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Viele Frauen stehen heute unter Druck: Sie müssen sich ständig verbessern und haben nie das Gefühl, »genug« zu sein. Häufig leben sie ihren Alltag deshalb entmutigt und enttäuscht. Freude kommt aber nicht durch eine neue Strategie der Selbstverbesserung, sondern durch die Verwurzelung unserer Identität in dem, was Gott über uns sagt und für uns getan hat. Dieses Buch ruft Frauen dazu auf, von sich selbst wegzusehen, um ein Leben in Fülle zu finden, das Gott ihnen bietet. Es stellt die oft betonte Selbstverbesserung und Selbstermächtigung dem gegenüber, was die Bibel über ein Leben sagt, das im Evangelium verwurzelt und gefestigt ist.
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Seitenzahl: 199
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über dnb.de abrufbar.
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme.
Titel des englischen Originals
Übersetzung
Enough about Me: Finding Lasting
Janina Janzen
Joy in the Age of Self
© 2020 by Jen Oshman
Lektorat
Published by Crossway
a publishing ministry of Good
Florian Gostner
News Publishers
Wheaton, Illinois 60187, U.S.A.
All rights reserved.
Buchgestaltung
Karin Rekowski
Satz
Wenn nicht anders angegeben,
wurde folgende Bibelübersetzung
verwendet
Satz & Medien Wieser
Druck und Bindung
Lutherbibel, revidiert 2017,
© 2016 Deutsche Bibelgesellschaft,
Stuttgart
Finidr
1. Auflage 2024
© 2024 Verbum Medien gGmbH,
Bad Oeynhausen
verbum-medien.de
Best.-Nr. 8652 119
ISBN 978-3-98665-119-0
E-Book 978-3-98665-120-6
Hörbuch 978-3-98665-129-9
DOI: 10.54291/n573268993
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Für Mark
Egal in welcher Lebensphase, in welchem Land oder unter welchen Umständen – du hast immer dafür gesorgt, dass ich aufblühe. Ein großer Teil von Gottes Gnade fließt durch dich in mein Leben. Ich liebe dich.
Vorwort von Jen Wilkin
Einleitung
1 Der Sirenengesang des Selbst
2 Die Absicht des Schöpfers
3 Verwurzelt in Christus
4 Du bist, was du isst
5 Gegründet in Christus
6 Gefestigt in Christus
7 Bleibende Freude
Fazit
Danksagungen
Endnoten
Hast du während einer Feierlichkeit schon einmal um dich geschaut und festgestellt, dass du nicht elegant genug gekleidet bist? Das ist kein gutes Gefühl, insbesondere, wenn es sich um eine extravagante Hochzeit handelt und du ein Ehrengast bist. Das ist mir vor etwa 10 Jahren bei der Hochzeit eines lieben Freundes unserer Familie passiert. Zwei Tage vor der Hochzeit erreichte uns die Nachricht, dass mein Onkel plötzlich verstorben war. Wir konnten unsere Pläne so anpassen, dass wir es sowohl zur Beerdigung als auch zur Hochzeit schaffen würden. Eine Flugverspätung stellte uns dann aber vor die Wahl, entweder die Trauung zu verpassen oder dort in unserer Beerdigungskleidung zu erscheinen.
Wir entschieden uns, direkt zur Trauung zu fahren und kamen genau vor dem Einzug der Braut an, sodass wir unsere Plätze vor den Augen der festlich gekleideten Versammlung einnehmen mussten. Ich komme ins Schwitzen, wenn ich nur daran denke. Vor der anschließenden Hochzeitsfeier wechselten wir dann schnell in unsere Hochzeitsgarderobe. Und kannst du es dir denken? Kein einziger Gast auf der Hochzeitsfeier hatte unsere Verspätung oder unsere unzureichende Kleidung bei der Trauung überhaupt bemerkt. Natürlich nicht, denn genau so, wie es sein soll, war die Aufmerksamkeit aller auf das prachtvolle Brautpaar gerichtet. Meine Sorgen um die unangemessene Kleidung stellten sich als unnötige Energieverschwendung heraus.
