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Der Milliardär, der Ukrainekrieg und die deutschen Medien
George Soros hat seit 1990 über 32 Milliarden Dollar in den Aufbau eines weltweiten Netzwerks von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Hochschulen, Medien und Thinktanks investiert, die Presse, Justiz und Politik beeinflussen.
Ab dem Jahr 2000 hatte er durch dieses Netzwerk so viel Macht angehäuft, dass es ihm sogar gelang, durch sogenannte »Farbrevolutionen« Regierungen zu stürzen.
Das Milliardengeschäft mit dem Ukrainekonflikt
Zusammen mit der Obama-Regierung trugen Soros-nahe Aktivisten und NGOs 2014 zu einem Umsturz in der Ukraine bei. Seitdem herrscht Krieg in der Ostukraine.
Dabei trägt der Konflikt viele Anzeichen einer Auseinandersetzung zwischen zwei Oligarchen: George Soros und Wladimir Putin. Die Feindschaft zwischen den beiden Männern geht auf das Engagement von George Soros in den 1990ern in Russland zurück, als dieser das ehemalige Sowjet-Reich als »Soros-Reich« bezeichnete.
2020 kehrten mit Joe Biden dieselben Soros-nahen Kräfte ins Weiße Haus zurück, die bereits 2014 für den Maidan-Umsturz verantwortlich zeichneten: US-Außenminister Antony Blinken, der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan und Vize-Außenministerin Victoria Nuland.
Seither eskaliert der Konflikt um die Ukraine bis hin zur größten militärischen Auseinandersetzung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Von Anbeginn waren Soros-nahe deutsche Medien und die deutsche Politik keine neutralen Beobachter dieses Konflikts.
Gekaufter Mainstream: die »Propagandalawine«
Collin McMahon zeigt am Beispiel der deutschen Mainstream-Medien eindrücklich, wie stark der Einfluss von George Soros ist. Mit zuletzt 131 Millionen Dollar sponserte er weltweit 253 Mediengesellschaften. Zu seinem Mediennetzwerk gehören unter anderem ARD, Spiegel und Süddeutsche Zeitung. McMahon verdeutlicht nicht zuletzt, wie stark die »Öffentlich-Rechtlichen« von Soros-Vertrauten durchsetzt sind. Unzählige prominente Journalisten und Entertainer stehen in direkter Verbindung zu Soros-NGOs. Und so ist es kein Wunder, dass in ARD und ZDF laufend »Experten« zu Wort kommen, die Organisationen von Soros angehören.
Collin McMahon zeigt, wie es so weit kommen konnte, wer dahintersteckt und wer davon profitiert. Er belegt seine umfangreichen Recherchen mit 678 Quellen.
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Hiermit weist der Verlag nachdrücklich darauf hin, dass das Gendersternchen in »Neue deutsche Medienmacher*innen« keineswegs auf einer Verlagsentscheidung beruht, sondern der Schreibweise entspricht, die dieser Verein seit 2021 angenommen hat. Es handelt sich also um ein Element in einem Eigennamen, der als solcher respektiert werden muss.
Vorbemerkung
Da den Kritikern von George Soros regelmäßig vorgeworfen wird, sie seien »antisemitisch«, soll von vorneherein klargestellt werden:
George Soros ist kein Freund von Israel oder des jüdischen Volkes.
Kaum ein lebender Mensch hat mehr getan, um Anti-Israel-Gruppen zu unterstützen.
Nicht Soros zu kritisieren, sondern ihn zu verteidigen ist also eine Form von israelfeindlichem Antisemitismus.
Dieses Buch hingegen argumentiert aus einer projüdischen und Pro-Israel-Perspektive. Wer hier antisemitische Verschwörungstheorien sucht, wird enttäuscht werden.
KAPITEL 1
Ukraine on Fire – die russische Invasion in der ARD
Am 10. November 2021 verabschiedeten die Außenminister der USA und der Ukraine, Antony Blinken und Dmytro Kuleba, in Washington die US-Ukraine-Charta, nach der ein NATO-Beitritt der Ukraine »alleinige Entscheidung der Ukraine« sei. 1
Am 7. Dezember 2021 meinte der russische Präsident Wladimir Putin bei einem 2-stündigen Telefonat mit Joe Biden, die Aufnahme der Ukraine in die NATO sei eine »rote Linie«.
Am 9. Dezember 2021 versicherte Joe Biden dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, ein NATO-Beitritt liege allein in den Händen der Ukraine.
Am 8. Februar 2022 sagte Wladimir Putin dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron: »Wir sind entschieden gegen einen NATO-Beitritt der Ukraine.«
Vom 18. bis 20. Februar 2022 fand im Hotel Bayerischer Hof die Münchner Sicherheitskonferenz statt, und zwar erstmals unter der Leitung des ehemaligen deutschen UNO-Botschafters Christoph Heusgen. Wie sein Vorgänger Wolfgang Ischinger ist auch Heusgen langjähriges Mitglied des European Council on Foreign Relations (ECFR). Trotz Ischingers ausdrücklicher Einladung war Russland zum ersten Mal seit der Rede von Wladimir Putin 2007 nicht dabei.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (ebenfalls ECFR-Mitglied) sagte am 18. Februar 2022 auf der Münchner Sicherheitskonferenz: »Wir wollen das Engagement der NATO stärken.«
Die amerikanische Vizepräsidentin Kamala Harris bekräftigte am 20. Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz: »Es ist die Entscheidung der Ukraine, ob sie in die NATO wollen.«
Am 24. Februar 2022 begann der russische Angriff auf die Ukraine.
Russische Truppen marschierten von Weißrussland aus auf Kiew, von Russland auf Charkiw im Nordosten der Ukraine und von der Krim auf Cherson und Mariupol zu. Es war die größte militärische Offensive in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs.
Bereits der Maidan-Umsturz im Februar 2014 hatte einen Konflikt um die russischsprachigen Gebiete im Osten der Ukraine, dem Donbas, entfacht. Am 18. März 2014 annektierte Russland dann die Krim, und im Minsker Abkommen bekundeten die Konfliktparteien ihren Willen, sich um eine Verhandlungslösung für die russischsprachigen Gebiete zu bemühen. Doch es passierte nichts. Der Konflikt schwelte weiter vor sich hin.
Europa traf der russische Angriff im Februar 2022 völlig unvorbereitet, obwohl die Biden-Regierung seit Dezember 2021 vor einem russischen Aufmarsch an der Grenze zur Ukraine gewarnt hatte. Ganz besonders die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF schienen vergessen zu haben, wie man über einen Krieg berichtet. Während erfahrene deutsche Kriegskorrespondenten wie Peter Scholl-Latour längst einer anderen Generation angehörten, verfügten jüngere Kollegen der Generation X, Y und Z über keinerlei Kriegserfahrung, sieht man von Videospielen à la Call of Duty ab.
Das Magazin Medieninsider2 sagte über die ARD zu Kriegsbeginn, sie sei nur »bedingt berichtsbereit«. Als einzige deutschsprachige Journalisten parat zu sein schienen der säbelrasselnde Paul Ronzheimer von der Bild-Zeitung und Kurt Pelda von der konservativen Schweizer Weltwoche, der sonst eher ein seltener Gast in der Tagesschau ist.
»Mir sagte gerade ein Freund, dass die große, mächtige, mit 8 Milliarden an Gebührengeldern finanzierte ARD nicht einen Korrespondenten in der Ukraine habe«, twitterte Focus-Journalist Jan Fleischhauer am 1. März, »während allein Der Spiegel mit 5 Reportern da sei. Ich habe ihm geantwortet, ich könne das nicht glauben. Ist das wahr?« 3
Bei der ARD wusste man sich jedoch zu helfen: So flimmerten bald allerlei »Experten« und »Menschenrechtsaktivisten« über die deutschen Bildschirme, die per Skype und Handy Meldungen über die dramatischen Kriegsgeschehen verbreiteten, damit die gut bezahlten ARD-Journalisten bequem aus Hamburg, Köln und Berlin berichten konnten, ohne selbst in Gefahr zu geraten.
