Geschichte des Altertums, Band 3 - Eduard Meyer - E-Book

Geschichte des Altertums, Band 3 E-Book

Eduard Meyer

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Beschreibung

Dies ist Band 3 von 5, "Der Ausgang der altorientalischen Geschichte und der Aufstieg des Abendlandes bis zu den Perserkriegen." Meyer war einer der letzten Historiker, der allein versuchte, eine Universalgeschichte des Altertums zu schreiben. Er versucht die historische Entwicklung in Vorderasien, Ägypten und Griechenland bis um 366 v. Chr. in einen Gesamtrahmen zu stellen und befreit damit die griechische Geschichte von der bislang üblichen isolierten Betrachtung. "Die Geschichte des Altertums" gilt bis heute als eines der bedeutendsten Werke der Altertumswissenschaft, wenngleich das Werk freilich durch den modernen Forschungsstand in Teilen überholt ist. Meyer war ein Vertreter der Zyklentheorie, die er aufgrund von Analogien in den äußeren Formen über den Fortschritt der Menschheit setzte (weshalb er auch 1925 in einem Buch entsprechenden Titels Oswald Spenglers Untergang des Abendlandes guthieß). Über die Atlantis-Geschichte von Platon urteilte er: Atlantis sei eine reine Fiktion ohne zugrunde liegende geschichtliche oder naturwissenschaftliche Kenntnisse. (aus wikipedia.de)

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Geschichte des Altertums – Dritter Band

Eduard Meyer

Inhalt:

Eduard Meyer – Biografie und Bibliografie

Geschichte des Altertums – Dritter Band

Der Ausgang der altorientalischen Geschichte und der Aufstieg des Abendlandes bis zu den Perserkriegen

I. Das assyrische Weltreich

Tiglatpileser III. und die Begründung der Großmacht

Die letzte Zeit Israels. Der Prophet Hosea

Unterwerfung von Damaskus, Palästina, Babylonien. Das Reich Tiglatpilesers

Salmanassar V. Zerstörung des Reiches Israel

Sargons Usurpation. Kämpfe in Syrien und mit Ägypten

Assyrien und Armenien, Kleinasien und Medien. Einbruch der Kimmerier

Die Äthiopen in Ägypten. Sargon in Syrien und Babylonien

Sanherib. Eingreifen der Äthiopen. Hizqia und Jesaja

Sanheribs spätere Jahre. Zerstörung Babylons

Sanheribs Ermordung. Assarhaddon. Wiederherstellung Babylons

Kriegszüge unter Assarhaddon.

Skythen und Kimmerier

Assyrer und Äthiopen. Assurbanipal.

Eroberung Ägyptens

Das Assyrerreich unter Assurbanipal.

Staat und Kultur, Wissenschaft und Kunst

Handel und Verkehr. Das Sabäerreich

Die Seeherrschaft. Phöniker und Hellenen

II. Die Religion Zoroasters

Die Grundlehren Zoroasters

Ausbreitung und Weiterbildung der Religion

Wesen und Bedeutung des Dualismus

Der Versuch eines Monismus durch die Lehre vom Zrvan

III. Die Restaurationszeit und die Begründung des Perserreichs

Quellenkunde zum drittem Teil

Die Kimmerier in Kleinasien

Assurbanipals spätere Zeit. Kriege mit Elam

Die Skytheninvasion und das Vordringen der Iranier

Ägypten unter Psammetich und seinen Nachfolgern

Das Gesetzbuch von Juda

Der Fall Assyriens. Necho in Syrien

Das medische und das lydische Reich

Das Reich Nebukadnezars II.

Nebukadnezar und Ägypten. Der Fall Jerusalems

Nebukadnezars Nachfolger. Amasis

Die Begründung des Perserreichs durch Kyros

Kambyses

Darius

IV. Quellenkunde zur älteren griechischen Geschichte

Antike Quellen

Neuere Bearbeitungen

V. Das griechische Mittelalter

Der Einbruch der Gebirgsstämme

Der Staat des griechischen Mittelalters

Die Kultur des griechischen Mittelalters

Die Kolonisation

Wesen der griechischen Kolonisation

Anfänge der Geschichte Italiens

VI. Der Ausgang des Mittelalters. Karthager und Perser

Anfänge einer neuen Zeit

Das lydische Reich, die Tyrannis und Solon

Die letzten Zeiten der griechischen Kolonisation. Begründung der karthagischen und der etruskischen Macht

Geistige Entwicklung des sechsten Jahrhunderts. Theologie und Philosophie

Die Begründung des Perserreichs. Sparta, die Pisistratiden und Kleisthenes

Der Westen bis auf die Perserkriege

Geschichte des Altertums, Eduard Meyer

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849625184

Eduard Meyer – Biografie und Bibliografie

Deutscher Geschichtsforscher, geb. 25. Jan. 1855 in Hamburg, studierte in Bonn und Leipzig Philologie und Altertumswissenschaft, habilitierte sich, nachdem er einige Jahre in Konstantinopel gelebt hatte, 1879 für alte Geschichte in Leipzig, ward 1885 ordentlicher Professor in Breslau, 1889 in Halle und 1902 in Berlin. Er schrieb: »Geschichte des Altertums« (Bd. 1–5, Stuttg. 1884–1902); »Geschichte des alten Ägyptens« (in Onckens »Allgemeiner Geschichte in Einzeldarstellungen«, Berl. 1888); »Forschungen zur alten Geschichte« (Halle 1892–99, 2 Bde.); »Untersuchungen zur Geschichte der Gracchen« (das. 1894); »Die wirtschaftliche Entwickelung des Altertums« (Jena 1895); »Die Entstehung des Judentums« (Halle 1896), dazu Erwiderung an Jul. Wellhausen (das. 1897); »Zur Theorie und Methodik der Geschichte« (das. 1902); »Ägyptische Chronologie« (Berl. 1904).

Geschichte des Altertums – Dritter Band

Der Ausgang der altorientalischen Geschichte und der Aufstieg des Abendlandes bis zu den Perserkriegen

I. Das assyrische Weltreich

Tiglatpileser III. und die Begründung der Großmacht

Der Usurpator, der durch den Aufstand in Kalach im April 745 auf den Thron Assyriens gelangte, scheint ursprünglich den Namen Pûl geführt zu haben, mit dem er in der Liste der babylonischen Könige verzeichnet ist1. Daß er ein Usurpator war, wird dadurch bestätigt, daß er anders als alle anderen Assyrerkönige niemals seinen Vater nennt; wenn er einmal auf einem Bauziegel aus Assur Sohn des Königs Adadnirari (III.) heißt2, so mag das ein alsbald wieder aufgegebener Versuch sein, sich zu legitimieren, mit derselben Fiktion, durch die z.B. Septimius Severus sich zum Bruder des Pertinax und dann gar zum Bruder des Commodus und Sohn des Marcus Aurelius gemacht hat. Die Absichten, denen er durch Annahme des Namens Tiglatpileser Ausdruck gab, hat er sofort nach seiner Thronbesteigung zu verwirklichen begonnen. Es galt, das Reich nicht nur aus der ohnmächtigen Schwäche, in die es unter den letzten Königen hinabgesunken war, wieder herauszureißen, sondern es auf weit breiterer Grundlage einheitlich geschlossen zu organisieren und ihm so die Herrschaft über die vorderasiatische Welt dauernd zu sichern. Die bisherige Methode, die besiegten Kleinkönige, nachdem ihnen ihre Schätze abgenommen waren, unter Auferlegung eines schweren Tributs durch Eidschwüre zum Gehorsam zu verpflichten, hatte sich nicht bewährt, sondern immer wieder zu Empörungen und neuen Kämpfen geführt, sei es unter Führung der Dynasten selbst, sei es durch Aufstände der Bevölkerung, die sich im Vertrauen auf ihren Gott gegen die servilen Fürsten erhob und ihren Führer auf den Thron setzte. Diesem Zustand hat die neue Politik, die Tiglatpileser befolgt hat, grundsätzlich ein Ende gemacht: wo immer sich die Möglichkeit bietet, werden die Kleinstaaten beseitigt und in Provinzen umgewandelt. In den Nachbargebieten, in den Gebirgsländern im Osten und Norden und in Mesopotamien, sind bereits die älteren Assyrerkönige nicht selten in derselben Weise vorgegangen und haben kleinere Bezirke zum Gebiet Assurs geschlagen, die niedergebrannten Städte als Königsstädte wieder aufgebaut und befestigt und in ihnen Paläste errichtet; jetzt aber wird dieses System auf ganz Babylonien und Syrien mit Palästina sowie das östliche Kleinasien ausgedehnt. Damit verbunden scheint eine Umwandlung der Verwaltungsorganisation auch in dem alten Besitz, eine Zerlegung der größeren Statthalterschaften in kleinere Bezirke (pachât)3. Daß es dabei ohne die bei den Assyrern herkömmliche Brutalität nicht abging, ist selbstverständlich; wer sich dem König, dem Assur die Weltherrschaft übertragen hat, nicht gutwillig unterwirft, ist eben ein eidbrüchiger Rebell gegen die Götter, der die schwerste Strafe verdient4. So haben auch Tiglatpileser und seine Nachfolger die besiegten Dynasten und ihre Anhänger oft genug gepfählt oder sonst mißhandelt und den Gefangenen die Hände abhacken lassen, aber statt des maßlosen Schwelgens in Grausamkeit wie bei Assurnasirpal und Salmanassar tritt doch die politische Berechnung viel deutlicher hervor5. Der Schrecken sollte wirken und den Bestand des Reichs sichern; aber um es leistungsfähig zu erhalten und auszubauen wurde ein anderes, viel nachhaltigeres Mittel ergriffen: die Verpflanzung ganzer Bevölkerungen oder wenigstens der höheren Schichten in weit entfernte Gebiete und ihre Ersetzung durch dort angesiedelte Scharen aus anderen Stämmen – denn die Bevölkerung Assyriens reichte zu so umfassenden Kolonisationen nicht aus. Durch diese Methode, durch die Losreißung vom Heimatboden und seinen Traditionen ist die Widerstandskraft der einzelnen Volkstümer dauernd gebrochen worden; durch die Mischung der verschiedenen Volkselemente entsteht eine Bevölkerung, die dem politischen Leben völlig entfremdet ist und es nicht anders weiß, als daß sie von Fremden nach deren Interessen beherrscht wird. Darin besteht die welthistorische Bedeutung des von Tiglatpileser III. III. geschaffenen Weltreichs; seine Nachwirkung hat die Gestaltung der vorderasiatischen Welt für alle Folgezeit bestimmt.

