Geschichte des Altertums, Band 2 - Eduard Meyer - E-Book

Geschichte des Altertums, Band 2 E-Book

Eduard Meyer

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Beschreibung

Dies ist Band 2 von 5, "Die Zeit der ägyptischen Großmacht" und "Der Orient vom zwölften bis zur Mitte des achten Jahrhunderts". Meyer war einer der letzten Historiker, der allein versuchte, eine Universalgeschichte des Altertums zu schreiben. Er versucht die historische Entwicklung in Vorderasien, Ägypten und Griechenland bis um 366 v. Chr. in einen Gesamtrahmen zu stellen und befreit damit die griechische Geschichte von der bislang üblichen isolierten Betrachtung. "Die Geschichte des Altertums" gilt bis heute als eines der bedeutendsten Werke der Altertumswissenschaft, wenngleich das Werk freilich durch den modernen Forschungsstand in Teilen überholt ist. Meyer war ein Vertreter der Zyklentheorie, die er aufgrund von Analogien in den äußeren Formen über den Fortschritt der Menschheit setzte (weshalb er auch 1925 in einem Buch entsprechenden Titels Oswald Spenglers Untergang des Abendlandes guthieß). Über die Atlantis-Geschichte von Platon urteilte er: Atlantis sei eine reine Fiktion ohne zugrunde liegende geschichtliche oder naturwissenschaftliche Kenntnisse. (aus wikipedia.de)

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Geschichte des Altertums – Zweiter Band

Eduard Meyer

Inhalt:

Eduard Meyer – Biografie und Bibliografie

Geschichte des Altertums – Zweiter Band

Zweiter Band. Erste Abteilung: Die Zeit der ägyptischen Großmacht

Vorwort

I. Der Orient bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts

II. Die Wiedererhebung Ägyptens und die Gründung des Neuen Reichs

III. Die Aufrichtung des ägyptischen Weltreichs

IV. Kreta und die kretische Kultur

V. Das griechische Festland und die mykenische Kultur

VI. Kultur und Religion Ägyptens unter der achtzehnten Dynastie

VII. Niedergang der ägyptischen Machtstellung in Syrien. Vordringen der Beduinen und der Chetiter

VIII. Versuch der Durchführung des solaren Monotheismus und Restauration der Orthodoxie

IX. Die neunzehnte Dynastie. Ägypten und das Chetiterreich

X. Die Kultur der Ramessidenzeit

XI. Das Chetiterreich und seine Nachbarn. Babylonien und Assyrien

XII. Die großen Wanderungen. Ausgang der mykenischen Zeit, Ende des Chetiterreichs und Niedergang Ägyptens

Zweiter Band. Zweite Abteilung: Der Orient vom zwölften bis zur Mitte des achten Jahrhunderts

Allgemeiner Überblick

I. Ägypten seit dem Niedergang der Großmacht

II. Die Phoeniker

III. Die Religion der Phoeniker und der übrigen Völkerschaften Syriens

IV. Quellenkunde zur israelitischen Geschichte

V. Geschichte der Israeliten bis zur Absetzung des jüdischen Königtums

VI. Kultur, Literatur und Religion der älteren Königszeit627

VII. Die Zeit der Dynastien 'Omris und Jehus

VIII. Chetiter, Aramaeer und Assyrer in Syrien und Mesopotamien bis zum Jahre 745 v. Chr.

Geschichte des Altertums, Eduard Meyer

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849625177

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Eduard Meyer – Biografie und Bibliografie

Deutscher Geschichtsforscher, geb. 25. Jan. 1855 in Hamburg, studierte in Bonn und Leipzig Philologie und Altertumswissenschaft, habilitierte sich, nachdem er einige Jahre in Konstantinopel gelebt hatte, 1879 für alte Geschichte in Leipzig, ward 1885 ordentlicher Professor in Breslau, 1889 in Halle und 1902 in Berlin. Er schrieb: »Geschichte des Altertums« (Bd. 1–5, Stuttg. 1884–1902); »Geschichte des alten Ägyptens« (in Onckens »Allgemeiner Geschichte in Einzeldarstellungen«, Berl. 1888); »Forschungen zur alten Geschichte« (Halle 1892–99, 2 Bde.); »Untersuchungen zur Geschichte der Gracchen« (das. 1894); »Die wirtschaftliche Entwickelung des Altertums« (Jena 1895); »Die Entstehung des Judentums« (Halle 1896), dazu Erwiderung an Jul. Wellhausen (das. 1897); »Zur Theorie und Methodik der Geschichte« (das. 1902); »Ägyptische Chronologie« (Berl. 1904).

Geschichte des Altertums – Zweiter Band

Zweiter Band. Erste Abteilung: Die Zeit der ägyptischen Großmacht

Vorwort

Mit dem vorliegenden Bande, der im Anschluß an die ursprüngliche Gestaltung des Werkes die Bezeichnung Bd. II1 erhalten mußte, nehme ich die vor drei Jahren in dem Nachtrag zum ersten Bande ("die ältere Chronologie Babyloniens, Assyriens und Ägyptens") angekündigte Fortführung meiner Geschichte des Altertums wieder auf. Ich habe damals ausgesprochen, daß es mir nicht möglich sei, den ersten Band noch einmal wieder zu überarbeiten, wenn ich überhaupt noch weiterkommen wolle; so habe ich mich darauf beschränkt, in dem ersten Abschnitt des neuen Bandes ein Bild der Zustände des Orients vor und in der Hyksoszeit zu entwerfen, wie es sich gegenwärtig auf Grund des so wesentlich bereicherten Materials gestaltet. Im übrigen behandelt dieser Band die Zeit der ägyptischen Großmacht, die Epoche vom Beginn des 16. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts, in der die einzelnen Gebiete des vorderen Orients mit Einschluß der ägaeischen Welt sowohl politisch wie kulturell in enge Verbindung und Wechselwirkung untereinander treten und sich so ein Staatensystem herausbildet, dessen geschichtlichen Verlauf wir trotz der Trümmerhaftigkeit der Überlieferung doch noch in den Grundzügen zu erkennen vermögen. Wenn ich schon vor nahezu einem halben Jahrhundert den Versuch einer solchen zusammenfassenden Darstellung gewagt habe, so ist das jetzt in noch viel höherem Maße geboten; erst dadurch tritt die Eigenart und das innere Leben der einzelnen Kulturen deutlich hervor. Vor allem gilt das von dem Verhältnis der ägyptischen zur kretisch-mykenischen Kultur; daher war es unvermeidlich, so befremdend das zunächst manchem erscheinen mag, die Darstellung der letzteren der der ägyptischen Kultur des Neuen Reichs voranzustellen. Ich glaube mich in der Annahme nicht zu täuschen, daß dadurch eine wesentliche Vertiefung der Anschauung gewonnen werden konnte, die neben der fortdauernden beiderseitigen Beeinflussung den zwischen ihnen bestehenden inneren Gegensatz herauszuarbeiten gestattet. Für die chetitische Kultur und Geschichte gilt das gleiche. Hier tritt dann der starke Einfluß von Assyrien und Babylonien hinzu. Nur umso deutlicher erkennen wir dabei zugleich, daß, im Gegensatz zu weitverbreiteten populären Ansichten, die Kultur dieser Gebiete während der ganzen Epoche und noch Jahrhunderte später vollständig stagniert und sie irgend etwas Bedeutendes nicht zu schaffen vermochte. Daran hat auch das vor allem durch die deutschen Ausgrabungen in Assur erschlossene neue Material nichts geändert; die Geschichte der Staaten am Euphrat und Tigris verläuft ein Jahrtausend lang in ermüdender Monotonie und vermag ein tieferes Interesse nicht zu erwecken, erst im 9. Jahrhundert beginnt hier von Assyrien aus langsam eine neue Entwicklung.

Im Gegensatz dazu hat die Geschichte Ägyptens und seiner Kultur im Neuen Reich an innerem Leben und vertieftem Verständnis ständig gewonnen. Mir ist es vergönnt gewesen, diese Epoche nach der Behandlung in der ersten Auflage (1884) und in meiner Geschichte Ägyptens (1887) jetzt zum drittenmal eingehend darzustellen; und immer von neuem ist mir dabei der gewaltige Fortschritt ins Bewußtsein getreten, der, ganz abgesehn von der ununterbrochenen Erschließung neuen Materials, durch die intensive Arbeit zahlreicher hervorragender Gelehrten aller Kulturvölker hier im Verlauf eines halben Jahrhunderts erreicht ist. Zugleich ist sowohl durch gediegene Einzelarbeiten wie durch Zusammenfassung des gesamten Materials die Arbeitsmöglichkeit gewaltig gesteigert worden: ich nenne hier mit warmem Dank vor allem BREASTED's Ancient Records, SETHE's Bearbeitung der Inschriften der achtzehnten Dynastie und HEINRICH SCHÄFER's grundlegende Werke über die ägyptische Kunst, und daneben das große von ADOLF ERMAN geschaffene Ägyptische Wörterbuch, dessen Material mir in zahlreichen Fällen die wertvollste Hilfe gewährt hat und das, wenn es in wenigen Jahren vollständig vorliegt, eine neue Epoche der Forschung eröffnen wird. Daneben hat mir das prachtvolle von BURCHARDT und KOCH in den Photographien der Fremdvölkerexpedition1 zugänglich gewordene Material durchweg die größten Dienste geleistet.

