Geschichten(n) der Dummheit – Die sieben Sünden des menschlichen Schwachsinns - Dr. Harald Specht - E-Book

Geschichten(n) der Dummheit – Die sieben Sünden des menschlichen Schwachsinns E-Book

Dr. Harald Specht

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Beschreibung

Der Mensch kennt sieben Gaben des Heiligen Geistes und sieben Tugenden. Er weiß von sieben Künsten und sieben Sakramenten. Von den sieben Sünden der Dummheit will er jedoch nie gehört haben. Typisch Mensch. Harald Specht beweist auf ironisch bestechende, teils lakonische Art und Weise, dass es sie gibt. Klöster werden zu Freudenhäusern, Menschen verbrennen Menschen im Hexenwahn, Scheintote erwachen wieder. Auch die Gegenwart beweist die Dummheit der Menschheit. Ob in Bedienanleitungen oder in der allgegenwärtigen Sprache. Dumm ist aber auch, dass man über diese Dinge nicht immer lachen kann!

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Seitenzahl: 579

Veröffentlichungsjahr: 2013

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„Selig sind, die da geistlich arm sind;

denn das Himmelreich ist ihr“

Ev. Matthäi 5.3.

„… auf das ich erquicke den Geist

der Gedemütigten

und das Herz der Zerschlagenen“

Jesaja 57.15.

Harald Specht

Dr.rer.nat. et Dr.-Ing.habil.

Geschichte(n) der Dummheit

- Die sieben Sünden des menschlichen Schwachsinns -

Engelsdorfer Verlag 2010

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

eISBN: 978-3-86268-120-4

Copyright (2010) Engelsdorfer Verlag

2. überarbeitete Auflage

Alle Rechte beim Autor

Titelbild © steve estvanik - Fotolia.com (USA)

www.engelsdorfer-verlag.de

I N H A L T

Ein frommer Wunsch anstelle eines Vorwortes

1. Die große Verwandtschaft der Dummheit

Von der Engstirnigkeit bis zum Missverständnis

2. Gott, Geist, Gehirnquotienten

Vom Baum der Erkenntnis – Am Anfang war die Dummheit

Alles begann am 23. Oktober des Jahres 4004 vor Christi Geburt

In Heiligen Zeichen für die Ewigkeit

Sintflut über die Dummheit

Dummheiten um Bibel und Babel

Der geistige Ursprung der Dummheit

Schuld sind immer die anderen

Darf es ein wenig Hirn mehr sein? – Ein biologischer Lösungsversuch

Intelligenzquotient kontra Schwachsinn

Die trickreiche Sicht unserer Seele – Ein psychologischer Lösungsansatz

Das falsche Spiel der Dummheit – Ein mathematischer Ansatz

3. Historie, Hass und Hinterwäldler

Über Dummheiten und Wahrheiten

Zitate, Zoten, letzte Worte

Die Dummheit bei Dichtern und Denkern

Vom Glauben und Aberglauben

2000 Jahre alte Muttermilch und andere Wunder

Erscheinungen und andere Scheinphänomene

Liebestränke und andere Wundermittel

4. Liebe, Lust und Leidenschaft

Romeo und Julia in Ägypten

Skandal um Tempelsex

Kein Eunuch für die Gemeinde des Herrn

Graue Haare und das Kloster Fürstenfeld

Wozu noch Sex?

Der Mönch und das tote Mädchen

Die Mätressen und der Sonnenkönig

5. Hetären, Hexen, Heiratsbräuche

Göttin, Hure, Jungfrau, Hexe

Aller guten Dinge sind drei

Und schuld war Frau Holle

Die Frau als Gefäß der Sünde – der Mann als keuscher Elefant

Lust als Laster – Lustergebnisse als Last

Gattin, Kurtisane oder Haushälterin?

ora et labora – und ama?

Teufelsglaube und Hexenwahn

Ehe ehedem und heute

Scheidung auf italienisch

6. Pech, Pleiten, Pannenserien

Von hohlen und abgetrennten Köpfen

Totenscheine und Scheintote

Gold, Gier und Geldverschwendung

Es ist nicht alles Gold, was glänzt

Gaukler, Gauner, Galgenvögel

7. Sprache, Sprüche, Stoßgebete

Dumm in Wort und Schrift

Keine Karriere für den Dilettanten

Klug wie die Gauner, Falschspieler und Tippelbrüder

Wenn man die Genitalien verwechselt

Von Ossis und anderen Merkwürdigkeiten

Halbbildung auf vollem Niveau

Über kurz oder lang

Voll daneben, Mr. President!

Super-maxi-mega-geil

Behörden und Vorschriften, Politiker und Gesetze

Dreckfuhler, Gebruiksaanwijzingen und andere Printdummheiten

Politikerdeutsch deutscher Politiker

N A C H W O R T

Von der Dummheit, dieses Buch zu schreiben – Entschuldigung an Stelle eines Nachwortes

Danksagung

Bibliographie

Ein frommer Wunsch anstelle eines Vorwortes

Die sieben Sünden des menschlichen Schwachsinns gibt es nicht! Nicht so, nicht in dieser griffigen Form. Und auch nicht gleich als Sünde oder gar Todsünde. Aber so wie sich der Mensch kühn zurechnet, die sieben Gaben des Heiligen Geistes empfangen zu haben oder die sieben Tugenden zu kennen, so ist zu vermuten, dass er eben auch sieben Gegenstücke mit auf den Weg bekommen hat. Sonderbar, dass er davon nie etwas gehört haben will. Er weiß von sieben Künsten und hat sieben Sakramente, will alle sieben Lebensalter durchlaufen und bittet siebenmal im Vaterunser. Aber von sieben Sünden der Dummheit will er partout nichts wissen. Typisch Mensch!

Aber mit Sicherheit gibt es die menschliche Dummheit und deren schwachsinnige Folgen, wie wir täglich spüren und beobachten können. Wahrscheinlich sind es sogar mehr als sieben mal sieben Schwachheiten, die hier als Ursache wirken, die wir aber nicht deutlich wahrhaben wollen. Sieben Ursachen für die menschliche Dummheit sind schnell aufgezählt, wobei weder Reihenfolge noch Vollständigkeit Beachtung finden. Favoriten sind sicherlich Hass, Egoismus und Gier, Übermut wie auch Trägheit, Maßlosigkeit und auch Treulosigkeit. Diese so menschlichen Eigenarten sind oft Auslöser für unsere Schwachheit, die ihrerseits letztlich die Dummheit und deren schwachsinnige Resultate hervorbringen.

Die alten Perser hatten auch so ihren „Siebener-Tick“. Bei ihnen waren es sogar oberste Geister, sogenannte Amesha Spentas. Die im Parsismus verehrten „unsterblichen Heiligen“ waren – wen erstaunt es – ziemlich genau die Gegenstücke unserer selbstgelisteten Supersünden: Gute Gesinnung und beste Gerechtigkeit, erwünschtes Gottesreich, fromme Demut und vollkommene Gesundheit, verjüngte Unsterblichkeit und wachsamer Gehorsam bildeten hier die Hitliste. Ganz schön fromme Wünsche, die da so in den Raum gestellt werden.

Das Trachten und Sinnen des Menschen wird aber leider nicht nur durch seine sieben Tugenden gekrönt, sondern genauso durch kleinere und größere Sünden bis zur Schwachheit degradiert, und regelmäßig passieren dann die größten Dummheiten. Dummheiten aller Art, wohlgemerkt!

Ist schon Sünde ein religiös geprägter Begriff, der uns die Störung im Verhältnis des Menschen zu einer Gottheit beschreibt, so trifft das für die Todsünde natürlich allemal zu. Alle Universalreligionen kennen diese „existentielle Unheilsituation verschiedener Art, die nur durch Eingriff der göttlichen Wirklichkeit in die menschliche Existenz“ aufgehoben werden kann. Da freuen sich der Ungläubige und der Atheist! Aber zu früh: Mitgehangen, mitgefangen! Zur missglückten Schöpfung gehören wir alle. Die, die nichts mit RA, JHWH, BUDDHA, ALLAH oder wem auch immer etwas am Hut hatten oder haben, sollten sich daher nicht aus unserem Sündenregister der Dummheiten und des Schwachsinns raushalten wollen.

Wie gesagt: Sünden, Schwachsinn, Dummheit und das ganze Drumherum … alles nur Metapher und Synonyme für die eigentlich kaum beschreibbaren und unermesslichen menschlichen Versuche, gegen das unvermeidlich Menschliche menschliche Lösungen zu finden. Das gelingt halt selten. Was wir so großwortig „Schicksal” nennen, sind also oft nur die unzureichenden Ergebnisse unseres einfältigen Strebens, die menschliche Kultur zu gestalten. Und so ist „unsere ganze Kultur letztlich das Produkt von vergeblichen Versuchen, die Dummheit in den Griff zu bekommen”, wie Matthijs van BOXSEL es auf den Punkt brachte. /123/

Wir bräuchten auch heute den alten jüdischen „Sündenbock“, dem – wie in der Bibel (3. Mose16, 21) beschrieben – der Hohepriester am Versöhnungstag nur die Hand auflegen musste, um so symbolisch alle Sünden seines Volkes auf das arme Tier abzuwälzen. Genial war das! Einfach und praktisch. Danach schickte man nämlich den Bock in die Wüste.

Gestern wie heute möchte man manchen Zeitgenossen auch in die Wüste schicken, wenn er was Dummes verbockt. Und das beinahe täglich, seit Anbeginn! Man muss sie nur richtig erkennen, die Dummheiten und den Schwachsinn, das „gesüßte Sammelsur” humaner Denkreste. Lassen Sie sich also nie ein X für ein U machen, wie es die alten Schenkenwirte mit ihren benebelten Zechbrüdern taten. Behalten Sie einem klaren Kopf und die lehrhafte Beispielsammlung der „Geschichte(n) der Dummheit” vor Augen. Und beherzigen Sie den Rat Theodor FONTANEs: „Lesen ist nur ein Vergnügen, wenn man ganz frisch ist und jede Schönheit und jede Dummheit gleich genießen kann …”. /125/ Genießen Sie also auch die Dummheiten.