Viele Frauen verlieren ihre Bestimmung und Berufung aus den Augen. In einer Kultur, in der uns gesagt wird, wir seien der Mittelpunkt von jedermanns Geschichte, kann sich jeder Tag wie die Gelegenheit anfühlen, ein auffallend schlecht gekleideter Gast bei einer Veranstaltung zu sein, zu der sich alle anderen besonders schick gemacht haben. Das Vergleichen mit anderen und die Erwartungen, die wir wahrnehmen, bringen uns dazu, uns selbst infrage zu stellen und uns als unzureichend zu betrachten. Über Wochen, Monate und Jahre hinweg leben wir mit der Angst, nicht zu genügen.
Die beste und schönste aller Geschichten – die Geschichte der Bibel, in die wir eingeladen werden –, sieht jedoch keine Hauptrolle für uns vor. Sie platziert uns nicht im Zentrum des Geschehens. Deshalb ist sie auch so gut und so schön.
Die Geschichte handelt von Menschen, die zu einer Hochzeit eingeladen wurden. Tatsächlich kommen diese Menschen sogar gerade von einer Beerdigung. Es ist die Hochzeit von einem Bräutigam (Christus), der unserer uneingeschränkten Aufmerksamkeit würdig ist, und einer Braut (der Kirche), die all unsere Mühe wert ist. Diese Geschichte erinnert uns immer wieder daran, dass wir nicht im Rampenlicht stehen, sondern dass wir unser Leben voller Freude damit verbringen können, die Braut für ihren Ehemann vorzubereiten.
Diese Geschichte möchte Jen Oshman dir erzählen. Deine Erwartungen an das Leben, an dich selbst oder daran, wie andere dich wahrnehmen, mögen Tag für Tag in deinem Kopf herumwirbeln. Es gibt jedoch eine Vision, die viel größer als diese Dinge ist, und die dir von Neuem die Freude an deiner Erlösung schenken kann. Oshman lädt dich zu einer Hochzeit ein, bei der Selbstvergessenheit die angemessene Kleidung ist und die Liturgie von der Herrlichkeit des glücklichen Paares singt. Was erfüllt mehr, als sein Leben mit der Suche nach Selbstverwirklichung zu verbringen? Unser Leben dafür zu verwenden, unseren herrlichen und alles überragenden Gott zu ehren.
Das ist Leben in Fülle. Das ist die beste und schönste aller Geschichten.
Willkommen zur Hochzeitsfeier!
Jen Wilkin
Ich saß erschöpft auf dem Boden meines Zimmers im Studentenwohnheim. Meine Augen brannten, mein Kopf dröhnte und meine Tränendrüsen waren leer geweint. Ich fragte mich, wie ich nur in diese Lage geraten war. Die überwältigende Traurigkeit, die mich plötzlich umhüllte, war mir fremd. Ich war immer glücklich und zufrieden gewesen – gewöhnlich liefen die Dinge gut für mich. Jetzt hingegen konnte ich nicht einmal identifizieren, was der Grund dafür war, so aufgewühlt und niedergedrückt zu sein.
Ich war 18 Jahre alt und genoss das typische erste Studienjahr. Meine Tage waren mit fesselnden Unterrichtsstunden und neuen Freundschaften gefüllt. Worüber kann man da weinen? Dennoch wurde ich wochenlang Tag für Tag von einem Kummer überrollt, der zu Beginn keine Ursache zu haben schien. Ich war einfach traurig.
