vor allem nach akuten Gesundheitseinbrüchen Hilfen beanspruchen, sollten sich die Angebote in der gemeindenahen Pflege so ausrichten, dass vor allem Hilfe zur Selbsthilfe geboten wird. Bedeutsam ist hier vor allem eine zeitlich begrenzte Nachsorge nach akuten Gesundheitseinbrüchen, die mit stationärer Behandlung verbunden ist. Pflegefachpersonen mit vertiefter Expertise sind hier prädestiniert, an den Schnittstellen zu agieren mit dem Ziel, die Selbstständigkeit von Klienten und Klientinnen und ihren Angehörigen zu erhalten und/oder zu fördern. Die Stabilisierung in Krisensituationen ist bedeutsam, ebenso die stellvertretende Übernahme der Haushaltsführung insbesondere auch in der psychiatrischen Pflegeversorgung.

1.2.5  Literatur

Bischoff-Wanner, C. (2014). Pflege im historischen Vergleich. In D.Schaeffer &K.Wingenfeld (Hrsg.), Handbuch Pflegewissenschaft (Bd. 3, S. 19–36). Juventa.

Braunschweig, S. (2004). Die Entwicklung der Krankenpflege und der Psychiatriepflege in der Schweiz. In I.Walter, E.Seidl &V.Kozon (Hrsg.), Wider die Geschichtslosigkeit der Pflege (S. 113–122). ÖGVP-Verl.

Hackmann, M. (2001). Zur Geschichte der Gesundheitsförderung in der ambulanten Pflege. In M.Gehring, S.Kean, M.Hackmann &A.Büscher (Hrsg.), Familienbezogene Pflege (Bd. 1, S. 209–219). Huber.

La Croix-Rouge suisse. (1. August 1922). Gesundheitsambulatorien und Gemeindeschwestern des SRK (S. 89). Verfügbar unter https://geschichte.redcross.ch/ereignisse/ereignis/gesundheitsambu​latorien-und-gemeindeschwestern-des-srk.html

Messner, I. (2017). Geschichte der Pflege. Facultas.

Moers, M. (1997). Ambulante Pflege in Deutschland – auf dem Weg zur Gemeinwesenorientierung?Pflege, 10(2), 101–112.

Schaeffer, D. (2002). Ambulante Schwerkrankenpflege: Entwicklungen und Herausforderungen in Deutschland. In D.Schaeffer &M.Ewers (Hrsg.), Ambulant vor stationär. Perspektiven für eine integrierte ambulante Pflege Schwerkranker (S. 17–44). Huber.

Schaeffer, D. & Ewers, M. (2001). Ambulantisierung – Konsequenzen für die Pflege. G + G Wissenschaft, 1(1), 13–20.

Steppe, H. (1996). Krankenpflege im Nationalsozialismus (8. Aufl.). Mabuse.

Stratmeyer, P. (2005). Gegenseitig inspirieren – Systembedingungen pflegerischen Handelns in der ambulanten Pflege. Nightingale, 3(1), 22–32.

Walter, I. (2003). Auswirkungen des „Anschlusses“ auf die österreichische Krankenpflege. Pflege, 16(1), 6–16. Crossref

|33|1.3  Akademisierung und Professionalisierung

Katharina Fierz und Daniela Händler-Schuster

Die Pflegefachpersonen des Workshops zum Thema Caring Communities sind sich bewusst geworden, dass sich der Pflegeberuf grundlegend verändert hat: weg von der dienenden, die Anordnungen der Ärzteschaft ausführenden „Schwester“ hin zur kompetenten Pflegefachperson, die über vielfältige professionelle Kompetenzen verfügt und diese eigenständig und situationsgerecht anzuwenden weiß. Auch die Praxis der Gemeinde- und Familiengesundheitspflege hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Nicht nur, dass es verschiedene Orte gibt, an denen Pflege stattfindet, auch die Möglichkeit zu studieren hat sich für die gemeindebezogene und familienorientierte Pflegepraxis etabliert. Der Pflegeberuf hat dadurch an Attraktivität gewonnen. Aber was genau hat sich verändert? Der folgende Beitrag zeigt die Entwicklung der vertieften Pflegepraxis in der Schweiz auf und erläutert in diesem Zusammenhang die Entwicklung der vertieften erweiterten Pflegepraxis mit Fokus auf die Schweiz.