Auch auf babylonisch-assyrischem Gebiet hat sich seit der ersten Auflage die Lage ganz anders gestaltet. Damals bildeten die Arbeiten von EB. SCHRADER und GEORGE SMITH fast die einzige wirkliche Hilfe; im übrigen habe ich mich damals an der Hand des RAWLINSON'schen Inschriftenwerks mit den kläglichen, von den stärksten Fehlern strotzenden "Übersetzungen" MÉNANT's herumschlagen müssen. Erst durch EBERHARD SCHRADER's Keilinschriftliche Bibliothek (seit 1889) wurde dem Historiker eine zuverlässige und übersichtliche Sammlung des geschichtlichen Materials in Transkription und Übersetzung geboten, das dann durch zahlreiche Einzelpublikationen ständig vermehrt und vertieft worden ist.

Daß wir vom Chetiterreich erst seit wenigen Jahren wirklich etwas wissen, bedarf keiner Bemerkung. Hier wird meine Darstellung notgedrungen vielfach nur einen provisorischen Charakter tragen, zumal es mir nicht mehr möglich gewesen ist, mich selbst noch irgendwie in die Sprache hineinzuarbeiten. In wenigen Jahren wird sich hier ein viel lebensvolleres Bild zeichnen lassen.

Etwas anders liegen die Dinge bei der kretisch-mykenischen Kultur. Freilich die Darstellung, die ich 1893 im zweiten Bande der G. d.A. versucht habe, war alsbald völlig überholt; aber ein wirkliches Verständnis wurde erst ermöglicht, seit 1899 die Ausgrabungen EVANS' und der Italiener auf Kreta begannen und uns in rascher Folge eine ganz neue Kulturwelt erschlossen und dadurch zugleich die mykenische Kultur erst in das richtige Licht gerückt wurde. Auf diesem Gebiet habe ich die Ergebnisse andauernd genau verfolgen und durchdenken können, so daß ich hoffe, daß mir hier nichts Wesentliches entgangen ist.

Auch sonst habe ich, sooft auch andere Aufgaben dazwischentraten, die Beschäftigung mit dem Gesamtgebiet bis zum Kriegsausbruch niemals unterbrochen, sondern es immer von neuem vor allem in meinen Vorlesungen eingehend behandelt. In den ersten Monaten des Krieges habe ich dann mit der Ausarbeitung begonnen und einzelne Abschnitte damals niedergeschrieben. Aber alsbald sah ich, daß das unter den damaligen Verhältnissen nicht möglich war; und so ist eine lange Unterbrechung eingetreten, bis ich 1924 nochmals von vorn begonnen habe. Dabei zeigte sich, daß ich niemals zum Ziele gelangen würde, wenn ich in alter Weise darauf ausgehn wollte, alles Material erschöpfend zusammenzufassen und zu jeder neueren und neuesten Arbeit Stellung zu nehmen; ich mußte mich beschränken, und dem habe ich auch äußerlich dadurch Ausdruck gegeben, daß ich die äußere Form der Anmerkungen geändert habe. So wird man vielleicht manche Einzelheit und manches Zitat vermissen; aber ich hoffe, daß ich wenigstens Grundlegendes nicht übersehn habe.

Im Winter 1925/26 ist dann noch einmal eine Unterbrechung eingetreten dadurch, daß mir durch ein mit tiefgefühltem Dank empfangenes Geschenk zu meinem siebzigsten Geburtstag die Möglichkeit gewährt worden ist, Ägypten in seiner ganzen Ausdehnung bis zum zweiten Katarakt und zur Großen Oase sowie Palaestina und Phoenikien eingehend zu bereisen und außer den Küsten Kleinasiens auch Griechenland noch einmal wieder zu besuchen und nach Knossos hinüberzufahren. Wie sehr die dadurch gewonnene eigene Anschauung meiner Arbeit zugute gekommen ist, wird der Leser an zahlreichen Stellen erkennen können.

Ich hoffe, daß ich die Fortführung, mit der ich bereits begonnen habe, wesentlich rascher werde schaffen können, da hier verhältnismäßig viel weniger neues Material hinzugekommen ist und ich daher den alten Text vielfach werde benutzen können. Ob es möglich sein wird, die gesamte Geschichte des Orients und Griechenlands nebst Italien vom 12. Jahrhundert bis zur Aufrichtung des Achaemenidenreichs und den Perserkriegen in einem Bande zu behandeln, oder ob eine Teilung in zwei weitere Bände erforderlich sein wird, kann erst die Ausarbeitung selbst entscheiden. Die Neubearbeitung der drei Bände der griechischen Geschichte des 5. und 4. Jahrhunderts soll dann unmittelbar daran anschließen.

I. Der Orient bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts

Die Sprachen und Volksstämme Kleinasiens

Das 18. und 17. Jahrhundert ist in der Geschichte des vorderen Orients eine Epoche großer Völkerbewegungen, in denen die bisherige Gestaltung der Staatenwelt durch das Auftreten neuer Volksstämme schwer erschüttert und vielfach von Grund aus umgewandelt worden ist. Schon früher zeigten einzelne Spuren, daß dabei der Einbruch indogermanischer Volksstämme eine Hauptrolle gespielt hat (Bd. I, 455f., 465, 468); die Entdeckungen des letzten Jahrzehnts lassen immer deutlicher erkennen, daß der entscheidende Anstoß von diesen ausgegangen ist2.

Die Grundlage der neuen Erkenntnis ist durch die Erschließung der gewaltigen Masse von Urkunden und literarischen Texten geschaffen worden, welche das Archiv von Boghazkiöi, im Inneren des späteren Kappadokiens, der Hauptstadt des großen Chetiterreichs des 14. und 13. Jahrhunderts, bewahrt hat. Geschrieben sind diese Schriftstücke sämtlich in babylonischer Keilschrift und bieten daher der Lesung wenig Schwierigkeiten. Dadurch, daß sie zahlreiche babylonische (sumerische und akkadische) Ideogramme verwenden, vor allem gerade für die geläufigsten Worte, ist die Erschließung des Inhalts wesentlich gefördert worden, so daß jetzt, so viel auch noch im einzelnen zu tun bleibt, doch das allgemeine Verständnis der Texte und auch ein Einblick in den Bau der Sprachen wenigstens in den Grundzügen gewonnen ist. Es ist aber nicht nur eine Sprache, die wir hier kennen lernen, sondern eine ganze Anzahl; und mit einem Überblick dieser neuerschlossenen Sprachen und Volkstümer müssen wir daher beginnen.

Die Sprache des chetitischen Großreichs hat sich, so fremdartig sie auf den ersten Blick erschien, dennoch, wie zuerst FR. HROZNÝ im Jahre 1915 erkannt hat3, ihrem grammatischen Bau nach als eine indogermanische erwiesen. Aber daneben enthält sie viele ganz fremdartige Elemente, vor allem im Wortschatz – dieser Eindruck wird noch dadurch gesteigert, daß gerade die wichtigsten Worte, wie Vater, Sohn, Gott, die Zahlwörter u.a., immer nur ideographisch geschrieben sind, wir also ihre Aussprache nicht kennen –; diese Sprachmischung beweist, daß hier ein indogermanischer Stamm erobernd eingedrungen sein muß, der dann in seiner Sprache sowohl lexikalisch wie auch grammatisch von der älteren Bevölkerung eine tiefgreifende Einwirkung erfahren hat.

Weiter aber hat sich gezeigt, daß dieser Hauptsprache der Name "chetitisch" gar nicht zukommt; unter diesem Namen (Chatti, mit Suffix chattili) erscheint vielmehr in den Texten eine ganz andere Sprache, von der gleichfalls zahlreiche Proben vorliegen. Die Sprache des herrschenden Volkes dagegen wird in einem Ritualtext einmal mit našili ("nasisch") bezeichnet; danach hat FORRER vermutet, sie sei korrekter kanisisch (Sprache der Stadt Kanis) zu nennen4. Gesichert ist das freilich keineswegs, und der Chetitername, den Reich und Volk sowohl bei den Fremden, mit denen sie in Berührung gekommen sind, Ägyptern, Babyloniern, Assyrern, wie in den einheimischen Texten durchweg führen, wird sich auch in der Beziehung ihrer Sprache nicht vermeiden lassen; so ist es wohl das ratsamste, die ältere, einheimische Sprache als protochattisch zu benennen.

Im Protochattischen sind außer religiösen Kultformeln mehrere größere Texte, Götterlegenden und Gesänge, erhalten, zum Teil mit "chetitischer" Übersetzung. Vom Indogermanischen ist es völlig verschieden. Im Sprachbau ist es vor allem dadurch charakterisiert, daß die grammatischen Beziehungen größtenteils durch Präfixe ausgedrückt werden. Sichere Beziehungen zu anderen Sprachstämmen sind bis jetzt nicht nachgewiesen.

Neben 1. dein Protochattischen und 2. dem "Chetitischen" (Kanisischen) erscheinen in den Texten aus Boghazkiöi noch drei weitere Sprachen5, deren Namen da, wo in ihnen abgefaßte religiöse Formeln, Anrufungen und Beschwörungen im Kultus verwendet werden, ausdrücklich genannt sind. Es sind:

3. Das Charrische (charli-li), die Sprache des Volkes, das unter dem Namen Charri6 mehrfach schon in den früher bekannten Texten vorkam (Bd. I, 455 A. 465). Die damals angenommene Deutung als Arier hat sich jetzt als völlig unmöglich erwiesen. Ihre Sprache, in der Bruchstücke von mehreren umfangreichen Texten religiösen Inhalts vorliegen, ist vielmehr mit der Mitanischen im nördlichen Mesopotamien und Nordsyrien nahezu identisch, und Charrier ist der auch in den Urkunden und geschichtlichen Berichten häufig verwendete Name der Bevölkerung dieser Gebiete7, deren Einwirkungen auch in Assyrien im somatischen Typus und in den Namen der ältesten Könige (Bd. I, 433 a. 463) stark hervortreten8.