Jetzt schaue ich mit Dankbarkeit auf diese Tage zurück. Aus heutiger Perspektive sehe ich, dass sie ein gnädiges Geschenk waren – ein Werkzeug in Gottes Hand, das mich ihm näherbrachte. Damals fühlte ich mich allerdings wie unter Wasser. Ich bekam keine Luft mehr und hatte die Orientierung verloren, weil ich so lange angestrengt geschwommen war und doch nicht vorankam. Vielleicht kennst du das auch. Vielleicht hast du schon einmal einen Weg eingeschlagen, ihn mit aller Kraft und großer Anstrengung verfolgt, nur um ein Ziel zu erreichen, dass am Ende gar nicht deinen Vorstellungen entsprach.
Beim Studium erlebte ich zum ersten Mal eine solche Desillusionierung. Es sollte aber nicht das letzte Mal sein. Als junge Ehefrau merkte ich schnell, dass das Eheleben ganz anders war, als ich es mir vorgestellt hatte. Auch mein Einstieg in die Berufswelt war gespickt mit Enttäuschungen. Sogar mein Alltag im christlichen Dienst hatte seine Tiefs. Auch meine Lebensmitte – eine Zeit, die angeblich der Höhepunkt und die Krönung sein sollte – wird den Filmen oder den Vorstellungen nicht gerecht, die ich als junges Mädchen hatte.
Wie oft bist du schon an einem ersehnten Ziel angekommen, nur um festzustellen, dass es nicht gehalten hat, was es versprach? Wir bleiben müde zurück. Zynisch. Enttäuscht von dem, was uns das Leben beschert hat.
In zwei Jahrzehnten Frauenarbeit bin ich dieser Geschichte wieder und wieder begegnet. Meine Freundin Lena wollte immer eine große Familie haben. Jetzt ist sie Mama von fünf kleinen Kindern. Allerdings ist sie frustriert. Sie beklagt, dass ihr Mann nicht im Haushalt hilft und kämpft mit Verhaltensproblemen bei einigen ihrer kleinen Jungs. Eine alleinstehende Freundin, Andrea, ist die Karriereleiter mit Geschick hochgeklettert. Während sie über ein hohes Einkommen verfügt und den Alltag einer Geschäftsfrau schätzt, merkt sie, dass es nicht die ersehnte persönliche Erfüllung bringt. Dann ist da Doris, die scheinbar in allem glänzt: Beruf, Muttersein, Gemeinde – einfach alles. Privat gesteht sie dagegen, dass sie sich überall wie eine Versagerin fühlt. Wenn sie könnte, würde sie am liebsten davonlaufen, und sei es nur für eine kurze Pause und den Versuch, flüchtige Ruhe zu finden.
Diese Geschichten und Eingeständnisse sind nicht nur bei den Frauen bekannt, die im Hauskreis über ihre Sorgen sprechen. Auch außerhalb der Kleingruppe und der Gemeinde wird dieses Phänomen beobachtet. Die heutige Zeit zeugt von einer wachsenden Anzahl verletzter Frauen.
Während ich nicht empfehle, sich bei der Talkshow-Moderatorin Oprah Winfrey Rat zu holen, hat sie den Finger dennoch genau am Pulsschlag der heutigen Frau. Ein Artikel auf Oprah.com mit dem Titel »The New Midlife Crisis« bringt gut auf den Punkt, worüber ich spreche. Der Artikel zitiert eine Studie, der zufolge sich »das Lebensglück der Frauen von Anfang der 70er-Jahre bis Mitte der 2000er-Jahre ›sowohl absolut als auch im Vergleich zur Zufriedenheit von Männern verschlechtert‹ hat. Mehr als eine von fünf Frauen nimmt Antidepressiva.«1
Ich stelle das auch in unserer Region fest, wo die psychische Gesundheit von Frauen zu einer großen Herausforderung für den Gesundheitssektor wird. Einem Mitarbeiter des Sozialdienstes zufolge ist die Selbstmordrate unter Frauen hier in den Vororten Denvers auffällig hoch. Ein Freund, der im Rettungsdienst tätig ist, erzählt von zahlreichen Notrufen von Frauen, die eine Überdosis an Drogen oder Alkohol eingenommen haben – häufig mitten am Tag. Eine Nachbarin hier um die Ecke verlor kürzlich das Sorgerecht für ihre Kinder, nachdem sie diese unter Alkoholeinfluss zur Schule gefahren hatte.