Das Werkzeug zur Durchführung dieser Politik bot das assyrische Heer. Tiglatpileser hat die von seinen Vorgängern geschaffene Organisation weiter ausgebaut. Ein mobiles, wohlgeschultes Kriegsheer steht ihm jederzeit zur Verfügung, ausgerüstet mit allen in den früheren Kriegen gewonnenen Kriegsmitteln, unter denen die Sturmböcke für die Brechung der Festungsmauern wie bei Assurnasirpal und Salmanassar so auch jetzt in den Reliefs besonders hervortreten. Diese Armee hat sich ein Jahrhundert lang jedem Feinde überlegen erwiesen. Den Kern bildet die Garde des Königs (Kisir sarruti); dazu kommt das Aufgebot des Volkes, dessen Bestand in der Folgezeit durch die Aushebungen aus den Untertanen sowie durch ständige Einstellung von Besiegten und Gefangenen immer mehr angewachsen ist6. Nach Ergreifung und Sicherung der Herrschaft7 hat Tiglatpileser noch im Spätsommer 745 das alte Ziel seines Vorbildes, die Einverleibung Babyloniens in das Reich, in Angriff genommen. König von Babel war seit 747 Nabunâsir (Nabonassar). Er ist dadurch dauernd bekannt geworden, daß mit ihm die Königsliste beginnt, nach der die chaldäischen Astronomen Himmelsvorgänge datierten und die dann von den alexandrinischen Astronomen, mit Umrechnung der Daten auf den Kalender des ägyptischen Sonnenjahres von 365 Tagen, übernommen worden ist. In Wirklichkeit war er ein geschichtlich völlig bedeutungsloser Herrscher, der drittletzte der mit Nabumukinbal im Jahre 992 v. Chr. beginnenden Reihe von 22 Königen, die in der Königsliste zu einer Dynastie, der achten von Babel, zusammengefaßt sind (vgl. Bd., II 2, S. 388)8. Offiziell war das Königtum von Babel immer noch von dem Nimbus umstrahlt, den ihm sein Gott Marduk dadurch verlieh, daß sein Herrscher am Neujahrstage, dem 1. Nisan, die Hände der Gottesstatue im Tempel Esagila ergriff; aber politisch war es längst ohnmächtig geworden, seine Macht erstreckte sich kaum über die nächste Umgebung der Stadt hinaus. Der Hauptteil des Tieflandes war in den Händen der Chaldäer am unteren Euphrat und der zahlreichen übrigen aramäischen Stämme. Gegen diese Stämme – die Listen seiner Inschriften zählen nicht weniger als 35 mit Namen auf, wobei wohl manche erst auf Grund der späteren Feldzüge eingefügt sind – ist Tiglatpileser mit voller Energie vorgegangen: "Das ganze Aramäerland im Bereich des Tigris und des Surapu9 bis zum Uknu (Kerchâ)" wurde verheert und dann dem Reich einverleibt, große Scharen der Bewohner fortgeführt und in den älteren Provinzen angesiedelt, so in Mazamua in den östlichen Gebirgen, wo der König eine Stadt anlegte, die er nach sich Dûr-Tugultipalesar benannte, mit einem Palast und einer Stele mit seinem Bilde. Eine gleiche Stadt, Kâr-Assur, erbaute und besiedelte er in dem neu einverleibten Gebiet als Sitz der Verwaltung. Auch die Städte Dûr-Kurigalzu und Sippara, die schon unter Tugultininurta II. untertänig gewesen waren (vgl. Bd. II 2, 399), hat er wieder zu Assyrien geschlagen und hier auch einen verfallenen Kanal wiederhergestellt. Ins Chaldäergebiet am Euphrat ist er nicht gezogen – dazu war die Zeit, die ihm zur Verfügung stand, viel zu kurz10; erzählt wird nur, daß einer ihrer Stämme (Ra'sâni) ihm eine Huldigungsgesandtschaft schickte. Auch Babel hat er nicht betreten, und den Nabonassar erwähnt er nicht, wohl aber, daß die Priesterschaften der großen Tempel von Babel, Borsippa und Kuta die Begrüßung ihres Gottes überbrachten und er sie reich beschenkt zurücksandte und für den Wiederaufbau dieser Städte sorgte. Mehr als eine Demonstration, durch die er auch ihnen seinen Schutz und seine Fürsorge zusicherte, wird das nicht gewesen sein; die Zeit, wo er selbst nach der Krone Marduks greifen konnte, war noch nicht gekommen. So hat er das Reich von Babel unter Nabonassar weiterbestehen lassen; freilich war es so ohnmächtig, daß, wie die Chronik berichtet, als Borsippa sich gegen ihn empörte, Nabonassar keinen Versuch machen konnte, es wieder zu unterwerfen. In allen diesen Maßnahmen erkennt man den überlegenen Staatsmann, der die Aufgabe, das Reich aufzubauen und durch die Förderung seßhafter Kultur und städtischen Lebens seine Leistungen zu steigern, klar erfaßt und energisch durchgeführt hat. Auch in den älteren Gebieten hat er für den Wiederaufbau der verfallenen Wohnstätten gesorgt.

Nachdem so die Verhältnisse Babyloniens rasch und ohne größere Kämpfe geordnet waren, hat Tiglatpileser die weit schwierigeren in den übrigen Gebieten gestellten Aufgaben der Reihe nach in Angriff genommen. Im J. 744 wurde in den östlichen Gebirgen das Land Parsua im Quellgebiet des Diâla unterworfen, seine Stadt Nikur erobert, als assyrische Provinzstadt wieder aufgebaut und mit hierherverpflanzten Untertanen besiedelt, zahlreiche weitere Dynasten der südöstlich anschließenden Kantone besiegt und gepfählt, ihre Orte ausgeplündert und niedergebrannt, die Bewohner fortgeschleppt und hier eine weitere Provinz Bit-Chamban (Kambedene) geschaffen11. Der Statthalter einer dieser Provinzen hat dann den Krieg gegen die Meder wieder aufgenommen, und im Jahre 737 ist Tiglatpileser selbst nochmals in die östlichen Gebirge gezogen, hat die einzelnen Bezirke in herkömmlicher Weise verheert, mehrere Städte neu aufgebaut und rühmt, die Abgaben aller medischen Häuptlinge "bis zum Berge Bikni (dem Elburs)" empfangen und aus diesen Gebieten im ganzen 65000 Einwohner mit ihrem Vieh fortgeführt zu haben.

Zunächst aber wandte er sich im J. 743 gegen den gefährlichsten Gegner Assyriens, das armenische Reich von Urartu. Wir haben gesehen, wie sich dessen Macht unter Sardur II. immer kräftiger entwickelt hatte und die bisher von Assyrien abhängigen Fürstentümer am Euphrat und Amanos: Kummuch, Melitene, Gurgum, Mati'el bar Agusi (vgl. Bd. II 2, 424) und andere12, jetzt seine Vasallen geworden waren. Gegen diese Gebiete hat Tiglatpileser seinen Angriff gerichtet. Hier in Kummuch trat ihm Sardur, verstärkt durch die Truppen seiner Vasallen, auf dem Westufer des Euphrat entgegen. Aber er wurde entscheidend geschlagen13; auch sein Lager mit allen Schätzen seines Königszelts wurde die Beute des Siegers. Sardur selbst flüchtete über die Euphratbrücke nach Armenien. Tiglatpileser verfolgte ihn und schloß ihn in seiner Hauptstadt Tuspâ (Wan) ein. Indessen die starke Festung zu bezwingen ist ihm nicht gelungen; er mußte sich begnügen, vor ihr sein Bild als Siegesdenkmal aufzustellen. So hat er auf ein weiteres Vordringen in Armenien verzichtet und sich vielmehr der Wiederunterwerfung Syriens zugewandt14. Hier aber fand er in der Stadt Arpad (nördlich von Aleppo), gegen die bereits Assurdân III. in seinem letzten Jahr 754 gekämpft hatte, hartnäckigen Widerstand; aus der Eponymenchronik erfahren wir, daß er in den Jahren 743-740 dorthin gezogen ist und daß sie im dritten Jahr, 741, genommen wurde15. Weitere Nachrichten fehlen völlig; die Annalen sind hier verloren, und auch die anderen Inschriften erwähnen Arpad nicht, vermutlich weil davon nicht viel Rühmliches zu erzählen war. Nach der Einnahme der Stadt, die jetzt Sitz eines Statthalters wurde, empfing der König den Tribut mehrerer Dynasten; aber Tutammû von 'Amq (dem früheren Chattin) und der Usurpator Azrijâu von Ja'udi (vgl. Bd. II 2, 433) fügten sich nicht und fanden weithin Sympathien; mit Azrijâu traten zahlreiche Bezirke von Hamât und an der Meeresküste in Verbindung. Beide wurden im J. 740 besiegt, der 'Amq zur Provinz gemacht, in Ja'udi (Sam'al) Panammu II., der gerettete Sohn des von Azrijâu erschlagenen Barsur, als König eingesetzt. In den nächsten Jahren hat er dann die 19 von Hamât abgefallenen Bezirke, darunter die ganze Meeresküste von Kullani und Gebala (jetzt Djeble, assyr. Gubl wie Byblos) bis nach 'Arqa und Simyra im Eleutherosgebiet und zum Berge Ba'alsapôn und im Binnenlande Chazrik als Provinzen organisiert und die Oberhoheit Assyriens wieder über den ganzen Westen ausgedehnt. Im J. 73816 haben ihm nicht nur sämtliche noch bestehenden Dynasten Syriens von Melitene und Kummuch bis nach Hamât Tribut gezahlt, sondern ebenso die von Que, die der Kaškäer und Tabaläer (Tibarener) und anderer Bezirke Kleinasiens17, sondern auch Chiram II. von Tyros, Šibittiba'al von Byblos, Resôn von Damaskus und Menachem von Samaria, sowie eine Araberfürstin Zabibê – in der älteren Zeit scheinen in der Regel Fürstinnen an der Spitze arabischer Stämme gestanden zu haben, von der Königin von Saba an.