1.3.1  Entwicklungen zur Studierbarkeit der Pflege

In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich im deutschsprachigen Raum in Bezug auf die vertiefte Pflegepraxis einiges getan. An der Universität in Basel startete im Jahr 2000 der Studiengang MSc Nursing. Dieses erste praxisorientierte Pflegestudium auf Masterstufe mit Fokus APN ermöglicht eine klinisch orientierte Karriere auf akademischem Niveau. Lange war es vielen Personen im Pflegeberuf nicht bewusst, dass es möglich ist, sich für eine „Karriere am Bett“ auf Masterstufe weiterzuentwickeln. Viele Pflegefachpersonen, die einen Karriereschritt wagen wollten, studierten in den bewährten Studiengängen Pflegepädagogik oder Pflegemanagement, oder sie wandten sich einem anderen Studienfach zu. Die Idee, dass die Akademisierung in der Pflegepraxis Einzug hält, war für viele Berufsangehörige der Pflege selbst, aber auch für Angehörige anderer Gesundheitsberufe gewöhnungsbedürftig. Akademisch ausgebildete Pflegefachleute mussten über Jahre um die Anerkennung ihrer spezifischen Kompetenzen ringen, oft auch belegen, dass sie „trotz“ Studium „arbeiten“ können. Auch wenn heute die akademische Pflegeausbildung und -praxis auf Grund- und Masterstufe vielerorts anerkannt ist, dauert der Prozess, die akademisierte Pflege in der Praxis zu verankern, bis heute an. Dass auch heute noch die Frage gestellt wird, weshalb sich Pflege akademisieren sollte, erstaunt und irritiert, da hinlänglich bekannt und belegt ist, dass eine vertiefte und erweiterte Pflegepraxis dazu beiträgt, dem nachgewiesenen Bedarf an hochspezialisierter pflegerischer Arbeit zu begegnen. Pflege auf jeder Stufe trägt wesentlich zur Sicherheit der Patienten und Patientinnen sowie ihren Familien bei: Durch klinisches Expertenwissen, Lebensweltorientierung, Leadership- und Schulungskompetenz und vieles mehr, übernimmt die Pflege Verantwortung für die hohe Qualität, Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit von Pflegeleistungen sowie für deren sinnvollen und zweckmäßigen Einsatz. Zudem ermöglicht sie die kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen den Leistungserbringern und weiteren Gesundheitsdienstleistern. Dies erfordert nicht nur klinische Expertise, sondern auch hohe Kompetenz in Kommunikation, Coaching, Leadership und Edukation.

1.3.2  Notwendigkeit von professioneller Pflege

Die demografische Entwicklung und differenziertere Behandlungsmöglichkeiten führen zu einer älter werdenden Gesellschaft, in der immer mehr Personen von durch das höhere Alter bedingten, gleichzeitig auftretenden chroni|34|schen Erkrankungen betroffen sind. Die durch Multimorbidität komplexen Krankheitssituationen erfordern große medizinische Kompetenzen und eine vernetzte Denkweise vonseiten der Gesundheitsfachleute. Gleichzeitig stellen der medizinische Fortschritt, die Einführung von Swiss Diagnosis Related Groups (SwissDRGs), die Maxime „ambulant vor stationär“, die Gesundheitskompetenz vieler Erkrankter und ihrer Familien sowie die Komplexität der Versorgung und der Versorgungsstrukturen immer höhere Anforderungen an Pflegefachleute. Diese Entwicklung erfordert die Fortschreibung der Professionalisierung des Pflegeberufes.