Was geht da vor sich? Warum welken die Frauen dahin – von Teenies über Frauen mittleren Alters und darüber hinaus? Wir haben heutzutage größeren Zugang zu Bildung, Berufschancen, Wohlstand und Selbstbestimmung als je zuvor. Wir können scheinbar alles haben – oder zumindest viel mehr als wir in der Vergangenheit hatten oder Frauen in anderen Teilen der Welt haben. Dennoch sind wir depressiver als je zuvor. Das hat der Geber des Lebens nicht gewollt.
Damals saß ich mit meiner verstaubten Bibel, die ich zwar von zu Hause mitgenommen, aber nie geöffnet hatte, auf dem Boden meines Zimmers. Obwohl ich an Gott glaubte, kannte ich sein Wort nicht. In dieser Nacht griff ich danach wie nach einem Rettungsseil. Ich streckte mich nach mehr aus – nach etwas, das mir helfen sollte, zu atmen, Frieden zu finden und zu heilen.
Ich erreichte das Ende des Matthäusevangeliums, wo Jesus in den Garten Gethsemane ging, um zu beten, bevor er das Kreuz ertrug. Mich faszinierte, dass er selbst in dieser unfassbaren Trauer zu seinem Vater betete: »… doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst« (Mt 26,39). In der emotionalen Brutalität Gethsemanes sah ich einen Sohn, der sich seinem Vater liebevoll hingab und ihm trotz unermesslicher Schmerzen vertraute.
Auch meine Seele sehnte sich danach, zu vertrauen. Ich denke nicht, dass mein Schmerz mit dem Schmerz Jesu vergleichbar ist. Selbst damals, als unerfahrene Bibelleserin, begriff ich, dass mein Tal der Verzweiflung nichts ist im Vergleich zu der Aussicht, am Kreuz zu hängen und das Gewicht der Sünde dieser Welt zu tragen.
Auf diesen Seiten spürte ich jedoch, dass Gott bereitstand, um mich zu heilen. Er wollte mir Linderung für meine Traurigkeit verschaffen. Es war, als sagte Gott mir durch sein Wort: »Jen, ich werde dich heilen, aber du musst mir dein ganzes Selbst geben.« In diesem Tal wusste ich, dass der Herr mich aufforderte, mich ihm ganz hinzugeben. Ich wusste nicht, was das bedeutete oder wie ich es tun konnte, aber ich sehnte mich danach, geheilt zu werden.
Wenn auch du dich auf dem Fußboden sitzend wiederfindest, dann ist dieses Buch für dich. Vielleicht sitzt du auf dem Boden des Besprechungsraums in deiner Firma, vielleicht im Kinderzimmer, knietief in Windeln, oder auf dem Boden deines Schlafzimmers in Sorge um deine Ehe. Vielleicht ist es ein Boden am anderen Ende der Welt, im Herzen einer Großstadt oder irgendwo im Nirgendwo. Vielleicht bist du auf einem Boden, den du nie erwartet hättest oder du bist genau dort, wo du hinwolltest, und doch ist alles ganz anders als erhofft.
Womöglich bist du gerade auch gar nicht am Boden. Wenn die Dinge gerade genau richtig laufen, dann freu dich! In dieser gefallenen Welt wissen wir allerdings, dass Versprechen gebrochen werden und Träume nicht immer wahr werden. Ein Bodenmoment wird früher oder später kommen. Auf dieser Seite des Himmels bleibt niemand verschont.
Wo auch immer du dich befindest – als Frau in dieser Zeit kämpfst du wahrscheinlich mit einer Art von Desillusion, Ernüchterung oder Enttäuschung dessen, was das Leben dir gebracht hat. Dieses Buch wird sowohl erkunden, wie wir dahin gekommen sind, als auch, wie wir dem Leben im Überfluss näherkommen, das Jesus denen versprochen hat, die glauben (vgl. Joh 10,10).