Schon vorher, im J. 739, war Tiglatpileser wieder nach Armenien gezogen und hatte hier die Gebiete am Fuß der Tauruskette ("bis zum Berge Nal") nördlich vom oberen Tipidas, Provinz Ulluba, organisiert, mit einer neugegründeten Hauptstadt18. Gleichzeitig hatten seine Statthalter im Bereich des Zab und im östlichen Babylonien Krieg geführt, vor allem gegen die aramäischen Stämme. Daran schloß eine ganz umfassende Umsiedlung der Bevölkerung. Aus den aufständischen Bezirken von Hamât wurden 30300 Einwohner in die Provinz Tušchan19 am oberen Tigris, 1223 nach Ulluba übergeführt, und nicht besser erging es den Bewohnern des 'Amq und seiner Hauptstadt Kinalia. An ihre Stelle wurden aus den Aramäerstämmen der babylonischen Grenzgebiete und den östlichen Gebirgen etwa gleichstarke Scharen20 ins Chattiland (Syrien), vor allem nach dem 'Amq und nach den Städten der Eleutherosebene versetzt. So wird der Charakter der Bevölkerung von Grund aus umgegossen. Wenn Amos 6, 2 den Israeliten das Schicksal von Kullani21 und vom großen Hamât vorhält, das sie ebenso treffen werde, so tritt darin der gewaltige Eindruck, den dieses Vorgehen gemacht hat, deutlich zutage.

In den Jahren 737-735 ist Tiglatpileser noch einmal gegen die Meder (s.o. S. 9) und dann an den Fuß des Gebirges Nal (des Taurus) und gegen Urartu gezogen. Er rühmt, daß er das weite Urartu 60 Doppelstunden weit durchzogen habe, ohne Widerstand zu finden. Indessen mehr als eine Einschüchterung der Feinde hat er damit schwerlich beabsichtigt, neue Provinzen hat er nicht wieder eingerichtet, und so konnten das Reich von Wan und seine Dynastie sich weiter behaupten. Im J. 734 hat Tiglatpileser sich vielmehr aufs neue nach Syrien gewandt, um hier sein Werk zum Abschluß zu bringen.

Die letzte Zeit Israels. Der Prophet Hosea

Dieses erneute Eingreifen des Assyrerkönigs hat das Schicksal sowohl von Damaskus wie von Israel entschieden. Das Reich von Samaria war nach dem Sturz der Dynastie Jehus nicht wieder zu auch nur einigermaßen gefesteten Zuständen gelangt. Der Mörder Zakarjas, Šallûm, wurde allerdings alsbald durch Menachem beseitigt, der wohl, wie seinerzeit 'Omri, als Rächer des legitimen Königs aufgetreten sein wird; aber auch diesmal führte das zu einem Bürgerkrieg, der mit der üblichen Brutalität geführt wurde: Menachem hat die Stadt Tappuach, die sich ihm nicht fügen wollte, ausgemordet und den Schwangeren den Leib aufgeschlitzt. Als dann Tiglatpileser eingriff, hat er ihm im J. 738 eine Kontribution von 1000 Talenten Silber gezahlt, die er dadurch aufbrachte, daß er von jedem Grundbesitzer eine Abgabe von 50 Šeqeln erhob – daraus ergibt sich, daß es damals 60000 solcher Wehrmänner gab, was auf eine Gesamtbevölkerung Israels von rund 300000 Seelen führt; das entspricht den damaligen Verhältnissen und auch der Schätzung der Wehrkraft Israels auf 40000 Mann vier Jahrhunderte früher im Deboraliede durchaus. Menachem hoffte, durch den Schutz des Großkönigs seine Stellung zu festigen; aber genützt hat es ihm wenig, sondern eher sein Ansehen noch weiter erschüttert. So wurde, als er bald darauf starb, sein Sohn Peqachja nach kurzer Regierung von seinem Wagenlenker Peqach ben Remalja mit Hilfe einer Schar aus Gil'ad erschlagen22.

Die Masse der Bevölkerung mochte diese wirre, nach Außen wie im Innern gleich hoffnungslose Lage als unvermeidlich gegeben hinnehmen im Vertrauen, daß Jahwe, dessen Kult in den herkömmlichen Formen nur um so eifriger betrieben wurde, doch noch rettend einschreiten werde, und war im übrigen, wie jedes Volk in solcher Lage – wir erlebten nach dem Weltkriege in Deutschland genau das gleiche – bestrebt, wenigstens den Moment scheinbarer Ruhe, der ihm vergönnt war, in wüstem Genußleben nach Kräften auszukosten. Ganz dieselben Zustände haben wir in Ja'udi (Sam'al) kennengelernt, und in den übrigen Kleinstaaten Syriens hat es, wie gelegentliche Äußerungen der israelitischen Propheten bestätigen, offenbar nicht anders ausgesehen, die Krisis war hereingebrochen, die allem selbständigen, durch den Lokalkult religiös geformten staatlichen Leben den Untergang brachte. In Israel aber kommt hinzu23, daß hier aus der trüben politischen und sozialen Lage eine Anschauung erwachsen ist, die, konsequent weiterschreitend, den gesamten herkömmlichen Betrieb des Kultus und die überkommenen Rechtsanschauungen als Verkennung des wahren Wesens der Gottheit verwirft und von Grund aus reformieren will. Die Zerstörung der Ba'altempel von Samaria und Jerusalem haben diese Bestrebungen in blutigem Kampf erreicht, wenn auch mit Verwendung sehr bedenklicher und nichts weniger als idealer Mittel; aber die Umgestaltung des Jahwekultes und die Beseitigung des Gottesbildes in Kälbergestalt haben sie nicht durchsetzen können; und die rechtlichen und sittlichen Gebote, welche das lewitische Gesetzbuch als Forderungen Jahwes formuliert (vgl. Bd. II 2, 316), mochten wohl in manchen Fällen als Norm befolgt werden, hätten sich aber in der Praxis des Alltaglebens auch dann nicht voll durchführen lassen, wenn die Stimmung der maßgebenden Kreise dem mehr entgegengekommen wäre, als es der Fall war. Das ethische Ideal, das sie verwirklichen wollen, duldet keinen Kompromiß und fordert eine innere Umwandlung der Gesinnung, die sich immer nur in einzelnen Persönlichkeiten, aber niemals in der breiten Masse eines Volkes vollziehen kann. So blieb für den, dem das Hereinbrechen der Katastrophe klar vor Augen stand und der doch an dem Glauben an das Walten der Gottheit festhielt, nur die furchtbare Konsequenz übrig, daß die Gottheit selbst ihr Volk, da es sich trotz aller Gebote und Mahnungen als unverbesserlich erwiesen hat, dem Untergang preisgibt und es aus dem Lande vertreiben wird, das sie ihm zum Wohnsitz geschenkt hat. Es ist von grundlegender Bedeutung, daß Amos diese Erkenntnis in Wort und Schrift verkündet hat, noch ehe Tiglatpileser die entscheidenden Schritte zu ihrer Verwirklichung tat. Eben dadurch kann er den Glauben an Jahwe und seine Allmacht retten und steigern: er erweist sich als der "Herr der Heerscharen", als der Leiter des Völkerschicksals – denn auch allen Nachbarvölkern verkündet Amos das gleiche Verderben –, indem er sein eigenes Volk jetzt zur Strafe für seinen Ungehorsam durch die Feinde vernichten läßt.

Etwa gleichzeitig mit Amos' Auftreten in Bet-el ist auch ein Ephraimit, Hosea ben Be'eri, von denselben Gedanken erfaßt und zum Auftreten als Prophet getrieben worden. Seinem ältesten Sohne gibt er nach Prophetenart, die bei Jesaja wiederkehrt, den Namen Jezre'el, um anzudeuten, daß Jahwe das Verbrechen Jehus an seinen Nachkommen rächen und hier "den Bogen Israels zerbrechen", seinem Königtum ein Ende machen wird24. Die dann folgende Tochter nennt er "Kein Erbarmen", einen zweiten Sohn "Nicht mein Volk"; denn Jahwe hat sein Volk verworfen und wird sich seiner nicht mehr annehmen. Über die äußeren Anlässe und die Form seines Auftretens erfahren wir gar nichts; als er seine Einzelsprüche zu einem Buch zusammenstellte, hat er alle Angaben darüber weggelassen; er beschränkt sich darauf, die Worte aneinanderzureihen, die Jahwe durch seinen Mund dem Volke verkündet hat. Sie lassen aber erkennen, daß er Jahrzehnte hindurch die politischen Vorgänge mit Prophetenworten öffentlich besprochen hat. Die wiederholten Usurpationen, die Königsmacherei, die Verhandlungen mit den Assyrern, die daneben auftauchende Hoffnung auf ägyptische Hilfe, das Vertrauen auf Festungen, Heer und Streitwagen, das alles sind für ihn nur immer erneute Beweise der hoffnungslosen Verderbtheit des Volkes, das von menschlichen Mitteln Hilfe hofft statt allein von Gott – wie es sich dann freilich im konkreten Falle behelfen soll, vermag er ebensowenig zu sagen wie zu allen Zeiten die idealistischen Kritiker, die über die Negation niemals hinauskommen können. So ist begreiflich genug, daß er dem Volk als ein "verrückter Narr" (9, 7) erschien.