4. Das Balaische (balaumni-li), das für die Rezitation von Weihsprüchen mehrfach erwähnt wird, von dem jedoch sichere Überreste bis jetzt nicht gefunden sind, so daß sich weder über seinen sprachlichen Charakter noch über das Gebiet, dem es angehört, etwas Bestimmtes aussagen läßt.

5. Eine weitere wiederholt zu Beschwörungen verwendete Sprache ist das Luwische (luwi-li), das sich, soweit man bisher sehn kann, vom "Chetitischen" nur dialektisch zu unterscheiden scheint. Auch da sind noch weitere Aufklärungen zu erwarten. Es scheint vor allem ins spätere Kilikien zu gehören; der hier heimische Gott Sandon (Bd. I, 484) erscheint in luwischen Texten in der Form Santas, der Gott Tarchu oder Tarqu (Bd. I, 476) als Tarchundas.

Weitere früher schon bekannte Sprachen dieser Gebiete sind im Osten in den armenischen Gebirgen das Alarodische oder Chaldische (Bd. I, 475) und weiter die zahlreichen Sprachen des Kaukasus, unter denen nur das Georgische (Iberische) über ein größeres Gebiet verbreitet ist; im westlichen Kleinasien das Lydische, in das uns jetzt Inschriften aus Sardes einigen Einblick gewähren9, das Karische, von dem uns nur wenige Wörter erhalten sind, und das Lykische. Damit ist aber der Sprachbestand des alten Kleinasiens noch in keiner Weise erschöpft10; so ist im Norden nach Strabos Zeugnis das Paphlagonische eine gesonderte Sprache11, und im Süden treten die Gebirgsstämme von Pisidien nebst den Solymern und andrerseits die Kiliker in ihren Eigennamen als scharf gesonderte Gruppen hervor. Dazu kommt die neuerdings durch einige Inschriften aus Amathus bekannt gewordene Sprache der Urbevölkerung von Cypern12, und endlich im Osten Kretas das Eteokretische der Inschriften von Praisos (Bd. I, 505).

So bietet das alte Kleinasien sprachlich ein buntes Bild. Es ist ein Zustand, wie wir ihn, im Gegensatz zu der erst im Verlauf der geschichtlichen Vorgänge sich vollziehenden Ausbreitung einiger weniger Sprachstämme über Ländermassen von gewaltigem Umfang13, in primitiven und von dem großen Gang des historischen Lebens wenig oder garnicht berührten Gebieten fast überall vorfinden: auf engem Raum stoßen zahlreiche Sprachen oft von ganz verschiedenem Bau hart aneinander, bis dann vielleicht einer dieser Stämme die anderen unterwirft und damit auch seine Sprache die Herrschaft gewinnt. Der gleiche Zustand herrscht auch weiter östlich bei den nichtarischen Stämmen Mediens und der Randgebirge Irans bis zu den Völkerschaften Elams und den Sumerern hinab, zwischen die sich dann von West und Süd seit alters die aufeinanderfolgenden Schichten der Semiten, später von Osten her die iranischen Arier eingedrängt haben. Verschiebungen und Invasionen fremder Volksstämme werden wie in den geschichtlich erkennbaren Epochen so auch vorher oft genug vorgekommen sein; aber sichere Ergebnisse lassen sich hier nur in den seltenen Fällen erzielen, wo, wie bei den indogermanischen Chetitern, die Sprache einen festen Anhalt gibt. Im übrigen ist nie zu vergessen, daß solche Vorgänge sich, wo auch unsere geschichtliche Kunde zuerst einsetzen mag, auch vorher schon immer von neuem abgespielt haben und daß sich daher die Hypothesen hier schließlich ins Unendliche und in Gebiete verlieren, auf denen eine geschichtlich verwertbare Erkenntnis unmöglich ist.

Andrerseits hat es auch in Kleinasien nicht an gegenseitigen Beeinflussungen und Sprachmischungen gefehlt. Darauf wird es zurückgehn, daß, im Gegensatz zu den in den Personennamen stark hervortretenden Unterschieden der Einzelgebiete14, die Bildung von Ortsnamen und Gebirgsnamen auf -nda und -ndos (in Griechenland -nthos und -nth ohne Endvokal) und auf -assos und -issos über das gesamte kleinasiatische Gebiet einschließlich der ägaeischen Welt und des griechischen Festlandes verbreitet ist (Bd. I, 476). Welcher der verschiedenen Sprachen diese Bildungen ursprünglich angehören, hat sich bisher nicht ermitteln lassen; es ist sehr wohl möglich, daß in ihnen ebenso wie dann in der Ausbreitung der griechischen und in der Neuzeit der türkischen Ortsnamen oder in der der keltischen in Gallien und Britannien, Spanien, Norditalien und Oberdeutschland die Nachwirkung politischer Vorgänge sich erhalten hat. Auch auf religiösem Gebiet tritt dieser über die einzelnen Volkstümer hinausgreifende Zusammenhang klar hervor; er gestattet, die kleinasiatische Religion, einschließlich Kretas, in ihren Grundanschauungen geradezu als Einheit zu betrachten (Bd. I, 477ff.), und manche Götternamen, wie Tešub, Tarku, vielleicht auch Attis u.a., finden wir als Hauptgötter über weite Gebiete verbreitet, bei den Chetitern, Kilikern, Charriern (Mitani), Alarodiern, Tarku auch im ganzen Südwesten (Bd. I, 476), ohne daß sich feststellen ließe, bei welchem dieser Volksstämme sie ursprünglich heimisch gewesen sind.

Anthropologisch bildet der ganze Osten Kleinasiens, über alle sprachlichen Unterschiede hinweg, ein einheitliches Gebiet mit einem scharf ausgeprägten, von allen anderen gesonderten Rassentypus. Ganz anschaulich und naturgetreu tritt er uns in den ägyptischen Darstellungen der Chetiter aus den Kriegen der neunzehnten Dynastie entgegen: ein kurzer, hyperbrachykephaler Schädel mit abgeplattetem Hinterkopf, stark zurückweichender Stirn, vorspringender, leicht gekrümmter Nase, kleinem Mund und Kinn und etwas verkniffenen Gesichtszügen. Damit stimmen die einheimischen Skulpturen überein, wenn sie auch die charakteristischen Züge nicht so prägnant und lebendig wiederzugeben vermögen wie die ägyptischen Künstler. Dieser Typus hat sich, untermischt mit anderen Gestalten, in Kleinasien und Armenien bis auf den heutigen Tag weithin erhalten und hat auch die Bevölkerung Nordsyriens und Assyriens stark beeinflußt (Bd. I, 331, 476). Neben der vollen Übereinstimmung in der Körperbildung bestehn in der Tracht der "chetitischen" Stämme charakteristische Unterschiede. Bartlos sind sie alle, so gut wie die Sumerer, im Gegensatz zu den Amoritern, den Assyrern und den übrigen Semiten, aber die Haartracht ist verschieden: neben den Kriegern mit langem Haar, das in zwei Strähnen auf den Schultern liegt, steht eine andere Gruppe, die das Haupthaar bis auf einen vom Hinterkopf herabhängenden Zopf abrasiert hat. Dem entspricht, daß in diesen beiden Gruppen auch der Schild und der Kriegswagen verschiedene Gestalt haben. Auch die einheimischen Skulpturen zeigen den gleichen Unterschied, und zwar bereits die primitiven Siegelzylinder aus der assyrischen Ansiedlung vom Kültepe15. Wie sprachlich hat sich also die somatisch einheitliche Bevölkerung des Hochlandgebietes in Gruppen gespalten, die ihre Eigenart in der Behandlung des Haupthaars lange Zeiträume hindurch eben so zäh festgehalten haben wie z.B. die Semiten.

Das Eingreifen Babyloniens. Die Assyrer in Kappadokien und die vorderasiatische Gesamtkultur

Die Eigenart dieser Volksstämme tritt uns seit dem 2. Jahrtausend sowohl in der Gestaltung ihres Staates wie in der ihrer Religion und Kunst entgegen. Aber ins geschichtliche Leben und in einen größeren Kulturzusammenhang sind sie schon weit früher hineingezogen worden durch die Einwirkung, die von dem zentralen Kulturgebiet Vorderasiens vom Euphrat und Tigris aus auch diese Landschaften ergriffen hat. Dadurch erklärt es sich, daß der Schwerpunkt der Entwicklung Kleinasiens im 3. und 2. Jahrtausend in der weiten kahlen Hochebene im Osten liegt, die der Halys in großem Bogen durchzieht ohne sie zu befruchten, also in einem Gebiet, in dem man ihn am wenigsten suchen würde, während die reichen Landschaften des Westens völlig zurücktreten.