Ein kleiner Hinweis der Vorsicht, bevor wir starten: Dieses Buch richtet sich nicht an die realen Herausforderungen einer klinischen Depression. Diese Seiten wurden mit dem Gedanken an die Frauen geschrieben, die Enttäuschung erleben, wie es unter Frauen heutzutage weitverbreitet ist. Wenn du den Verdacht hast, dass du eine mentale Erkrankung hast, nimm bitte den Rat eines Seelsorgers und die Behandlung eines Therapeuten in Anspruch.
In den folgenden Kapiteln untersuchen wir die gesellschaftlichen Normen und Praktiken, die uns in die aktuelle Krise des Unglücklichseins geführt haben. Wir treten einen Schritt zurück und fragen, warum uns die Weisheit der Welt nicht das gegeben hat, was sie uns versprochen hat. Wir werden vor allem damit ringen, warum gläubige Frauen entmutigt sind. Wie kann es sein, dass fast die Hälfte der Frauen, die eine Gemeinde besuchen, sagen, dass sie dort keine emotionale Unterstützung erhalten?2
Nach der Diagnose, wie wir dahin gekommen sind, richten wir unser Herz und unseren Verstand auf Gottes Wort. Wie hat Gott uns erschaffen? Wozu hat er uns berufen? Wie genau kann uns der »Gott der Hoffnung … mit aller Freude« erfüllen (Röm 15,13)?
Während du diese Seiten umblätterst, hoffe ich, dass wir gemeinsam zu einem volleren Verständnis des Evangeliums gelangen. Es ist die Geschichte von dem Leben, Tod und der Auferstehung Jesu. Es ist die Botschaft der Errettung. Und es ist auch unsere tägliche Hoffnung und Kraftquelle für alles, was kommt. Gott fordert uns auf, in Christus verwurzelt und gegründet zu sein (vgl. Kol 2,6–7). Wenn wir das tun, werden wir die bleibende Freude finden, nach der wir suchen.
In ein paar Wochen werden Freunde und Familie zu meinem vierzigsten Geburtstag zusammenkommen, und darauf freue ich mich. Vierzig – darauf habe ich schon lange gewartet.
Wusstest du, dass Jennifer ab 1970 vierzehn Jahre lang der beliebteste Name in Nordamerika war? Es wurden sogar Zeitungsartikel darüber geschrieben, weil es nie zuvor ein Namensphänomen wie dieses gegeben hat.3 Es gibt eine ganze Generation von uns. Jedes dritte Mädchen in all meinen Klassen vom Kindergarten bis zur Uni hieß Jennifer, Jen oder Jennie. (Oder wird es »Jenny« geschrieben? Meine Arbeitsblätter aus der Grundschule offenbaren, dass ich das nie so ganz herausgefunden habe.) Wir sind überall!
Wir Jennifers wurden geboren als Grease, Saturday Night Fever, Star Wars und Der rosarote Panther die beliebtesten Filme waren. Ziemlich cool. Schlaghosen und Anzüge beherrschten die Modeszene. Auf meinen Babyfotos trägt mein Vater ein offenes Hemd mit großem Kragen. Die Haare meiner Mutter sind im damals modernen Pagenkopf gestylt. Angesichts des Modebewusstseins meiner Eltern musste ich natürlich eine Jennifer sein. Der Name war einfach ein weiterer Modetrend dieser Zeit.
