Geschichte des Altertums, Band 4 - Eduard Meyer - E-Book

Geschichte des Altertums, Band 4 E-Book

Eduard Meyer

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Beschreibung

Dies ist Band 4 von 5, "Das Perserreich und die Griechen bis zum Vorabend des peloponnesischen Krieges" und "Der Ausgang der Griechischen Geschichte." Meyer war einer der letzten Historiker, der allein versuchte, eine Universalgeschichte des Altertums zu schreiben. Er versucht die historische Entwicklung in Vorderasien, Ägypten und Griechenland bis um 366 v. Chr. in einen Gesamtrahmen zu stellen und befreit damit die griechische Geschichte von der bislang üblichen isolierten Betrachtung. "Die Geschichte des Altertums" gilt bis heute als eines der bedeutendsten Werke der Altertumswissenschaft, wenngleich das Werk freilich durch den modernen Forschungsstand in Teilen überholt ist. Meyer war ein Vertreter der Zyklentheorie, die er aufgrund von Analogien in den äußeren Formen über den Fortschritt der Menschheit setzte (weshalb er auch 1925 in einem Buch entsprechenden Titels Oswald Spenglers Untergang des Abendlandes guthieß). Über die Atlantis-Geschichte von Platon urteilte er: Atlantis sei eine reine Fiktion ohne zugrunde liegende geschichtliche oder naturwissenschaftliche Kenntnisse. (aus wikipedia.de)

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Die Stellung der Perser

Das Weltreich der Achämeniden war zugleich ein nationaler Staat. Auch wenn sie fern von der Heimat residierten und alle Völker Asiens ins Feld führten, haben die Großkönige doch nie vergessen können, wo die Wurzeln ihrer Kraft lagen. "Die Lanze des persischen Mannes ist weithin gedrungen", rühmt Darius in seiner Grabschrift; "der persische Mann hat fern von Persien Schlachten geschlagen", "er zittert vor keinem Feinde". In den Palastinschriften von Persepolis betet Darius für sein Land und sein Volk, voll Stolz rühmt er sich seiner Abstammung aus dem persischen Königsgeschlecht. – Erst durch Kyros sind alle persischen Stämme geeinigt worden; dadurch wird es sich erklären, daß Kyros vor der Besiegung des Astyages König von Anšan, nachher König von Persien genannt wird (Bd. III2 S. 182, 2. Den Kern, das eigentliche Persis, bildeten nach wie vor die Stämme, mit denen Kyros den Krieg gegen Astyages geführt hatte. In späterer Zeit und wahrscheinlich von Anfang an standen sie unter einem Statthalter, der an Stelle des abwesenden Königs die Verwaltung leitet. Aber Abgaben zahlten sie nicht; die Kosten der Reichsverwaltung und des Hofhalts wurden aus den Tributen der Untertanen bestritten. Die östlichen Stämme dagegen, die Sagartier, Karmanier, Utier, bilden einen besonderen Steuerbezirk, die Provinz Karmanien (s.o. S. 17, 1)24. Damit wird es zusammenhängen, daß hier bei den Utiern (Jautija) die Empörung des Vahjazdâta, des zweiten falschen Smerdis, ihren Hauptsitz hatte.

So unumschränkt der König über das Weltreich gebietet, seinen Persern gegenüber ist er durch Recht und Herkommen gebunden. Alle wichtigen Angelegenheiten berät er mit den Häuptern des Volks und den Heerführern gemeinsam; daraus ist die königliche Ratssitzung (s.u. S. 39) hervorgegangen. Unter den großen Familien stehen die Häuser der sechs Männer obenan, die mit Darius zusammen den Magier ermordet und die Herrschaft der Achämeniden wiederhergestellt haben. Ihnen hat Darius die höchsten Ehren gewährt; am Schlusse der Bisutuninschrift legt er ihr Wohlergehen seinen Nachfolgern ans Herz. Sie haben unangemeldet Zutritt zum König, nur aus ihren Häusern und aus dem Herrschergeschlecht soll der König seine Gemahlin nehmen (Herod. III 84); sie und ihre Nachkommen erhalten die wichtigsten und einträglichsten Statthalterschaften des Reichs. Sie alle sind mit reichen Landschenkungen in den Provinzen ausgestattet worden, so nachweisbar das Haus des Otanes, das auch sonst noch besondere Privilegien besaß (s.u. S. 56), in Kappadokien, das des Hydarnes in Armenien. Offenbar haben diese Magnaten in dem König mehr ihresgleichen als ihren Herrscher gesehen; die Sage erzählt, wie einer von ihnen, Intaphrenes (Vindafrâna), durch Anmaßung und jähzorniges Aufbrausen gegen Darius sich und seinem Hause den Untergang bereitet habe (vgl. u. S. 41, 1)31. – Die Rechtsprechung liegt in den Händen königlicher Richter, der "Rechtsträger" (dâtabara, das wäre griechisch tesmoporos), die vom König auf Lebenszeit ernannt werden und nur wegen Verbrechen oder Bestechung abgesetzt werden dürfen. Nicht selten vererbt sich ihr Amt auf ihre Söhne. Sie wachen über die Beobachtung der ererbten Satzungen und geben dem König in schwierigen Fällen Rechtsbelehrung32. Freilich steht daneben der Satz, daß der König tun darf, was er will; aber der echte König wird jede Willkür meiden und die Gebote Ahuramazdas und das Recht seines Volkes nie verletzen. Es sind Verhältnisse, wie sie sich später im makedonischen Reich und sonst überall entwickelt haben, wo ein Volkskönigtum zu einer größeren festbegründeten Monarchie erwachsen ist33.