Bleibt also nur ein aufrichtiger Wunsch: Gute Unterhaltung und gute Besserung!

Köthen/Anhalt im Mai 2003

1. Die große Verwandtschaft der Dummheit

Darf ich vorstellen: Eine Sippe des Schwachsinns

„Unsichtbar wird die Dummheit,

wenn sie genügend große Ausmaße angenommen hat“

Bertolt Brecht

Gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen, sagt der Volksmund. Da man Dummheit weder sehen, noch anfassen oder kaufen kann, ist es schwer, sie zu beschreiben. Was wissen wir von ihr?

Erstens lässt sich feststellen, dass sie scheinbar überall auftritt. Sowohl auf dem Marktplatz wie im Hörsaal hat man sie schon erlebt.

Zweitens scheint sie schon seit Menschengedenken ihr Unwesen zu treiben, kennt man doch zahlreiche Beispiele von ihr schon aus der frühesten Geschichte.

Drittens scheint sie unvergänglich zu sein. Für ihr ewiges Leben sprechen zahllose Beispiele bis in unsere Tage.

Letztlich scheint sie immer da aufzutauchen, wo wir Menschen uns tummeln. Und so schleicht sich der böse Verdacht ein, Dummheit sei speziell auf unsere Spezies fixiert. Ausdrücke wie „dumme Gans“ oder „blöder Esel“ oder „doofe Kuh” meinen ja nicht wirklich die bezeichneten Haustiere, sondern immer den so titulierten Mitmenschen. Vermutlich gibt es also die Dummheit schon so lange, wie es uns Menschen gibt, ist sie gar eine typisch menschliche Eigenschaft. Fachleute sagen, sie sei zwar „keine spezifisch menschliche Eigenschaft,” wohl aber käme sie „bei keiner anderen Spezies so ausgeprägt vor, wie gerade beim Homo sapiens”. /109/

Nach dem Brockhaus versteht man unter Dummheit „die allgemeinsprachliche Bezeichnung für Mangel an Intelligenz, geringe Begabung, herabgesetzte kognitive Fähigkeiten und Leistungen” und im engeren Sinne das „partielle, auf bestimmte Situationen bezogene Unvermögen oder geminderte Vermögen logisch zu denken und zu handeln” /108/,… ist „Dummheit eine volkstümliche Bezeichnung für mangelnde oder geringe Intelligenz oder Allgemeinbegabung, jedoch nicht gleichbedeutend mit Schwachsinn oder Verblödung”. /109/ Damit diese Definition besser verstanden wird, geben uns andere neben der Definition denn auch leicht verständliche Beispiele, die uns Otto-Normalverbrauchern klar machen sollen, was wir uns darunter vorzustellen haben. Danach ist es dumm, sowohl Politikern übern Weg zu trauen wie auch Werbung ernst zu nehmen oder irgendwelchen Gurus, egal welcher Couleur, ins Nirvana zu folgen. /108/ Sicherlich sehr einseitige Beispiele, aber immerhin hilfreich. Paul-Henri SPAAK nannte die Dummheit „die sonderbarste aller Krankheiten. Der Kranke leidet selbst niemals unter ihr. Die schmerzhaft leiden, sind die anderen”. /111/ Ob Dummheit eine Krankheit ist, wird also noch zu untersuchen sein. Den „Schwachsinn” wollen wir hier allerdings nicht als Kategorie der Geisteskrankheit verstehen, sondern eher als verausgabte Dummheit, als das erkennbare Produkt der Dummheit, als Unfug und Unsinn im weitesten Sinn.

Schaut man in ein deutsches Wörterbuch /1/, so wird nach „dumm“ als nächstes der „Dummbart“ aufgeführt und durch ein nachgestelltes „m” erst einmal sofort als maskulin gekennzeichnet. Komisch, eine weibliche Form scheint es davon nicht zu geben, ähnlich wie beim „Blödmann”. Na ja, immer auf den Mann!

Zwischen „Dumka“ (angeblich ein ukrainisches und noch dazu schwermütiges Volkslied) und dem „Dummy“ (meist bekannt in seiner Form als Testpuppe für Autocrashs) fügt sich unser Suchwort eigentlich recht passend ein, denn so weit scheint ja ein schwermütiger männlicher Dummkopf auch im realen Leben nicht von einem Dummy entfernt zu sein. Wörter wie „Dummbart“ und „Dumbartel“, die heute sowieso keiner mehr kennt und wohl unsere dummen Vorfahren als Dummköpfe kennzeichneten, werden von Ableitungen wie „dummdreist“ und „Dummejungenstreich“ begleitet. Dass die Dummheit doch vielschichtiger ist, verraten auch die auf den Rängen folgenden Verharmlosungen wie „Dummerle“, „Dümmling“ und „Dummerling“ oder solch interessanten Poetenschöpfungen wie „dummstolz“, die sicher einer genaueren Untersuchung wert sind. /1/

Das war nur eine Auswahl, die man mit ähnlichen oder gar synonymen Begriffen, wie „dusselig“ oder „doof“ natürlich beliebig ausdehnen könnte, wobei bereits diese feinen Unterschiede und Spitzfindigkeiten unserer Sprache tief blicken lassen. So belehrt uns z.B. der Duden, dass „doof“ auch „langweilig“ bedeuten kann /1/ und „Doofheit“ eindeutig weiblichen Geschlechts ist! Gott sei Dank kommt „Doofheit“ laut Duden aber nur in der Einzahl vor. Dass die vielen Fügungen von „Blödheit“ und „Blödsinn“ im Duden direkt vor den Wörtern „blöken“ und „blond“ aufgelistet sind, ist sicher nur als blöder Zufall zu werten. /1/

Der weitverzweigte Stammbaum der großen Familie „Dummheit“ umfasst aber nicht nur die natürlichen Ableger „Doofheit“ und „Blödheit“, sondern auch so ungeliebte Kinder wie die Intoleranz, die Frechheit oder die Gemeinheit, alles boshafte Sprösslinge dieses Stammes, die ohne ihre große Mutter nicht so ins Kraut schießen könnten. Denn wo die Dummheit ist, ist meist auch die Frechheit nicht weit weg.

Weniger gefährlich sind da schon naturgegebene Auswüchse der Senilität, des Schwachsinns oder der schlichten Gedankenlosigkeit und Beschränktheit. Entferntere Triebe wie Selbstüberschätzung, Eigenliebe oder Eitelkeit sind dagegen mehr unter Wildwuchs zu sehen und damit unserer Natur nicht ganz so abträglich.

Schon nach dem ersten Bekanntmachen wird der riesige Umfang der weitläufigen Sippe der Dummheiten deutlich. So etwa 50 Verzweigungen weist der Stammbaum auf und sicher haben die Philologen dieses Sprachfeld längst auf ihre Art abgegrast. Als Nichtfachmann stößt man da einerseits auf den großen Zweig der Sinnesverwirrung wie Irrsinn, Stumpfsinn, Blödsinn oder Wahnsinn und andererseits auf die vielen „Unwörter“ der großen Verwandtschaft: Unwissenheit, Unfug, Unverstand,Ungeschick, Unbesonnenheit, Unbedachtheit, Unbeholfenheit und Unvernunft mag der Laie hier einordnen. Mehr ins Scherzhafte tendieren oft die Sippenmitglieder, die sich durch ihre Wortendung schon als Verwandte der Dummheit zu erkennen geben und Albernheit, Torheit, Narrheit, Verrücktheit oder Tollheit genannt werden. Harmlos dagegen ihre Neffen Aberwitz und Wahnwitz und die unschuldigsten Mitglieder Einfalt, Tölpelhaftigkeit, Narretei und Kurzsichtigkeit. Eine der kaum auffälligen Sippenmitglieder wäre hier bald übersehen worden, hätte nicht Sir PETER (Ustinov) so feinsinnig auf sie hingewiesen. Gemeint ist die Zufriedenheit. „Die Zufriedenheit ist die schwachsinnige Schwester der Dummheit”, hatte er treffend bemerkt. /116/

Größere Vorsicht ist allerdings geboten, wenn die schwarzen Schafe der „Familie Dummheit“ ins Spiel kommen. Verwerflichkeit und Verderbtheit sind oft nicht gleich als Verwandte der Dummheit erkennbar, sie geben sich auch nicht so elegant wie Größenwahn und Tollkühnheit und haben weniger Schick aufzuweisen als das Quartett aus Marotte, Extravaganz, Überspanntheit und Spleen. Verrückte Nachbarn, die als Geistesumnachtung, Schizophrenie, Zwangsvorstellung oder gar Idiotie unserer Familie nahe sind, gehören nicht zur Dummheit, können aber sehr ähnliche Nachkommen haben.

So oder so, ob naiv zu belächeln oder empört zu verurteilen, soll alles dies in die große „Wort-Schatzkiste“ unter dem Etikett „Dummheit“ eingeordnet werden. Wenn hier also von „Dummheit“ geredet wird, ist die ganze Palette von der schlichten Unwissenheit bis zum tragischen Irrtum, von der allzumenschlichen Schwäche bis zum folgenschweren Fehlverhalten gemeint.

Von der Engstirnigkeit bis zum Missverständnis

„Die Dummheiten wechseln,

aber die Dummheit bleibt.”

Erich Kästner

Nehmen wir zu Beginn unserer „Geschichte(n) der Dummheit“ nur vier Beispiele, die uns überlegen lächeln lassen oder zumindest ein Kopfschütteln abringen. Beispiele aus dem Alltag, ausgewählt aus den Rubriken „Engstirnigkeit“, „Fehlverhalten“,„Pech“ und „Missverständnis“.