So unzulänglich auch unsere Kunde über die Ausdehnung der alten Reiche von Sinear immer noch ist, so kann doch kein Zweifel sein, daß das von Sargon von Akkad um 265016 begründete "Reich der vier Weltteile" nicht nur Elam und die Zagrosgebiete, Mesopotamien und Nordsyrien nebst Cypern umfaßt, sondern auch tief ins östliche Kleinasien hineingegriffen hat (vgl. Bd. I, 398. 402 a). Aus den Sagen von Sargon besitzen wir jetzt den Eingang einer Erzählung, wie aus dem weit abgelegenen, durch unwegsame Gebirge von Akkad getrennten Lande am Berge Galašu die Kaufleute ihn zu Hilfe riefen gegen den König von Buršachanda oder Burušchanda, und er sich nach langem Zögern und vielfachen Wechselreden zu dem Kriegszug entschließt17. Die Stadt Burušchanda wird in den aus Kappadokien stammenden Texten häufig erwähnt; danach kann an der Lokalisierung kein Zweifel sein. Daß die Sagenerzählung, wenn sie auch erst viel später gedichtet ist, einen historischen Kern enthält, wird dadurch bestätigt, daß ein in Form einer Königsinschrift gefaßter Bericht über die Taten Naramsins unter den von ihm bekämpften Völkern auch die "Scharen der Manda", der Barbarenstämme des Nordens, erwähnt und von einer Koalition von siebzehn Königen berichtet, die er besiegt habe; unter diesen erscheint Pamba, der König von Chatti, Chutuni, der König von Kanis, ferner neben denen zahlreicher anderer Orte der von Kursaura, d.i. Garsaura im westlichen Kappadokien in der Nähe des Tattasees, sowie der König von Amurri und der König von Arman im Zagrosgebiet, dessen Besiegung auch das Fragment einer Platte aus Tello erwähnt18.

Die Erzählung von Sargon setzt voraus, daß zu seiner Zeit bereits akkadische Kaufleute (tamkarê) im östlichen Kleinasien inmitten der fremden Bevölkerung ansässig waren und Handel treiben; ihr Führer trägt den Namen Nûrdagan19. Dieser Zustand tritt uns dann in der Folgezeit ganz anschaulich entgegen in zahlreichen Dokumenten, die in stets wachsender Zahl an verschiedenen Stellen Kappadokiens zutage getreten sind, vor allem im Kültepe, dem Zentrum dieser Ansiedlungen östlich von Kaisarije und dem Argaeos (Bd. I, 435), vielleicht der Stätte der in diesen Texten häufig genannten Stadt Kanis (vgl. o. S. 5), aber z.B. auch in Boghazkiöi. Es sind Tontäfelchen mit Geschäftsurkunden verschiedenster Art in babylonischer Keilschrift. Eine von ihnen trägt den Siegelabdruck des Ibisin, Königs von Ur (2200-2176), und beweist somit, daß das Reich von Sumer und Akkad unter dieser Dynastie auch diese Gebiete umfaßt hat; auf einer andern steht der des Sargon (Sarrukin), Patesi von Assur, Sohn des Ikûnum, der wahrscheinlich um 1950 anzusetzen ist20; daraus ergeben sich als Zeit für die Hauptmasse dieser Urkunden die letzten Jahrhunderte des 3. Jahrtausends. Dazu stimmt sowohl die Gestalt der Schriftzeichen wie die Darstellungen derjenigen Siegel, die babylonischen Typus tragen, während andere primitive einheimische Motive verwenden (vgl. o. S. 10). Das ganz überraschende und rätselhafte ist nun aber, daß in ihnen nicht etwa Babylonien, sondern Assyrien als maßgebend hervortritt. Datiert werden sie nach den assyrischen Jahrbeamten (limu), der Kalender ist der assyrische, das Recht das von Assur, "vor dem Dolchschwert Assurs" wird Zeugnis abgelegt, auch die Sprache zeigt in einzelnen Abweichungen vom Akkadischen Sinears assyrische Färbung. Unter den Personennamen überwiegen die spezifisch assyrischen wie Ikûnum u.a., darunter vor allen die mit dem Gottesnamen Assur und Istar gebildeten; daneben finden sich natürlich auch akkadische und viele, die der einheimischen Bevölkerung angehören21.

Diese Tatsachen zwingen zu der Annahme, daß sich die Assyrer im 3. Jahrtausend weithin über die Gebirgslande in Nordwesten bis tief nach Kleinasien hinein ausgebreitet und das ganze gewaltige Gebiet unter der Oberleitung der Regierung von Assur zu einer Einheit zusammengefaßt haben. Es ist aber, soweit wir bis jetzt sehn können, nicht sowohl eine kriegerische Eroberung gewesen, als eine friedliche Invasion durch Händler und Kaufleute und daneben durch Kolonisten, die sich als Bauern in den einzelnen Ortschaften niederließen und damit zugleich kultivierte Zustände unter festgeregelten Rechtsordnungen in diese fernen Gebiete getragen haben. So wird es sich auch erklären, daß der Assyrername an den Landschaften des östlichen Kleinasiens bis über den Halys hinaus nach Sinope an dieser Landschaft bis ins 5. Jahrhundert hinein haften geblieben ist22. Den militärischen Schutz dagegen übernimmt der Großkönig in Sinear, wie es die Sagenerzählung darstellt. Ein selbständiges Reich und gar eine Großmacht ist Assyrien im 3. Jahrtausend und noch bis zum Ende des Amoriterreichs von Babel hinab niemals gewesen; keiner der Fürsten von Assur führt den Königstitel, sondern neben der Bezeichnung seiner sakralen Stellung lediglich den eines Patesi23. Das wird vermutlich mit der eigenartigen politischen Gestaltung Assurs zusammenhängen; die Fürsten sind die Hohenpriester Assurs, aber neben ihnen stehn die weltlichen Beamten mit dem eponymen Jahrbeamten an der Spitze, der in der alten Zeit ähnlich den griechischen Archonten und Prytanen wirklich eine selbständige Macht besessen haben muß. Auch die Rechtspflege lag nicht in den Händen der Könige, und die assyrischen Rechtssätze, von denen uns jetzt umfangreiche Aufzeichnungen aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends vorliegen24, sind nicht etwa ein vom Herrscher erlassenes Gesetzbuch wie das Chammurapis und anderer babylonischer Könige, sondern Kodifikationen des geltenden Volksrechts. Dem entspricht es, daß wir in den Ortschaften Kappadokiens, Kanis, Burušchatu u.a. Gerichtshöfe (garum, karrum) finden – offenbar aus den Ältesten gebildet, wie in den babylonischen Städten auch – und als Oberinstanz das Gericht "der Stadt", d.i. wahrscheinlich das von Assur selbst.

Es ist für die Geschichte Sinears charakteristisch, daß keine der zahlreichen aufeinander folgenden Dynastien ihre Macht lange hat behaupten können. So ist auch das Reich von Ur nach einem Bestande von wenig mehr als einem Jahrhundert – die fünf Könige der Dynastie haben zusammen 117 Jahre regiert, ca. 2296-2180 – einer elamitischen Invasion erlegen, die den letzten König, Ibisin, gefangen fortführte. Dann zerfällt das Reich in eine Anzahl kleinerer Staaten, unter denen die nebeneinander stehenden Dynastien von Isin und von Larsa die bedeutendsten sind, die beide den Titel von Königen von Sumer und Akkad führen, von denen aber namentlich die von Larsa nur ein Spielball in den Händen der Elamiten gewesen zu sein scheint28. Daneben entsteht in Babel seit 2049 das Amoriterreich29, und diesem gelingt es, nach mancherlei Schwankungen, unter Chammurapi (1947-1905) noch einmal das ganze Land zu einigen und auch nach außen seine Macht kraftvoll zu entfalten. Trotz des Fehlens aller direkten Zeugnisse wird sich kaum bezweifeln lassen, daß ihm, wie Assyrien und Mesopotamien, so auch Nordsyrien und das östliche Kleinasien untertan gewesen sind; die kappadokische Urkunde mit dem Siegel des Sargon, Patesis von Assur (o. S. 13), fällt etwa in diese Zeit.

Jedenfalls hat in dieser Epoche, der letzten und abschließenden Glanzzeit Altbabyloniens, das freilich damals bereits mit raschen Schritten dem Versinken in innerer Erstarrung entgegenging, der Zusammenhang des vorderasiatischen Kulturgebiets nicht nur fortbestanden, sondern sich weiter ausgebildet. Sprache und Schrift Babyloniens haben sich über ganz Vorderasien verbreitet. Auch in Syrien, Palaestina und Cypern vollzieht sich der gesamte rege Schriftverkehr in akkadischer Sprache und Schrift, und an den Höfen jedes der lokalen Dynastien war ein Schreiber unentbehrlich, der diese beherrschte, die diplomatische Korrespondenz führte, und die Erlasse der Regierung abfaßte und bekanntgab. Hier behalf man sich in der Regel damit, daß man bei wichtigen oder zweifelerregenden Ausdrücken zur Erleichterung des Verständnisses das einheimische Wort als Glosse danebensetzte, sei es in kana anäischer, sei es, im Norden, in der charrischen oder Mitanisprache; in dieser Gestalt ist hier später, zur Zeit der ägyptischen Oberherrschaft, auch die Korrespondenz mit den Pharaonen geführt worden. In dem zu Anfang des 2. Jahrtausends entstandenen Chetiterreich sind einige der ältesten Urkunden zwar mit einem chetitischen Königssiegel verschlossen, aber der Text ist akkadisch, und auch später hat man Verträge und offizielle Schreiben in dieser "babylonischen" Sprache abgefaßt. Das Schreibmaterial bildet überall die Tontafel – daneben bei Staatsverträgen und bei zauberkräftigen religiösen Urkunden die Metallplatte – nebst dem Schreibgriffel; daß die ägyptische Kursivschrift mit der Rohrfeder nur auf Papyrus oder Leder, aber nicht auf Tontafeln verwendbar ist, hat offenbar, neben der langen politischen Abhängigkeit von Babylonien, das Hindernis gebildet, das ihr die Konkurrenz mit dem Akkadischen unmöglich machte. Gelernt wurde das Lesen in derselben, jahrelanges Studium erfordernden Weise, wie in Sinear selbst, oder vielmehr noch umständlicher. Die unentbehrliche Grundlage bildete die Kenntnis der sumerischen Formen und Lesungen, also die Erlernung einer längst erstorbenen Sprache; dann folgte ihre Umsetzung in die akkadischen Wörter, und diese wurden dann wieder für die Schreibung der einheimischen Sprachen benutzt, gerade bei den geläufigsten Wörtern in der Regel so, daß man das akkadische Wort oder das dieses bezeichnende sumerische Äquivalent schrieb, es aber beim Lesen durch das einheimische Wort ersetzte. Daher waren lexikalische und grammatische Hilfsmittel hier ebenso unentbehrlich, wie in Babylonien und Assyrien selbst, und weiter als Leseübung literarische Texte, darunter Mythen und Sagen aller Art, denen dann Übersetzungen beigefügt werden mochten. Derartige Schriftstücke haben sich im Archiv von Boghazkiöi in großer Zahl gefunden; und nicht anders sind die Ägypter verfahren, wenn sie für den diplomatischen und Geschäftsverkehr die Tontafel und die Keilschrift verwenden und die fremden Dokumente lesen und beantworten wollten.