Dabei wurde jedoch dezent verschwiegen, dass diese »Experten« und »Aktivisten« fast durchgehend zu NGOs (Nichtregierungsorganisationen) gehörten, die mit dem ungarisch-amerikanischen Hedgefonds-Milliardär George Soros und seinen Open Society Foundations zusammenhängen. Seit der Wende 1990 setzt sich Soros für eine demokratische und »offene Gesellschaft« in Osteuropa und ganz besonders der Ukraine ein, wovon seine Gründung der International Renaissance Foundation 1990 zeugt. Die über 100 Millionen Dollar, die er dort zwischen 1990 und 2010 ausgab, kamen nicht zuletzt auch dem Ukraine Crisis Media Center in Kiew zugute, das nach dem Maidan-Umsturz 2014 ins Leben gerufen worden war und dazu dienen sollte, westliche Journalisten bei ihrer Berichterstattung zu »unterstützen«.
Anstatt auf Berichterstatter vor Ort griffen die westlichen Medien zu Beginn des Kriegs folglich auf ein Netzwerk aus Soros nahestehenden NGOs und Experten zurück, die ihnen die Arbeit abnehmen und ihrer Berichterstattung gleich den gewünschten Dreh geben konnten. Allerdings verzichtete die ARD-Tagesschau darauf, ihre Interviewpartner als Mitglieder von Soros-NGOs kenntlich zu machen.
So berichtete ARD-Reporter Danko Handrick in der Tagesschau am 1. März 2022 lieber von der slowakischen Grenze aus als aus der Ukraine selbst. Aus Kiew schaltete sich die Journalistin Anna Kosstutschenko aus ihrer Küche zu, und zwar für den ukrainischen Auslandssender UATV, der dem Oligarchen Ihor Kolomojskyj gehört – dem Schutzpatron des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Kosstutschenko berichtet auch für Voice of America, den offiziellen Auslandssender der US-Regierung, und sagte: »Wir sind so wütend auf das russische Volk.«
Im ARD-Brennpunkt am 28. Februar 2022 sprach Moderatorin Ellen Ehni mit Gwendolyn Sasse vom Zentrum für Osteuropa und internationale Studien (ZOiS) und ließ sie über den Geisteszustand von Wladimir Putin spekulieren. 4 Sasse war Assistant Professor an der Central European University (CEU) von George Soros gewesen und hatte dort 2014 – zusammen mit Goran Buldioski, dem Direktor des Open Society Think Tank Fund, sowie weiteren führenden Köpfen der CEU – für die European Stability Initiative (ESI) von Merkel-Berater Gerald Knaus gesprochen.
Danach befragte Ehni den in der Ukraine lebenden Gießener Anwalt Ario Dehghani, der zu der Kanzlei Redcliffe Partners gehört und mit dem Anti-Corruption Research and Education Centre (ACREC) zusammenarbeitet, das zwischen 2017 und 2020 insgesamt 200 000 Dollar von Open Society erhielt. 5
Im ARD-Brennpunkt vom 1. März 2022 führte Moderatorin Ellen Ehni ein bewegendes Interview mit Darya Romanenko, der Leiterin der zivilgesellschaftlichen NGO Drukarnia, aus dem von Kiew besetzten Slowjansk in der Ostukraine. Drukarnia ist Teil des Berliner Vereins »Austausch e. V. – Für eine europäische Zivilgesellschaft«, der eng mit anderen »zivilgesellschaftlichen« NGOs zusammenarbeitet und 2021 wegen »ausländischer Einflussnahme« aus Russland verbannt wurde. Romanenko wurde von der ARD nur lapidar als »Mitarbeiterin einer Friedensorganisation« bezeichnet.
Dasselbe Sendeformat brachte dann einen ausführlichen Bericht der ukrainischen Abgeordneten und ehemaligen Bildungsministerin Inna Sowsun aus Kiew, die unter anderem behauptete, russische Spezialkräfte würden Kinder erschießen. »Immer wenn Putin den Mund aufmacht, lügt er«, so Sowsun, und Putin wolle die Ukraine und »die Idee der Demokratie in der Welt zerstören«. Sowsun ist Mitarbeiterin des Thinktanks CEDOS, der 2020 115 000 Dollar von Soros’ International Renaissance Foundation sowie 17 000 Dollar von der Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen erhalten hatte. 6 2016 erhielt CEDOS 124 000 Dollar von Open Society 7 .
Am 3. März interviewte Ellen Ehni 8 zunächst einen gewissen Kyrylo Tkachenko, »der vor einigen Tagen in Kiew in einem Luftschutzbunker Vater geworden« war, wobei anzumerken ist, dass Tkachenko Dozent an der European University Viadrina in Frankfurt an der Oder ist, die mit dem Open Society University Network zusammenarbeitet. Gleich im Anschluss sprach sie mit Jan Behrends vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam, ohne zu erwähnen, dass Behrends ebenfalls an der European University Viadrina doziert. Behrends spricht von »verwirrten« russischen Soldaten, denen »nicht gesagt wurde, in was für einen Einsatz sie hier ziehen«. Unterschnitten wird das Interview mit Internetbildern von vermeintlich »jungen russischen Soldaten in Kriegsgefangenschaft«, die »weinend mit ihrer Mutter telefonieren«, was mit dem Kommentar versehen wird: »Ob die Szene real ist oder gestellt, lässt sich nicht herausfinden.« Diese Bilder wurden später »aus redaktionellen Gründen« aus dem Beitrag in der Mediathek wieder entfernt.
Kyrylo Tkachenko und Jan Behrends sind also Kollegen an einer Soros nahestehenden Universität und traten unter anderem beim Ukrainian Studies Online Colloquium der Europa-Universität Viadrina am 9. November und 14. Dezember 2020 auf, an dem auch Oleksii Rudenko von der Central European University teilnahm. 9 Dies kehrte der Brennpunkt aber unter den Teppich.
Als weiteren Experten zum Gemütszustand der russischen Truppen zog Ellen Ehni Sergej Sumlenny aus Wien heran, der von 2015 bis 2021 die Heinrich-Böll-Stiftung in Kiew geleitet hat. Die Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen arbeitet oft mit dem Open-Society-Netzwerk zusammen und erhielt laut Website 222 000 Dollar im Jahr 2020 von den OSF.
Am 5. März ist Dr. Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik, die von der Bundesregierung finanziert wird, bei Ellen Ehni zu Gast. 10 Frau Major war in der Vergangenheit Gastrednerin beim European Council on Foreign Relations (ECFR) sowie bei der Atlantik-Brücke und gehört zum European Leadership Network, das unter anderem vom Auswärtigen Amt, der NATO und der Heinrich-Böll-Stiftung finanziert wird. 11
Im Anschluss interviewte Ehni Dr. Gustav Gressel, den sie als »Experten für Sicherheitspolitik und Militärstrategien von der Universität Salzburg« vorstellte. Gressel ist aber seit November 2014 auch als Senior Policy Fellow im Wider Europe Programm des European Council on Foreign Relations (ECFR) 12 tätig und arbeitet – genauso wie Sergej Sumlenny – für das Zentrum Liberale Moderne (LibMod) 13 und die Heinrich-Böll-Stiftung.
Danach befasste sich der ARD-Brennpunkt mit der Zensur und Kontrolle der Medien in Russland und befragte dazu Katja Gloger aus dem Vorstandsteam von Reporter ohne Grenzen (RSF). 14 Sie sagte, eine »große Dunkelheit« sei über die Menschen in Russland herabgekommen, »die Menschen sind mehr als jemals zuvor der Propagandamaschine des Staates ausgesetzt«. Katja Gloger ist Mitglied der Atlantik-Brücke, zu der sie 1992 als Young Leader kam, und interviewte für den Stern 2008 George Soros persönlich, der nur sehr selten Interviews gibt – und wenn, dann nur an befreundete Journalisten. 15
Keiner dieser Interviewpartner wurde als Angehöriger von George Soros’ Open-Society-Netzwerk identifiziert. Ganz im Gegenteil schien es eher so, als wolle die Tagesschau die Verbindungen zwischen ihren Interviewpartnern und George Soros verschleiern.
Man sollte sich hüten, Vergleiche zwischen der Medienmanipulation im Westen und derjenigen im Russland Wladimir Putins zu ziehen. Dennoch gibt es mittlerweile Anlass zur Sorge, dass sich auch hier eine »große Dunkelheit« über die Menschen legen könnte, die »mehr als jemals zuvor einer Propagandamaschine ausgesetzt« zu sein scheinen.