Beispiele von Engstirnigkeit geben uns immer wieder die Behörden und Ämter. So die Polizei von Joliet im Bundesstaat Illinois. /18/ Was war passiert(?):

Ungewöhnlich ist die Geschichte schon, ist doch auch in den USA das gut ausgebaute Straßennetzvor allem für den ständig steigenden Straßenverkehr gebaut worden. Und so mögen dieStreifenbeamten, die gerade auf einem vierspurigen Highway ihren schweren Dienst versahen,nicht schlecht gestaunt haben, als ein 26jähriger junger Mann auf ungewöhnlichem Weg denHighway betrat. Er wird seine Gründe gehabt haben, dass er mit seinem Fallschirm ausgerechnetauf ihrem Highway landete. Die Polizisten nahmen ihn kurzerhand fest. Ist dies noch nachvollziehbar,so ist die Haftbegründung „typisch behördlich“: Der Fallschirmspringer hatte nicht, wievorgeschrieben (!), die Autobahnauffahrt benutzt.

Menschliches Fehlverhalten kann aber auch tragische Ausmaße haben. Auch dazu ein klassisches Beispiel aus der Historie, das sogar den amerikanischen Präsidenten Abraham LINCOLN zu einem bitter ironischen Kommentar veranlasste, um die Dummheit eines seiner Generäle zu charakterisieren. LINCOLN sagte über General Ambrose BURNSIDE: „Nur er konnte den Klauen des Sieges noch eine großartige Niederlage entreißen.“ /18/ Der Grund für diese bissige Ironie lag schon einige Zeit zurück:

Während des amerikanischen Bürgerkrieges hatte BURNSIDE den Oberbefehl über dieKampfhandlungen der Schlacht von Antietam (1862). Als es galt, der auf dem jenseitigen Ufereines Flusses kämpfenden Gegenpartei die entscheidende Niederlage zuzufügen, befahl derGeneral seinen Truppen, den Fluss auf einer schmalen Brücke zu überqueren. Jeweils zweiSoldaten drängten sich so schießend und nachladend über den schmalen Steg. Die gegnerischenSchützen der konföderierten Truppen in den Deckungen des Flussufers konnten so die Vorrückendeneinfach nach und nach „niedermähen“. Dabei hätte den mutig Fallenden ein Sturmangriffüber die gesamte Flussbreite sicher den Sieg erbracht, zumal der Fluss leicht zu durchwatenwar!

Dumm nur, dass der General diese Chance nicht erkannte. Er hatte übersehen, dass der Fluss weniger als 60 Zentimeter tief war.

Drastisches Fehlverhalten erstreckt sich sogar bis hin zum brutalen Inhumanen, also letztlich der Grenze, die dem betrachteten Gegenstand per se kaum mehr angehört, ist doch „Dummheit“ an unsere Spezies „Mensch“ geknüpft worden. Unmenschlichkeit ist eben nicht menschlich und daher auch nicht in die Kategorie „dumm” einzuordnen. Dass sie aber allzu oft das grausamste Resultat der Dummheit ist, braucht hier nicht belegt zu werden.

Manchmal ist es ja auch nicht direkt Dummheit, die uns Menschen zu Fall bringt, sondern das Pech, eher ein flüchtiger Bekannter unserer großen Familie. Was Pech ist, lässt sich schwer beschreiben, aber das folgende tragischkomische Beispiel /18/ führt uns das Pech in seiner kuriosen Brutalität vor Augen. Die wahre Geschichte ereignete sich in Rumänien, in der Ortschaft Moinesti:

Man trug eine Verstorbene zu Grabe, gemächlichen Schrittes. Auf den Schultern der Sargträgerder offene Sarg. Als man gerade die Straße zum Friedhof überqueren wollte, richtete sich dievermeintliche Leiche auf. Ihr Gesicht blickte verstört in die nicht minder entsetzten Mienen derTrauergemeinde. Im selben Augenblick sprang die Scheintote aus ihrer Kiste. Sie lief in panischerAngst die Straße hinab … und … wurde von einem Auto überfahren.

Im wahrsten Wortsinn: Dumm gelaufen! Pech gehabt!

Pech haben jährlich auch zahlreiche Touristen, die nicht etwa so dumm waren, ihren Urlaub in Krisengebieten zu verbringen oder bei Abenteuerreisen und Extremsport Schaden zu nehmen, sondern auf ganz banale Weise durch viel Pech ums Leben kamen. So wurden allein im Jahr 2002 einhundertfünfzig Urlauber von Kokosnüssen erschlagen! /89/

Ein großes Feld dummer Früchte wächst auch auf dem Boden alltäglicher Missverständnisse, die zwar nur am Rande unter das Schlagwort Dummheit eingeordnet werden können, aber dennoch in die Sparte „dumm gelaufen“ oder „Reinfälle des Tages“ eingeordnet werden müssen.

Auch hierzu ein klassisches Beispiel, sogar aus der Welt der hohen Politik /18/:

„Die Frau des britischen Premierministers Harold WILSON hatte Besuch von Freunden inder Downing Street No. 10.

Harold, ihr Mann, saß noch oben in seinem Arbeitszimmer.

Während der Unterhaltung kam man auf theologische Fragen zu sprechen, und einer der Gästebemerkte: ‚Zum Glück gibt es einen dort oben, der allein alle Antworten kennt.’

‚Ja’ sagte Mrs. Wilson, die die Bemerkung nicht ganz richtig verstanden hatte, ‚Harold kommtgleich runter’.“

Selbst wenn man gerade solchen peinlichen Missverständnissen vorbeugen will, ist man nicht vor großer Blamage gefeit. So berichtet ein Fall aus dem Hörsaal, wie selbst hohe Gelehrte dumm reinfallen können. /82/ Sprach man im Mittelalter an allen Universitäten nur Latein, so wurde es nach den Vorlesungen des Juristen Christian THOMASIUS an der Leipziger Universität ab 1687 üblich, auch deutsch zu sprechen. Nur die Verteidigungen von Dissertationen mussten noch lange Zeit danach lateinisch bestritten werden. Ein Physiker, der die alten Sprachen nicht wie gefordert beherrschte, hatte sich deshalb einen Spickzettel gefertigt, den er bei jeder Frage, die er nicht verstehen würde, nutzte wollte. Auf seinem Notzettel stand denn auch ganz clever in schönstem Latein:

„Das kann sein, aber auch nicht sein.”

Man müsste annehmen, diese Allround-Replik wäre die genialste aller Antworten auf alle denkbaren Fragen. Denkste! Erst als die Anwesenden bei dieser Antwort entsetzt die Gesichter verzogen und unterdrücktes Lachen lauter wurde, war dem zukünftigen Herrn Doktor klar, dass etwas nicht stimmen konnte. Als er später erfuhr, dass der Fragesteller, ein würdiger und betagter älterer Herr Professor, sich nur erkundigt hatte, ob der Doktorand der Sohn eines Studienfreundes wäre, wurde ihm klar, wie dumm dieses Missverständnis gelaufen war.

Aber nicht nur dumme und kluge Menschen laufen Gefahr, Dummes zu bewirken oder zu erleben. Ganze Städte kamen in Verruf, besonders dumme und tölpelhafte Bürger in ihren Mauern zu haben. Dabei sind nicht etwa Ortschaften gemeint, die sich bereits aufgrund ihres blöden Namens verdächtig machen, die Heimstatt einer besonders dummen Bevölkerung zu sein. Aber es wird schon Gründe haben, warum Menschen ihre Städte und Dörfer zum Beispiel „Dummersdorf” oder „Dummerstück” nannten, warum es „Deppendorf” und „Neu Schwachhausen” ebenso in Deutschland gibt, wie etwa „Geistleiden” oder „Blödesheim”. /110/ Irre natürlich auch die Ortsbezeichnungen „Irrendorf”, „Irresheim” und „Irrhausen”. Aber mal „Ohnewitz”: „Geistleiden”, „Luschendorf” und „Aua” sind auch nicht viel klüger gewählt. Also nicht diese Ortschaften sind gemeint, sondern die, denen man literarisch die Dummheit ihrer Mitmenschen andichtete. Was in neuerer Zeit über „Schilda” und seine sprichwörtlichen „Schildbürger” verbreitet wurde, hatten in der Antike die Bewohner der ionischen Stadt „Abdera” zu erdulden. Obwohl aus ihrer Mitte auch so berühmte Zeitgenossen wie LEUKIPP, DEMOKRIT und PROTAGORAS hervorgingen, erzählte man sich über dieses Städtchen die „Ostfriesenwitze” der damaligen Zeit. Eine der ersten Witzsammlungen ist denn auch im „Philogelos” auf uns gekommen und manche der besten Anekdoten haben in neuem Gewand und mit modernen Hauptdarstellern bis heute als Witze überlebt. Selbst große Dichter hatten es sich zum Ziel gemacht, den von Menschen verzapften Schwachsinn anzuprangern und so benutzte schon Christoph Martin WIELAND den Fundus über Abdera und seine Bewohner, um Dummheit, Borniertheit und Selbstzufriedenheit in allen ihren Erscheinungsformen zu geißeln. /82/ Sein 1774 erschienenes Werk beantwortet auch eine der wichtigsten Fragen zur Geschichte der menschlichen Dummheit, nämlich wo sich die Orte Abdera und Schilda eigentlich befinden. Seine bis heute gültige Antwort lautete: /82/

„Abdera ist allenthalben und zu allen Zeiten”.

Dem können wir uns ohne Einschränkung anschließen. „Die menschliche Dummheit existiert allgemein, sogar bis in alle Ewigkeit hinein. Diese Dummheit gehört zum Menschen. Sie ist eine strukturelle Angelegenheit”, /116/ sagt uns der ungarische Schriftsteller Laszlo KRASZNA-HORKAI.