Wie in der Gesamtauffassung zeigt sich die Einwirkung des Amos auf Hosea auch darin, daß er seine Worte am Schluß seiner Laufbahn – wohl erst unter dem letzten, ihm gleichnamigen König Israels, nach 730 – in einer Schrift zusammenfaßt, und daß auch er ein größeres einheitlich konzipiertes Stück voranstellt und dann in lockerem Gefüge die Einzelsprüche Jahwes folgen läßt. Aber er ist eine ganz andere Natur als Amos; die erschütternde Wucht der sittlichen Vorwürfe, die dieser dem Volk ins Gesicht schleudert, steht ihm nicht zu Gebote, und niemals kann er eine Wirkung geübt haben, die dem Auftreten des Amos in Bet-el vergleichbar wäre. Er ist ein einsamer Grübler, kein Volksredner, sein Gesichtskreis weit enger als der seines Vorgängers; während dieser immer das Schicksal der gesamten Umwelt vor Augen hat, in deren Mitte Israel steht, erwähnt Hosea die Nachbarvölker nie. Juda hat er ein paarmal mitgenannt, da es der Tradition nach zu Israel gehört25; aber im Grunde denkt er nur an seinen Heimatstamm Ephraim, dessen Namen er durchweg mit Vorliebe als Synonym von Israel verwendet. Sein ganzes Sinnen ist darauf gerichtet, das Verhängnis, das über Ephraim schwebt, religiös zu begreifen. Den Grund des Verderbens erblickt er in dem Fehlen jeder Gotteserkenntnis, in dem völligen Verkennen des Wesens und der Gebote Jahwes, das die gesamte Religion des Volkes beherrscht. Der innere Gegensatz zwischen dem majestätischen, keinen Kompromiß duldenden Gotte vom Sinai, der den Nomadenstamm der Wüste nach Palästina geführt hatte, und dem Gotte des Kulturlandes, den das seßhaft gewordene Bauernvolk überall an seinen Wohnsitzen verehrte, ein Gegensatz, der latent bereits der Gestaltung der Vätersagen, der Formulierung der rechtlichen und kultischen Gebote in den lewitischen Gesetzen zugrunde liegt und in der Lebensführung der Rekabiten offen ausgesprochen ist, wird von Hosea in seiner vollen Schärfe erkannt und bildet den Inhalt aller seiner Predigten. Der Kult, den das Volk in all seinen Heiligtümern, in Bet-el, Samaria, Gilgal, Mispa, auf dem Tabor so eifrig betreibt26, hat mit Jahwe nichts zu tun, sondern ist Dienst der lokalen Mächte, der Ba'alîm; diese sind es, die man in Gestalt von Kälbern verehrt und küßt, von deren Holzpfählen und Stäben27 man Orakel holt, denen man die Feste, die Neumonde und Sabbate feiert, die man auf den Höhen und unter schattigen Bäumen aufsucht, um sich hier dem unzüchtigen Kult, der Prostitution beider Geschlechter, hinzugeben, die ihr Dienst fordert. Aus diesem Mangel an Gotteserkenntnis erwächst die tiefe Unsittlichkeit, in der alle Schichten des Volkes leben; und am ärgsten treiben es gerade diejenigen, die doch berufen wären, die richtige Gotteserkenntnis zu verbreiten, die Priester, "Pfaffen" – er verwendet dafür das aramäische Wort kemarîm –, die prassen und Unzucht treiben und die Tora ihres Gottes vergessen haben.

Auch für Hosea ist das innere Verhältnis zur Gottheit das, worauf es allein ankommt, auch er will von der Wertschätzung der Opfer und den äußeren Kultformen nichts wissen; ganz wie Amos läßt er Jahwe sagen: "An frommer Betätigung (chesed) habe ich Wohlgefallen, nicht an Schlachtopfern, an Gotteserkenntnis statt an Brandopfern." Aber während für Amos alles ankommt auf das sittliche Verhalten und er von hier aus den populären Kultus verwirft, faßt Hosea den Gegensatz theologisch als einen Kampf zwischen dem wahren Gott und den Truggestalten, unter denen das Volk ihn zu verehren glaubt, aber in Wirklichkeit zu den Ba'alen abgefallen ist. Am tiefsten empört ihn die in den Tempeln Jahwes ganz allgemein betriebene sakrale Prostitution. So betrachtet er den Abfall als Ehebruch an Jahwe. In der Eingangserzählung seiner Schrift schildert er ihn als eigenes Erlebnis in seiner Ehe. Auf Befehl Jahwes, erzählt er, habe er eine Dirne geheiratet; die drei Kinder, die sie zur Welt bringt, sind Bastarde, und dem entsprechen die Namen, die Jahwe ihnen gibt. Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, daß dem eine tatsächliche Erfahrung zugrunde liegt, die ihn veranlaßt, sein Weib unter ihrem wirklichen Namen Gomer bat Diblaim vor der Öffentlichkeit preiszugeben; aber die Versuche, daraus einen sentimentalen Roman herauszuspinnen und Hoseas Auffassung des Verhältnisses zwischen Jahwe und dem abtrünnigen Volk psychologisch zu erklären, tragen ein modernes Empfinden hinein, das der Denkweise der alten Zeit und vollends der eines israelitischen Propheten ganz fremd ist. Gestaltet ist die Erzählung jedenfalls durchweg allegorisch, wie schon daraus hervorgeht, daß überall die Deutung auf Jahwe und Israel hinzugefügt ist und daß sie sich fortsetzt in der Aufforderung an die Israeliten, ihre buhlerische Mutter zu schmähen – "denn sie ist nicht mein Weib und ich nicht ihr Mann" –, und der Ankündigung Jahwes, daß er sie in die Wüste verstoßen wird; und dann soll Hosea nochmals eine Dirne kaufen, aber einsperren, bis die Zeit kommt, wo die Israeliten wieder umkehren zu Jahwe. Ganz deutlich sieht man den Grübler, der sich das religiöse Problem durch das Bild des Ehebruchs mit den Ba'alen gegen Jahwe klarzumachen sucht und als ein persönliches Erlebnis ausmalt. Die gesamte Geschichte Israels, wie sie die religiöse Geschichtsliteratur gestaltet hat, zeigt seinen sittlichen Tiefstand; so gleich der Ahnherr Jakob, der Betrüger vom Mutterleibe an, der als Mann mit Gott gekämpft hat und nach der Offenbarung in Bet-el nach Aram geflohen ist und um ein Weib gedient hat. Jahwe hat dem Volk im Jünglingsalter alle seine Liebe geschenkt, es aus Ägypten geholt und durch einen Propheten aus der Wüste geführt; aber sogleich fallen sie ab zum Ba'al Pe'ôr, und fortan buhlen sie trotz aller Mahnungen immer wieder mit den Ba'alîm. Auch die Aufrichtung des Königtums unter Saul war ein Abfall von Jahwe, und vollends die Usurpatoren, die man jetzt auf den Thron gesetzt hat, sind Rebellen gegen Jahwe, wie sie denn auch nicht auf ihn, sondern auf Assyrien oder Ägypten und auf ihre Kriegsmacht ihr Vertrauen setzen.

So ist Jahwe entschlossen, dem Reich ein Ende zu machen; das widerspenstige Volk muß heraus aus dem Lande, das er ihm geschenkt hat. Für Amos, der die Entwicklung von hoher Warte, man darf sagen weltgeschichtlich überschaut, ist das das Ende. Für Hosea dagegen ist es ein unmöglicher Gedanke; denn Jahwe ist ja einmal mit Israel untrennbar verwachsen, ohne sein Volk ist er gar nicht vorstellbar. So wird Jahwe die Trümmer des Volkes wieder nach Ägypten bringen und den das erstemal gescheiterten Erziehungsversuch von neuem beginnen. Durch die lange Leidenszeit wird das Volk zur Einsicht gelangen, und so kann denn Jahwe das verstoßene Weib wieder zu sich nehmen und es nochmals in seine Wohnsitze zurückführen.

Die praktische Politik hat Hosea nicht beeinflussen können; nur kleine Kreise, zu denen aber auch sein wenig jüngerer Zeitgenosse Jesaja in Jerusalem gehörte (s.u. S. 50ff.), werden seine Offenbarungen als Gottesworte angenommen haben, bei den Massen und auch am Hofe blieb das Vertrauen durchaus herrschend, daß Jahwe sein Volk schließlich nicht im Stich lassen werde und könne. Um so größer war die Wirkung, als sich binnen weniger Jahre die Verkündung erfüllte. Sie machte es möglich, trotz der Katastrophe, ja gerade um ihretwillen, den Glauben an Jahwe zu erhalten und zu steigern, und gewährte zugleich die Zuversicht, daß auch der zweite Teil der Verkündung sich erfüllen werde und dem Volk noch eine herrliche Zukunft beschieden sei. Das eigentliche Israel freilich war zugrunde gegangen; aber das noch selbständig gebliebene Nebenland Juda hat, außer sonstigen Bruchstücken der israelitischen Literatur, auch das Buch Hoseas28 übernommen und seine Anschauungen weitergebildet. Als dann, über ein Jahrhundert später, auch über Juda die gleiche Katastrophe hereinbrach, hat es das Schema geboten, nach dem die gesamte geschichtliche Überlieferung systematisch überarbeitet und dargestellt wurde; und so haben die von dem israelitischen Propheten ausgesprochenen Anschauungen in der gesamten christlichen Welt nun schon zwei Jahrtausende hindurch eine weltgeschichtliche Nachwirkung ohnegleichen ausüben können.