Einige meiner frühesten Erinnerungen aus den 80ern beinhalten Mode, die ich jetzt beim Einkaufen mit meinen Töchtern wiedersehe: Jeans mit hoher Taille und bauchfreie Tops, Schulterpolster, Jeansjacken und Gürteltaschen. Ich bevorzuge die weit geschnittenen Mom-Jeans, aber meine Töchter schwören, dass High-Waist-Jeans ganz anders und den Mom-Jeans ultimativ überlegen sind. Wie auch immer – diese fast vierzigjährige Mama ist gern bereit, den tiefsitzenden Hüfthosen »Auf Wiedersehen!« zu sagen, aber mussten wir die Bauchtaschen und Schulterpolster so bereitwillig willkommen heißen?
Wenn du einige dieser populären Mode-Erscheinungen erkennst, bist du wahrscheinlich Teil der Generation X, zu der ich gerade so noch dazugehöre – die Grenze wird 1981 gezogen. Zu den Millenials gehören jene, die direkt nach mir geboren wurden, also in den 1980ern und 90ern. Einige Sozialwissenschaftler nennen uns heute Vierzigjährigen »Xennials«, weil wir der Grenze so nah sind. Falls du ein Millenial bist, können wir also sagen, dass wir Gleichaltrige sind. Im Herzen fühle ich mich ohnehin, als hätte ich gerade erst mein Studium abgeschlossen.
Eine Generation mit neuen Problemen
Wir, die aktuell im Alter von zwanzig, dreißig, vierzig oder fünfzig sind, haben mehr als die Rückkehr der Schulterpolster zu beklagen. Wir sind immer noch dabei, die schwierigen Themen zu verarbeiten, die uns beim Erwachsenwerden begleitet haben. Man nennt uns die »Scheidungsgeneration«, weil die Zahl der gescheiterten Ehen 1980 ihren Spitzenwert erreichte.4 Die Scheidungswelle deckt sich mit der sexuellen Revolution.5 Als sich unsere Eltern aus ihren Ehen »befreiten«, fanden sie auch Freiheit in den neuen Normen für unverbindliche Beziehungen und sexuelle Orientierungen.
Als erste Generation der »Schlüsselkinder« fanden wir uns zu Hause allein vor und mussten selbst herausfinden, wie die Welt funktioniert. Wir sind zweifellos in unsicheren Zeiten aufgewachsen.
Eine Generation mit neuen Versprechen
Die Zeit war aber auch aufregend. In den Vereinigten Staaten wurde der Title IX begrüßt, ein zivilrechtliches Gesetz, das besagt, dass niemand aufgrund seines Geschlechts von einem Lernprogramm ausgeschlossen werden darf. Meine Freundinnen und ich fühlten die Effekte von Title IX vorrangig in der Sportwelt. Mädchensport gewann an Aufmerksamkeit und erhielt mehr Finanzierung. So fanden wir uns jeden Nachmittag auf dem Fußballplatz wieder, um mit den Jungen Schritt zu halten. Das ständige Mantra unserer Trainer und Lehrer lautete: »Alles, was Jungs tun können, könnt ihr besser!« In meiner Schule gab es sogar einige vielversprechende weibliche Kicker6 für das Footballteam der Jungs.
Sicher, wir waren von unserem turbulenten Leben zu Hause etwas angeschlagen, aber unsere Schultage und Freundeskreise waren voller Möglichkeiten. »Sei, was immer du sein möchtest«, sagten uns die Leute. Unsere einzige Einschränkung war unsere Phantasie.
In dieser Zeit voller Möglichkeiten war ich Chefredakteurin der Schulzeitung. Vor kurzem fand ich eine alte Ausgabe mit einem von meiner Wenigkeit verfassten Leitartikel. Er enthielt nicht wenig Pfeffer. Im Grunde war die Aussage: Die Mädchen füllen die Ehrenplätze und Kurse für Fortgeschrittene, aber wo sind die Jungs? Es war eine Feier von Title IX. Wir Mädchen kamen wirklich voran, teils weiter als die Jungen. In meinem Umfeld zumindest erhielten sie die Auszeichnungen und Stipendien und waren auf dem Weg in eine vielversprechende Zukunft an den besten Universitäten.