Der medizinische Fortschritt hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Personen, die von komplexen und langwährenden Erkrankungen betroffen sind, eine hochwertige Behandlung erhalten. Nicht nur für ältere Menschen kann dies die Möglichkeit eröffnen, länger im gewohnten Umfeld zu Hause zu leben, auch in der Pädiatrie führte der medizinische Fortschritt zu mehr Behandlungsmöglichkeiten (Stricker et al., 2017). Unterstützung beim Wiedererlangen und bei dem Erhalt der Funktionsfähigkeit, Prävention und die pflegerische Begleitung in einem komplexen gesundheitlichen Kontext sind Aufgaben der professionellen Pflege. Da die Versorgung stetig mehrdimensionaler wird und entsprechend interdisziplinärer angelegt werden muss, erfordert die Koordination fragmentierter Angebote im Sinne einer klar strukturierten und gut begründeten Versorgungskette Personen, die komplexe Sachverhalte in der Pflegepraxis verstehen und bedürfnisgerechte Angebote beschreiben können. Die Vermeidung von Redundanzen und Doppelspurigkeit erhöht die Effizienz im Gesundheitssystem und kann einen kostensenkenden Effekt haben, speziell bezogen auf die Betreuung von Personen mit mehreren, gleichzeitig existierenden chronischen Erkrankungen und ihrer Familien. Der Aufgabenbereich der Koordination obliegt nicht dem Arztpersonal, sondern der professionellen Pflege und erfordert Kompetenzen in evidenzbasierter Praxis, Kollaboration, ethischer Entscheidungsfindung und Leadership. Seit der Einführung von DRGs und der Fallpauschalen als Grundlage für die Vergütung eines stationären Aufenthaltes ist die zunehmende Auslagerung der stationären Versorgung auf die ambulanten Settings zu beobachten. Einer der Schwerpunkte der Versorgung in der Schweiz ist, langfristig gesehen, die Gesundheitskompetenz von Patienten und Patientinnen sowie ihrer Angehörigen zu stärken, damit sie möglichst unabhängig leben können, was in der „Gesundheitspolitischen Strategie des Bundes 2020–2030“ festgehalten wurde (Bundesamt für Gesundheit, 2019). Als Folge davon müssen Pflegefachpersonen, die in der Gemeinde- und Familiengesundheitspflege tätig sind, nicht nur die von Krankheit Betroffenen mehr beraten und anleiten, sondern auch Angehörige in zunehmend komplexen und akuten Situationen darin unterstützen, um mit den Herausforderungen eines erkrankten Familienmitglieds zurechtzukommen. Die Abläufe vor, während und nach eines Spitalaufenthaltes sind vielschichtig, und die Navigation innerhalb der Versorgungsstrukturen im Gesundheitswesen kann für Personen jeden Alters herausfordernd sein. Empathie und Koordinationsfähigkeit sowie Wissen in Bezug auf die Möglichkeiten, die einer betroffenen Person und ihrer Familie zur Verfügung stehen, gehören zu den Kompetenzen der Pflegenden, um eine auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmte „Patientenreise“ zu ermöglichen. Fragen wie: Wer braucht welche Informationen in welcher Sprache und in welcher Ausführlichkeit? Wer ist Ansprechperson? Wer hat die Familie im Blick? Wer koordiniert sich mit weiteren Gesundheitsfachpersonen und Institutionen? u. v. m. sind zentral, damit eine kontinuierliche und koordinierte Versorgungskette möglich wird. Die Schlüsselrolle hat die Pflegeexpertin oder der Pflegeexperte Advanced Practice Nurse inne.

Die Aufgabe der Pflegefachperson mit erweiterter Expertise ist es demnach, das Leben zu Hause zu stärken und so zu unterstützen, |35|dass es Familien und Einzelpersonen möglich ist, ihren Alltag weitestgehend unabhängig zu gestalten. Ziel der pflegerischen Interventionen ist es, Personen mit einer oder mehreren chronischen Erkrankungen und ihre Familien bei der Wiedererlangung und dem Erhalt von Lebensqualität und Unabhängigkeit zu unterstützen. Dazu gehören neben den bereits erwähnten klinischen Kompetenzen Expertise in Prävention, Kommunikation, Edukation oder Coaching und Leadership. Hier bietet es sich an, sich auf das Konzept Advanced Nursing Practice von Hamric et al. (2018) zu beziehen, da sich die Orientierung dieser Kompetenzentwicklung bereits seit vielen Jahren in den Masterstudiengängen etabliert hat.