Unterwerfung von Damaskus, Palästina, Babylonien. Das Reich Tiglatpilesers

Kaum hatte Tiglatpileser sich 737 von Syrien abgewandt, so begannen die Kämpfe zwischen den Kleinstaaten aufs neue. Die alten Gegner Damaskus, unter Resôn29, und Samaria, unter dem Usurpator Peqach ben Remalja, verbündeten sich zum Angriff gegen Juda, wohl in der Absicht, dadurch ihre Stellung gegen Assyrien zu verstärken. Beide Heere umlagerten Jerusalem; auch die Hafenstadt Ailat am Roten Meer hat Resôn den Judäern entrissen und an die Edomiter zurückgegeben. Es ist begreiflich, daß die Verkündung des Propheten Jesaja, die Gefahr werde vorübergehen, auf den König Achaz30, der eben erst seinem Vater Jotam gefolgt war, nicht viel Eindruck machte und daß er das Anerbieten, sie durch Erbittung eines Vorzeichens zu bekräftigen, als Versuchung Jahwes ablehnte; dagegen mag hierher gehören, daß er seinen Sohn dem Jahwe als Opfer dargebracht hat, wie früher Meša' von Moab31. Bessere Hilfe gewährte, daß er sich an den Assyrerkönig wandte und ihm aus den Schätzen des Tempels und Palastes einen reichen Tribut sandte. Tiglatpileser ist im J. 734 aufs neue nach Syrien gezogen, und zwar nach der Angabe der Eponymenchronik32 zunächst nach Philistäa, um von der Küste aus das Binnenland zu unterwerfen. Die beiden Könige mußten von Jerusalem abziehen. Tiglatpileser hat zunächst das gesamte Küstengebiet einschließlich der Grenzdistrikte Israels, das er in alter Weise "Haus 'Omri" nennt, unterworfen. Dann zog er gegen Damaskus, dessen früher so oft gescheiterte Einnahme ihm im J. 732 gelang. Resôn wurde hingerichtet, die Elite der Bevölkerung in die Ferne fortgeschleppt33, das Reich zur Provinz gemacht. Samaria ist dem gleichen Schicksal dadurch entgangen, daß Peqach durch Hosea ben Ela ermordet und dieser durch Tiglatpileser als tributpflichtiger Vasall anerkannt wurde; aber das Ostjordanland (Gil'ad) und der ganze Norden, die Ortschaften im Quellgebiet des Jordan, Naphtali, Galiläa, die Qišonebene mit Megiddo, wurden vom Reich abgeschnitten und assyrische Provinz, die Bevölkerung auch hier fortgeführt34.

Durch diese in drei Jahren (734-732) streng methodisch durchgeführten Feldzüge wurde auch der ganze Süden des Kulturlandes Syrien bis an und in die Wüste hinein der assyrischen Herrschaft unterstellt. Alle noch bestehenden Dynasten mußten dem Großkönig huldigen und sich zu regelmäßiger Tributzahlung verpflichten; erhalten sind die Namen Šanipu von Ammon, Šalamanu (Salomon) von Moab, Kausmalak von Edom; Achaz von Juda kam selbst zur Huldigung nach Damaskus, und die übrigen Fürsten werden das gleiche getan haben. Hanno von Gaza, der Widerstand versuchte, mußte nach Ägypten fliehen, seine Stadt wurde ausgeplündert und tributär35; Mitinti von Askalon verfiel nach der Niederlage Resôns in Verzweiflung, sein Sohn unterwarf sich; Mitinna von Tyros kaufte sich, als ein assyrischer General gegen ihn zog, durch Zahlung von 150 Goldtalenten los. In Nordsyrien und Kilikien war die Oberherrschaft schon seit 738 fest begründet; als Uaššurmi von Tabal Selbständigkeitsgelüste zeigte und der Ladung des Königs nicht Folge leistete, genügte das Erscheinen des Generals, um ihn durch einen andern, "einen Sohn Niemands", zu ersetzen und die Strafsummen (10 Talente Goldes, 100 Silbers, 200 Pferde u.a.) einzuziehen. Gegen die arabischen Stämme ist Tiglatpileser nach dem Falle von Damaskus selbst gezogen, die Königin Šamšie wurde besiegt, zahlreiche Stämme, bis zu den Sabäern hin, huldigten durch ihre Häuptlinge und lieferten Kamele, Gewürz und Edelmetall, um in ihren Handelsbeziehungen zu den syrischen Landen nicht gestört zu werden; dem Stamm Idiba'il36 wurde die Grenzwacht gegen Ägypten im Wüstengebiet südlich von Palästina übertragen.

Nach dem Abschluß der Unterwerfung Syriens wandte sich Tiglatpileser der letzten ihm gebliebenen Aufgabe zu, der Einverleibung Babyloniens in sein Großreich. Hier war König Nabonassar im J. 734 gestorben; sein Sohn Nabunâdinzêr wurde nach zwei Jahren 732 von einem Beamten Nabušumukin beseitigt, dieser kurz darauf von dem chaldäischen Dynasten Ukinzêr von Bet-Amukani, der für die drei Jahre 731-729 offiziell als König von Babel gerechnet wird37. Indessen Tiglatpileser, der jetzt nach der Unterwerfung Palästinas die Hände frei hatte, hat sich sofort gegen ihn gewandt. Auch hier ist er ganz methodisch vorgegangen: der Reihe nach griff er, offenbar von dem schon 745 seinem Reich einverleibten Tigrisgebiet aus vorgehend, die einzelnen Chaldäerstaaten an, die sich südlich von Babel in dem von Flußarmen und Sumpfseen erfüllten Bereich des unteren Euphrat, ehemals dem Hauptsitz der sumerischen Kultur und ihrer zahlreichen Heiligtümer, gebildet hatten38. Der erste Stoß traf das Land Bet-Šilani; seine Hauptstadt Sarrabân39 verwüstete er wie eine Sturmflut und verwandelte sie wie die übrigen Ortschaften in Schutthügel; den König Nabu-ušabši ließ er vor dem Stadttor pfählen, die gesamte Bevölkerung, 55000 Seelen, wurde mit ihrer Habe fortgeführt. Das gleiche Schicksal erlitt Bit-Ša'alli, dessen Fürst Zaqir nebst seinen Magnaten in Ketten nach Assur geschleppt wurde. Auch hier wurden 50400 Einwohner deportiert, das Gebiet zur Provinz gemacht. Stärkeren Widerstand leistete Ukinzêr; das Gebiet von Bet-Amukani wurde zwar gründlich verwüstet, alle Dattelbäume umgehauen, er selbst in der Stadt Sapia eingeschlossen; aber ihre Eroberung kann Tiglatpileser nicht berichten. Erst im J. 72940 wurde Ukinzêr gefangengenommen; Sapia scheint sich ergeben zu haben, da es nicht zerstört wurde, vielmehr nahm Tiglatpileser hier die Huldigung des Mardukbaliddin von Bet-Jakîn, des Königs des "Meerlandes" im damaligen Mündungsgebiet des Euphrat entgegen. Ebenso brachten die Dynasten Balasu von Bet-Dakuri (unterhalb Babylons) und Nâdin von Larak ihre Huldigungsgeschenke. So konnte Tiglatpileser jetzt nach Babel ziehen und hier am 1. Nisan 729 durch Ergreifen der Hände der Statue des Bel-Marduk offiziell das Königtum übernehmen. Fortan fügt er den assyrischen Titeln den eines Königs von Babel und von Sumer und Akkad hinzu. Den alten Kulturstaat aufzuheben und dem Assyrerreich einzuverleiben, wie es ehemals Tugultininurta frevelhaft gewagt hatte, hat er als klarblickender Staatsmann abgelehnt; vielmehr sollte das Reich von Babel oder Akkad in seiner geheiligten Würde weiterbestehen, wohl aber durch Personalunion dauernd mit dem Großreich Assurs verbunden sein.

Durch seine planmäßig geleitete Kriegspolitik hat Tiglatpileser eine neue Epoche der Geschichte des Orients eröffnet. Er hat die ganze bis auf ihn so bunt gestaltete Welt vom Mittelmeer bis in die Ketten des Taurus und Zagros und bis in die Wüste hinein nicht nur äußerlich der Herrschaft Assurs unterworfen, sondern zugleich begonnen, sie innerlich zu einer Einheit zu verschmelzen. Die im größten Maßstabe und mit brutaler Gewaltsamkeit durchgeführte Verpflanzung ganzer Völkerschaften an neue Wohnsitze hat überall das lokale Sonderleben zerbrochen; an Stelle der einzelnen Volkstümer tritt eine homogene Masse, die es nicht anders weiß, als daß sie fremden Herren zu gehorchen hat. Ihre sprachliche Färbung erhält sie durch das Aramäertum, das überall das Hauptelement dieser Mischbevölkerung bildet; das Aramäische wird die allgemeine Verkehrssprache, die allerorten die älteren Dialekte absorbiert; wie in Babylonien gewinnt es immer mehr die Vorherrschaft, so sehr auch Regierung und Priesterschaft die alte und allein vornehme Schriftsprache weiter pflegen mögen. Hoch über diesen Massen steht als eine Welt für sich Land und Volk der Assyrer, oder mit anderen Worten das Reich des Gottes Assur mit seinen Beamten und seinem Heer; und hier gewährte sein von Tiglatpileser durchgeführter Ausbau die Mittel, es immer leistungsfähiger zu gestalten und zu ernähren. Die Spitze bildet der von den Göttern gesetzte König, scheinbar in voller Selbstherrlichkeit. Zu einem Gott auf Erden, wie ehemals in den altbabylonischen Reichen und in Ägypten und wie dann in den hellenistischen Staaten und im Sassanidenreich, ist er nicht erhoben, sondern er ist der demütige Diener und Priester der großen Götter und fühlt sich als solcher; aber mag er auch im Einzelfalle oft gewaltsam und willkürlich genug verfahren, so ist er doch, wenngleich nicht in dem Maße wie der Pharao, gebunden durch das Herkommen und die Religion und durch die Rücksicht auf seine Magnaten und Heerführer und auch auf die Stimmung seines Volkes. Es ist begreiflich genug, daß ein kühldenkender Praktiker wie Tiglatpileser sich darüber hinwegsetzte; so erfahren wir, daß er die Privilegien von Assur und Charrân aufhob41 und die Bewohner zu Fronden und Kriegsdienst heranzog42. Ähnlich mag er auch sonst vorgegangen sein; aber dadurch hat er den Sturz seiner Dynastie herbeigeführt.