Am 4. März 2022 eröffnete in Lwiw, Lemberg, 70 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt, das Lviv Press Freedom Center, von wo aus viele Journalisten Bericht erstatteten, die sich nicht zu nahe an die Front wagten. Dieses »Zentrum für Pressefreiheit« wird von Reporter ohne Grenzen (RSF) und dem Institute of Mass Information (IMI) gemeinsam betrieben, die laut RSF seit 2014 Partner sind. Untergebracht war es im International Media Center der Stadt Lwiw. »Es ist jetzt sehr wichtig, die Wahrheit über diesen Krieg zu berichten«, sagte die Leiterin Hrystyna Lebed. »Unser Land wird angegriffen, und wir kämpfen für unsere Freiheit. Wir werden alles organisieren, was [Journalisten] brauchen, um Zugang zu den richtigen Informationen zu erhalten.« 16
Laut der Website von Open Society 17 erhielt RSF im Jahr 2017 eine Summe von 200 202, 2019 von 175 000, 2021 von 300 000 Dollar und das IMI 2019 von 75 000 Dollar. Im International Media Center am Rynok-Platz 32 in Lwiw hat auch das Media Center Ukraine der ukrainischen Regierung seinen Sitz, welches nicht nur Journalisten zu Presseakkreditierungen und Terminen verhilft, sondern auch mit dem ukrainischen Center for Civil Liberties zusammenarbeitet. Letzteres wurde 2022 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet und von Open Society in den Jahren 2017 bis 2020 mit 325 500 Dollar finanziert.
Ebenfalls am 4. März 2022 sprach ein WDR-Sprecher dem Tagesspiegel gegenüber davon, dass die ARD ihre Präsenz im Land verstärken werde: »Ab Anfang kommender Woche sollen mindestens zwei ARD-Korrespondent:innen mit ihren Teams aus der Ukraine berichten.« 18 Und am 9. März reiste schließlich der WDR-Journalist Georg Restle als erster prominenter ARD-Journalist in die Ukraine. Selbstverständlich nach Lwiw.
Wie ist es möglich, dass das Flaggschiff der deutschen Fernsehnachrichten – die Tagesschau – und im Prinzip alle Mainstreammedien derart von Vertretern einer ausländischen Lobbyorganisation unterwandert werden konnten?
Seit Ende des Zweiten Weltkriegs wird uns im Geschichtsunterricht beigebracht, wie verhängnisvoll bei Hitlers Machtergreifung die Gleichschaltung der deutschen Presse und der Einfluss des Verlegers Alfred Hugenberg waren, der damals die Kontrolle über weite Teile der deutschen Presse ausübte. Und zu Recht wird uns eingepaukt, dass sich eine solche Unterwanderung der freien Presse durch Propagandisten und Agitatoren niemals mehr wiederholen dürfe. Doch dieselben Warner und Mahner scheinen 90 Jahre später kein Problem damit zu haben, wenn ein Großteil der deutschen Medienlandschaft durch dubiose NGOs und Aktivisten infiltriert ist. Bei den Themen Klima, Grenzöffnung oder nun dem Ukrainekrieg nehmen diese unter dem Deckmantel des »Expertentums« einen entscheidenden Einfluss auf die politische Berichterstattung in den deutschen Leitmedien.
Wer die Berichterstattung der deutschen Medien über den Ukrainekrieg aufmerksam beobachtete, konnte nicht umhin, sich extrem einseitig informiert zu fühlen. Kriegsverbrechen gab es nur vonsei-ten der Russen. Die Asow-Brigade und andere rechtsextreme Milizen, die vor dem Krieg noch zum Skandalreport für den Spiegel und Tagesspiegel taugten, lieferten der Tagesschau nun Videos aus Mariupol. Berichte aus der Ukraine wurden stets mit dem Leid der Zivilbevölkerung eingeleitet, während die Opfer unter der russischsprachigen Bevölkerung im Donbas unter den Teppich gekehrt wurden. Und eine politische Unterdrückung von Medien und Opposition gab es nur in Russland, nicht in der Ukraine.
Als Selenskyj-Berater Mykhailo Podolyak in einem Interview im September 2022 »die Atomwaffenstaaten« aufforderte, »die russischen Atomwaffenbasen zu zerstören«, antwortete der russische Präsident Wladimir Putin: »Wenn die territoriale Integrität Russlands gefährdet ist, werden wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um Russland zu schützen. Das ist kein Bluff. Diejenigen, die uns mit Atomwaffen erpressen wollen, sollten wissen, dass der Wind sich drehen kann.« 19
Die Tagesschau verkürzte dies zu Putins »Drohung, im Extremfall auch mit Atomwaffen zuzuschlagen«, ohne die vorangegangene Drohung Podolyaks, auf die sich Putin ausdrücklich bezieht, zu thematisieren, und einhellig stellten die deutschen Medien Putin als Aggressor dar, der zum nuklearen Erstschlag aufrufe. Durch diese einseitige Berichterstattung der westlichen Medien wurde die Spirale der nuklearen Eskalation wesentlich befeuert. Ob die Mechanismen der gleichgeschalteten Hugenberg-Presse, die zum Zweiten Weltkrieg geführt haben, so viel anders funktioniert haben, darf bezweifelt werden.
Dieses Buch verfolgt nicht die Absicht, Partei für Russland oder Wladimir Putin zu ergreifen. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist aufs Schärfste zu verurteilen. Doch irgendwann wird es eine Verhandlungslösung mit Russland geben müssen, und dafür ist es von großem Nutzen, die russischen Interessen und Beweggründe zu verstehen. Angela Merkel sagte bei einem Auftritt in Goslar am 30. September 2022, man müsse an einer »gesamteuropäischen Sicherheitsstruktur gemeinsam mit Russland« 20 arbeiten.
Ob es dabei hilfreich ist, dass der EU-Rat am 2. März 2022 den Fernsehsender Russia Today europaweit für 450 Millionen Bürger sperren ließ, um die »Verbreitung von Lügen« 21 zum Ukrainekrieg zu unterbinden, scheint zumindest fragwürdig. Vor allem wenn einem bewusst wird, wie sehr die aktuelle Ukraineberichterstattung und -politik von dem Hedgefonds-Spekulanten und notorisch linkspolitischen Aktivisten George Soros beeinflusst wurde – einem Mann, der »in den vergangenen 30 Jahren mehr als eine Viertelmilliarde Dollar in die Ukraine investiert hat und gemeinsam mit seinem Sohn Alexander und seiner Ehefrau Tamiko Bolton Dutzende Besuche in Kiew« absolviert hat, wie der Chef von Open Society, Lord Mark Malloch-Brown, auf dem Treffen des Weltwirtschaftsforums in Davos am 24. Mai 2022 sagte.
»Wir haben eine Stiftung in der Ukraine, eine unserer besten Stiftungen«, verkündete der sichtlich altersschwache George Soros dort bei seinem alljährlichen Auftritt. »Sie weigerten sich, zu fliehen, und führen dort die Zivilgesellschaft an. Ich möchte hinzufügen, dass es noch eine Person gibt, die sehr tief in die Ukraine involviert war, nämlich [Joe] Biden. Ich bin ihm im Zusammenhang mit der Ukraine sogar zum ersten Mal begegnet. Er hatte viel mehr Geduld mit der Bekehrung von [Präsident Petro] Poroschenko zu einem demokratischen Anführer als ich. Ich hatte schnell die Schnauze von ihm voll und habe ihm das auch gesagt. Aber Biden hat nicht aufgegeben.« 22
Um dieses Verhältnis zwischen George Soros, Joe Biden, Deutschland, Russland und der Ukraine, und wie diese Verflechtung die Welt im aufgeklärten 21. Jahrhundert an den Rand des Atomkrieges führen konnte, geht es in diesem Buch.