1.3.3  Advanced Nursing Practice/Advanced Practice Nursing

Das Konzept Advanced Nursing Practice modelliert die vertiefte, erweiterte Praxis im Bereich der Pflege. In der Schweiz hat sich das Modell von Hamric et al. (2018) etabliert, das als Grundlage für die Definition von Advanced-Practice-Rollen dient; in der Pflege sind dies APN-Rollen. Bei einer Pflegeexpertin oder einem Pflegeexperten (APN) handelt es sich um eine registrierte Pflegefachperson, die sich durch akademische Ausbildung (Master of Science) Expertenwissen angeeignet hat, das sie dazu befähigt, Entscheidungen bei hochkomplexen Sachverhalten zu treffen. Pflegeexperten/-expertinnen APN sind in der direkten Betreuung von Patienten und Patientinnen und ihrer Familien tätig und verfügen über vertiefte und erweiterte klinische Kompetenzen. Sie sind in der Lage, in unterschiedlichen Settings Advanced-Practice-Rollen zu übernehmen und diese in eigener Verantwortung im interprofessionellen Team auszufüllen. Als zentrales Element für die Ausübung einer APN-Rolle gilt gemäß Hamric et al. (2018) die direkte klinische Praxis (dazu gehören spitalinterne und -externe Settings, Akut- und Langzeitsettings), sowie die für eine erweiterte und vertiefte Rolle notwendige klinische Kompetenz. Kernkompetenzen (Experten-Coaching, Beratung, ethische Entscheidungsfindung, interdisziplinäre Zusammenarbeit, klinisches und fachspezifisches Leadership, Forschungskompetenz) ergänzen das klinische Element und befähigen die APN, in einem komplexen und interprofessionellen System personen- und familienzentrierte, hochqualifizierte und an wissenschaftlicher Evidenz ausgerichtete Pflege anzubieten. Die Charakteristik der einzelnen Kernkompetenzen wird vom Kontext und/oder den Bedingungen des jeweiligen Landes geprägt, in dem die APN für die Ausübung ihrer Tätigkeit zugelassen ist.

Advanced Practice Nursing als Schirmbegriff

International wird der Begriff Advanced Practice Nursing für zwei Rollenausprägungen verwendet (Cyrol et al., 2015): Die Clinical Nurse Specialist (CNS), die vorwiegend für die Praxisentwicklung verantwortlich ist, lässt sich im stationären Bereich und in Langzeitinstitutionen finden. Die CNS ist in der Schweiz weit verbreitet und mittlerweile auch gut etabliert. Hingegen ist die Rolle der Nurse Practitioner (NP) in der Schweiz noch relativ neu, obgleich Studiengänge ihr Studienangebot auf diese Rolle ausgerichtet haben. So werden in Zukunft neben den Clinical Nurse Specialists immer mehr Nurse Practitioners in der Praxis agieren. Absolventinnen und Absolventen von Masterstudiengängen aus der Schweiz finden derzeit in der Praxis Rollen, die in Bezug auf CNS/NP gemischt sind. Tendiert eine Rolle eher in Richtung Nurse Practitioner, dann handeln Pflegefachpersonen in der Praxis oft sehr eigenständig. Oft übernehmen sie dabei Tätigkeiten, die eigentlich den ärztlichen Kolleginnen und Kollegen zugesprochen sind, und integrieren diese in ihre pflegerische Praxis. Ein Beispiel aus der Praxis ist die Übernahme von vormals ärztlichen Kollegen und Kolleginnen vorbehaltenen Visiten. Die Zusammenarbeit zwischen Pflegefachpersonen und Ärztinnen und Ärzten hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und findet |36|immer mehr auf Augenhöhe statt, was nicht zuletzt an der Verwendung einer gemeinsamen Sprache und der Argumentation akademisch ausgebildeter Pflegefachpersonen liegt. Nurse Practitioners lassen sich zunehmend mehr in der Gesundheitspraxis finden. Es sind auch jene, die im deutschsprachigen Raum häufig Hausbesuche durchführen, um vor Ort den Versorgungsbedarf zu klären.