Daß Tiglatpileser sich überall bemüht hat, die von ihm in so weitem Umfang verwüsteten Gebiete wieder kulturfähig zu machen, zahlreiche niedergebrannte Städte neu aufbaute und in ihnen Paläste anlegte und Siegesstelen aufstellte, ist schon erwähnt; erhalten sind Reste dieser Bauten in Tell Barsip gegenüber von Karkemiš (vgl. Bd. II 2, 370) und in Arslantaš bei Serûg. Für sich selbst hat er, wie Assurnasirpal, in Kalach einen großen Palast aus wohlriechendem Zedernholz erbaut, mit Löwen- und Stierkolossen und Gestalten der schützenden Dämonen an den Eingängen und mit einem Portalbau (bet chilâni) nach chetitischem Vorbild. Dieser Bau ist später von Assarhaddon niedergerissen worden; aber die Reliefs, die seine Wände schmücken und die dieser für seinen eigenen Bau verwenden wollte, sind großenteils erhalten43. Sie stellen, wie bei Assurnasirpal, die Kriegstaten des Königs dar, die Belagerung und Eroberung der Festungen, wobei auch gepfählte Feinde nicht fehlen, die Vorführung der Beute, darunter auch der Kamele aus dem Wüstenfeldzug, die Truppen und den Kriegswagen des Königs. Künstlerisch ist ein Fortschritt über die Skulpturen Assurnasirpals unverkennbar; die Muskulatur ist nicht mehr so überladen, die Gestalten sind natürlicher, die Bewegung ist freier, die Komposition der einzelnen Szenen mannigfaltiger und reichhaltiger. Dem entspricht es, daß auch der Stil der Königsinschriften über die entsetzliche Monotonie und Barbarei der Inschriften Assurnasirpals hinausgeschritten ist; sie sind wesentlich inhaltreicher und kultivierter, und in den kürzeren Inschriften ist an Stelle der annalistischen Aufzählung in ganz geschickter Weise eine übersichtliche Zusammenfassung der Ergebnisse nach den Hauptgebieten (Babylonien, der Osten, Urartu und der Westen) getreten; der Palastbau bildet dann den Abschluß.

Salmanassar V. Zerstörung des Reiches Israel

Gegen Ende seines 18. Regierungsjahres, im Tebet (Januar) 726, ist Tiglatpileser III. gestorben. Sein Sohn Salmanassar V. hat in beiden Reichen den Thron bestiegen, in Akkad (Babel) unter dem Namen Ululai44, vermutlich dem Namen, den er als Prinz geführt hatte und den er nach dem Vorbilde seines Vaters hier beibehielt, um den Charakter der Personalunion äußerlich hervortreten zu lassen. Über seine fünfjährige Regierung (726-722) haben wir nur ganz dürftige Kunde; eigene Inschriften fehlen völlig45.

Der Tod des großen Kriegsfürsten rief eine neue Gärung in den syrischen Landen hervor. Man rechnete auf ein Einschreiten Ägyptens, auf das, wie Hosea bezeugt, die Nationalpartei in Israel immer schon Hoffnungen gesetzt hatte; und in der Tat konnte Ägypten es kaum dulden, daß der Assyrerkönig nicht nur vorübergehend, wie früher unter Adadnirari III., in Palästina eingegriffen, sondern jetzt das alte Machtgebiet Ägyptens sich dauernd unterworfen hatte und durch die Verpflanzung des Stammes Idiba'il ins Sinaigebiet unmittelbar an seine Grenze vorgerückt war.

Trübselig genug freilich sah es damals in Ägypten aus; eben in diese Jahre fällt der Versuch des Tefnacht, von Sais aus wieder über den lokalen Dynasten ein einheitliches Reich aufzurichten, und der Kriegszug des Pi'anchi von Napata, der zwar die Herrschaft über die Thebais behauptete, aber für Unterägypten nur eine kurze Episode ohne weitere Nachwirkung geblieben ist46. So ist es begreiflich, daß hier die Kunde aus Ägypten, abgesehen von der Königsliste Manethos, völlig versagt und wir lediglich auf ein paar Notizen bei den Israeliten und den Assyrern angewiesen sind. Nach dem Königsbuch hat Hosea von Samaria mit Sewe'47, dem König von Ägypten, Verhandlungen angeknüpft und die Tributzahlung an Salmanassar eingestellt; darauf hat dieser ihn gefangengesetzt und Samaria nach dreijähriger Belagerung erobert. Sargon berichtet diese Eroberung zu Anfang seiner Annalen unter seinem Antrittsjahr 722/1; von den übrigen Vorgängen redet er kurz bei der Eroberung von Hamât und Gaza in seinem zweiten Jahr (720). Als den Hauptschuldigen nennt er hier den Usurpator Jaubi'di von Hamât, der Arpad, Simyra, Damaskus und Samaria zum Abfall verlockt habe48; es ist aber klar, daß er hier die Vorgänge unter Salmanassar rekapituliert, da der Abfall und die Eroberung von Samaria ja bereits unter diesen fällt. Sewe' erscheint hier als Sib'i, "General (turtan) von Ägypten"49, und neben ihm steht Pir'u, König von Ägypten, d.i. der Pharao. Das ist gewiß richtig; dieser Pharao kann kein anderer sein als Tefnacht oder Bokchoris50, die jetzt nach dem Abzug Pi'anchis ihre politischen Ziele wieder aufnehmen konnten.

Die Einzelheiten lassen sich nicht ermitteln; aber der allgemeine Zusammenhang tritt klar hervor. Im Vertrauen auf die Hilfe des Pharao verweigerte Hosea von Samaria die Tributzahlung, der vor Tiglatpileser geflüchtete Hanno von Gaza kehrte aus Ägypten zurück. Große Aussichten eröffnete, daß in Hamât ein Militär, den Sargon bald Jaubi'di, bald Ilubi'di nennt, die Dynastie, die Tribut gezahlt hatte, stürzte; seinem Namen nach wird er ein israelitischer Reisläufer gewesen sein wie 'Azarja von Ja'udi, der hier zu Ansehen gelangt war51. Er trat mit Samaria in Verbindung, gewann auch Arpad, Damaskus und die Küstenstadt Simyra zum Abfall und konnte ein großes Heer aufstellen.

Nach der Eponymenchronik ist Salmanassar im J. 726 "im Lande" geblieben, dann aber in den drei Jahren 725-723 ins Feld gezogen52; der Name des Kriegsziels ist weggebrochen. Es kann kein Zweifel sein, daß diese drei Jahre identisch sind mit den drei Jahren, die nach dem Königsbuch (II 17, 5. 18, 10) die Belagerung Samarias durch Salmanassar gedauert hat. Hosea war danach schon zu Anfang des Krieges in seine Hände gefallen und gefesselt ins Gefängnis gesetzt worden. Die Einnahme der Stadt setzt Sargon in den Anfang seiner Regierung und schreibt sie sich selbst zu53; wenn das richtig ist, wird sie in den Anfang (Januar) des J. 722 fallen, und er mag sie als Heeresoberst geleitet haben. Das Schicksal der Stadt und des Volkes war das übliche; 27290 Menschen, berichtet Sargon, also die gesamte Oberschicht, habe er fortgeführt, über das Land einen Statthalter gesetzt und ihm Tribut und Abgaben auferlegt gleich den Assyrern. Die Stadt wurde wieder aufgebaut, die Mauern erhöht, Scharen von Gefangenen aus allen Ländern hier angesiedelt.

Durch diese Katastrophe ist, wie Amos verkündet hatte, das israelitische Volk vernichtet und aus der Zahl der Nationen gestrichen; die von Hosea erhoffte Wiederherstellung ist ihm nicht gewährt worden. Die Deportierten wurden in Mesopotamien und Medien angesiedelt54 und sind hier in der übrigen Bevölkerung aufgegangen. An ihre Stelle wurden nach Samaria und den übrigen Ortschaften Scharen von Ansiedlern aus Hamât (erobert 720) und nach der Unterwerfung Babyloniens im J. 709 aus den Städten dieses Landes geführt55; außerdem hat Sargon im J. 715 nordarabische Stämme (Thamûd, Chajâpa u.a.) nach Samaria verpflanzt56. Der jüdische Bericht erzählt, daß diese Leute ihre eigenen Götter mitbrachten, daß sie aber, als Jahwe sie durch Löwen, die er auf sie losließ – das ist bei der Verödung des Landes durchaus begreiflich –, seine Macht fühlen ließ, vom König die Entsendung eines Jahwepriesters erbaten, der dann in Bet-el seinen Sitz nahm. Allmählich hat dann der Jahwekultus wieder die volle Herrschaft gewonnen; man verehrte ihn auf allen Höhen des Landes, vor allem aber in dem alten Zentralheiligtum auf dem Garizîm bei Sichem. Indessen zu neuem selbständigen Leben ist die samaritanische Mischbevölkerung nicht wieder gelangt; die Erbschaft der geistigen und religiösen Entwicklung, die sich hier abgespielt hatte, nebst den Resten der israelitischen Literatur hat der Bruderstamm Juda übernommen, und hier hat sie befruchtend weiter gewirkt57.

Sargons Usurpation. Kämpfe in Syrien und mit Ägypten

Um die Zeit der Einnahme Samarias ist Salmanassar V. durch einen Usurpator, offenbar einen seiner Generäle, beseitigt worden. Als Grund, weshalb er und seine Dynastie gestürzt wurden, bezeichnet dieser den Zorn des Götterkönigs Assur über die Aufhebung der alten Privilegien seiner Stadt58; dadurch erhalten wir einen Einblick in die Mißstimmung, welche das rücksichtslose Regiment sowohl in der hauptstädtischen Bevölkerung, deren Stellung an die Roms im Weltreich erinnert, wie in der hohen Beamtenschaft und der Armee und gewiß auch in der Priesterschaft erzeugt hatte. Diese Stimmung hat sich der Usurpator zunutze gemacht; er hat denn auch die Steuerfreiheit von Assur und ebenso die von Charrân wiederhergestellt und rühmt sich dessen in allen seinen Inschriften.

Der neue König hat am 12. Tebet (Januar 722) den Thron bestiegen. Er hat den Namen Sargon, den des Begründers des Reichs von Akkad, angenommen, der dann in der Schrift durch Spielerei in Sarru-kenu "der echte König" umgedeutet wird59; seine Nachkommen haben sich dann, nach Usurpatorenart, einen Stammbaum anfertigen lassen, der bis auf die ältesten Könige von Assur zurückreicht.