KAPITEL 2
»Ich wollte dorthin, wo die Macht ist«
Steve Kroft:
»Sie waren dabei, als Menschen ins KZ abtransportiert wurden.«
George Soros:
»Ja. Ich war 14. Ich würde sagen, das war der Auslöser für die Formung meines Charakters.«
Kroft:
»Inwiefern?«
Soros:
»Dass man vorausdenken muss. Dass man Ereignisse verstehen und vorausahnen muss, wann sie bedrohlich werden können. Es war eine sehr persönliche Begegnung mit dem Bösen.«
Kroft:
»Ist es richtig, dass Sie Ihre Beschützer bei der Enteignung von anderen Juden begleitet haben?«
Soros:
»Ja, das ist richtig.«
Kroft:
»Das klingt wie ein Erlebnis, für das viele Menschen jahrelange Therapie brauchen würden, um es zu verwinden. War das nicht schwierig für Sie?«
Soros:
»Nein, gar nicht. Vielleicht begreift man als Kind die Zusammenhänge nicht. Aber das war für mich überhaupt kein Problem.«
Kroft:
»Überhaupt keine Gewissensbisse?«
Soros:
»Nein.«
Kroft:
»Gedanken wie: ›Ich bin Jude und sehe wie diese Menschen deportiert werden, wobei das genauso gut ich sein könnte. Ich könnte an ihrer Stelle sein.‹ Keine solchen Gedanken?«
Soros:
»Natürlich könnten die Plätze vertauscht sein. Ich könnte derjenige sein, von dem konfisziert wird. Aber ich hatte nie das Gefühl, dass ich nicht dort sein sollte. In einer gewissen Weise war es wie mit den Märkten – wenn ich nicht da wäre, würde es jemand anders tun. Ich war ja nur Zuschauer, der Besitz würde ihnen ohnehin genommen werden. Ich war ja nicht aktiv beteiligt. Deshalb hatte ich keine Schuldgefühle.«
Interview mit Steve Kroft in 60 Minutes, CBS, 20.12.1998 23
George Soros wurde am 12. August 1930 als György Schwartz in Budapest, Ungarn, geboren. Sein Vater Tivadar geriet im Ersten Weltkrieg in Sibirien in Kriegsgefangenschaft und lernte während des Kriegs die Kunstsprache Esperanto, die die sprachlichen Grenzen auf der Welt überwinden helfen sollte. Tivadar war Ungarns bekanntester Aktivist für Esperanto und schrieb Bücher in dieser Kunstsprache, so auch seine Biografie Maskerade. Die Memoiren eines Überlebenskünstlers, die 1965 erschien. Aufgrund des wachsenden Antisemitismus in Ungarn änderte er 1936 den Familiennamen in Soros um, was auf Esperanto bedeutet: »Er wird hinaufschweben.«
Tivadar Soros war ein Anwalt und Lebemann, dessen moralische Flexibilität sein jüngerer Sohn George übernahm, nicht aber seine Gleichgültigkeit gegenüber Geschäft und Geld. Als George 5 Jahre alt war, soll er seinen Vater als »verheirateten Junggesellen« 24 bezeichnet haben. Als dieser während des Kriegs Pläne schmiedete, um seine Frau und seine Kinder in die USA zu schicken, weigerte sich Tivadars Frau Erzebet, weil sie darin einen Vorwand ihres Mannes befürchtete, sie ungestört in Ungarn betrügen zu können. 25 Die ungarische Historikerin Mariá Schmidt ließ den Autor in einem Gespräch wissen, dass sich Tividar Soros im Ersten Weltkrieg in der Kaiserlichen Armee als Katholik ausgegeben hatte. »Warum er das getan hat, wissen wir nicht.«
Jedenfalls erkannte Tivadar die Gefahr, die von den Nationalsozialisten ausging. Als im April 1944 unter Adolf Eichmann der Massenmord an den ungarischen Juden begann, versteckte er seine Frau und seine beiden Söhne Paul und George an unterschiedlichen Orten. George kam als »Sandor Kiss« bei einem Herrn Baumbach unter, dessen Namen Tivadar Soros allerdings als »Baufluss« angibt. 26 Baufluss beziehungsweise Baumbach war »ein Beamter im Landwirtschaftsministerium [...] deutscher Herkunft, ein jovialer Bursche mit rosigem Gesicht, mit dem man, wie man so sagt, Pferde stehlen konnte; denn er war ein großer Liebhaber starker Getränke und flotter Frauen. Über Geld sprachen wir nicht, aber an dem Abend, als wir einen Toast auf unsere Freundschaft ausbrachten, schob ich ihm ein paar Tausender zu«, schreibt Soros’ Vater in seiner Autobiografie Maskerade: 27
»Baufluss war im Ministerium für die Inventarisation konfiszierter jüdischer Grundstücke zuständig. Er war nur am Wochenende zu Hause, die übrige Zeit verbrachte er mit den Inventarisationen in der Provinz. Unter der Woche war George ganz allein in Baufluss’ Wohnung. Da er nichts anderes zu tun hatte, lenkte er die Aufmerksamkeit einiger Schulkameraden auf sich, die im Gebäude gegenüber wohnten. Per Handzeichen gaben sie ihrer Verwunderung Ausdruck, ihn im Haus eines fremden Menschen festgesetzt zu sehen. In der folgenden Woche nahm der gutherzige Herr Baufluss George mit in die Provinz, um den unglücklichen Jungen aufzumuntern. Zu der Zeit arbeitete er in Transdanubien, westlich von Budapest, auf dem Mustergut eines jüdischen Adligen, des Barons Móric Kornfeld. Dort wurden sie vom Rest des Personals nach Kräften verwöhnt. George lernte auch verschiedene Ministerialbeamte kennen, die den jungen Mann, den angeblichen Patensohn des Herrn Baufluss, gleich ins Herz schlossen. George half sogar bei der Inventarisation.« 28
Der Großindustrielle Baron Móric Kornfeld wurde ins KZ Mauthausen in Oberösterreich gebracht – jenes berüchtigte Todeslager, das die SS »Knochenmühle« nannte. Doch Kornfeld übertrug seinen gesamten Besitz an die Nazis, und so durfte er mit seiner Familie nach Portugal ausreisen, daher die »Inventarisation«. 29 Als der Krieg vorbei war, wurde Kornfelds Firmenimperium von den Kommunisten verstaatlicht. Er kehrte nie nach Ungarn zurück, sondern starb 1967 in Washington, D. C., in den USA.
Nachdem Soros von seinen Schulfreunden auf dem Balkon gesehen worden war, konnte er nicht länger bei Baumbach bleiben, und dieser brachte ihn bei einem Miklós Prohászka unter, der sein Untergebener im Landwirtschaftsministerium war. Wie Jake Wallis Simons 2018 in der Daily Mail enthüllte, versteckte Prohászka Soros in einem Geheimzimmer hinter einem Schrank. Prohászka hatte laut seiner Tochter Eva Szentgyörgyi fünfzehn Juden versteckt. »Meine Mutter Elvira und er riskierten dafür ihr Leben. Mein Vater wurde sogar verhaftet und musste 24 Stunden lang mit erhobenen Händen auf der Polizeiwache stehen. Doch anders als Baumbach hätte er nie mit den Nazis kollaboriert, er hätte nie einen solch doppelten Standard gehabt. So war mein Vater nicht. Als ich Soros sagen hörte, er hätte wegen der Konfiszierung keine Gewissensbisse, fand ich das sehr merkwürdig. Soros ist auf vielerlei Weise merkwürdig.« 30 Laut seiner Tochter erhielt Prohászka keinen Pfennig dafür. Er starb 1999 an Lungenkrebs. Soros hat die Rolle, die Prohászka bei seinem Überleben gespielt hat, nie zur Kenntnis genommen. Diese Geschichte blieb 74 Jahre lang unbekannt.