Deshalb gibt es nicht nur Orte, an denen sich Dummheit scheinbar kumuliert, sondern auch bestimmte Zeiten im Verlaufe eines jeden Lebens, in denen der Mensch mehr Dummheiten oder Sünden begeht als in anderen. Dies sollten wir nicht allzu tragisch sehen, denn dem ehrlichen Sünder steht seit jeher Vergebung zu. „Selig sind, die da geistlich arm sind; denn das Himmelreich ist ihr”, heißt es in der Bibel. /126/ NIETZSCHE wusste keck zu erweitern: „Selig sind die Vergesslichen, denn sie werden auch mit ihrer Dummheit fertig.” /116/ Erteilen wir also dem armen Sünder, Einfältigen und Dummen gleich zu Beginn die Absolution. Der durch seine Schlichtheit und Frömmigkeit so eindringlich wirkende deutsche Poet Matthias CLAUDIUS (1740-1815) brachte es auf die schöne Formel, die uns allen, den Klugen wie den Dummen gerecht wird:

„Im Bewusstsein ihrer moralischen Fleckenlosigkeit geht die Dummheit mit heiteren Gebärdendurch das Leben und tritt unbeschwert vor Gottes Thron: hier bin ich, Herr, wie Du michgemacht hast. Die Klugheit beginnt und endet mit Zweifeln. Sie ist sehr im Nachteil, weil aufeinen Klugen ungezählte Dumme kommen …” /109/

Was sollte der Herr auch gegen die Dummheit tun können, kämpfen doch „mit der Dummheit … Götter selbst vergebens”, wie SCHILLER in seiner „Jungfrau” zu sagen weiß.

Verzagen also auch wir angesichts der ungeheuren Dummheiten nicht. Halten wir uns besser an die Maxime, die uns Wilhelm THEOPOLD /109/ gegen diese unsere menschliche Schwäche mit auf den Weg gegeben hat. Gehen wir in eine ganz andere Richtung, dies mag uns mehr bringen als abverlangen: „Man soll über dem Vorzug, nicht dumm zu sein, nicht die Scheu verlieren, gelegentlich Dummheiten zu begehen. Denn man kommt dadurch vielleicht nicht ungeschorener, aber sicher glücklicher durch die Welt.”

Genug denn der dummen Vorstellung! Schauen wir uns diese Dummheiten, ihre eigentümlichen Ursachen, merkwürdigen Anlässe, unglücklichen Umstände und scheinbar unvermeidlichen Resultate näher an.

2. Gott, Geist, Gehirnquotienten

Vom Baum der Erkenntnis – Am Anfang war die Dummheit

„Wirklich unersetzlich in der Geschichte

der Menschheit waren nur Adam und Eva.“

Mark Twain

Gott schuf den Menschen nach seinem Ebenbild, heißt es in der Bibel. Dass schon hierbei und auch im Nachhinein nicht alles nach Plan ablief, kann man nachlesen. In der Tat berichtet schon das Buch der Bücher, dummerweise auch als Altes Testament bezeichnet, von zahlreichen Irrtümern, Fehleinschätzungen, großen und kleineren Pannen. Und da die Reinfälle schon bei der Schöpfung des Menschen begannen, wird verständlich, warum auch das edle Produkt dieses Schöpfungsaktes fehlerbehaftet sein musste, gewissermaßen nur ein Testprodukt sein konnte; Start einer Nullserie würde man heute sagen. Die Ergebnisse waren dementsprechend auch nur eingeschränkt verwendbar.

Er hieß ADAM, war nackt und erkenntnislos, was nicht dumm bedeutet. Sie hieß …?

Schon die nächste Schöpfungsnummer ist umstritten. Glaubt man einem jüdischen Schöpfungsmythos, so war nicht etwa EVA die erste Gefährtin unseres Ur-Urahnen, sondern ein Weib namens LILITH /28/. Als Adams erste Frau wird sie erstmals im 9. oder 10. Jahrhundert in der Schrift „Das Alphabet des Ben Sira“ erwähnt, aber schon eintausendfünfhundert Jahre zuvor hatte es bei der Fixierung der Bibel Probleme gegeben. Nach der einen Überlieferung, die auch wir heute allgemein nutzen, wurde Eva aus Adam erschaffen, nach der anderen Überlieferung erschuf Gott die beiden Frauen gleichzeitig. War es für einen Menschen mit Lebenserfahrung schon schwer vorstellbar, zwei Frauen nur einem Mann geben zu wollen, so hatte man damals für die beiden Varianten ein und derselben Schöpfungsstory erst recht keine plausible Erklärung. Erst die Ben Sira-Schrift, nach jüdischer Auffassung ein Werk im hohen Rang eines Midrasch, spricht wieder davon und erklärt den Sachverhalt näher. Danach hatte Gott zunächst aus Erde sowohl Adam als auch Lilith geformt. Und wie noch heute in manchen Ehen durchaus üblich, stritten sich die Gatten um Höheres und Niederes. Im Wortlaut heißt es:

„Bald begannen sie miteinander zu streiten. Sie sagte zu ihm: Ich will nicht länger unten liegen.Er aber sagte: Ich will nicht unten liegen, sondern oben, denn du bist dazu bestimmt, unten zuliegen. Sie sagte zu ihm: Wir sind beide gleichberechtigt, denn wir sind beide aus Erde geschaffen.Aber sie hörten nicht aufeinander.“

Wie so oft ging es auch damals im ersten Gespräch natürlich um „Sex”, das „Thema Nr. 1“, über das schon unsere Ur-Urahnen geteilter Meinung waren. Solls ja geben, öfter als man(n) glaubt.

Nach diesem Grundsatzgespräch, so steht geschrieben, entfloh Lilith durch die Luft. Als es auch drei Engeln nicht gelang, die erste Ehe zu kitten, bekam Adam endlich seine Eva.

Später fand der Lilith-Mythos auch Eingang in die Kabbala, galt die Exfrau Adams als unheilbringende Dämonin, Kinderschreck, rothaarige Hexe, als eine die Männer verführende Hure, Samenräuberin und Gefährtin des Samael. Samael ist hebräisch und nichts anderes als der Teufel selbst. Noch im Mittelalter werden wir von Lilith hören, haben doch Hexen dann erst aufgrund anderer Dummheiten ihre Hochkonjunktur.

Dürfen wir dem Ganzen Glauben schenken, so war also die Schöpfung des ersten Menschenpaares ein Reinfall, ein Flop, wie wir heute in modernem Amerikadeutsch sagen würden. Und: „Jede Dummheit findet einen, der sie macht”, wusste schon Tennessee WILLIAMS. /111/

Da aber jeder eine zweite Chance bekommen sollte, schuf Gott dem Adam dankenswerterweise seine zweite Frau. Diesmal mit verbesserter Technologie, aus der Rippe des Lilith-Ex. „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei”, sagte sich Gott laut dem 1. Buch Mose 2,18. Und weiter heißt es: „Da ließ Gott der Herr einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen, und er schlief ein. Und er nahm eine seiner Rippen und schloss die Stelle mit Fleisch. Und Gott der Herr baute ein Weib aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm. (1. Mose 2,21-22) Adam darf nach seiner Narkose sogar eine Bezeichnung für „es” aussuchen und logisch folgt ADAMs Gedankengang: „Das ist doch Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch; man wird sie Männin (hebräisch: ischa) nennen, weil sie vom Manne (hebräisch: isch) genommen ist. (1. Mose 2,23) Gott hat also „Mann” und „Männin” geschaffen und sie miteinander bekannt gemacht. Verheiratet hat er sie nie, das können auch heutige Priester nicht, wie manche fälschlich glauben. Zur Heirat genügt und genügte immer nur das gegenseitige Versprechen der beiden Betroffenen, alle anderen, wie Schamanen, Häuptlinge, Priester oder Hochseekapitäne, die die rituelle oder liturgische Handlung begleiten, geben nur einen Segen oder bestätigen nur, dass der Ehebund soeben zustande gekommen ist. Nur das „Ja” der beiden zählt, nichts anderes.

Die gute Idee mit der Schöpfung aus ADAMs Rippe, die fast modernem biomedizinischem Kenntnisstand entspricht, fand aber auch immer wieder Kritik und musste noch im Mittelalter für dumme Frotzeleien herhalten. So meint Hans SACHS in einem seiner Schwänke, „Die Frau sei aus dem Schwanz des Hundes geschaffen, der im Paradies diese Rippe stahl. Deshalb müssten die Frauen allzeit ‚widerreden und bellen’.“ /28/ Nicht gerade nett, dieser SACHS, seines Zeichens „Schuh-Macher-Meister und Poet dazu“.

Aber der sogenannte Sündenfall hatte wesentlich dramatischere Auswirkungen, als SACHS hier witzelt. Ein ganz eigenes Kapitel Dummheit ist hiervon abzuleiten, wie schon gesagt und noch zu zeigen sein wird.

Lilith wird natürlich auch für Evas Sündenfall verantwortlich gemacht. Nachträglich schiebt man ihr die Schuld dafür in die (hochhackigen) Schuhe, dass Adam nicht standhaft blieb. Sie sei, so in einem weiteren Sohar-Mythos, die Schlange, die Eva anstiftete, Adam zu verführen. Eigentlich gab es keinen Grund zur Renitenz, denn beiden ging es im Stadium völliger Unwissenheit recht gut:

„Die beiden Stammeltern der Menschheit, in aller Unschuld in ein prachtvolles Paradieshineingeboren (beziehungsweise erschaffen worden), hatten es in der Hand, uns allen, ihrergesamten Nachkommenschaft, ein glückliches und sorgenfreies Leben zu garantieren. Sie hättensich nur anständig benehmen müssen, so wie der Liebe Gott es ihnen aufgetragen hat. Aberstattdessen haben sie den Menschheitsfrieden gründlich vermasselt. Versager, alle beide!“ /10/

Was war passiert? Sie, Eva, hatte wider die göttliche Warnung gehandelt:

„Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen. Von dem Baum der Erkenntnis des Gutenund Bösen aber darfst Du nicht essen. Denn am Tage, da du davon issest, musst du sichersterben.“ (Gen. 2,16f)

Gott wusste wohl, dass erst mit der Erkenntnis auch die Dummheit entsteht, denn nur wo Licht ist, ist auch Schatten. Und diese dummen Schatten wollte der Schöpfer von der Geschichte der Menschheit fernhalten. Gut gemeint. Aber: Gott denkt, der Mensch … (?) begeht die Dummheiten. Und: Ein Missverständnis war es nicht! Die verführte und verführerische Eva wusste genau, wovon gesprochen ward:

„Von den Früchten der Bäume des Gartens dürfen wir essen, nur von den Früchten des Baumes,der mitten im Garten steht, hat Gott gesagt: Ihr sollt nicht davon essen und nicht daran rühren,damit ihr nicht sterbet.“ (Gen. 3,2 f)

Und so ist es passiert, dass zwar der Mensch nicht mehr unsterblich sein kann, aber seine Taten können es. Schlimm nur, dass es viel häufiger die Dummheiten sind, die in der Geschichte hängen bleiben und somit ihren Teil zur Unsterblichkeit menschlichen Handelns beitragen.