Die Welt applaudierte uns. Wir spürten das. Girlpower katapultierte uns weiter, als unsere Mütter und Großmütter jemals gekommen waren. Wir waren entschlossen, die gläserne Decke einzureißen. Unsere Augen waren darauf gerichtet, Geschäftsführer, Unternehmer, Ingenieure, Professoren, Anwälte, Ärzte oder – wie in meinem Fall – Fernseh-Nachrichtensprecher zu werden. Unsere Eltern haben sich für uns gefreut, und wir wussten es nicht besser. Mit großer Zuversicht machten wir uns auf in eine Welt, die den Frauen gehört.
Du schaffst das!
Der Optimismus unserer Mütter und die »Du schaffst das«-Stimmung, die uns Mädchen umgab, katapultierten uns in das Erwachsenenleben. Einige von uns erreichten Abschlüsse, starteten Karrieren, fanden Ehemänner, bekamen Kinder und hatten bedeutende Positionen in der Wirtschaft, der Politik und der Gemeinde inne.
Sie sagten uns damals und sagen uns noch heute, dass wir alles haben können. Wir versuchen es natürlich auch. Die meisten Frauen, die ich kenne, arbeiten (Teilzeit, Vollzeit oder von zu Hause) oder haben ihr eigenes Geschäft, machen Freiwilligenarbeit, erziehen Kinder, sind in Vereinen aktiv, dienen in ihren Kirchengemeinden, machen Sport, streben danach, gesundes Essen auf den Tisch zu stellen, haben ein aktives soziales Leben, denken global, kaufen lokal ein – und die Liste geht noch weiter. Wir jonglieren Haushalt, Beförderung und Sonntagsschule. Das ist Girlpower.
Die kulturelle Luft, die wir atmen, füllt uns mit Optimismus. So atmen wir tief ein und rennen weiter unserem Ziel hinterher. »Nimm dein Schicksal selbst in die Hand! Sei du selbst! Greif nach den Sternen! Du bist deines Glückes Schmied! Lass sie dich niemals schwitzen sehen! Folge deinen Träumen! Leg los! Du hast das Zeug dazu!«
Wir alle strecken uns nach diesem flüchtigen goldenen Stern aus: die Frau zu werden, von der uns die Gesellschaft sagt, wir könnten sie sein. Wir ziehen uns an den eigenen Haaren aus dem Sumpf, schlürfen unseren Kaffee und schauen in den Spiegel, um uns selbst zu erinnern:»Du packst das, Schwester. Zeig es ihnen!«
Aber dann … Nahezu ohne Ausnahme und wie auf Kommando erreichen wir unser Limit. Die Kaffeetasse ist leer. Die Selbstermunterungen werden leiser. Wir brechen müde auf dem Sofa zusammen. Wir sind erschöpft. Es funktioniert nicht. Hilfe!
Wir haben es geschafft!
Warum sind wir dann so traurig?
Der Feminismus hat tatsächlich für bessere Gehälter, gleiche Rechte und mehr Respekt in verschiedenen Sphären der Gesellschaft gesorgt. Frauen heute stehen in der Schuld unserer Vorgänger. Ich bin für viele Früchte der Frauenbewegung dankbar. Ohne jene Frauen, die vor mir kamen, hätte ich wohl nicht Kultur und Theologie studiert und würde auch nicht dieses Buch schreiben.
Obwohl ich mich über die starken Frauen der Vergangenheit und Gegenwart freue, frage ich mich, was wirklich vor sich geht. Wir Xennial-Frauen, die mit hohen Erwartungen und großen Versprechen durch die Tore in das Erwachsenenleben gestartet sind, freuen uns nicht so sehr, wie es sich die Frauen in der vorherigen Generation wohl vorgestellt hatten. Es läuft nicht nach Plan. Selfmade-Frauen zu sein, laugt uns aus.