Zwischen dem 15. Mai und dem 9. Juli 1944 wurden 440 000 Juden aus Ungarn deportiert, die meisten nach Auschwitz-Birkenau, wo sie in Gaskammern umgebracht wurden. »Ich war noch keine 14 Jahre alt«, schrieb George Soros über diese Zeit. »Die Stunde meines Vaters war gekommen, denn er hatte die russische Revolution überlebt und wusste, was zu tun war. Er begriff die Lage und verstand, dass die normalen Regeln nicht mehr galten. Sich ans Gesetz zu halten wurde zu einer gefährlichen Angewohnheit, das Gesetz zu missachten wurde zur Überlebensstrategie.« Und an diese Lehre sollte sich George Soros sein ganzes Leben lang halten. »Mein Vater beschaffte der Familie gefälschte Dokumente und Verstecke. Er half aber nicht nur seiner unmittelbaren Familie, sondern auch vielen anderen. Ich kann wahrhaftig sagen, dass er dutzende Leben gerettet hat.« 31
Durch die Weitsicht seines Vaters überlebte Soros den grausamen ungarischen Holocaust. Ja, er konnte seine Jugend sogar genießen. »Paradoxerweise war 1944 das glücklichste Jahr meines Lebens«, schreibt Soros. »Das klingt zwar merkwürdig, fast schon anstößig, weil gleichzeitig der Holocaust stattfand, stimmt aber. Ich war 14 Jahre alt, hatte einen Vater, den ich anhimmelte, weil er Herr der Lage war […] und anderen helfen konnte. Wir waren in Lebensgefahr, doch ich war überzeugt, immun zu sein. Wenn man 14 ist, hält man sich für unverwundbar. […] Es war ein prägendes Erlebnis für mich, denn ich lernte die Kunst des Überlebens von jemandem, der sie meisterhaft beherrschte.« 32
Im Januar 1947 hatte Stalin den ungarischen Juden Mátyás Rákosi (den geborenen Matthias Rosenberg) als kommunistischen Diktator in Ungarn eingesetzt, der das Land mit einer Terrorwelle aus Säuberungen und Schauprozessen überzog. In demselben Jahr verließ George Soros Ungarn. Zwar behauptet er heute, der Kommunismus habe ihn damals abgestoßen, doch er hatte 1946 zu seinem Vater gesagt: »Ich will nach Moskau gehen. Dorthin, wo die Macht ist. Ich möchte mehr darüber wissen.« 33 Dazu sagte der Soros-Kritiker David Horowitz vom David Horowitz Freedom Center: »Die Aussage ›Dorthin, wo die Macht ist‹ bringt Soros’ Lebensphilosophie mehr auf den Punkt als alle seine moralischen Ideale oder Beteuerungen«. 34 Sein Vater aber riet ihm, statt nach Moskau nach London zu gehen. Und so fuhr Soros im August 1947 auf eine Esperanto-Konferenz in die Schweiz und von dort aus weiter nach England, wo er sich mit Gelegenheitsjobs als Kellner und Kofferträger über Wasser hielt. Bei seiner ersten Englischprüfung fiel er durch, dabei wollte er unbedingt zur guten Gesellschaft in London gehören. »In Ungarn hatte ich nie mit Nazis, Ungarn oder Antisemiten befreundet sein wollen«, so Soros. »Doch jetzt [in London] ausgeschlossen zu sein, obwohl ich versuchte, als Außenseiter in diese geschlossene Gesellschaft einzudringen, war eine neue und schmerzhafte Erfahrung.« 35
1949 schaffte er endlich die Aufnahme in die London School of Economics (LSE), dieselbe renommierte Uni, die übrigens Annalena Baerbock 2005 ohne vorherigen Bachelorabschluss einen Master in Internationalem Recht verleihen sollte. Dazu muss man wissen, dass die LSE heute zu den Gründungsmitgliedern des Open Society University Network gehört. An der LSE lernte Soros den deutschen Philosophen Karl Popper kennen, der in seinem Buch Die offene Gesellschaft und ihre Feinde den Kommunismus und Faschismus gleichermaßen als totalitäre Ideologien kritisiert. Popper hatte als deutscher Jude die Zeichen der Zeit erkannt und war 1937 nach Neuseeland geflohen, wo er während der Nazidiktatur sein Hauptwerk verfasste. Der liberale Ökonom Friedrich Hayek, Begründer der Österreichischen Schule der Volkswirtschaftslehre und ebenfalls Kritiker totalitärer Ideologien, erkannte Poppers Genie und holte ihn nach dem Krieg an die LSE.
Aus den Diskussionen zwischen Hayek und Popper entwickelte Soros seine eigene Wirtschaftstheorie, die er »Theorie der Reflexivität« 36 nannte. Diese besagt, dass Marktteilnehmer keine objektiven Beobachter sind, sondern durch ihre Teilnahme an dem Marktgeschehen und ihre dementsprechende Wahrnehmung desselben beeinflusst werden. 37 Damit kritisiert Soros Hayeks »marktfundamentalistischen« Glauben, freie Märkte würden am besten funktionieren, und konzentriert sich stattdessen auf das Scheitern der Märkte, zu dem es beispielsweise dann kommt, wenn bei einer Blasenbildung zu viele Marktteilnehmer wie die Lemminge einem Irrglauben erliegen. Auf das Erkennen und entschlossene Ausnützen solcher Blasen sollte Soros später seinen enormen Reichtum gründen. Im Übrigen benannte er seine Stiftungsgruppe nach Poppers Hauptwerk Open Society.
Zu dieser Zeit war Soros jedoch noch kein Spender, sondern ein Empfänger von Spenden. Er beantragte ein Stipendium beim Jewish Board of Guardians, einer Londoner Stiftung wohltätiger Juden, das jedoch zunächst abgelehnt wurde. Erst aufgrund eines Beinbruchs, den er sich bei einem seiner Gelegenheitsjob zugezogen hatte, erlangte er bei einer nochmaligen Bewerbung einen positiven Bescheid. Doch das Stipendium behielt er, auch als sein Bein längst verheilt war. 38 »Ich lernte daraus, dass jemand, der sich bei einer wohltätigen Stiftung bewirbt, das Ziel hat, Geld zu erhalten, während es das Ziel der Stiftung ist, sich selbst zu schützen. […] Das Widersprüchliche an der Wohltätigkeit ist, dass sie die Empfänger zu Objekten der Wohltätigkeit macht« 39 , schrieb Soros später. Als er seine eigenen Stiftungen gründete, war er daher bemüht, die Empfänger seiner Spenden nicht in eine Abhängigkeit zu bringen, sondern stets deren Eigenverantwortung zu wahren.
Nachdem er an der LSE 1951 seinen Bachelor- und 1954 seinen Masterabschluss in Philosophie gemacht hatte, bewarb sich Soros bei sämtlichen Handelsbanken in London. Doch alle erteilten ihm eine Absage. Es hieß, er habe keine Chance, weil er nicht aus den richtigen Kreisen oder dem richtigen Land stammen würde. Daraufhin bewarb er sich bei der Firma Singer & Friedmann, da einer der Geschäftsführer Ungar war. 1953 bekam er dort einen Job, wechselte aber 1956 zur Firma F. Mayer in New York, die dem Vater eines Kollegen gehörte. Georges Bruder Paul hatte sich bereits als Mitglied der ungarischen Skimannschaft über die Schweiz nach Amerika abgesetzt und wohnte in einer kleinen Wohnung in Queens. 1959 dann erhielt George eine Stelle bei der großen Investmentfirma Wertheim & Co., wo er sich mehr Gestaltungsspielraum erhoffte. Gleichzeitig zog er in die berühmte Christopher Street im Künstlerviertel Greenwich Village, Heimstatt der gegenkulturellen Bewegung der 1960er-Jahre und insbesondere der Beat Generation. 1961 heiratete er die Deutsche Annaliese Witschak (geboren 1934), mit der er an den Sheridan Square zog und ein Haus in Southampton errichtete. 1963 wurde sein erster Sohn Robert Daniel geboren.
Über Soros’ Zeit in Greenwich Village ist nicht viel bekannt. Der führende Sozialist Michael Harrington hielt allabendlich in der White Horse Tavern Hof. Harrington war Autor des Buches The Other America, das als eine Art Manifest die Sozialpolitik von Präsident Lyndon Johnson prägte. In den 1960ern war Harrington Vorstandsmitglied der sozialistischen League of Industrial Democracy, und zwar zusammen mit Aryeh Neier, dem Mitbegründer von Human Rights Watch, der 1993 von Soros zum Chef der Open Society Foundations ernannt wurde.
Einer der vielen prominenten Stammgäste in Greenwich Village war zu dieser Zeit der homosexuelle Dichter Allen Ginsberg, Ideengeber der Hippiebewegung, den das FBI 1965 auf die Liste »gefährlicher Subversiver« setzte. Es gibt keine Belege, dass Soros und Ginsberg sich bereits in den 1960er-Jahren kannten, doch ab 1980 waren sie beste Freunde. Ginsberg war ein häufiger Gast in Soros’ Wohnung an der 5th Avenue sowie auf seinem Grundstück El Mirador auf Long Island.
»Soros hat wenige echte Freunde«, schreibt David Horowitz 40 , »aber der verstorbene Allen Ginsberg war auf jeden Fall einer davon. Das wirft Fragen auf … Was hatten Soros und Ginsberg voneinander? Zumindest bestärkten sie sich gegenseitig in ihren radikalen Tendenzen. Ginsberg war einer der größten Fürsprecher von Marihuana, LSD und anderen Mitteln chemischer ›Erleuchtung‹. Soros sagt, es sei Ginsberg gewesen, der ihn zum Vorkämpfer der Drogenlegalisierung gemacht habe.« 41 Laut Horowitz war Ginsberg auch ein lautstarker Befürworter der Palästinenser. So reiste er 1988 nach Israel, stellte ein Dossier über die israelische Zensur palästinen-sischer Medien zusammen und veröffentlichte einen offenen Brief propalästinensischer New Yorker Juden wie Arthur Miller, Norman Mailer, Erica Jong und Susan Sontag, der in der New York Times Schlagzeilen machte. Den Terror und die Unterdrückung durch die radikale Palästinenserführung erwähnte er nicht. »In Bezug auf den doppelten Standard bei der Forderung nach einer ›offenen Gesellschaft‹ hatte Soros in Ginsberg offenbar einen Bruder im Geiste gefunden«, schreiben Horowitz und Poe. 42 (Im nächsten Kapitel werden wir von Soros’ Unterstützung israelfeindlicher NGOs erfahren.)