Kaum hatten die beiden die verbotene Frucht (die übrigens kein Apfel war) gekostet, begann auch schon das Menscheln auf ganzer Breite.

- Man erfindet die Ausrede:

„Das Weib, das du mir beigesellt hast, gab mir von dem Baum, und ich aß.“, so Adam.(Gen. 2,12)

- Man erfindet, die Schuld auf andere zu schieben:

„Die Schlange hat mich verführt, und ich aß.“, so Eva. (Gen. 2,13)

Gott ist verständlicherweise sauer. Als Strafe haben wir nun die Arbeit „im Schweiße“ unseres Angesichts, die „Dornen und Disteln“ und alle sonstigen göttlichen Mühsale unseres Menschenalltags. Die Frauen müssen unter „Schmerzen … Kinder gebären“ und wir alle sind „Staub“, müssen nach dem nun so beschwerten Dasein, das wir Leben nennen, auch „zum Staub“ zurückkehren. (Gen. 3.16-3,19). Besonders die später von übereifrigen Kirchenvätern dazugeschöpfte Mär von der Erbsünde und deren Folgen wuchs sich im Christentum zu Dummheiten aus, die jeder Beschreibung spotten (vgl. Kap. 5). Und so treiben die im Keime kaum sichtbaren Schöpfungsfehler auch noch nach Tausenden Jahren Menschheitsgeschichte als Zeichen des menschlichen Schwachsinns prächtige Blüten.

Ob das gewollt war? So oder so, nach dieser, seiner Schöpfung musste sich Gott erst einmal ausruhen. Wer kann es ihm übel nehmen?!

Es war das Bestreben des Menschen, Gott gleich zu sein, das dann den ersten Ungehorsam unserer Ahneltern ADAM und EVA im Paradies heraufbeschwor (1.Mose 3). Diese Sünde tragen wir nun als Erbsünde, als „die vom Sündenfall ADAMs herrührende Verfallenheit aller Menschen“ mit uns im Gepäck des Lebens. Eine Erbsünde, die „Leid und Tod sowie ausnahmslose Erlösungsbedürftigkeit zur Folge hat“ (Röm. 5,19). Ausdruck dieser generellen menschlichen Verfallenheit ist die persönliche Sünde. Und dann ist da noch die sogenannte Todsünde. Sie zu begehen heißt im allgemeinen abendländischen Verständnis und nach katholischer Lehre, dass der Mensch aus voller Erkenntnis und freiem Willen in einer „wichtigen“ Sache eine schwere Sünde begeht. Na ja, was ist schon wichtig? Wann hat der Mensch schon volle Erkenntnis? Wie oft ist es sein freier Wille?

Der mit den Kirchenvätern aufkommenden Mode, allein der Frau den Sündenfall zuzuschieben, lässt sich schon mit einfacher Logik begegnen. Wenn Eva der Versuchung des Teufels nicht widerstehen konnte und deshalb die Frauen als das schwache Geschlecht gebrandmarkt (und als Hexen verbrannt!) wurden, ADAM aber sogar den süßen Verlockungen eines schwachen Weibes erlag, so muss doch wohl ADAM der weitaus schwächere Charakter gewesen sein. Man sieht, die Theorie vom schwachen Geschlecht hinkt wie der Teufel selbst!

Aber nicht alle menschliche Dummheit war schon in seiner Schöpfung angelegt. Die eigentlichen Sünden wurden erst mit der Auslegung des Gotteswortes begangen, oft ganz freiwillig und in voller Erkenntnis, sozusagen todsündenhaft. Und so muss man(n) sich den Vorwurf gefallen lassen, weder vor der Erkenntnis noch vor der Dummheit gefeit zu sein. Um die Eigenwilligkeit mancher Menschen bei der Deutung des Gotteswortes zu illustrieren, soll an dieser Stelle ein weniger drastisches Beispiel zur Interpretation des Sündenfalls gebracht werden. Die „dumme Deutung” beginnt schon damit, dass ausgewiesene Bibelkenner, häufig Theologen, das hebräische Original der Heiligen Schrift für ihre Zwecke einfach so nebenbei mal falsch übersetzen. Kritiker wissen: „Wenn der Urwortlaut nicht in diese oder jene Theorie oder Ideologie hineinpasst, wird häufig der Text stillschweigend ‚zurechtgebogen’. So z.B. spricht das II. Vatikanum in der Konstitution ‚DIE VERBUM’ von der Offenbarung Gottes an die ersten Menschen und fährt fort:

‚Nach ihrem Fall hat er sie wieder aufgerichtet in Hoffnung auf das Heil, in dem er die Erlösungversprach’,

wobei auf Gen 3,15 hingewiesen wird – eine Textstelle, die in der katholischen Theologie das ‚Protoevangelium’ genannt wird. Warum? Weil hier nach einer textwidrigen Deutung Gott den Stammeltern verheißen habe, dass JESUS, der Sohn Marias, der Schlange als der Versucherin das Haupt zertreten werde. Im Original aber sagt Gott zur Schlange:

‚Feindschaft will ich stiften zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Samen und ihremSamen; er wird dir das Haupt zertreten und du wirst nach seiner Ferse schnappen,’ – was nichtsanderes als eine dauernde Feindschaft zwischen Menschheit und Schlangenbrut verspricht. Allesandere klingt wie Hineinlesung in den Bibeltext.“ /2/

Was hier der jüdische Neutestamentler LAPIDE in seinem Buch über die Bibel zu Textbeginn noch mutig „Zurechtbiegen“ nennt und dann abschließend etwas versöhnlicher als „Hineinlesung“ charakterisiert, ist natürlich schon ein heißes Ding. Man bastelt sich neben den überlieferten Evangelien noch eine „Proto”-Ausgabe, also eine „wichtigste, vorderste, erste” Ausgabe der Frohbotschaft über JESUS in die hebräische Bibel hinein, um so eine uralte Voraussage für das dann selbst Gestaltete zu haben. JESUS soll also der Schlange den Kopf zertreten, nicht „er”, der „Same”, die Nachkommenschaft allgemein. Klug gemacht, diese nachträgliche Verbindung von „Neuem“ und „Alten“ Testament durch sündhaft übersetzerisches Geschick.

Dies nur als ein Beispiel, denn die Menschen leisten sich viele solcher „klugen Dummheiten“. In Hülle und Fülle gibt es sie allein bei der Bibelübersetzung, denn wer – um Gottes Willen – beherrscht schon Hebräisch (?) !

Nicht immer ist es zielgerichtete Absicht, wenn eine Übersetzung nicht ganz gelingt.

Noch bevor der hochzurühmende CHAMPOLLION, der uns im nächsten Kapitel zu interessieren hat, die ägyptischen Hieroglyphen übersetzte, versuchte dies der Jesuitenprofessor Athanasius KIRCHNER (1602 – 1680). Niemand nimmt ihm übel, dass er das Problem nicht bewältigte, aber seine Geschichte zeigt, wie schwierig solche Erstübersetzungen nun mal sein können und wie dumm dann auch deren Resultate sind. „In einem 1650 erschienenen Werk übersetzte er die Zeichen, welche in Wirklichkeit ‘Osiris sagt’ bedeuten, folgendermaßen:

‚Das Leben der Dinge nach Typhons Besiegung, die Feuchtigkeit der Natur, durch die Wachsamkeitdes Anubis’.” /82/

Na ja, bissel zu lang. Aber Phantasie hatte der Mann, muss man zugestehen.

Alles begann am 23. Oktober des Jahres 4004 vor Christi Geburt

„Wenn man sieht,

was der liebe Gott auf der Erde alles zulässt,

hat man das Gefühl,

dass er immer noch experimentiert”

Peter Ustinov

Peter USTINOVs Gefühle trügen ihn scheinbar nicht. Auch Friedrich HEBBEL hatte geraten: „Der Mensch soll sich selbst als ein Experiment der Natur begreifen.”/ 125/ Wann aber wurde dieses Experiment gestartet? Wann fand diese Schöpfung statt?

Wann dieses ganze Tohu wa bohu angefangen hat, das dann vom Chaos zur menschlichen Ordnung führen sollte, hat man schon vor über 400 Jahren ganz genau errechnet: Anfang September, an einem Sonntag im Jahre 4004 v. Chr. soll es gewesen sein, als die Schöpfung begann. So jedenfalls hat es der Bischof James USHER (1581 – 1656) in seinen „Annalen der Welt” für die Nachwelt mathematisch exakt ermittelt. Wie kam der irische Mönch auf dieses Datum? Nun ja, er las die Bibel, rechnete anhand der Genealogien und Altersangaben alttestamentarischer Helden eins und eins zusammen und hatte das perfekte Datum! Clever, nicht? Nach jüdischer Chronologie war es allerdings etwas später, um exakt zu sein erst Ende Oktober des Jahres 3761 v. Chr. /59/ Oder war es gar der 11. August 3114 v. Chr., ein Datum, das als Beginn des Maya-Kalenders gesehen wird? /35/ Oder sollten wir uns nach den Chinesen oder diversen Indianern richten, die ja auch alle ihre eigenen Weltenanfänge haben? Na ja, ganz Genaues weiß keiner exakt. Die Palette reicht von einigen Tausend Jahren bei den bibelgläubigen Kreationisten bis zu einigen Milliarden Jahren unserer Naturwissenschaftler.