Die indogermanischen Chetiter

In diese Welt ist nun mit der indogermanischen Schicht der Chetiter ein weiteres Volkselement eingetreten. Über Zeit und Verlauf ihres Eindringens besitzen wir keinerlei Kunde; immerhin gestattet aber der eigenartige Charakter, den ihre Sprache trägt, darüber wenigstens einige Vermutungen. Diese Chetiter sind der erste Zweig der Indogermanen, der in die Geschichte eingetreten ist; aber während alle anderen indogermanischen Sprachen in der Gestalt, in der sie uns geschichtlich zuerst entgegentreten, einander und daher auch der rekonstruierten Ursprache – die natürlich immer schon in Dialekte gespalten war – geradezu überraschend nahe stehn30 und ebenso die Beschreibungen ihrer körperlichen Erscheinung, wo solche vorliegen, überall den gleichen somatischen Typus zeigen31, ist diese am frühesten bezeugte Sprache so stark mit fremden Elementen durchsetzt, daß ihr indogermanischer Charakter nur mit Mühe erkannt werden konnte und zunächst vielfach bestritten wurde. Erhalten hat er sich – neben Neubildungen – in der Flexion der Nomina und Verba, im Pronomen, in manchen Partikeln und in einem Teil des Wortschatzes. Aber daneben stehn so viele nichtindogermanische und offenbar aus den einheimischen Sprachen übernommene Wörter, daß die Texte als Ganzes einen durchaus fremdartigen Eindruck erzeugen; auch der Satzbau, in dem sich die Denkweise der Sprache offenbart, mutet keineswegs indogermanisch an. Das gleiche gilt von der äußeren Erscheinung; alle Darstellungen von Chetitern aus der Zeit ihres Großreichs, sowohl die ägyptischen wie die einheimischen, zeigten den echten "kleinasiatischen" Typus (o. S. 10), dagegen keine Spur indogermanischer Beimischung.

Daraus werden wir folgern dürfen, daß die Invasion schon in früher Zeit erfolgt ist, spätestens etwa um die Mitte des 3. Jahrtausends, und weiter, daß die Schicht der eindringenden Eroberer nur dünn gewesen sein kann, etwa wie die der Galater in Phrygien, der Germanen in den Provinzen des Römerreichs, der Normannen in Rußland, der Normandie, England, Sicilien, Palaestina, aber nicht eine Masseneinwanderung wie die der Slawen auf der Balkanhalbinsel oder der Phryger und Armenier in Kleinasien, und die der Araber und dann die der Türken im Khalifenreich. In allen diesen Fällen überrennt, wie bei der Invasion der "Indoskythen", der Hunnen, der Mongolen, der einbrechende Kriegerstamm die seßhafte, durch die Plötzlichkeit des Angriffs überraschte Bevölkerung; eine Überlegenheit der Bewaffnung, die Metallwaffen der Bronzezeit im Gegensatz zu den mit Steinspitzen versehenen Lanzen aus Rohrschäften der Einheimischen, scheint hinzugekommen zu sein32, und weiter die Verwendung des mit Rossen bespannten Streitwagens. Die Eindringlinge haben weite Gebiete unterworfen – daher scheidet sich ihre Sprache in zwei Dialekte, das Kanisisch-chetitische und das Luwische33 – und die Herrschaft behauptet; aber physisch haben sie (wie die Magyaren in Ungarn, die Osmanen in Kleinasien) durch die Mischung mit der einheimischen Bevölkerung deren Typus angenommen, und sowohl sprachlich wie kulturell, vor allem auch auf religiösem Gebiet, die stärkste Einwirkung von diesen erfahren. Daher ist dann auch der alteinheimische Chetitername auf ihr Reich und Volk und ihre Hauptstadt übergegangen.

Soweit sich bis jetzt erkennen läßt, gehört das Chetitische dem westlichen Zweige der Indogermanen, den Kentumsprachen, an. Daß sie in derselben Weise, wie später die Kimmerier, über den Kaukasus gekommen sind, wird man kaum bezweifeln können, da sie sich sonst gewiß in den reichen Ebenen des Westens angesiedelt haben würden. Sie haben das Pferd und den Wagen nebst den Rennspielen mitgebracht, die dem alten Orient fremd, dagegen bei allen Indogermanen altererbt sind. Einen mit vier Pferden bespannten Wagen, auf dem der Lenker sitzt, treffen wir bereits auf den "kappadokischen" Tontafeln in Abdrücken ganz primitiver Siegelzylinder offenbar einheimischer Arbeit; und im Kültepe haben sich kleine mit Zaumzeug geschirrte Pferdeköpfe aus Ton gefunden34. Aus Ägypten stammt ein leicht gebauter Wagen altertümlicher Konstruktion, der aus Ulmen- und Eschenholz gearbeitet ist; die Nabe ist mit den Speichen durch Birkenbast verbunden, das vordere Ende der Deichsel damit umwickelt35. Ägyptische Arbeit ist dieser Wagen nicht; da die Birke über das südöstliche Europa und das Kaukasusgebiet nicht hinausreicht, wird er von den Chetitern bezogen sein und man in ihm einen Beleg für deren Herkunft erblicken dürfen.

Diese Erwägungen führen zu der Annahme, daß die indogermanischen Chetiter zur Zeit der assyrischen Geschäftsurkunden bereits in den Ortschaften Kappadokiens, so vor allem in Kanis, gesessen haben36. Auch von Chammurapi werden sie abhängig gewesen sein. Die Einwirkung dieses Reichs tritt darin hervor, daß, als die Stämme des Chattilandes begannen, die Keilschrift zur Schreibung ihrer Sprache zu verwenden, sie nicht die Schriftformen der "kappadokischen" Tontafeln übernommen haben, sondern die unter der ersten Dynastie von Babel gebräuchlichen37; durch möglichste Ausscheidung der Mehrdeutigkeit der Lautzeichen ist sie dabei wesentlich vereinfacht worden.

Die Anfänge des chetitischen Reichs

Auch das Reich der Amoriter hat die von Chammurapi errungene Machthöhe nicht lange behaupten können. Schon sein Sohn Samsuiluna hat aufs neue mit einem Rivalen Rimsin zu kämpfen, wahrscheinlich einem Prätendenten, der als Nachkomme des von Chammurapi besiegten Rimsin von Larsa auftrat und dessen Reich wieder herzustellen versuchte. Gleichzeitig entsteht im Sünden ein Reich des "Meerlandes" (die sog. zweite Dynastie), das sich dauernd behauptet hat38. Unter den folgenden Königen setzen sich diese Kämpfe fort; da werden sich auch die Vasallen im Norden wieder unabhängig gemacht haben.

In diese Zeit, etwa seit 1900, fallen die Anfänge eines chetitischen Reichs. Sein ältester Mittelpunkt ist die, auch in den "kappadokischen" Texten gelegentlich vorkommende, Stadt Kussar, deren Lage noch nicht ermittelt ist. Der erste König von Kussar, von dem wir Kunde haben, ist Anitta, Sohn des Bidchâna, der in einer großen Inschrift von seinen Taten berichtet; er hat u.a. auch mit Bijustis, "König von Chatti" – mit der Hauptstadt Chattusas, d.i. Boghazkiöi – gekämpft, das eigentliche Chetiterland also nicht beherrscht39. Wesentlich erweitert ist das Reich durch Tabarna40, der zahlreiche Orte in Kappadokien unterworfen hat, darunter Chubisna und Barsuchanta sowie Tyana (Tûwanua) in dem fruchtbaren Tal am Taurus am Rand der westlichen Steppe41. Er hat den Titel "Großkönig" angenommen und damit sein Reich als eine unabhängige ebenbürtige Macht neben das Reich von Babel gestellt. Daher ist er als der eigentliche Begründer des Reiches betrachtet worden: sein Name wird in der Folgezeit vielfach titular als Bezeichnung des Herrschers verwendet42. Unter seinem zweiten Nachfolger Mursilis I. ist dann die Residenz nach der Stadt Chattusas, d.i. Boghazkiöi, verlegt; damit ist der Chetitername die offizielle Bezeichnung des Reichs geworden. Von Mursilis erfahren wir, daß er zuerst die Stadt Chalpa (Aleppo), damals Sitz eines Großkönigtums43, dann Babel erobert und ausgeplündert, die Beute nach Chattusas fortgeschleppt hat. Dieser Kriegszug ist offenbar identisch mit der Angabe einer babylonischen Chronik, daß unter Samsuditana, dem letzten König der amoritischen Dynastie von Babel (1780-1750), die Chetiter gegen das Land Akkad zogen (Bd. I, 454). Damit ist ein festes Datum gewonnen; wir haben Mursilis I. um 1750, Tabarna um 1800 anzusetzen, die ältesten chetitischen Könige, die wir kennen, fallen ins 19. Jahrhundert.