Anders ist die Lage im Ausland. Betrachtet man beispielsweise in Neuseeland oder den USA die Rolle der Nurse Practitioners, ist diese durch die staatliche Anerkennung anders positioniert, verfügt über mehr Anerkennung in der Gesellschaft und wird besser entlohnt. Im Ausland verschreiben Nurse Practitioners Medikamente, begleiten Patienten und Patientinnen eng, unterstützen in familiären Belangen und sind häufig die erste Anlaufstelle, wenn Menschen erkranken. Ihnen obliegt in vielen Bundesstaaten der USA die gesamte gesundheitliche Grundversorgung.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen der jeweiligen deutschsprachigen Länder die Rollen im Bereich der vertieften, erweiterten Pflegepraxis unterschiedlich gestalten. Zentral ist jedoch – länderübergreifend – die wachsende Bedeutung der neuen Rollen in der Praxis, die notwendig sind, um den steigenden gesundheitsbezogenen Anforderungen von Individuen und Familien gerecht zu werden. Die Pflegefachperson, speziell die APN, setzt ihre Kompetenzen gemäß dem anfangs dieses Jahrtausends von Miriam Hirschfeld für die WHO entwickelten Versorgungsmodell auf unterschiedlichen Ebenen ein: einerseits zum Wohl von Individuen und Familien, jedoch explizit auch zum Wohl von Gemeinden und der gesamten Versorgungsstruktur. Während die zwei Ausprägungen Clinical Nurse Specialist und Nurse Practitioner für die Ebene Individuum/Familie im Schweizer Kontext immer präziser definiert werden, ist die Rolle der Community Health Nurse (CHN) weitgehend unbekannt. Dies ändert sich mit den Studiengängen zu Community Health Nursing in Deutschland (z. B. Private Universität Witten/Herdecke) und Österreich, hier speziell durch die Etablierung von Programmen zum Doctor of Nursing Practice (DNP), die einen signifikanten Anteil an Public-Health-orientierten Inhalten abdecken.

1.3.4  Reglementierung von APN

In der Schweiz wird die Grundausbildung in Pflege auf Diplomniveau entweder an Höheren Fachschulen (HF) oder an Fachhochschulen (FH) angeboten. Beides sind Ausbildungen auf Tertiärstufe (HF: B; FH: A), jedoch ermöglicht nur die hochschulische Ausbildung auf Tertiärstufe A den direkten Zugang zu einem Masterstudium (MSc). Ein abgeschlossenes Masterstudium eröffnet weitere Optionen, beispielsweise ein Doktorat PhD oder den Einstieg in ein Doctor-of-Nursing-Practice-Programm. Wie bei vielen Gesundheitsberufen ist die Grundausbildung in Pflege (HF oder BSc) streng reglementiert. Sie beruht auf dem EU-Rahmencurriculum und ist entsprechend EU-weit anerkannt. Im Gegensatz zur Grundausbildung in Pflege (HF und BSc) ist die MSc-Stufe in Pflege in der Schweiz nicht gesetzlich reglementiert. Entsprechend sind Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung einer APN (CNS oder NP) oft unklar. Ein Rahmencurriculum fehlt, und die Rollenbeschreibungen weisen aufgrund der Diversität der Einsatzbereiche oder Vorstellungen und Bedürfnisse der Praxis eine große Vielfalt auf, was es erschwert, die APN-Rolle fassbar zu machen und zu etablieren. Oftmals entwickelt sich eine APN-Rolle in der Praxis in enger Zusammenarbeit mit einer ärztlichen Kollegin oder einem ärztlichen Kollegen. Wichtig für die Entwicklung eines erweiterten und eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereiches ist der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zwischen APN und ärztlicher Kollegin/ärztlichem Kollegen (Lauber et al., 2022). Eine klare Rollenbeschreibung, die auch prozesshaft angepasst werden kann, ermöglicht Transparenz in der Rollenent|37|wicklung und dem erweiterten Zuständigkeitsbereich im interprofessionellen Team und vereinfacht die Anerkennung der APN als eigenständige verantwortungstragende Fachperson. Wenngleich das Rollenprofil der APN in der Schweiz mittlerweile anerkannt ist, bestehen noch immer gesetzliche Vorgaben und entsprechende Abhängigkeiten, die es der APN nicht erlauben, eigenverantwortlich zu arbeiten und beispielsweise Medikamente zu verordnen oder mit Krankenkassen abzurechnen. Entsprechend sind auch Pflegeexperten und -expertinnen in der gemeindenahen Praxis in der Regel vom ärztlichen Dienst abhängig. Sie arbeiten weitgehend in Delegation und sind auf eine enge Zusammenarbeit mit den Ärzten und Ärztinnen der jeweiligen Region angewiesen, damit eine koordinierte und auf Kontinuität ausgerichtete Gesundheitsversorgung gelingt.