Auch der altklugen ägyptischen Priester hatte man sich bedient, um biblische Ereignisse zeitlich zu fixieren. Ein wirklich herausragend Kluger seiner Zeit war der Priester MANETHO. Er erhielt vom ägyptischen König PTOLOMÄUS II. (285 – 246 v. Chr.) den Dienstauftrag, eine Geschichte Ägyptens zu schreiben, in griechisch, wie es damals auch in Ägypten schon üblich war. MANETHO konnte für seine Historienrecherchen noch die literarischen Schätze der Tempelarchive, zahlreiche Wandinschriften, umlaufende Erzählungen und alte Königslisten nutzen. „So beschrieb er eine Zeit, in der die Götter über die Menschen in Ägypten geherrscht hatten. Danach erst begann die Herrschaft der 31 Dynastien von König Menes bis Alexander dem Großen.“ /26/ Die noch bis heute hilfreiche Fleißarbeit des Historienpriesters MANETHO wurde auch hier und da von Bibelforschern verwendet; immer dann, wenn es darum ging, das biblische Geschehen zeitlich einzuordnen und für die christliche Chronographie eine plausible Zeitachse zu finden. „Dabei haben sie keine Hemmungen, notfalls diese zurechtzubiegen, um sie der biblischen Chronologie anzugleichen…“. /31/

Schon wieder dieses „Zurechtbiegen“, wenn es um die Bibel geht. Was war denn nur so vieles krumm, das eines Zurechtbiegens bedurfte?

Dass irgendwas dumm war an der Errechnung des ersten Schöpfungstages war sicherlich auch dem Papst spätestens seit den ersten Beschreibungen ägyptischer Altertümer irgendwie klar. Es war geradezu gefährlich, durch archäologische, ägyptologische, biologische und all die anderen logischen Wissenschaften aufgeklärt zu werden, dass die Entstehung der Menschheit nicht so verlaufen war, wie es die Bibel so schlicht und plausibel erzählte. Dumm genug, dass schon ein gewisser Charles DARWIN 1859 ein unnötiges Buch „Über die Entstehung der Arten“ geschrieben hatte, das die stammesgeschichtliche Entwicklung der Lebewesen so ganz anders sah, als es die Bibel wiedergab. Manche schoben ihm unter, er hätte sagen wollen, dass der Mensch vom Affen abstamme und noch heute hält sich die schöne Anekdote, in der klein Fritzchen seinen Vater fragt, ob dies wirklich so sei. Der empörte Vater darauf: „Du vielleicht, nicht aber ich!” Dieser DARWIN (1809-1882) hatte selbst einmal vernünftigerweise Theologie studiert und war nun als Naturforscher dabei, mit Vernunft und mit seinem Darwinismus die ganze schöne Schöpfungsgeschichte anzuzweifeln. Was hatte man sich seitens kirchlicher Stellen schon darum bemüht, derart aufrührerischen Wissenschaftlern das rechte Bibelverständnis nahe zu legen, diesen Ketzern, wie diesem Franziskanermönch Roger BACON (1214 – 1294) oder einem Heißsporn wie Giordano Filippo BRUNO (1548-1600.) oder dieser Italiener Galileo GALILEI (1564-1642), diesem Naturforscher, den die Inquisition schon 1616 ermahnen und später unter Hausarrest stellen musste. Was wollten die nur alle?

Von GALILEI wissen wir, er gab nach. „Der Gescheitere gibt nach! Eine traurige Wahrheit. Sie begründet die Vielherrschaft der Dummen”, so Marie von EBNER-ESCHENBACH. Und genau diese Herrschaft hielt noch Jahrhunderte nach GALILEIs Tod an.

BACON, Philosoph, Naturforscher und Professor in Oxford lehnte schon früh die Scholastik ab, trieb sogar auf Grundlage von Mathematik und Experiment seine Wissenschaft. Wahrlich, ein spitzer Dorn im Auge der mittelalterlichen Kirche. Und seine Feststellungen, dass man selbstfahrende Land-, Luft- und Wasserfahrzeuge bauen könne und man den Meeresboden erforschen müsse, waren ja wohl die pure Dummheit. Auch was er sonst noch so schrieb, geradezu undurchsichtig! „Es ist möglich, durchsichtige Gläser so zusammenzustellen, dass weit entfernte Gegenstände unserem Auge ganz nahe gebracht werden, dass wir aus unglaublicher Entfernung ganz kleine Buchstaben lesen können und die Sterne beliebig nahe an uns heranzubringen vermögen“ /32/, stellt der so mir nichts dir nichts in seiner „Epistola de secretis artis et naturae“ fest. Alles häretischer Spuk, der bestraft werden musste. 16 Jahre, bis zu seinem Lebensende, kerkerte man ihn ein. Das schien nur gerecht! Schließlich wusste man doch: „Allen Dingen hat der liebe Gott Grenzen gesetzt, nur nicht der Dummheit.” /114/

Und dann dieser Nikolaus KOPPERNIGK (1473-1543) oder COPERNICUS, wie die Lateiner sagen. Genügte ihm sein Posten als Domherr etwa nicht? Muss der Mann sich auch mit Medizin, Jurisprudenz und vor allem Astronomie beschäftigen? Was hatte der gegen das schöne Ptolomäische Weltbild? Konnte er die Erde nicht in der wohlbekannten Mitte lassen?

„Kein fortschrittlicher Gedanke konnte laut werden, ohne dass er sofort durch ein aus irgendeiner geheiligten Schrift hervorgekramtes Zitat oder eine Geschichte aus der Bibel im Keim erstickt worden wäre. Bekannt ist der Fall JOSUAs, der bei der Belagerung Jerichos aus taktischen Gründen die Sonne zum Stillstand brachte. Dies genügte LUTHER, um den kopernikanischen Lehrsatz als puren Unsinn zu erklären, denn, so lautete LUTHERs Gegenbeweis, würde sich die Erde um die Sonne drehen, hätte JOSUHA nicht die Sonne, sondern die Erde stillstehen lassen.“ /32/ Tja, Glauben allein genügt eben nicht und auch hier gilt die alte Spruchweisheit: „Dummheit ist glauben, genug zu wissen.” /114/ Einem gebildeten Mann wie Luther Dummheit aus Unkenntnis vorzuwerfen, wäre aber ebenfalls dumm. Erstens war er kein Sternenkundiger und zweitens lebte er in einer Zeit, die nicht unbedingt vor astronomischer Aufklärung strotzte. Aber musste er sich dann überhaupt so vehement zu diesem Problem äußern? „Wenn die Menschen nur über das sprächen, was sie begreifen, dann würde es sehr still auf der Welt sein”, hatte Albert EINSTEIN erkannt /115/ und sicher war es bei LUTHER so, dass er keine stille Welt mochte. Aber die Art seiner Beweisführung und die irre Logik dieses bibliolatrinischen Geschwätzes, das alles war pure Dummheit. Vielleicht hätte LUTHER auch die Worte seines Namensvetters LUTHER BURBANKs bedenken sollten, der, allerdings erst einige Jahrhunderte später, in solchen Fällen empfahl, „wenigstens von Zeit zu Zeit seine Vorurteile neu zu gruppieren.” /115/ Auch und vielleicht gerade zu dieser Zeit, der Zeit der Reformation. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass man damals in gelahrten klerikalen Kreisen heftig unter Druck geriet. Seit eintausendfünfhundert Jahren war das Weltbild nun festgezurrt, und immer wieder gab es diese Denker, Forscher, Abweichler, Ketzer!

Konnte man BACON ehedem aufgrund seiner unvergleichlichen und undurchschaubaren Weitsicht noch als verwirrten Geist abtun, so war das mit BRUNO schon anders. Der sah sich als Naturphilosoph, war von Denkern wie Nikolaus von KUES, Ibn SINA, Ibn RUSCHD und dem Neuplatonismus beeinflusst und vermittelte ein ganzes Weltbild, das dem der Kirche nun gar nicht entsprach. Er propagierte sogar die Lehren dieses KOPERNIKUS’, sprach von einem unendlichen Kosmos und der Existenz vieler Welten. Er vertrat den Atomismus, philosophierte über die Dialektik von Endlichkeit und Unendlichkeit, Einheit und Vielfalt, Allgemeinem und Einzelnem, Mikro- und Makrokosmos. Für die katholische Lehre ein unangenehmer, wenn nicht sogar unannehmbarer Mensch! Die Inquisition musste auch hier regulierend eingreifen. Man kerkerte ihn sieben lange Jahre ein und verbrannte den dummdreist Andersdenkenden dann auf dem Scheiterhaufen; ohne viel Federlesens!

Der Papst und die Kirche hatten genug. Sie brauchten kein neues Weltbild, schon gar keine Wissenschaft und andere dumme Dinge. Hatte nicht schon der ehrwürdige Kirchenvater Quintus Septimus Florens TERTULLIANUS (um 160 – um 220 n.Chr.) einst gegen den Unsinn der Wissenschaft gepredigt?

„… Wir bedürfen seit Jesus Christus des Forschens nicht länger, noch des Untersuchens, seit wirdas Evangelium besitzen. So wir glauben, verlangen wir über den Glauben hinaus nichts mehr.Denn das ist unser oberster Glaubensartikel: dass da nichts sei, was wir über den Glaubenhinaus noch zu glauben hätten.“ /16/

Hatte der erste lateinische Kirchenschriftsteller damit nicht deutlich genug gesagt, dass Glaubensgrundsätze prinzipiell nicht beweisbar seien, waren seine Grundlagen der christlichen Dogmatik umsonst formuliert worden? Die viele Arbeit, die vielen Bücher! Neue wie alte.

Genügte die Bibel nicht, um alles zu erklären?

Und nun auch noch diese neunmalklugen Biologen und Ägyptologen!