Zugleich gewinnen wir dadurch einen Einblick in die großen Umwälzungen, die in dieser Epoche eingetreten sind. In Kleinasien haben die Chetiter die Suprematie der Assyrer und des Reichs von Babel abgeschüttelt und ein selbständiges Großreich begründet, und jetzt wenden sie sich gegen die zentralen Kulturgebiete, zunächst gegen Syrien, wo die große Handelsstadt Aleppo ihnen zur Beute fällt, dann gegen Babel selbst. Auch mit den Charriern hat Mursilis Krieg geführt. In diesen Kämpfen ist das Amoriterreich zugrunde gegangen, und Babylonien verliert endgültig die Vormachtstellung, die ihm Chammurapi und seine Dynastie noch einmal wiedergewonnen hatte. Im Süden behauptet sich die ohnmächtige Dynastie des Meerlandes, über den Norden Sinears und Babel selbst dagegen gewinnen die Kossaeer die Herrschaft; ihr Häuptling Gandaš gründet das Reich von Karduniaš (Bd. I, 457. 460). Auch die Erfolge, die etwa um dieselbe Zeit Samsiadad von Assur – wahrscheinlich der zweite Herrscher dieses Namens – um 1720 v. Chr.44 errungen hat, sind nicht von Dauer gewesen. Er hat "das Land zwischen Tigris und Euphrat bezwungen", in Tirqa, der Hauptstadt des kleinen Reichs Chana, in der Nähe der Chaborasmündung (Bd. I, 433), deren Gott Dagan einen Tempel gebaut, "den Tribut des Königs von Tukris und des Königs des oberen Landes in Assur entgegengenommen und Stelen mit seinem Namen im Lande Lab'an am Gestade des großen Meeres aufgerichtet" (Bd. I, 464). Somit scheint es, daß seine Vormacht sich zeitweilig bis ans Schwarze Meer erstreckt hat und auch der Chetiterkönig – falls das für ihn vermutete Datum richtig ist, in der Zeit des Rückganges ihrer Macht unter den Nachfolgern des Mursilis – ihm gehuldigt hat. Samsiadad hat den Titel eines "Königs der Welt" (sar kissati) angenommen, neben dem die bis dahin in Assur üblichen religiösen Titel, auch der eines Patesi, zurückgedrängt werden; daher nennt er auch gegen allen sonstigen Brauch in seinen Inschriften seinen Vater nicht, wohl aber rühmt er, daß "Anu und Ellil seinen Namen über die Könige vor ihm zu großen Dingen berufen haben". Er preist den Wohlstand und die billigen Preise, die in Assur bestanden, als er hier den Tempel des Assur erbaute. Aber nach ihm findet sich von dieser assyrischen Großmacht nichts mehr, seine Nachfolger begnügen sich jahrhundertelang wieder mit dem Titel eines Patesi von Assur.

Auch die Macht der Chetiter hat, wie schon angedeutet, keinen Bestand gehabt. Nach der Ermordung des Mursilis durch seine Magnaten erfahren wir durch den nur mit großen Lücken erhaltenen Bericht seines fünften Nachfolgers Telibinus von wiederholten Usurpationen und Thronstreitigkeiten; daneben werden Kriegszüge gegen Karkemiš in Nordsyrien, gegen Togarma (Tagarama) im östlichen Kappadokien, gegen Arzawija in der Ebene Kilikiens erwähnt. Offenbar ist das Reich im wesentlichen auf die Lande nördlich vom Taurus beschränkt geblieben und wird auch hier durch die inneren Wirren und durch Aufstände erschüttert worden sein. Erst Mursilis' vierter Nachfolger, Chuzzija45, hat wieder Ordnung geschaffen und unter den unbotmäßigen Hofbeamten aufgeräumt. Sein Nachfolger ist sein Schwager Telibinus, der als Einleitung zu einer festen Ordnung der Thronfolge und der Reichsverfassung den dieser Darstellung zugrunde liegenden ausführlichen Bericht über die Schicksale seiner Vorgänger gegeben hat. Er befiehlt seinem Nachfolger, zwar jeden "Königssohn", der ein Verbrechen begeht, rücksichtslos hinrichten zu lassen, aber ihre Angehörigen und Diener zu verschonen – eine zugleich streng rechtliche und humane Auffassung, wie sie bei den Chetitern immer wieder hervortritt. Eine Anzahl hoher Beamten, offenbar die Hauptstützen seiner Regierung, soll dagegen nicht angetastet werden. Wir werden Telibinus etwa um 1650 anzusetzen haben; mit ihm bricht unsere Kunde ab, selbst die Namen der Könige sind uns für einen Zeitraum von etwa zwei Jahrhunderten bisher so gut wie unbekannt geblieben46.

Das charrische Reich Mitani

Die Vormacht in den vorderasiatischen Gebieten ist in dieser Zeit auf das Reich von Mitani oder Chanigalbat übergegangen. Sein Schwerpunkt liegt in dem Hügellande östlich vom Euphrat (dem "Stromlande" Naharain) am Fuß des Masiosgebirges (Tûr'âbdîn, bei den Assyrern Kašijargebirge), das von zahlreichen Bächen durchströmt ist, die sich zum Belichos und Chaboras vereinigen. Hier liegen mehrere Ortschaften alter Kultur, so Tell Chalâf (Guzana) bei Resaina, nahe der Chaborasquelle, mit Reliefs und Statuen im sumerischen Stil aus der ersten Hälfte des 3. Jahrtausends (Bd. I, 466), ferner Charrân im Belichosgebiet, Nisibis u.a. Im Chaborasgebiet wird auch Wasuggani, die Hauptstadt des Mitanireichs, zu suchen sein. Weiter nach Süden geht das Kulturland in die felsige, lediglich von wandernden Nomadenstämmen bewohnte Einöde über, die sich bis an die Grenzen des babylonischen Tieflandes hinzieht; nur in den Tälern des Chaboras und des Euphrat finden sich mehrere Städte, darunter das von Samsiadad II. eroberte Tirqa, zeitweilig der Sitz eines selbständigen Fürstentums Chana (S. 27). Dieser Name ist wahrscheinlich eine Verkürzung von Chanigalbat; und mit diesem wohl in weit ältere Zeit zurückreichenden Namen wird das Reich, das sich offiziell Mitani nennt, im populären Sprachgebrauch der Folgezeit ständig bezeichnet47.

Durch die Aufrichtung des Mitanireichs sind die Assyrer nach den vorübergehenden Erfolgen unter Samsiadad II. wieder ganz auf ihren Stammsitz am Tigris zurückgedrängt. Weiter im Süden hält das Reich von Karduniaš zwar seine großen Prätensionen aufrecht, ist aber unter der Herrschaft der kossaeischen Kriegerhorden und des von diesen auf den Thron gesetzten Königs ohne innere Kraft. Wenn König Agum II. (um 1650) sich rühmt, er habe die Bilder des Marduk und der Sarpanit aus Chana zurückgeholt und wieder im Tempel Esagilla in Babel aufgestellt, so ist das gewiß nicht durch einen siegreichen Kriegszug geschehn48, sondern er wird die bei einer Plünderung Babels – vielleicht der durch Mursil – geraubten Götterbilder durch diplomatische Verhandlung zurückgewonnen haben.

Die Bevölkerung des Mitanireichs bilden die Charrier (o. S. 6). Wie zahlreiche Personennamen zeigen, hatten diese sich auch nach Babylonien und Assyrien stark verbreitet49 und auch ihre Götter dorthin gebracht. Auch die Namen Auspia und Kikia, die uns als die ältesten Herrscher von Assur und Erbauer des Assurtempels und der Stadtmauer genannt werden, gehören diesem Sprachgebiet an (Bd. I, 433 a). Außerdem hat Syrien zu ihrem Machtbereich gehört; im nördlichen Syrien, so in Tunip, wird charrisch gesprochen, und charrische (Mitani-) Namen finden sich im 15. und 14. Jahrhundert unter den Dynasten bis nach Palaestina hinab zahlreich neben semitischen und arischen. Daß im übrigen die Verhältnisse ebenso schwankend gewesen sein werden, wie zur Zeit der babylonischen Oberherrschaft, bedarf kaum der Bemerkung. Manche Stadtherrscher werden sich zeitweilig oder dauernd unabhängig gemacht haben, in Verbindung mit den Kossaeerkönigen von Karduniaš, die die von ihren Vorgängern aus dem Reich von Sumer und Akkad oder der vier Weltteile ererbten Traditionen nie aufgegeben haben, so wenig wie sie imstande waren, sie zu verwirklichen. Von Aleppo (vgl. o. S. 26) erfahren wir, daß es der Sitz eines Großkönigtums gewesen ist, bis es im 18. Jahrhundert dem Vordrängen der Chetiter erlag.