Ferner ist bedeutsam, dass verschiedene praktische, auch präventive, pflegerische Interventionen kaum in dem Maß, wie sie erbracht werden und angemessen sind, abgegolten werden. Viele Aufgaben, die für die Unterstützung eines gelingenden Alltags essenziell sind, können nicht abgerechnet werden. Dies stellt ein Hindernis für die Anerkennung pflegerischer Arbeit dar.

Wie erlangen Pflegeexperten und -expertinnen eine offizielle Anerkennung ihrer Rolle? Um sich als APN in der Schweiz registrieren zu lassen und das Recht zu erwerben, den Titel „Pflegeexpertin/Pflegeexperte APN-CH“ zu tragen, müssen Bewerberinnen und Bewerber den Nachweis einer Befähigung erbringen und folgende Voraussetzungen erfüllen:

Pflegediplom BSc in Pflege oder gleichwertiger Abschluss,

Master of Science in Pflegewissenschaft mit APN-Fokus oder MSc ohne klinischen Fokus und formalisierter Nachweis einer spezifischen Weiterbildung zur erweiterten klinischen Praxis,

Nachweis der klinischen Tätigkeit als APN,

Nachweis von mindestens 50 Stunden supervidierter Praxis.

Die Registrierung erfolgt online über die elektronische Plattform e-log (siehe auch https://www.apn-ch.ch/ablauf-der-registrierung).

1.3.5  Interprofessionell agieren

Die Komplexität vieler Gesundheitssituationen erfordert eine interprofessionelle Vorgehensweise, in der jede Profession ihre professionsspezifischen und transdisziplinären Aufgaben eigenverantwortlich wahrnimmt. Hierbei muss ein besonderes Augenmerk auf dem Schnittmengen-Management des gemeinsamen Wissens und der transdisziplinären Kompetenzen unabhängig von der Ursprungsprofession liegen. Das Arbeiten in verschiedenen Professionen ist erfahrungsgemäß herausfordernd. Vor allem in der Kommunikation benötigt es Offenheit und Neugierde, um andere Professionen zu verstehen, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen und berufsspezifische sowie gemeinsame Kompetenzen gegenseitig anzuerkennen. Damit eine konstruktive Zusammenarbeit möglich ist, braucht es klare Rollendefinitionen aller Beteiligten in den jeweiligen Settings. Das ist nicht nur wichtig, damit sich die Gesundheitsfachleute selbst orientieren können, sondern auch damit der Rahmen, in dem sich die Berufsangehörigen bewegen, kommuniziert werden kann. Hier sind Institutionen vor allem im ambulanten Bereich gefordert, Stellenbeschreibungen vorzunehmen und auch anzupassen, wenn sich der Bedarf verändert. Die Praxis hat gezeigt, dass Gesundheitspersonal, welches die Funktion einer APN im Ausland kennengelernt hat, es oft einfacher hat, den Mehrwert der Expertise zu erkennen und sich kollegial zu verbünden. Hier sind vor allem Medizinerinnen und Mediziner gemeint, aber auch Personen in Leitungsfunktionen und Managementpositionen. Gelingt die Zusammenarbeit zwischen Pflegeexperten und Pflegeexpertinnen mit den jeweiligen ärztlichen Kollegen und Kolleginnen in den Hausarztpraxen, stellt dies einen Gewinn für alle Beteiligten dar (Lauber et al., 2022). Weiterhin kann diese Zusammenarbeit in An|38|betracht des stetig steigenden Bedarfs im Pflegebereich dabei helfen, Kosten einzusparen.