Psychologen haben herausgefunden, dass »das Lebensglück von Frauen in den vergangenen Jahrzehnten sowohl in absoluten Zahlen als auch in Relation zu den Werten bei Männern abgenommen hat, obwohl sich ihre Lebensumstände anhand der meisten objektiven Maßstäbe deutlich verbessert haben«7. In westlichen Ländern befindet sich die mentale und emotionale Gesundheit der Frauen in einer Krise. Eine Studie des Gesundheitsministeriums offenbart, dass sich die Selbstmordrate unter Frauen in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt und bei Mädchen im Alter von zehn bis vierzehn Jahren verdreifacht hat.8 Wir müssen uns die schwierige Frage stellen: Warum werden wir immer hoffnungsloser, wenn doch alles immer hoffnungsvoller wird?
Sozialwissenschaftler sind unterschiedlicher Meinung darüber, warum Frauen und Mädchen es so schwer haben. Einige erklären es damit, dass Männer weiterhin die bestbezahlten Jobs und höchsten Ämter einnehmen. Einige machen sexuelles Fehlverhalten und Missbrauch dafür verantwortlich, wie es die #Me-Too-Bewegung so anschaulich dargestellt wurde. Andere weisen darauf hin, dass sich zwar viele neue Möglichkeiten außer Haus eröffnet haben, wir uns zu Hause aber auch weiterhin um alles kümmern. Diese »zweite Schicht« ist hauptsächlich von Frauen besetzt. Wieder andere meinen, dass wir einfach zu beschäftigt sind und die einzelnen Dinge nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen. Zuletzt glauben andere, dass die sozialen Medien eine Rolle spielen.
Wie sind wir hier hingekommen?
Auf unserem Esstisch befindet sich eine Karte, bei der wir nach den Mahlzeiten gern verweilen. Drei meiner vier Töchter kamen in Asien auf die Welt. Nachdem sie ihre ersten Lebensjahre dort verbracht hatten, zogen wir nach Europa. Rechtzeitig für die Teenager-Jahre landeten wir wieder in den Vereinigten Staaten. Wenn wir die Karte betrachten, erinnern wir uns an unsere liebsten Orte in Japan und Thailand. Wir schauen gemeinsam auf Tschechien und erinnern uns an Reisen durch Europa. Wir fahren mit den Fingern über drei Kontinente und erinnern uns, wie wir hierher, nach Colorado, gekommen sind.
Jedes dieser Länder spielt eine wichtige Rolle dabei, wer meine Töchter heute sind.Wegen dieser Orte lieben sie Ramen-Nudeln und gebratenen Reis. Ihretwegen essen sie gern Sushi und deswegen sind japanisches Curry und tschechisches Gulasch Festmahle in unserem Haus. Die Punkte auf der Reise offenbaren, warum unsere Töchter eine zweite Sprache sprechen und immer noch etwas verdutzt sind über American Football, gigantische Supermärkte und die große Auswahl an Schulmaterialien. Die Weltkarte und die geteilten Erlebnisse erinnern uns daran, wer wir heute sind und wie wir hierhergekommen sind.
Ähnlich ist es auch mit diesem Moment in der Frauengeschichte. Wenn wir verstehen wollen, wer wir heute sind, müssen wir mit unserem Finger über die Karte gleiten, um herauszufinden, wie wir zu diesem paradoxen Moment von großen Möglichkeiten und großen Entmutigungen gekommen sind.
Die westliche Weltanschauung und die Frau
Unsere derzeitige Situation ist nicht lediglich eine Folge der Frauenrechtsbewegung. Sie entspringt nicht allein den sozialen Medien oder den Doppelschichten, die viele von uns leisten. Auch sind sie nicht einfach das Ergebnis moderner Schwierigkeiten und Belastungen. Vielmehr sind wir hier angekommen, indem wir der natürlichen Entwicklung der Weltanschauungen des Westens in den vergangenen hundert Jahren gefolgt sind. Die westliche Weltanschauung hat uns hierher gebracht, ob wir es wissen oder nicht.