Über die Kulturzustände der Charrier und des Reichs von Mitani läßt sich bei dem fast völligen Fehlen von Denkmälern aus dem Zentrum des Reichs und der Unsicherheit der Datierung der ältesten Denkmäler aus Nordsyrien und dem Taurusgebiet zur Zeit noch wenig aussagen. Nur das ist sicher, daß diese Kultur diejenige Gestaltung trug, die wir als "chetitisch" zu bezeichnen pflegen; es ist aber, wie die Dinge jetzt liegen, sehr wohl möglich, daß sie richtiger charrisch zu benennen wäre, und daß sie sich von den Landen zu beiden Seiten des Euphrat und dem Taurusgebiet aus nach Norden und zu den Chetitern verbreitetet hat. Die ältesten auf uns gekommenen Zeugnisse dieser werdenden Kultur sind die ganz primitiven Reliefs auf Steinplatten vom südlichen Tor der kreisrunden Stadtmauer von Sendjirli (Sam'al) am Fuß des Amanos50, Darstellungen dämonischer Mischwesen, Menschenleib mit Vogelkopf und Flügeln, Löwen mit Vogel- oder Menschenkopf, Krieger und Jäger, zwei Männer im Gespräch miteinander, die mit der einen Hand einen Becher zum Munde führen, während die andere einen langen Stock hält. Diese tragen einen langen gegürteten Leibrock, der Jäger und der Krieger wie die Dämonen dagegen nur einen Schurz, auch hier mit einer Quaste am Gurt, sowie eine spitze Filzkappe; die Waffen sind Bogen mit spitzem Pfeil und am Gürtel ein Schwert. In ihrer grotesken Unbeholfenheit – an der sich nichts ändert, auch wenn wir ihre Entstellung durch lange Verwitterung noch so stark in Rechnung stellen – haben diese Denkmäler nur etwa in primitiven indianischen und in den ältesten sumerischen Skulpturen Parallelen; aber wie die Tracht ist auch die Haltung der Figuren, die Behandlung der Muskulatur und der Bewegung der schreitenden Tiere, kurz die ganze Art, die Außenwelt anzuschauen und wiederzugeben, eine andere: wir schauen in die ersten Ansätze zu einem eigenen, bodenständigen Stil. Dem entspricht die Architektur, die Verkleidung der untersten Schichten der Lehmziegelmauer mit Steinplatten (Orthostaten), die beim Tor mit diesen Reliefs geschmückt sind. Dazu kommen hier weiter am Eingang gewaltige Laibungsblöcke in Gestalt eines Löwen, dessen mächtiger Kopf trotzig weit über die Mauer vorspringt. Trotz oder vielleicht gerade durch ihre ganz elementare Plumpheit sind sie doch nicht ohne Wirkung: mit dem riesigen Maul, den spitzen Zähnen und den glotzenden Augen schrecken sie den Fremden, der der Festung naht; sie sind die Urform, aus der schließlich in langer Entwicklung der Gorgokopf hervorgegangen ist51. Das alles sind Formen, die der babylonischen Kunst und Technik ganz fremd sind, wohl aber auf die Assyriens stark eingewirkt haben. Ihre Fortsetzung finden sie wie in den jüngeren Skulpturen aus Sendjirli52 und den Nachbargebieten, so in der Kunst des Chetiterreichs in Ujük und Boghazkiöi. Der enge Zusammenhang beider Gebiete tritt von Anfang an hervor: auch die Männer von Sendjirli sind bartlos und haben den Haarschopf zu einem langen, am Ende aufgerollten Zopf zusammengebunden, auch die Tracht ist die gleiche. Besonders überraschend ist, daß hier schon das Pferd vorkommt, und zwar nicht am Kriegswagen, sondern als Reittier, wie es sonst nur im Notfall verwendet wird: der Krieger, der in der Linken den abgeschlagenen Kopf eines Feindes trägt, sitzt auf dem Pferde. Auch auf religiösem Gebiet ist eine sichere Scheidung der Einzelgebiete noch nicht möglich; vor allem der Gewittergott Tešub ist den Charriern (Mitani) und Chetitern gemeinsam und findet sich als Teisbas auch bei den Alarodiern (Bd. I, 475 Anm.). So kann auch das Beil oder die Doppelaxt als sein Attribut und weiter die über das ganze Kulturgebiet verbreitete und früh auch nach Babylonien eingedrungene Versinnbildlichung der göttlichen Macht dadurch, daß die Götter über Berggipfel einherschreiten und auf dem Rücken von Löwen, Panthern, Stieren stehn, sehr wohl zuerst bei den Charriern und im Taurusgebiet aufgekommen sein53.

Die besprochenen Denkmäler von Sendjirli mögen schon im Verlauf des 3. Jahrtausends entstanden sein. Ungefähr gleichzeitig scheinen die primitiven Reliefs auf Steinplatten aus dem Tell Halâf am Chaboras zu sein, die durch Verwendung bei dem späteren Neubau eines Palastes erhalten sind. In der folgenden Zeit ist dann ein langsamer Aufstieg erkennbar, in dem die Eigenart dieser Kultur sich, trotz aller Entlehnungen aus Babylonien wie aus Ägypten, immer kräftiger ausprägt, bis sie in den Denkmälern des chetitischen Großreichs ihren Höhepunkt erreicht.

Arische Stämme in Vorderasien und die Heimat der Indogermanen

Zu den Volksstämmen, die wir kennen gelernt haben, ist nun noch ein weiterer hinzugetreten in einer neuen Welle indogermanischer Invasion, und zwar sind es die Arier, die jetzt in die Geschichte eintreten. Wie weit in der Folgezeit arische Namen in Vorderasien verbreitet waren, haben wir früher schon gesehn (Bd. I, 465. 468): im Mitanireich ist die Dynastie dieses Ursprungs, in einem von ihr geschlossenen Vertrage werden unter den als Zeugen angerufenen Göttern neben den einheimischen (darunter zahlreichen aus Babylonien übernommenen) Mitra und Varuna, Indra und die Nâsatjas genannt, die Hauptgestalten der Asuren und der Daivas, der beiden Gruppen, in die die arische und vedische Götterwelt zerfällt54. Der Kriegeradel trägt hier wie in Syrien die indische Benennung marjanni "Mannen"55; zahlreiche arische Dynastennamen erscheinen, neben charrischen und semitischen, in Palaestina und Syrien bis zu den Taurusgebieten hinauf, wo sie sich in Kommagene bis ins 8. Jahrhundert erhalten haben, und zwar hier in jüngerer, spezifisch iranischer Lautgestalt (Kundaspi und Kustaspi). Ganz anschaulich führen uns ägyptische Darstellungen aus der achtzehnten Dynastie dieses Völkergemisch vor Augen, vor allem die prachtvollen Reliefs aus dem Grabe Haremhabs56: unter den Gefangenen aus Syrien erscheinen hier neben den scharf charakterisierten Semiten und völlig verschieden von den Chetitern auf den Reliefs der neunzehnten Dynastie ganz andersartige Gestalten, bärtige und bartlose Köpfe, zum Teil Greise57, mit fein durchgearbeiteten Gesichtszügen und langem oben abgeplattetem und in der Mitte ein wenig eingedrücktem Schädel, also im Gegensatz gegen die Rundschädel der Semiten und die Kurzschädel der Chetiter ausgeprägte Dolichokephalen. Innerhalb der vorderasiatischen Völkerwelt erscheinen sie als ein völlig fremdartiges Element, zeigen vielmehr den Typus, den wir bei den Europäern und den Persern finden, und bestätigen so die sprachlichen Zeugnisse über die Herkunft der Marjanni.

Zu diesen Zeugnissen kommt weiter ein umfangreicher Text aus der Bibliothek von Boghazkiöi, ein großes Werk über Pferdezucht, verfaßt von einem Mann namens Kikkuli aus Mitani. Geschrieben ist es in "chetitischer" Sprache; aber die technischen Ausdrücke für die Rundläufe sind indisch58. Mithin muß eine indische Bevölkerung im Bereich der Charrier Mitanis gesessen haben, bei der, wie bei den Indern des Veda, den Griechen und anderen Indogermanen, die Pferdezucht und das Wagenrennen in der Rennbahn so entwickelt war, daß die Charrier und die Chetiter bei ihnen in die Lehre gingen und die Behandlung des hier bereits heimischen Pferdes und Wagens danach gestalteten. Dazu stimmt, daß der Kult des Indra59 und der Nâsatjas (asvins), des Mitra und Varuna im Mittelpunkt der vedischen Religion steht, für deren frühzeitige Ausbildung uns hier weit im Westen ein sicher datiertes Zeugnis entgegentritt.

Mehrfach hat man vermutet, diese Inder seien über den Kaukasus eingebrochen, als Vortrapp einer großen arischen Wanderung60, die die Inder durch Iran ins "Siebenstromland" des Indus und weiter an den Ganges geführt habe; die Iranier müßten ihnen dann gefolgt sein. Aber dieser Annahme stehn die gewichtigsten Bedenken entgegen. Gerade diejenigen Gebiete, in denen sich nach ihr diese Stämme zuerst niedergelassen haben und zu geschichtlicher Wirkung gelangt sein sollen, müßten sie dann vollständig geräumt haben, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen. Denn in den zahlreichen Personen- und Ortsnamen, die uns aus Armenien bis zum Ende der Assyrerzeit überliefert sind, findet sich garnichts Indogermanisches, und auch die Randgebirge Mediens sind von nicht-arischen Stämmen (Anariaken) bewohnt; deutlich sieht man, daß die arischen Meder hier von Osten her allmählich vordringen und die Herrschaft gewinnen. Andrerseits ist es, wenn auch alle positiven Daten fehlen, doch ganz unmöglich, die Anfänge der vedischen Zeit und der mit ihnen beginnenden Sonderentwicklung Indiens über 1500 v. Chr. hinabzurücken. Die Festsetzung der Inder im Siebenstromland muß mithin schon Jahrhunderte vorher erfolgt sein; und davor liegt die in ihrer kulturellen und religiösen Gestalt sehr wohl faßbare arische Epoche, die sich, so unsicher auch ihre Lokalisierung ist, doch schwerlich in die Landschaften Armeniens und die des Kaukasus wird verlegen lassen (vgl. Bd. I, 573ff.).