1.3.6  Advanced Practice in der Gemeinde

Das in der Schweiz häufig als Grundlage für die Definition von APN-Rollen verwendete Konzept für Advanced Practice von Hamric et al. (2018) kann auch für eine nähere Betrachtung der Community Health Nurse herangezogen werden. Welche Kompetenzen werden wann und in welcher Ausprägung in einer Gemeinde benötigt? Dabei ist zu berücksichtigen, dass Gemeinden unterschiedliche Bedarfe haben und das Hamric-Modell – wie jedes Modell – an den jeweiligen Kontext angepasst werden muss.

Wenn wir uns vorstellen, dass eine CHN in einer Spitex-Organisation oder in einem (neu zu etablierenden) interprofessionellen Gesundheitsstützpunkt arbeitet, den sie gemeinsam mit Angehörigen weiterer Gesundheitsberufe betreibt, wird der Blick auf verschiedene Skills und Kompetenzen, über die sie verfügen muss, klarer.

Das Spezielle am Profil der CHN ist der Public-Health-Fokus, der sich durch die Ausrichtung der CHN an der Gemeinde als „unit of care“ erklären lässt. Pflegefachpersonen haben eine stärkere Fokussierung auf das Leben in der Gemeinde, auf bestimmte Krankheitsbilder sowie auf die Präventionsarbeit und Gesundheitsversorgung ganzer Bevölkerungsgruppen. Auch die Vernetzung zwischen den verschiedenen Gesundheitsdienstleistern sowie deren systematische Integration in die Versorgungsstrukturen zählen zu den Aufgabenbereichen der Pflegefachpersonen. Eine Frage, die eine CHN beschäftigt, könnte beispielsweise lauten: Wie können Gemeindemitglieder dabei unterstützt werden, sich gegenseitig zu helfen, damit sie möglichst selbstständig mit den alltäglichen Herausforderungen, die mit einer chronischen Erkrankung einhergehen, zurechtkommen und dabei gesund bleiben? Die CHN ist hier ein wichtiges Bindeglied zwischen Gesundheitsdienstleistenden, öffentlichen und privaten Institutionen, Vereinen, Selbsthilfegruppen usw. Wenn wir zurückblicken, ist dieser Gedanke nicht neu. Die früher im Dorf allen mit Namen bekannten Gemeindeschwestern boten Familien und der Gemeinde umfassende Unterstützung zu unterschiedlichen Gesundheitsfragen. Mittlerweile hat sich das Gesundheitssystem gewandelt, und viele der gesundheitsbezogenen Situationen, in denen sich Gemeindemitglieder befinden, sind sehr vielschichtig geworden. Es wird immer deutlicher, dass diese Situationen nur noch von interprofessionellen Teams gemeistert werden können, da eine einzelne Berufsperson keine Antwort auf alle Fragen haben kann.

Dank des Skill-Grade-Mix sind Pflegeteams so aufgestellt, dass sie komplexen gesundheitlichen Herausforderungen in der Gemeinde besser begegnen können als die frühere Gemeindeschwester. Aus diesem Grund sollten Gemeinden eine Fachperson mit spezifischer Expertise im gemeindenahen Gesundheitswesen einstellen, die einen übergeordneten, systemischen Blick auf die Situation einer Gemeinde werfen und entsprechend den Bedürfnissen und dem Bedarf der Gemeinde gesundheitsfördernde und versorgungsbezogene Maßnahmen definieren und implementieren kann.

1.3.7  Gemeindearbeit als erweiterte vertiefte Pflegepraxis

Pflegefachpersonen in der erweiterten, vertieften Pflegepraxis, die sich auf die Gemeinde- und Familiengesundheitspflege fokussieren, haben die gesamte Gemeinde (community) und ihre Einwohnerinnen und Einwohner im Blick. Abhängig davon, wo Community Health Nurses (CHN) agieren, gibt es Besonderheiten in der Gemeinde. Beispielsweise kann es aufgrund umgebungsabhängiger Faktoren sein, dass in einer Gemeinde eine bestimmte Erkrankung besonders häufig auftritt. Die Pflegefachperson mit CHN-Fokus hat nun den Auftrag, ein sogenanntes community assessment durchzuführen |39|