Der Dynastiewechsel hatte schwere Erschütterungen zur Folge. In Babylonien rückte Mardukbaliddin von Bit-Jakin oder dem "Meerland", der Herrscher des südlichsten der Chaldäerstaaten, ein und konnte am 1. Nisan (April) 721 durch Ergreifen der Hände der Mardukstatue das Königtum gewinnen. Er stand im Bund mit König Chumbanigaš von Elam; als Sargon heranzog, erlitt er von diesem bei Dêr, östlich vom Tigris, noch ehe Mardukbaliddin eingreifen konnte, eine schwere Niederlage60. Er mußte die Gewinnung der babylonischen Krone einstweilen aufgeben; alle früher von Tiglatpileser so stark heimgesuchten Stämme dieses Gebiets warfen das assyrische Joch ab und fielen den Gegnern zu.

Statt dessen ist Sargon im J. 720 nach Syrien und Palästina gezogen61, und hier ist es ihm gelungen, in raschen Schlägen aller Aufständischen Herr zu werden. Er hat den Jaubi'di in Qarqar eingeschlossen und gefangen und ihm die Haut abziehen lassen; Hamât wurde dem Reich einverleibt, die Bevölkerung großenteils fortgeführt, so nach Palästina, oder ins Heer eingestellt, an ihre Stelle 6300 Assyrer sowie später Gefangene aus Medien und Armenien angesiedelt. Daran wird sich die Wiederunterwerfung der übrigen Städte geschlossen haben, die Jaubi'di für sich gewonnen hatte. Im Süden wurde das ägyptische Heer, mit dem der General Sib'i dem Hanno von Gaza zu Hilfe kam, bei Raphia am Rande des Kulturlandes in die Flucht geschlagen, Hanno gefangen und gefesselt nach Assur geführt. Danach war die Herrschaft über Syrien und Palästina in vollem Umfang wiederhergestellt. Die Ordnung der Verhältnisse in Samaria wird in diese Zeit gehören; die noch übrigen Kleinstaaten der Philister sowie Juda, Edom, Moab hatten sich ruhig verhalten und zahlten regelmäßig ihren Tribut62.

Assyrien und Armenien, Kleinasien und Medien. Einbruch der Kimmerier

Inzwischen hatte sich das Reich Urartu unter König Rusa (bei Sargon meist Ursâ geschrieben) von den schweren Niederlagen unter Tiglatpileser wieder erholt. Auf dem Höhepunkt seiner Macht hat Rusa im Tempel in Musasir sein eigenes Bild in Bronze auf dem Streitwagen aufgestellt mit der rühmenden Inschrift: "Mit meinen beiden Rossen und meinem einen Wagenlenker haben meine Hände das Königtum von Urartu erobert." Als seine Heimat ("sein Vaterhaus") bezeichnet Sargon einen Ort Arbu (östlich vom Wansee), in dessen Nachbarschaft seine Brüder sieben Burgen in Besitz hatten63. Somit ist er nicht, wie man früher annahm, der Sohn und der legitime Erbe Sardurs II. gewesen; vielmehr wird nach dessen Besiegung durch Tiglatpileser seine Macht zusammengebrochen und eine Zeit der Anarchie gefolgt sein, in der es dann Rusa gelungen ist, das Königtum zu gewinnen und das Reich wieder zusammenzubringen. Er hat sich in Wan, nördlich von der älteren Königsburg, an dem Felsen von Toprakkale eine neue Hauptstadt erbaut und ihr im Anschluß an das von Menua geschaffene Vorbild (Bd. II 2, 422) aus dem weiter im Osten gelegenen See Kešiš-göl eine starke, mit Staudämmen ausgebaute Wasserleitung zugeführt, die auch ihre Pflanzungen reichlich mit Wasser versorgte64. Wie seine Vorgänger erscheint auch er als ein energischer und umsichtiger Herrscher. Wie weit sich seine Macht nach Norden, im Araxesgebiet und darüber hinaus, ausgedehnt hat, wissen wir nicht; im Osten hat er den Mannäern (Bd. II 2, 410) die Landschaften im Norden und Osten des Urmiasees entrissen. In der durch ihre Pferdezucht berühmten Ebene von Tebrîz erbaute er die starke Grenzfestung Usqaja und bezog von hier die Füllen für seine Armee; weiter nördlich, bei Ulchu (jetzt Marand), hat er wieder einen Kanal gebaut; dessen Verzweigungen, wie Sargon bei seinem verheerenden Kriegszug im J. 714 anerkennend berichtet, den dürren Boden in ein ertragreiches Kulturland umwandelten65.

Der Mannäerkönig Iranzu hielt im Gegensatz zu Rusa an Assyrien fest, dessen Reich die weiter südlich gelegenen Landschaften, so vor allem Parsua, als Provinzen einverleibt waren. Ähnlich verhielt sich sein westlicher Nachbar Urzana von Musasir, der Landschaft westlich der Bergkette, die jetzt die Grenze zwischen der Türkei und Persien bildet, am Fuß des Kelišinpasses, die lange Zeit zu Urartu gehört hatte (Bd. II 2, 420), dann aber ein assyrischer Vasallenstaat geworden war. Urzana, der sich auf seinem Siegel rühmt, "sein Rachen sei in den feindlichen Bergen wie der einer Schlange aufgesperrt", hat dem Palastvogt des Assyrerkönigs mehrfach Berichte geschickt, so auch über das Verhalten des Königs von Urartu; jetzt aber, als Rusa nach Abwehr der Assyrer Musasir besetzt und hier im Tempel des Chaldi neben den Weihgeschenken und Statuen seiner Vorgänger sein eigenes Bild mit der obenerwähnten Inschrift aufgestellt und eine Siegesstele mit urartäischer und assyrischer Inschrift errichtete66, ist Urzana zu ihm übergetreten und wurde von ihm als Vasall wieder eingesetzt67.

Von hier aus suchte Rusa die Mannäer vollends in seinen Machtbereich zu ziehen. Mehrere benachbarte oder von ihnen abhängige Dynasten traten zu ihm über und überlieferten ihm mannäische Ortschaften, so Mitatti von Zikirtu und Bagdatti von Uisdis (östlich vom Urmiasee), seinem Namen nach ein Meder, der hier Fuß gefaßt hatte; nach dem Tode des Königs Iranzu wurde sein Sohn Aza von den Aufständischen erschlagen, sein Bruder Ullusun zum Anschluß an Rusa gezwungen68.

Auch bei den Bewegungen in Syrien und Kleinasien wird Rusa seine Hände im Spiel gehabt haben. Als Hauptgegner aber erscheint bei Sargon Mitâ, der König der Moscher (Muski), der ihm hier überall Gegner erweckte. Es ist eine sehr wahrscheinliche Vermutung Wincklers, daß dieser Mitâ kein anderer ist als der König Midas, den die griechische Überlieferung als Begründer des großen phrygischen Reichs und als Zeitgenossen Homers kennt, und daß Sargon für sein Reich den seit alters geläufigen Namen für das innere Kleinasien verwendet69. So scheint es, daß hier der Versuch des in der Völkerwanderung aus Thrakien herübergekommenen indogermanischen Volksstammes vorliegt, sich weiter nach Osten, auszudehnen, ein Streben, das in der Folgezeit zur Festsetzung der aus Phrygien vordringenden Armenier in dem Gebirgslande am Euphrat geführt hat; diese Bewegung fällt in dieselbe Zeit, in der die von Sargon bewahrten Eigennamen das Vordringen der iranischen Meder von Osten her erkennen lassen.

Bei dieser Weltlage ist es begreiflich, daß Sargon in den Jahren 719-717 auf den verschiedensten Schauplätzen tätig gewesen ist und von diesen Kämpfen nur weniges kurz und ohne inneren Zusammenhang berichtet; er wird dabei manchen Mißerfolg verschwiegen haben. Aus dem Jahre 719 erzählt er die Eroberung von ein paar zu Rusa und Mitatti abgefallenen mannäischen Orten, aus 718 die Eroberung des zu den Tibarenern (Tabal) gehörenden kleinasiatischen Fürstentums Sinuchtu. Im Jahre 717 hatte Mitâ den König Pisiris von Karkemiš für sich gewonnen; aber Sargon hat Karkemiš erobert, die Bevölkerung fortgeführt und durch Assyrer ersetzt und damit dem letzten chetitischen Staat in Syrien, der noch an der alten Sprache und Schrift festhielt, ein Ende gemacht.

Inzwischen hat aber noch eine weit größere Völkerbewegung eingewirkt. Wie ein etwa aus dem Anfang des 6. Jahrhunderts stammendes griechisches Epos, das Arimaspengedicht des Aristeas von Prokonnesos, erzählt, wäre der Anstoß von dem Sagenvolk der einäugigen Arimaspen ausgegangen, die auf die Issedonen drücken, diese verjagen wieder die Skythen aus ihren Wohnsitzen, und diese die Kimmerier in Südrußland und der Krim, die dann nach Süden über den Kaukasus ziehen70. Bis zu den Issedonen ist Aristeas selbst gekommen und hat hier Erkundigungen eingezogen; sein Bericht weist auf Zentralasien, und hier treffen wir sie als großes Volk in der Geographie des Ptolemäos. Es liegt gar kein Grund vor, die Zuverlässigkeit dieser Angaben zu bezweifeln; vielmehr wird uns hier ein Vorgang berichtet, der sich in der Geschichte immer von neuem wiederholt hat71: aus dem Riesenkessel des zentralasiatischen Hochlandes, das sich ständig fortschreitend in eine wasserlose Einöde umwandelt, brechen einzelne Volksstämme vor und werfen sich auf ihre Nachbarn im Westen, und von diesen setzt sich, den geographischen Bedingungen entsprechend, die Bewegung weiter über die aralo-kaspische Steppe bis tief nach Europa hinein fort. Der Stoß traf wie bei den Zügen der Indoskythen, Hunnen, Türken, Mongolen in erster Linie die teils nomadisierenden, teils seßhaften Stämme Ostirans; man wird annehmen dürfen, daß das deutlich erkennbare Vordringen der Meder damit zusammenhängt. Von den nomadischen Iraniern ist derjenige Zweig, den die Griechen Skythen nennen, in derselben Weise wie später die Hunnen über den Don gezogen und hat sich auf die Kimmerier geworfen.