Dazu kommt nun, daß nicht nur die Ausbreitung der Indogermanen, sondern – abgesehn natürlich von den von Arabien ausgehenden Umwälzungen – überhaupt alle großen Völkerbewegungen, die im Verlauf der Weltgeschichte immer wieder die Gestaltung des europäisch-asiatischen Kontinents umgewandelt haben, nicht von West nach Ost, sondern umgekehrt von Zentralasien aus weithin nach Westen verlaufen sind61, von der ersten durch gleichzeitige geschichtliche Zeugnisse greifbaren, der von den Issedonen ausgehenden skythischen an. Dann folgen die indoskythischen Stämme, die Tocharer und ihre Genossen, darauf die Hunnen, die Hephtaliten, die im 6. Jahrhundert n. Chr. beginnende und sich durch Jahrhunderte hinziehende türkische Wanderung, schließlich die Mongolen. Speziell bei den iranischen Stämmen tritt uns in der Steppenlandschaft im Norden des Kaspischen und Schwarzen Meeres ständig die gleiche Bewegung entgegen, die in alter Zeit die Sigynnen, später die Jazygen bis in die ungarische Ebene, die Alanen sogar bis nach Spanien führt. Von der Ausbreitung in Iran wird durchaus das gleiche gelten; sie ist der Überschwemmung dieser Gebiete und Kleinasiens durch die türkischen Horden, Seldschuken, Turkmenen, Osmanen, Kadscharen u.s.w. völlig analog. So ist es höchst unwahrscheinlich, daß vorher einmal eine Bewegung in umgekehrter Richtung erfolgt sein sollte, die dann rückläufig noch einmal wieder bis in dieselben Gegenden geführt haben würde, die man damals geräumt hatte.

Somit spricht alles für die alte Annahme, daß die Ausbreitung der arischen Stämme sowohl nach Iran wie nach Indien von Nordosten, von Baktrien und seinen Nachbargebieten, ausgegangen ist. Einzelne Häuptlinge sind dann mit ihren Kriegerscharen (den marjanni), die teils einen indischen, teils einen iranischen Dialekt sprachen62, weit nach Westen vorgedrungen und haben sich hier in einzelnen Ortschaften festgesetzt, ganz wie etwa drei Jahrtausende später so viele türkische Häuptlinge, die einen Heerhaufen um sich sammeln. Auch das Mitanireich haben sie überrannt und hier die Herrschaft gewonnen; die arische Dynastie in Mitani steht zu den Untertanen etwa ebenso, wie seit 1779 die kadscharische Dynastie in Persien. In größeren Massen dagegen, wie in den Gebieten, die dauernd indogermanisch geworden sind, sind sie hier offenbar nirgends aufgetreten; und so hat sich ihre Nationalität und Sprache und auch ihr somatischer Typus hier nicht erhalten können, sondern ist, wie in allen ähnlichen Fällen, allmählich in den der Untertanen aufgegangen.

Mit der Festsetzung der indogermanischen Chetiter im östlichen Kleinasien steht dies Auftreten arischer Stämme weiter im Osten weder zeitlich noch räumlich in Zusammenhang; beides sind Einzelzüge aus der allgemeinen Ausbreitung der Indogermanen über die europäisch-vorderasiatische Welt. Was wir über sie erfahren und erschließen können, dient der Annahme, daß diese Ausbreitung um die Mitte des 3. Jahrtausends begonnen hat (Bd. I, 550), zur Bestätigung. Über das vielverhandelte Problem der Heimat der Indogermanen und des Ausgangspunkts dieser gewaltigen Bewegung dagegen lassen sich neue Aufschlüsse, die zu einem gesicherten Ergebnis führen könnten, auch von hier aus nicht gewinnen. In Ergänzung zu den Bd. I, 561ff. gegebenen Ausführungen möchte ich noch hinzufügen, daß der gegenwärtig weitverbreiteten und in der populären Literatur oft als wissenschaftlich erwiesen behandelten Annahme, diese Heimat liege auf germanischem Boden zu beiden Seiten der Ostsee, auch von sprachlicher Seite die schwersten Bedenken gegenüberstehn. Denn von allen indogermanischen Sprachen sind die germanischen diejenigen, welche – wenn wir von Mischsprachen wie dem Chetitischen und Tocharischen absehn – bereits in ihrer ältesten erreichbaren Gestalt von der Ursprache am weitesten abstehn. Am bedeutsamsten ist, daß die überreiche Entwicklung der Verbalformen hier auf einen ganz dürftigen Bestand zusammengeschrumpft ist: sie kennen, abgesehn vom Imperativ, nur zwei Tempora, Praesens und Praeteritum, selbst das Futurum ist verloren gegangen. Dieselbe Erscheinung finden wir im Chetitischen63, wo sie deutlich durch die Übernahme und Wandlung der Sprache durch eine stammfremde Bevölkerung entstanden ist. Die gleiche Erklärung ist auch für das Germanische das Nächstliegende: die indogermanische Sprache ist von einer Bevölkerung mit ganz anderen Denkformen übernommen, die nur diese wenigen Verbalformen kannte und daher die übrigen als unverwendbar nicht mit aufnahm. Für diese Annahme spricht ferner die Lautverschiebung, also eine andere Einstellung der Artikulation; und dem entspricht, daß, während in den übrigen indogermanischen Sprachen die Wörter nicht scharf gegeneinander abgesetzt, vielmehr bei vokalischem Anlaut miteinander gebunden werden – das hat sich in den romanischen Sprachen bis auf den heutigen Tag erhalten –, die germanischen Sprachen den Stimmeinsatz vor anlautendem Vokal ganz wie die Semiten als Konsonanten (Alef) empfinden und zweifellos auch schreiben würden, wenn sie die Schrift selbst erfunden hätten64 – daher allitterieren im Stabreim angeblich die Vokale, in Wirklichkeit eben dieser Laut. Dadurch werden in den germanischen Sprachen die Wörter im Sprechen und in der Empfindung scharf voneinander getrennt65. Das alles macht es sehr unwahrscheinlich, daß die Germanen allein von allen Stammgenossen in den ursprünglichen Wohnsitzen geblieben sein und sich nicht mit fremden Völkern gemischt haben sollten.

Somit bleibt es das Wahrscheinlichste, daß die Heimat der Indogermanen im Bereich der zentralasiatischen Gebiete zu suchen ist. Im anderen Falle wären wir zu der Annahme gezwungen, daß die zu den westlichen oder Kentumsprachen gehörenden Tocharer zunächst in umgekehrter Richtung, wie nicht nur die iranischen Nomaden, sondern auch alle anderen oben genannten Völkerscharen, vom inneren Europa aus bis ins Innere des zentralasiatischen Hochlandes gewandert und dann, nach langem Aufenthalt in diesen Gebieten, von hier aus wieder westlich ins Oxusgebiet gezogen wären; wie sehr das aller geographischen und historischen Wahrscheinlichkeit widerspricht, bedarf keiner Ausführung.

Wie dem aber auch sei, keinem Zweifel mehr kann unterliegen, daß die gewaltige Bewegung und Umwälzung, die etwa seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die vorderasiatische Welt ergriffen hat, durch das Vordringen der Arier herbeigeführt worden ist. Auch der Einbruch der Kossaeer in Babylonien steht offenbar damit in Zusammenhang. Die Kossaeer kommen aus den Bergketten Irans, wo wir sie noch in der Zeit Alexanders und später in dem Gebirge oberhalb Susa's antreffen. Zuerst erwähnt werden sie im Jahre 1896, wo Samsuiluna mit ihren Scharen zu kämpfen hat; in der Folgezeit begegnen sie uns mehrfach als Arbeiter und Feldpächter (Bd. I, 452. 457), bis sie sich dann im Jahre 1750 der Herrschaft über Babel bemächtigten. Daß unter ihren Göttern auch der Sonnengott mit dem arischen Namen Šurias d.i. sûrja erscheint und vielleicht auch sonst manche arische Wörter bei ihnen vorkommen, ist Bd. I, 456 schon erwähnt; noch zuversichtlicher als damals wird man jetzt daraus folgern dürfen, daß der Anstoß zu ihrem Vordringen von den Ariern ausgegangen ist66.

Auch die Aufrichtung der Herrschaft der Charrier in Mesopotamien und Syrien wird durch die Vorstöße der Arier veranlaßt worden sein; ja es ist sehr wohl möglich, daß die arische Dynastie hier nicht erst später zur Herrschaft gelangt ist – etwa in der Weise, wie z.B. die Türken in den islamischen Reichen, die Libyer in Ägypten, und in Babylonien vielleicht schon die Amoriter (Bd. I, 417. 436) aus Söldnerführern zu Herren geworden sind –, sondern das Reich Mitani überhaupt geschaffen hat. Auch der Zug des Chetiters Mursilis gegen Babel mag dadurch veranlaßt oder ihm wenigstens der Weg dorthin geöffnet sein.

Die Zeit der Hyksosherrschaft

Um die Wende vom 18. zum 17. Jahrhundert ist das wilde Kriegervolk, dessen Herrscher Manetho mit dem Namen Hyksos bezeichnet, in Ägypten eingebrochen (Bd. I, 305). Damit greift diese Bewegung aus Vorderasien ins Niltal hinüber. Daß in ihrem Gefolge zahlreiche Semiten nach Ägypten gekommen sind, ist sicher und durchaus begreiflich; aber das herrschende Volkstum ist ein anderes; so wenig es bis jetzt möglich ist, die wenigen echten Hyksosnamen, die uns erhalten sind (Salatis, Bnon, Chian-Jannas u.a.), sprachlich zu deuten, so wird doch kaum mehr bezweifelt werden können, daß wir in ihnen dieselben Volkselemente suchen müssen, die wir in Syrien und Palaestina als Charrier und als Arier kennen gelernt haben67