1963 wechselte Soros zu der Investmentbank Arnhold and S. Bleichroeder, die ihm 1966 100 000 Dollar zur Verfügung stellte, damit er ein Modellkonto für Spekulationen einrichten konnte. Damit war er so erfolgreich, dass er zum Manager eines eigenen Investmentfonds ernannt wurde: dem First Eagle Fonds. Nur 3 Jahre später erhielt er 4 Millionen Dollar für die Einrichtung eines Hedgefonds, der nicht nur auf steigende, sondern auch auf fallende Kurse setzen konnte. Als Soros dann 250 000 Dollar seines eigenen Geldes investierte, geriet er in die gesetzliche Zwickmühle, Aktien zu empfehlen, in die er selbst involviert war. Deshalb machte sich Soros 1973 selbstständig und gründete gemeinsam mit seinem Assistenten Jim Rogers den Soros Fund, der 1978 in Quantum Fund umbenannt wurde. Zu den ersten Investoren gehörte die Rothschild-Familie 43 , die zusammen mit europäischen Investoren 6 Millionen Dollar einsetzte. Der Soros Fund gehört zu den erfolgreichsten Investmentfonds der Welt und erzielt seit 40 Jahren durchschnittlich 20 Prozent Rendite.
Das Konzept des Hedgefonds war zu dieser Zeit relativ unbekannt und wurde vor allem genutzt, um sich gegen allzu große Verluste abzusichern. »Hedgen« heißt im Wettgeschäft, auf zwei oder mehrere Ergebnisse zu setzen, wodurch sowohl die möglichen Verluste als auch die möglichen Gewinne geschmälert werden. Wenn jemand im Spiel FC Erzgebirge Aue gegen FC Bayern auf Erzgebirge Aue gesetzt hat und dann nervös wird, könnte er sich absichern, indem er auch einen Teil auf den FC Bayern setzt. Wie vermutlich jeder ahnt, ist dies kein Modell, bei dem man besonders üppige Gewinne erwarten kann.
Soros hatte aus seinem Studium von Karl Popper die Einsicht gewonnen, dass Märkte und Marktteilnehmer oft falsch informiert waren und dann wie die Lemminge alle in die falsche Richtung liefen. Also musste er selbst nur jener eine Lemming sein, der in die richtige Richtung lief. Soros sagte, er verlasse sich bei seinen Entscheidungen auf seinen Instinkt: Wenn er Rückenschmerzen hatte, warnten ihn diese vor kommenden Turbulenzen. 44 Besser noch als der Spürsinn ist natürlich ein Wissensvorsprung gegenüber anderen Marktteilnehmern, anders gesagt: Insiderwissen. (Wir werden in Kapitel 4 mehr zur »Methode Soros« erfahren.)
2002 wurde George Soros von einem französischen Gericht zu einer Geldstrafe von 2,2 Millionen Euro verurteilt, weil er 1988 sein Insiderwissen bei einem Übernahmeangebot für die Bank Société Générale genutzt haben soll. 45 Laut der FAZ hatte »die damalige Linksregierung … versucht, anderthalb Jahre nach der durch die konservative Vorgängerregierung eingeleiteten Privatisierung die Macht bei der Société Générale zurückzuerlangen. Dabei sollten große Geldgeber wie Soros helfen« 46 . Soros bestritt die Vorwürfe. Er habe zu keinem Zeitpunkt von vertraulichen Informationen profitiert. Warum es für einen Hedgefonds-Investor jedoch von großem Vorteil sein kann, Zugang zu den höchsten Entscheidungsträgern der Welt zu haben, liegt auf der Hand.
1973 hatte der Überraschungsangriff des Jom-Kippur-Krieges gezeigt, dass die arabischen Staaten mithilfe sowjetischer Waffen zu einer ernsthaften Bedrohung für Israel werden konnten. Soros ahnte, dass dies zu einer Steigerung der US-Militärausgaben führen würde, und investierte mit Erfolg in Rüstungsfirmen. 47 »1975 hatte noch niemand von einem ›Hightech-Krieg‹ gehört. Doch Soros investierte massiv in sogenannte ›Smart‹-Bomben, lasergesteuerte Artilleriegranaten und computergesteuerte Raketen, dieselben Waffen, die 16 Jahre später Saddam Husseins Armee vernichten sollten. […] Als er 1972 Ölbohr-ausrüstung kaufte, hielten ihn alle für verrückt, aber ein Jahr später verhängten die OPEC-Staaten ein Ölembargo, und die Ölpreise gingen durch die Decke«, schreibt David Horowitz, der Soros’ Investmententscheidungen als »unglaublich prophetisch« 48 bezeichnet.
Zwischen 1979 und 1981 vervierfachte der Quantum Fund seinen Wert von 100 auf 400 Millionen Dollar. Das Magazin Institutional Investor nannte Soros 1981 »den besten Vermögensverwalter der Welt« 49 .
»Ich hielt mich für eine Art Gott« 50 , sagte Soros in dieser Zeit über sich selbst. Seine erste Frau Annaliese Witschak, mit der er die drei Kinder Robert (geboren 1963), Andrea (1965) und Jonathan (1970) hatte, sah das allerdings anders. Sie trennte sich 1978 von ihm und ließ sich 1983 scheiden. Noch in demselben Jahr heiratete Soros die 24 Jahre jüngere Kunsthistorikerin Susan Weber, die er 1978 auf einem Tennisplatz kennengelernt hatte. Sie bekamen zwei Kinder – Alexander (1985) und Gregory (1988) – und ließen sich 2005 wieder scheiden. Schließlich heiratete Soros 2013 mit 82 Jahren die 40-jährige Tamiko Bolton. 51
Seinen größten Erfolg feierte Soros jedoch nicht mit Aktien, sondern mit Währungsspekulationen – ein Sektor, in dem die Umsätze und Handelsvolumina um ein Vielfaches höher sind. 1979 hatte Paul Volcker, der Chef der US-Bundesbank Federal Reserve, ein radikales Programm zur Inflationsbekämpfung aufgelegt und 1981 die Zinsen auf 20 Prozent angehoben, wodurch der Dollar künstlich aufgewertet wurde. Da die Inflation von 14,8 Prozent im März 1980 auf nur mehr 3 Prozent im Jahr 1983 gefallen war, beschloss Soros im August 1985, dass der Dollar überbewertet war. Also kaufte Quantum bis zum 16. August 1985 für 720 Millionen Dollar Währungen, gegen die der Dollar an Wert verlieren sollte. Dennoch stieg der Dollar weiter an, und der starke Dollar schwächte die US-Exporte und verbilligte die Importe. Also musste Volcker etwas tun, um die Stärke des Dollars einzubremsen.
Bis zum 9. September 1985 hatte Quantum 20 Millionen Dollar verloren. Am 22. September berief der neue Finanzminister James A. Baker III. seine Kollegen aus Großbritannien, Frankreich, Japan sowie Finanzminister Gerhard Stoltenberg aus der Bundesrepublik Deutschland zu einem Geheimtreffen im New Yorker Plaza Hotel ein und beschloss, den Dollar zu schwächen. Soros verdiente in 4 Monaten 230 Millionen Dollar. Fortune nannte ihn in einer Titelstory 1987 »den am besten vorausschauenden Investor seiner Generation« 52 , größer noch als der legendäre Warren Buffett.
Doch Soros war nicht unfehlbar. Aufgrund der Bankenderegulierung in den Reagan-Jahren kletterten die Aktienmärkte immer weiter nach oben. »Sind die Märkte zu hoch bewertet?«, fragte Fortune in derselben Ausgabe. »Nur weil ein Markt zu hoch bewertet ist, heißt das noch lange nicht, dass er untragbar ist« 53 , antwortete Soros. Und am 19. Oktober 1987, dem berühmten Schwarzen Montag, stürzten die Aktienmärkte weltweit ab. Soros war voll investiert, versuchte für 1 Milliarde Dollar zu verkaufen und verlor innerhalb einer Woche 840 Millionen Dollar. Statt wie üblich einen Jahresgewinn von 60 Prozent zu machen, verlor Quantum 10 Prozent.