In seinem Tatsachenroman „Der lange Weg nach Ägypten“ /24/ beschreibt der bekannte Ägyptologe Christian JACQ die Erforschung altägyptischer heiliger Stätten durch den berühmten Jean-François CHAMPOLLION. CHAMPOLLION (1790 – 1832), Entdecker der Bedeutung der Hieroglyphen, hatte nicht nur ein theoretisches wissenschaftliches Erbe von unermesslichem Wert hinterlassen. Von Juli 1828 bis Dezember 1829 war es ihm vergönnt, das historische Ägypten vor Ort zu studieren und sein Ägypten kennen zu lernen. Gewissermaßen ein Praxiseinsatz, von dem er ein Leben lang geträumt hatte. Die in JACQs Roman dargestellten Forschungserlebnisse basieren auf mündlich oder schriftlich überlieferten Zeugnissen und geben die Sachverhalte der damaligen Expedition des „Ägypters“, wie man CHAMPOLLION nannte, sehr gut recherchiert wieder. Unter anderem berichtete CHAMPOLLION, dass der Expedition auch ein eigentümlicher Vertreter des Vatikans zugeteilt wurde. Pater BIDANT, wie er sich nennen ließ, hatte eigens deshalb die beschwerliche Reise angetreten, um den „historischen Inhalt“ der Bibel vor etwaigen widersprechenden neuen Erkenntnissen der Ägyptenforscher zu schützen. Er war der erwählte Bewahrer, der genaue Aufpasser, den man wohl für nötig hielt. Wörtlich gibt JACQ die Meinung CHAMPOLLIONs über die eigentlichen Aufgaben Pater BIDANTs wieder:

„Seine Anwesenheit war mir kein Grund zur Freude. Die kirchlichen Autoritäten hatten ihnbeauftragt sicherzustellen, dass meine Expedition die Grundsätze der Religion nicht verletzte.Man fürchtete in der Tat, die biblische Chronologie könne durch ungelegene Entdeckungen aufägyptischem Boden in Frage gestellt werden.“

Mit großer Spannung darf der Leser des JACQschen Expeditionsberichtes dann die Erforschung der alten heiligen Stätten im Nildelta miterleben, bei denen auch der alles beobachtende BIDANT nichts versäumen darf, um seinen Einfluss auf solche Entdeckungen geltend zu machen:

„Es kam die Nacht des 16. September, die wir alle mit kaum gezügelter Ungeduld erwarteten.Nachdem wir das Dorf Es-Ssafeh passiert hatten, legten die Schiffe an, und wir hatten Gelegenheit,die erste bedeutende Stätte zu erreichen, die damit endlich anderen zugänglich wurde alsAntiquitätenplünderern: das geheimnisvolle Sais, für die Alten ein Zentrum hoher Weisheitunter dem Schutz der Göttin Neith. Sie hatte durch das Aussprechen von hundert Worten dasUniversum geschaffen und das Leben gewebt, dessen Geheimnisse von Priesterinnen weitergegebenwurden, welche die heiligen Stoffe für ganz Ägypten herstellten.“

Vehement versuchte der Priester zu verhindern, dass dieser berühmte Ort überhaupt erkundet werde. Mit „sollte“ und anderen rhetorischen Tricks „wollte“ man noch retten, was zu retten war.

„Wir sollten in Sais nicht anhalten. Dieser Ort ist fluchbeladen. Lassen sie uns bis Kairo weiterfahren“. CHAMPOLLION glaubte sich verhört zu haben, war doch die Erkundung dieser wichtigen Stätte ein wesentliches Anliegen der gesamten Expedition. Aber der Pater ließ nicht locker: „Sie sind ein großer Gelehrter, Champollion, aber ebenso groß ist ihre Naivität. Diese Gegend ist von Dämonen bevölkert. Sie sind nicht ungefährlich. Glauben Sie mir: Wir sollten Sais meiden.“ Halb verärgert und halb belustigt entgegnete Champollion: „Was könnte der christliche Glaube an dieser alten Stadt Anstößiges finden, Hochwürden? Soweit ich weiß, sind hier keine Dokumente erhalten, die die Bibel in Frage stellen.“ /24/

Vermutlich aber kannte der Vertreter des Vatikan die alten Schriften des HERODOT (um 484 – 425 v. Chr.) ebenso gut wie auch die Ägyptenforscher. Schon dieser griechische Geschichtsschreiber hatte ja pedantisch aufgezeichnet, was ihm ägyptische Priester anvertraut und gezeigt hatten: dass es nämlich schon lange vor den bekannten ägyptischen Königen die lange Reihe der vordynastischen Herrscher gegeben hatte. Sollte das etwa bedeuten, die Welt, die Erde, die Schöpfung und gar wir Menschen existieren länger, als man es aus der Bibel errechnet hatte?

Das konnte nicht sein, weil es nicht sein durfte. Noch heute glauben die Kreationisten an die unbedingte Bibelwahrheit und daran, dass es die Evolution nie gab. /33/ Noch heute darf in manchen amerikanischen Schulen der Darwinismus nicht gelehrt werden. Noch heute hält so mancher am Glauben vom Beginn der Menschheitsgeschichte am 23. Oktober 4004 vor Christi Geburt fest.

„Dummheit befreit nicht vom Denken”, wie der polnische Satiriker Stanislaw Jerzy LEC (1909 – 1966) es auf den Punkt zu bringen wusste. /116/ Und Denken sollte auch und gerade beim Lesen der Bibel nicht vergessen werden. Denn eine Vergötterung der Heiligen Schrift ist selbst dem Gläubigen nicht gestattet. Eine derartige Glaubenspraktik verbietet sich aus der Bibel selbst und damit aus sich heraus. „Bei aller Ergebenheit vor dem biblischen Grundwort und seiner Sinntiefe muss hier dennoch vor der ‚Bibliolatrie’ gewarnt werden, jener wörtlichen Anbetung Der Schrift, die, zutiefst gesehen, einem Vergehen gegen das Bilderverbot gleichkommt: ‚Du sollst Dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen …“ /2/ heißt es da sinnvoller Weise (Ex 20,4).

Na, also! Es kommt nicht darauf an, die Bibel zu interpretieren. Es kommt darauf an, sie nicht zu verändern!

In Heiligen Zeichen für die Ewigkeit

„Der Vorteil der Klugheit besteht darin,

dass man sich dumm stellen kann.

Das Gegenteil ist schon schwerer.”

Kurt Tucholsky

So wenig, wie wir über den genauen Schöpfungszeitpunkt unterrichtet sind, so wenig Verlässliches wissen wir aus der Frühzeit des geschöpften Menschen.

Von den ersten Dummheiten aus der grauen Vorzeit berichtet aber nicht nur die Bibel, sondern auch die ägyptischen Legenden; Natürlich stilecht verfasst in Hieroglyphen, den Heiligen Zeichen der Hochkultur am Nil. In Tempelwände gehämmert und auf Papyri gegriffelt wimmelt es da in allen Epochen nur so vor Irrtümern und dummen Taten. Selbst die Götter sind nicht ausgenommen. Ein Beispiel: Schon kurz nachdem der Schöpfergott ATUM nach ausgiebiger Masturbation sich und das erste Stück Erde geschaffen hatte, war zwar das Chaos vorbei, aber der Schlamassel begann. Auf gut ägyptisch sah das dann so aus:

Die Himmelsgöttin NUT streitet sich ständig mit ihrem Ehegemahl, dem Erdgott GEB. Vonhöchster göttlicher Instanz muss sie deshalb von ihrem Göttergatten für immer getrennt werden.Himmelgöttin nach oben, Erdgott nach unten.

Wir können uns eigentlich dafür bedanken, gibt es doch seither Himmel und Erde.

NUT trifft sich trotzdem zu verbotenen Schäferstündchen, und das nicht nur mit ihrem Angetrauten. Erst als später bei der Göttin ganz menschliche Anzeichen von Schwangerschaft auftreten, wird sie sich ihrer Dummheiten bewusst. Sonnengott RE verbietet ihr sogar, an irgendeinem der 360 Tage des altägyptischen Jahres zu gebären. NUT bittet daraufhin einen ihrer Liebhaber, etwas zu unternehmen. THOT, der scheinbar klügste ihrer Beischläfer, lädt den Mond zu einem Brettspiel ein. Dumm wie der ist, durchschaut er das eigentliche Spiel nicht und verliert dabei eine Menge Glanz und Licht. Sein geschickter Gegner sammelt das Erspielte, um daraus Tage zu machen und das Jahr einfach um 5 mal 24 Stunden zu verlängern. Nun kann die Hochschwangere gebären, an jedem der neuen 5 Tage wird ihr ein göttliches Kind geschenkt.

Die Dummheit der Götter war wieder das Glück der Menschen, haben wir doch seitdem unser Jahr zu 365 Tagen.

Eines der NUT-Kinder, der Erstgeborene OSIRIS, war scheinbar ein besonders begabtes Kerlchen. Schon bald wird er zum legendären Gottkönig und Kulturbringer am Nil. Zuhause erfolgreich, drängte es ihn, die Früchte seiner Politik auch den Nachbarländern zukommen zu lassen. Als er ahnungslos von seinen Auslandsreisen zurückkehrt, gibt ihm sein jüngerer Bruder SETH ein großes Willkommensfest. Was KAIN konnte, kann SETH schon lange und so verwirklicht der Bruderschurke einen hinterhältigen Plan. Eine teure, reich verzierte Truhe wird in den Festsaal getragen. Wie immer: Mit Speck fängt man Mäuse. Derjenige, so verkündet der hinterlistige Königsbruder, der in die wertvolle Kiste hineinpasst, der soll sie als Geschenk erhalten. Wer geht hinein? Wer fällt herein? Dreimal darf geraten werden. Der leichtgläubige OSIRIS, sonst der klügste Kulturbringer, ist so dumm.