Dem Könige zu dienen ist die Pflicht und der Stolz des Persers. Im Kriege folgt jeder waffenfähige Mann dem Ruf zu den Waffen: die Grundbesitzer und der Adel dienen zu Roß, der gemeine Mann zu Fuß. Im Frieden wird für die Besatzung der Provinzen und den Schutz des Königs und der Hauptstädte aus Persern und Medern ein stehendes Heer ausgehoben, dessen Kern die Gardereiterei und das Fußvolk der zehntausend "Unsterblichen" bildet, deren Zahl stets voll erhalten wird. Tausend von ihnen bilden die Leibwache des Königs und lagern im Palast; als Abzeichen tragen sie goldene Äpfel auf den Lanzenschäften. Ihr Kommandant, der Chiliarch, ist einer der höchsten Beamten des Reichs34. Im Frieden lebt der persische Bauer, der sich seinen Unterhalt selbst beschaffen muß, in der Heimat auf seinen Feldern und Gärten; von den Wohlhabenden und Vornehmen dagegen verlangt der König, daß sie so oft wie möglich an seinem Hof erscheinen und stets seiner Befehle gewärtig sind. Die jungen Perser aus den besseren Häusern wachsen nicht daheim auf dem väterlichen Gut auf, sondern "an den Toren des Königs" zusammen mit den Prinzen und dem Nachwuchs der Beamten und Hofleute. Mit dem fünften oder siebten Jahr beginnt die Erziehung im Bogenschießen und Speerwerfen und im Reiten; den heranwachsenden Knaben bietet die Jagd in den Parks des Königs und den Bergen der Heimat die beste Vorübung für den Krieg. Auch in den Staatsdienst werden sie eingeführt; sie hören den Richtersprüchen zu, sie sehen, wer vom König geehrt, wer bestraft wird, und lernen so von Kindheit auf zugleich befehlen und gehorchen. Daneben werden die Gebote der Religion eingeprägt, die Vorschrift, stets das Rechte zu tun und die Wahrheit zu reden35. Mit dem zwanzigsten Jahre tritt der Perser ins Heer und in die Ämterlaufbahn ein.

Die Weltherrschaft bringt den Persern reichen Gewinn. Freigebig spendet der König aus der Beute und aus den Schätzen, die sich in seinem Palaste sammeln, Ehrenketten und Spangen, Sklaven und goldgezäumte Rosse und gewaltige Summen Edelmetalls. Auch die Verleihung eines selbständigen Truppenkommandos, wohl vor allem als Leibwache, ist ein echt persisches Geschenk, das z.B. auch an Prinzessinnen gegeben wird36. Am einträglichsten aber ist die Verschenkung von Land und Leuten in den Provinzen zu Eigenbesitz. "Kyros hat vielen seiner Freunde in allen eroberten Gebieten37 Häuser (d.h. Güter) und Untertanen geschenkt", sagt Xenophon, "und noch jetzt gehören ihren Nachkommen die damals verliehenen Besitzungen" (vgl. u. S. 56). Die Masse der Perser bleibt in der Heimat – die Tradition erzählt, daß Kyros den Vorschlag, aus dem kleinen rauhen Heimatlande in reichere Gebiete hinabzuziehen, verworfen habe, weil die Steigerung des Wohlstandes notwendig Verweichlichung und den Verlust der Herrschaft zur Folge haben müsse (Herod. IX 122) –, und auch von den mit fremdem Landbesitz Ausgestatteten berichtet Xenophon, daß sie meist die Erträge daheim am Hofe verzehrten. Aber andere blieben dauernd in der Fremde ansässig; und zahlreiche Perser wurden alljährlich teils als Besatzungsmannschaften und Offiziere, teils als Beamte und Richter in die Provinzen geschickt. So entstehen überall im Reich starke persische Kolonien38.

Die Perser waren, als sie in die Geschichte eintraten, ein gesundes Volk von männlicher Kraft und Schönheit, gehoben durch den Glauben an die reine Lehre der Offenbarung Ahuramazdas, ausgezeichnet ebensosehr durch Mut und Tapferkeit wie durch Treue gegen den König, durch Ehrgefühl und Wahrheitsliebe, und nicht am wenigsten durch den Edelmut, den sie in allen Kriegen den Besiegten gegenüber gezeigt haben, sehr im Gegensatz zu der brutalen semitischen Kriegführung. In der Heimat hat sich die alte Schlichtheit und Gradheit lange erhalten. Die Masse der Perser waren Bauern, die ihre Felder selbst bestellten39