Doch Soros war ungebrochen. Er sah den Druck auf den Dollar als den eigentlichen Grund für den Absturz und wettete 2 Wochen später gegen den Dollar. »Der Dollar ist nicht länger geeignet, die Reservewährung der Welt zu sein« 54 , orakelte Soros schon damals, und Quantum beendete das Jahr mit 13 Prozent im Plus.
Wenn man irgendetwas über George Soros weiß, dann ist es die Tatsache, dass er die Bank of England zu Fall gebracht hat. Aber Soros war nicht der einzige Spekulant, der verstand, was auf Großbritannien zukam, als es 1990 unter der Konservativen Partei zusammen mit Deutschland, Belgien, Dänemark, Irland, Italien, Luxemburg und den Niederlanden dem Europäischen Währungssystem beitrat. Wie der damalige Rohstoffhändler Nigel Farage schildert, war dies eigentlich jedem Sachkundigen klar:
Die Hoffnung war, dass Großbritannien durch die Bindung des Pfunds an die Deutsche Mark die Vorteile der deutschen Wirtschaft erben würde – stabiles Wachstum und niedrige Inflation. Aber das UK war wirtschaftlich in einer ganz anderen Phase als Deutschland. Wir standen vor einer Rezession, sie hatten die Wiedervereinigung. Außerdem unterscheidet sich die deutsche Wirtschaft völlig von der unsrigen: Wir sind eher Dienstleister, sie Hersteller. Unser Handel ist viel globaler aufgestellt, wir haben viel mehr internationale Investoren und Handelspartner als das europalastige Deutschland. Wir passen wirtschaftlich überhaupt nicht zusammen. […]
Ich saß im Oktober 1990 um 17:30 Uhr im Pub, als jemand hereingerannt kam und sagte: »Wir sind dem Europäischen Währungssystem beigetreten!« Ich konnte es nicht fassen, dass wir etwas so Dämliches getan hatten – ganz besonders meine Partei, die Konservative Partei. Das war der Anfang von meinem Bruch mit den Tories, denn es war klar, dass dieser Schritt der erste auf dem Weg zu einer gemeinsamen Währung sein würde. 55
Soros war also beileibe nicht der Einzige, der davon ausging, dass das britische Pfund nicht im Europäischen Währungssystem (EWS) bleiben könne. Was Soros auszeichnete, war die Entschlossenheit und Kaltblütigkeit, mit der er ein Vielfaches seines Vermögens aufs Spiel setzte und dabei in Kauf nahm, dass Millionen Briten litten: »Im Prinzip habe ich dem britischen Steuerzahler das Geld aus der Tasche gezogen. Aber wenn ich versucht hätte, die sozialen Konsequenzen in Betracht zu ziehen, hätte das meine Risiko-Gewinn-Einschätzung beeinflusst und meine Profite beeinträchtigt.« 56
1988 holte Soros den Finanzguru Stanley Druckenmiller zu Soros Fund Management, da er selbst »mehr Zeit für seine wohltätige Stiftung« 57 haben wollte. Ein Investmentmanager namens Scott Bessent machte Druckenmiller darauf aufmerksam, dass Immobiliendarlehen in Großbritannien für gewöhnlich variable und keine festen Zinsen haben. Britische Bauherren werden also im Fall steigender Zinsen unmittelbar belastet und können im Extremfall sogar ihre Häuser verlieren.
Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung hatte die Bonner Regierung den Leitzins im Juli 1992 bis auf 8,75 Prozent angehoben, um auf den Inflationsdruck (Juni 1992: 6,2 Prozent) zu antworten, der durch Begrüßungsgeld, Konsumboom und Wiederaufbau entstanden war. Um das Pfund gegen die D-Mark stabil zu halten, war die britische Regierung gezwungen, mitzuziehen, obwohl in ihrem Land gerade eine Rezession drohte. Zwar lag die Inflation nur bei 3,7 Prozent, doch die Bank of England musste die Zinsen auf 10 Prozent anheben. Der britische Finanzminister Norman Lamont flehte seinen deutschen Kollegen Helmut Schlesinger an, die deutschen Zinsen zu senken. Doch Schlesinger versprach nur, die Zinsen nicht weiter anzuheben.
Soros traf Schlesinger bei einem Meeting der Zentralbanker in Basel und fragte ihn, was er vom Euro-Vorläufer ECU halte. Als Schlesinger ihm antwortete, er hätte diese Währung lieber »Mark« genannt, begriff Soros, dass den Deutschen die Stabilität ihrer heiligen Deutschen Mark über alles ging. Er setzte sich in New York mit Druckenmiller zusammen, der sich bereits 1,5 Milliarden Pfund geliehen hatte, um damit Deutsche Mark zu kaufen. Angesichts dessen, was Soros in Basel gehört hatte, schlug Druckenmiller vor, 5 Milliarden Pfund zu verkaufen, was 100 Prozent ihres Kapitals bedeutete. Soros beschloss jedoch, den Einsatz auf 15 Milliarden Pfund – ein Vielfaches ihres Kapitals – zu erhöhen –, ein enormes Risiko, das aber durch den künstlichen Mechanismus des EWS abgefedert wurde. Denn die britische Regierung hatte nur 22 Milliarden Pfund in Reserve. Und solange das Pfund im EWS war, waren die möglichen Verluste für Soros durch den Stablitätsmechanismus begrenzt.
Soros soll zu Druckenmiller gesagt haben: »Geh ihnen an die Gurgel.« 58 »Es war etwa das Vierfache unseres Kapitals«, vertraute sein Kollege Robert Johnson der Journalistin Emily Tamkin an. »George ging aufs Ganze … Der Unterschied zwischen George und allen anderen war, dass George weiß, wann er ganz groß einsteigen muss.« 59
Sie liehen sich Pfund, kauften damit Deutsche Mark und kauften sich dann wieder – und billiger – Pfund, immer und immer wieder. Bis 8:30 Uhr hatte die Bank von England zweimal für 300 Millionen Pfund gekauft, doch es nutzte nichts, denn Soros und Druckenmiller bewegten Milliarden, nicht Millionen. Bis mittags kaufte die Bank von England erfolglos jede Stunde 2 Milliarden, und um 10:30 Uhr hob die Regierung von John Major die Zinsen auf 12 Prozent an und wollte sogar auf 15 Prozent erhöhen, doch es war zu spät. Die Märkte glaubten ihnen nicht mehr, bis Finanzminister Lamont gegen 16:00 Uhr mit bleicher Miene ankündigte, die Europäische Währungsunion zu verlassen. Es war der 16. September 1992, der als Schwarzer Mittwoch in die Finanzgeschichte einging.
Die britische Regierung hatte 27 Milliarden Pfund umsonst ausgegeben. Soros’ Rolle darin wurde erst klar, als im Oktober der Fiat-Chef Giovanni Agnelli sagte, sein Investment in Quantum habe ihm in dem Jahr mehr Geld eingebracht als sein Anteil an Fiat. In den meisten Quellen wird Soros’ Gewinn mit 1 Milliarde Dollar angegeben, nach Soros’ eigenen Angaben hat er mit Quantums Währungsspekulation aber insgesamt 2 Milliarden Dollar Gewinn gemacht. 60
George Soros war nicht der einzige Hedgefonds-Spekulant, der gegen das Pfund gewettet hatte, sondern der Einzige, der damit an die Öffentlichkeit gegangen war. Später sollte er sagen, er habe dies getan, um seine humanitäre Arbeit zu befördern. »Ich wurde als ›Der Mann, der die Bank von England zu Fall gebracht hat‹ bekannt«, sagte Soros 2011, »weil ich nicht geleugnet habe, dass mein Hedgefonds bei diesem Ereignis eine Rolle gespielt hat. Die Medien haben meine Rolle darin übertrieben. Ich habe es geschehen lassen, weil es mir eine Plattform verschaffte, um über andere Dinge zu reden. Es funktionierte. Plötzlich wurde meine Stimme gehört.« 61
Es war nicht das letzte Mal, dass Soros eine ganze Währung und damit eine ganze Nation in Schieflage bringen sollte. 1997 wettete er 2 Milliarden Dollar gegen den thailändischen Baht und verdiente damit 750 Millionen Dollar. Der malaysische Premier Mahathir bin Mohamad nannte Soros einen »Verbrecher« und »Idioten« und gab »den Juden« die Schuld, die »nicht gerne sehen, wenn Moslems Erfolg haben«.