Daß die Skythen oder Skoloten, wie sie nach Herodot sich selbst nannten, iranischen Ursprungs waren, beweisen die erhaltenen Wörter, darunter vor allem die zahlreichen echt iranischen Eigennamen72. Dazu stimmen die vortrefflichen Darstellungen von Skythen auf den von griechischen Künstlern gearbeiteten Beigaben ihrer Gräber, der Kurgane, aus dem vierten und den folgenden Jahrhunderten, deren Typus dem der Perser auf den Denkmälern ganz nahe steht. In auffallendem Gegensatz dazu steht, daß eine geistvolle, unter dem Namen des Hippokrates überlieferte Schrift73 sie als eine feiste, gedunsene, schlaffe Rasse von monotonem Aussehen, mit rötlicher Hautfarbe (pyrron) und ohne Haarwuchs74, also durchaus mongolenähnlich schildert. An einer starken Beimischung von derartigen Elementen hat es gewiß schon in den asiatischen Wohnsitzen nicht gefehlt, und diese mag sich weiter gesteigert haben; aber für die herrschende Oberschicht können wir uns nur an die Gestalten halten, welche die Griechen Südrußlands vor Augen sahen und für die sie arbeiteten, und deren iranische Namen bei Herodot und sonst erhalten sind. Noch beträchtlich weiter, nach Ungarn, ist ein anderer iranischer Stamm vorgedrungen, die Sigynnen, die, wie Herodot berichtet, nordische Tracht trugen und eine Abzweigung der Meder zu sein behaupteten75.

Der Name eines Kimmerierfürsten Teuspâ (u. S. 74) ist deutlich iranisch, und so wäre es möglich, daß auch die Kimmerier schon eine frühere iranische Welle darstellen; doch ist das Material zu dürftig, um Sicherheit zu gewinnen. Da es sehr unwahrscheinlich erschien, daß ein Volk in Südrußland einem Angriff von Osten her über den Kaukasus ausweicht, und da überdies bei den Angriffen auf die Griechenstädte Kleinasiens die thrakischen Treren mit ihnen verbunden sind, hat man vielfach vermutet, die Kimmerier seien ein thrakischer Stamm und sie seien über die Donau und die Meerengen nach Kleinasien gezogen76. Das hat sich als verfehlt erwiesen: in völliger Übereinstimmung mit den griechischen Nachrichten treten die Kimmerier (Gimirai) in Vorderasien zuerst gegen Ende des 8. Jahrhunderts in Armenien auf, sind also in der Tat über den Kaukasus gekommen.

Die Einzelheiten des Hergangs entziehen sich unserer Kenntnis. Die erste Nachricht verdanken wir mehreren Berichten des Prinzen Sanherib an seinen Vater Sargon, wonach der König von Urartu den Kimmeriern entgegentrat, aber eine Niederlage erlitt, in der neun seiner Statthalter gefallen sind. Eine Mitteilung darüber verdankt er einem Schreiben des Urzana von Musasir an den Palastvogt; dadurch ergibt sich, daß die Niederlage in eines der letzten Jahre vor 714 gesetzt werden muß77, der König von Urartu mithin Rusa I. ist. Der Verlauf wird derselbe gewesen sein wie so oft: die plötzlich an den Grenzen auftretenden Horden erregen durch ihre ungewohnte Erscheinung und gerade durch den primitiven Charakter ihrer Kampfweise allgemeinen Schrecken und überrennen die Heere der kultivierten Staaten.

Die siegreichen Kimmerier werden sich im nördlichen Armenien, im Bereich des Araxes und des Sees von Eriwan, weithin ausgedehnt haben. Dadurch war die Stellung des Königs Rusa stark erschüttert; das ist offenbar Sargon zustatten gekommen, als er im J. 716 den Kampf gegen Rusa energisch in Angriff nahm. Er rückte, offenbar von Süden, von der Provinz Parsua, aus, ins Mannäerland ein, besiegte den Bagdatti (o. S. 35) und ließ ihm die Haut abziehen, brannte die Hauptstadt Izirtu nieder. Da trat König Ullusun wieder auf die assyrische Seite über und erlangte Begnadigung. Eine Anzahl von Orten wurde zu Assyrien, vor allem zur Provinz Parsua geschlagen, zahlreiche Bewohner fortgeschleppt, die schon seit Salmanassar III. zum Reich gehörende Stadt Charchar im Quellgebiet des Diâla, die zu König Dalta von Ellip abgefallen war, wurde nach Wegführung der Einwohner unter dem Namen Kâr-Sargon als Zwingburg gegen die Meder neu besiedelt; zahlreiche medische Häuptlinge brachten Sargon hier Tribut. Im nächsten Jahr wurde die Organisation dieser Gebiete weiter fortgeführt, ein mannäischer Statthalter, den Rusa für sich gewonnen hatte, Dajukku, mit seiner Familie nach Hamât verpflanzt – es ist der Dejokes Herodots, den die von diesem bewahrte medische Tradition als Begründer des Königtums betrachtet. Im J. 714 zog Sargon aufs neue ins Mannäerland, und hier trat ihm Rusa, unterstützt von Mitatti von Zikirtu, am Berge Uaus (jetzt Sahend) östlich vom Urmiasee, entgegen. Sargon rühmt sich, um seine ermüdeten Truppen zu schonen, habe er sich auf seinem Streitwagen, nur von seiner Garde begleitet, auf die Feinde geworfen und sie völlig zersprengt. Familie und Gefolgschaft Rusas wurden gefangen, dieser sah das Werk seines Lebens vernichtet und hat sich, in Schwermut versunken, selbst den Tod gegeben78. Seine Kulturschöpfungen (o. S. 34) hat Sargon zerstört, sein Gebiet verwüstet. Dann warf er sich auf Musasir, dessen Tempel mit den Weihgeschenken und Statuen der Könige von Urartu gründlich ausgeplündert wurde79, König Urzana war glücklich entkommen. Die Unterwerfung der Meder wurde im nächsten Jahre weitergeführt; 45 Häuptlinge80 brachten ihre Abgaben an Pferden und Vieh. Wie Tiglatpileser rühmt auch Sargon, daß seine Macht sich bis zum Berge Bikni erstrecke. Der Kampf um die Vorherrschaft in Vorderasien zwischen Armenien und Assyrien war durch Sargons Sieg definitiv beendet. An eine Unterwerfung von Urartu dagegen hat auch er nicht denken können; auf Rusa ist hier sein Sohn Argisti II. gefolgt.

Im Westen hatte Sargon schon 715 den Mitâ, der sich gegen Que (das obere Kilikien) auszudehnen suchte, zurückgedrängt. Im Gegensatz dazu hatte er die Tibarener (Tabal), die damals etwa in Kataonien saßen, begünstigt, ihrem König Ambris eine seiner Töchter gegeben und ihm die Kiliker am Halys überlassen. Aber dem Rusa und Mitâ war es gelungen, ihn auf ihre Seite hinüberzuziehen; und jetzt wurde er 713 durch Sargon besiegt und gefangen abgeführt, sein Land zur Provinz gemacht. Dasselbe Schicksal traf dann der Reihe nach die übrigen Kleinstaaten: im J. 712 Melitene nebst "dem weiten Kamman" (Xammanhnh) und der Stadt Tilgarim (Ezech. 27, 14. 38, 6 Togarma), 711 Gurgum, 709 Kummuch, dessen König Mutallu im Vertrauen auf Argisti II. von Urartu die Tributzahlung unterlassen hatte. König Mitâ selbst wurde 709 durch den Statthalter von Que besiegt und mußte sich zur Huldigung bequemen. Wie im Osten wurde auch hier überall die Bevölkerung verpflanzt, andere Ansiedler hingeschickt, die Provinzialverfassung mit festen Abgaben eingeführt, die Städte wieder aufgebaut und weitere Festungen und Grenzsperren angelegt.

Die Äthiopen in Ägypten. Sargon in Syrien und Babylonien

Inzwischen war in Ägypten König Bokchoris einem Angriff des Äthiopen Sabako von Napata81 erlegen. Wenn Sargon berichtet, er habe im J. 715 unter anderem auch von Pir'u, dem König Ägyptens, Abgaben erhalten, so wird sich dies daraus erklären, daß der Pharao – seinen Eigennamen hat er nicht genannt, es kann aber nur Bokchoris sein – jetzt den Schutz Assyriens zu gewinnen hoffte. Vier Jahre später, unter dem J. 711, bezeichnet er Ägypten (Musri) als "zum Bereich Äthiopiens (Melucha) gehörig". Daraus ergibt sich die Datierung. Über den Hergang wissen wir weiter nichts, als daß nach Manetho Sabako den Bokchoris gefangennahm und verbrennen ließ82. Die zahlreichen lokalen Fürstentümer, in die Ägypten zerfallen war, haben sich seiner Oberhoheit gefügt; sie zu beseitigen und die Reichseinheit wiederherzustellen reichte seine Macht nicht aus, wir finden sie alle, wie zur Zeit Pi'anchis, auch unter seinen Nachfolgern wieder. Indessen wurde in Palästina die Hoffnung neu belebt, daß es möglich sei, mit ägyptischer Hilfe das assyrische Joch abzuschütteln. Azuri von Ašdod begann Verhandlungen über eine auf Ägypten gestützte Erhebung mit den übrigen Philisterstädten und den Nachbarstaaten Juda, Edom, Moab. Sargon konnte noch rechtzeitig einschreiten und ihn durch seinen Bruder Achimelek ersetzen83; aber dieser wurde von seinen Untertanen verjagt und das Regiment einem Griechen ("Ionier") aus Cypern übertragen84