Doch Soros war nicht immer die »Heuschrecke«, der ruchlose Spekulant, der ganze Länder ins Wanken brachte, um Milliarden zu verdienen. 1998 investierte er nach seiner Darstellung massiv in Russland, obwohl er wusste, wie schlecht es um die russische Wirtschaft stand, und verlor an die 2 Milliarden Dollar. Es hat jedoch eine besondere Ironie, dass Soros zumindest teilweise dafür verantwortlich ist, dass Großbritannien nie dem Euro beigetreten ist – und 24 Jahre später aus der EU austreten sollte, obwohl Soros einer der größten Geldgeber der Kampagne gegen den Brexit war. Umsonst.
Bereits 1979 hatte George Soros die Open Society Foundations (OSF) gegründet, begann aber erst 1987, massiv in sie zu investieren. Seine Spenden stiegen von 3 Millionen Dollar im Jahr 1987 auf 300 Millionen Dollar 1992. Das könnte mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und Soros’ Engagement für die Demokratisierung in Osteuropa zu tun haben, denn 1984 gründete er die erste ausländische Open Society Foundation in Ungarn, doch ebenso mit dem amerikanischen Steuerrecht. 1986 wurde eine Steuerreform verabschiedet, um Hedgefonds besser besteuern zu können. »Von 1969 bis 1986 hat [Soros’] Investmentfonds keine Steuern bezahlt. Sie genossen einen Freifahrtschein, der ihm und seinen Investoren Milliarden bescherte«, schreibt die Londoner Sunday Times. »Bis 1986 der American Tax Reform Act verabschiedet wurde, zahlte der Quantum Fund ganz legal keinen einzigen Cent Steuern. […] Soros’ Wohltätigkeit begann erst 1987, in jenem Jahr, ab dem er und sein Fonds Steuern zahlen mussten. Gemeinnützige Spenden kann man aber von der Steuer absetzen. Soros’ erklärtes Ziel war es, die Hälfte seines Jahreseinkommens zu spenden – das Maximum, das er von der Steuer absetzen konnte.« 62
Von besonderem Vorteil war es, diese steuerlich absetzbaren gemeinnützigen Spenden an die eigene Stiftung zu adressieren, denn so konnte man mit dieser nicht nur weltweiten Einfluss erlangen, sondern sogar auf Politik und Medien in einer Weise einwirken, die sich wiederum in Form von Spekulation zu Geld machen ließ. (Mehr zur »Methode Soros« in Kapitel 4.)
Soros gab Anfang des Jahres 2000 selbst zu, dass seine Motive bei der Gründung seiner Stiftung nicht rein karitativer Natur waren: »Eine gemeinnützige Stiftung ist ein sehr interessantes Steuerschlupfloch. Man legt sein Vermögen in einen Treuhandfonds an und spendet jedes Jahr einen Teil davon für wohltätige Zwecke. Nach so und so vielen Jahren kann das Kapital ohne Erbschafts- oder Schenkungssteuer an deine Erben übertragen werden. So habe ich die Treuhandfonds für meine Kinder eingerichtet.« 63 In der offiziellen Selbstdarstellung der Open Society Foundations heißt es, Soros habe seit 1984 mehr als 32 Milliarden Dollar gespendet. 64
Gemeinnützige Spenden sind also nicht nur zur Weltverbesserung da, sondern auch eine »legale Form der Steuerhinterziehung«, schreibt Soros-Biografin Emily Tamkin. »Soros ist einer von vielen wohlhabenden Menschen, die zu solchen Zwecken gemeinnützige Vereine oder wohltätige Stiftungen eingerichtet haben.« Man kann sich damit als jemand profilieren, der sich für die Welt und seine Mitmenschen einsetzt, nebenbei vielleicht an Macht und Einfluss gewinnen und oberdrein noch Steuern sparen. »Das soll nicht heißen, dass es Soros nicht wirklich um das Prinzip der offenen Gesellschaft geht; doch er gibt selbst zu, seine erste gemeinnützige Stiftung mit dem Ziel eingerichtet zu haben, mehr Geld innerhalb der Familie zu halten und weniger an den Staat zur Umverteilung abzugeben.« 65
Kritiker wie Connie Bruck vom New Yorker nannten Soros’ Wohltätigkeit »eine Nebelkerze für den Bau seines Imperiums«. 66 Soros gab ihr gegenüber zu, dass ihm seine Spendentätigkeit Türen öffnete und politischen Einfluss verschaffte. Dass man aus solchem Einfluss wiederum Gewinn generieren konnte, blieb allerdings unausgesprochen. »Menschen wie der rumänische Diktator Iliescu waren plötzlich sehr darauf erpicht, mich kennenzulernen«, sagte Soros. »Mein Einfluss wuchs.« 67
»Die traurige Wahrheit ist, dass sich George Soros all seinen Popper-Zitaten zum Trotz unter einer ›offenen Gesellschaft‹ nicht etwa eine mit grundlegenden Menschenrechten und Freiheiten vorstellt, sondern eine, die ›offen‹ dafür ist, dass er und seine Kumpanen dort Geld verdienen«, so der Journalist Neil Clark. »Soros hat in der Tat in jedem Land Geld verdient, das er ›geöffnet‹ hat. Im Kosovo hat er beispielsweise 50 Millionen Dollar investiert, um die Bergwerke von Trepča zu übernehmen, wo riesige Vorkommen von Gold, Silber, Blei, Zink, Nickel, Kobalt, Aluminium, Eisen, Cadmium, Chrom und anderen Mineralien im Wert von schätzungsweise 5 Milliarden Dollar liegen. Er kopiert damit ein Muster, dass er in ganz Osteuropa angewendet hat: Er befürwortet (in ehemaligen kommunistischen Ländern wie Russland) ›Schocktherapie‹ und ›Wirtschaftsreformen‹ und stürzt sich dann mit seinen Partnern auf wertvolles Staatseigentum, das gerade verramscht wird.« 68
Laut dem linken Medienportal ProPublica hat George Soros in den Jahren 2016 bis 2018 keinen Cent Einkommenssteuer bezahlt. Die Medien-NGO ProPublica, die zu knapp 2 Prozent von Soros finanziert wird, hatte 2021 unter unklaren Umständen Zugang zu vertraulichen US-Steuerunterlagen der vorangegangenen 15 Jahre erhalten und prangerte damit die vermeintlich zu niedrigen Steuern von Milliardären wie Jeff Bezos, Elon Musk und Warren Buffett an. (Mehr zu Medienkampagnen durch Soros-NGOs mit vertraulichen Steuerunterlagen in Kapitel 4). Doch Soros tauchte nicht in der Headline oder den bunten Grafiken mit Bezos- und Musk-Köpfen auf, sondern durfte sich sogar über einen Sprecher äußern. Soros habe zwischen 2016 und 2018 mit seinen Investments Geld verloren und daher keine Einkommenssteuer zahlen müssen, sagte der Sprecher, »Mr. Soros unterstützt seit Langem höhere Steuern für reiche Amerikaner«. 69 Selbstverständlich tat er das. Seine Investmentfonds residierten ja auch in Panama, Bermuda, auf den Bahamas und den Britischen Jungferninseln.
Außerdem ist es nicht ganz richtig, dass Soros Fund Management zwischen 2016 und 2018 »Geld verloren« hat. 2016 verdienten sie 5 Prozent, 2017 8,9 Prozent, und 2019 betrug das Plus nur 0,8 Prozent. 70 Das lag aber daran, dass Soros im Jahr 2017 laut Website »18 Milliarden Dollar seines Vermögens für die zukünftige Arbeit der Stiftungen transferiert hat«. 71 Das Wall Street Journal nannte es »das vielleicht größte Steuerschlupfloch der US-Geschichte, aber niemanden scheint es zu stören, weder links noch rechts«. 72
Soros gründete in den 1980er-Jahren Stiftungen in Ungarn, China, der UdSSR, Polen, der Tschechoslowakei und Bulgarien, gefolgt in den 1990er-Jahren von Rumänien, Mazedonien, Ex-Jugoslawien und der Ukraine. An einem Volk aber zeigte Soros auffällig wenig Interesse, obwohl er als Jude vor dem Holocaust fliehen musste: an den Israelis.