SETH und seine 72 Spießgesellen verschließen die Truhe, versenken sie im Nil und glauben sich so an der Macht. Nur der cleveren ISIS, Halbschwester und Gemahlin des OSIRIS ist es zu verdanken, dass die Geschichte für die Geschichte noch einigermaßen gut ausgeht. ISIS zeugt auf wunderbare Weise mit dem ermordeten (!) OSIRIS und nunmehrigem Herrscher des Totenreiches den Thronnachfolger HORUS. Nach mehrjährigen Erbstreitigkeiten und Prozessen vor dem ägyptischen Göttertribunal wird ihm die rechtmäßige Regierungsnachfolge zugesprochen. Na endlich, den Göttern sei Dank!

Auch diese Erbstreitigkeiten zeugen von der Dummheit und Unentschlossenheit der Götter. Ein 3000 Jahre alter Papyrus aus der heiligen Tempelstadt Theben berichtet von diesem spektakulären Göttertribunal. /26/ Ganze 80 Jahre zog sich der Streit nun schon hin. Auch das Hohe Tribunal benötigt unverschämt viel Zeit, um dann letztendlich doch nicht selbst zu entscheiden. Es ist wie in heutigen Untersuchungsausschüssen. Es dauert ewig, nichts passiert, alle bekommen Geld und keiner will es gewesen sein. Zigmal werden Experten herangezogen, alle möglichen Zeugen kommen zu Wort, ungefragte Götter mischen sich in den Streit. Hinterlist und gemeine Anschläge sind an der Tagesordnung. Dümmer geht’s nimmer, möchte man angesichts dieses lebenslangen Erbstreites aufschreien. Als das Durcheinander vor Gericht selbst für göttliche Hirne unentwirrbar wird, entscheidet OSIRIS kraft seiner Autorität aus dem Jenseits und bestimmt seinen Sohn HORUS als legitimen Nachfolger auf dem ägyptischen Thron. Prima! Aber warum nicht gleich so?

Alle ägyptischen Könige und Pharaonen der nachfolgenden Jahrtausende werden sich nun auf dieses Urteil berufen und „Söhne des Horus“ heißen. Der große Verlierer ist natürlich SETH, der jetzt ziemlich dumm dasteht und für alles Widerwärtige, für das Unfruchtbare, die Wüste, das Ausland und alles andere Unglück herhalten muss. Auch er hatte nun sein Etikett weg. Dumm gelaufen für ihn. Eine wichtige Rolle im Prozess spielten aber die Frauen, an der Spitze die clevere ISIS /27/. Der alte Papyrus über das Göttergericht ist somit auch einer der ersten schriftlich fixierten Siege weiblicher Raffinesse über die männliche Tumpheit. Gleichzeitig aber auch über den Beginn der Männerherrschaft anstelle des Matriarchats. Mann oh Mann!

Sintflut über die Dummheit

„Ich will die Erde nicht wieder

um des Menschen willen verfluchen,

denn das Gedankengebilde des

Menschenherzens ist böse von Jugend an.“

Der hebräische Gott JHWH; Gen 8,21

„Nach mir die Sintflut“, ist ein geflügeltes Wort, wenn man sich nicht gern über das Kommende Gedanken machen will. JHWH, der Gott der hebräischen Bibel war da weitsichtiger. Er hat sich wiederholt den Kopf darüber zerbrochen, wie seine Schöpfung Mensch wohl bestehen wird. Waren schon die ersten Exemplare ADAM, LILITH und EVA nicht so gelungen wie gewollt, so waren es die Sprösslinge der zweiten Generation noch weniger. „Wir haben kaum die erste Familie, da treffen wir auch schon auf den ersten Mörder der Menschheit. Es ist KAIN, der Erstgeborene.“ /10/ Aus dümmlicher Eifersucht erschlägt er seinen Bruder ABEL, um kurz danach, ganz im Stile seiner Eltern, zu leugnen und gar zu lügen. „Feine Nachkommenschaft”, mag sich Gott gedacht haben. Und bis heute ist es menschlicher Brauch, einander die Köpfe einzuschlagen. Je dümmer der Anlass, desto größer die Keule. Selbst die Geschichtsschreibung ist zum überwiegenden Teil ein Schlachtengemälde. Nicht der fleißige und „art“-ige Mensch, sondern derjenige, der aus der Art und auf andere einschlägt, wird so verewigt. Das beginnt bei RAMSES II. und ALEXANDER, die sich die Großen nennen lassen, geht über die römischen Cäsaren, die abendländischen Kreuzzügler bis zu NAPOLEON und endet bei solch kleinen Würstchen, die heute noch zündeln und morden!

Kein Wunder, dass schon Gott bereute, diese Menschen geschaffen zu haben. Und als er sah, „dass die Bosheit der Menschen auf Erden groß war und alles Gedankengebilde ihres Herzens allezeit nur auf das Böse gerichtet war“, da „grämte er sich in seinem Herzen“. Wie aber diese Dummheit wieder gutmachen? JHWH fasste einen wenig einfühlsamen Entschluss: „Ich will die Menschen, die ich auf Erden geschaffen habe, vom Erdboden hinweg vertilgen, die Menschen samt dem Vieh, dem Gewürm und den Vögeln des Himmels. Denn es reut mich, dass ich sie gemacht habe“. (Gen 6,5 – 7)

Warum nun auch die Rindviecher, Kriechtiere und Vögel dran „glauben“ mussten, bleibt ewiges Geheimnis. Und so jagt eine Dummheit die andere.

Zuerst muss der etwas begriffsstutzige NOAH auserwählt werden, die letzten Reste vor der Sinnflut zu retten. Jedes Detail musste ihm Gott auftragen, selbst die Maße der Arche mussten genau übermittelt werden. Auch dass NOAH eine Tür anbringen sollte, musste ihm erst gesagt werden. Natürlich war es nötig, diese Anweisungen wiederholt zu wiederholen; damit es hängen blieb, sozusagen. Der cleverste war Noah anscheinend nicht, aber zuverlässig wie ein Beamter. Und dann die peinliche Sache im Suff, als nur die Umsicht seiner Söhne SEM und JAPHET den Menschheitsretter NOAH vor noch größerer Blamage bewahren. (Na, decken wir mal großzügig den „Mantel der Geschichte“ über diese Blöße.)

Aber trotz Paradiesvertreibung und Massenersäufung wurden die Menschen nicht klüger. Aus dem Sündenfall wird sogar ein Sündenpfuhl und so müssen auch Sodom und Gomorrha dran glauben. Da ist JHWH nicht zimperlich. Weg mit dem dummen Menschengeschlecht, unter denen es keine 10 Gerechten gab, wie ABRAHAM noch hoffnungsvoll glaubte. Wie ein geschickter Marktschreier handelte unser Stammvater mit Gott die Bedingungen für die bevorstehende Vernichtungsaktion aus. Von 50 über 45, 30, 20 bis zu 10 Gerechten schachert er, um die Menschen zu retten. Keine 10 (!) findet er, und so legt Gott die Städte erbarmungslos in Schutt und Asche. (Irgendwie gibt einem die Sache mit dem Ebenbild hier doch zu denken!)

Und wieder muss Gott einen Menschen auswählen, der ihm bedingungslos in allem folgt. Auch der scheint nicht die allergrößte Leuchte gewesen zu sein. Aber zumindest war er mutig, lernfähig und gläubig. Gemeint ist MOSES, der heldenhafte Führer seines Volkes durch die Wüste. Gesundes Misstrauen zeichnete ihn aus, man (und selbst Gott) konnte ihm nichts weiß machen. Als ihn sein unsichtbarer Gott zum ersten Mal aus dem brennenden Dornbusch heraus anspricht, fordert er sogar Beweise, dass es nicht irgendwer ist, der ihm da befiehlt. Die Beweise bekommt er, mehrere sogar, vom Stab-Schlangen-Wunder bis hin zur Schnellheilung des gefährlichen Aussatzes.

Als er gar einen der wichtigsten Menschheitsaufträge von Gott erhält und dumme Ausreden („Ach Herr, ich bin kein Mann des Wortes … Sende, wen du willst!“ – Ex. 4,10-13) nicht viel nützen, wird MOSES in die Pflicht genommen. Nach dem Willen des Herrn führt er sein Volk aus dem ägyptischen Schlamassel. Nicht ohne gehörige Pannen, wie man weiß. Erst vergisst er, seinen Sohn wie vorgeschrieben zu beschneiden, dann wird sein Auftritt vor dem Pharao eher zu einem Fehltritt, denn seine geknechteten Landsleute werden vom ägyptischen Herrscher nun um so mehr ausgebeutet. „Der liebe Gott musste die Sache letztendlich selbst in die Hand nehmen, insgesamt zehn Plagen über Ägypten schicken, auch noch das Rote Meer trocken legen, das ägyptische Heer ertränken und wochenlang für Wasser und Verpflegung mitten in der Wüste sorgen, damit die Israeliten endlich aus der Gefangenschaft Ägyptens entkamen. Als Held jedoch wurde MOSES gefeiert, der am wenigsten für all die Wunder konnte.“ /10/ Andere sahen den Auszug der Israeliten ganz anders. So berichtete der ägyptische Priester MANETHON im 3. Jahrhundert v. Chr., dass man die Juden wegen einer ansteckenden Hautkrankheit aus dem Nilland vertrieben habe. Nichts also mit heroischem Exodus. Krätze soll es gewesen sein, warum man sie vertrieb, so der berühmte römische Geschichtsschreiber, Germanenfreund und Judengegner Publius Cornelius TACITUS (ca. 55-120 n. Chr.). Er glaubte bemerken zu müssen, dass die Juden „im Andenken an das Unheil, mit dem die Krätze, die eine Krankheit dieses Tieres ist, sie vor Zeiten geschändet hat” kein Schweinefleisch äßen. /47/ Tja, dümmliche Nachreden und schwachsinnige Propaganda gab es scheinbar zu allen Zeiten. Dabei war es gar nicht nötig, MOSES und den auswandernden Israeliten etwas so Dümmliches anzuhängen. Schlamassel bereiteten sie sich selbst genug. So zum Beispiel die wohl größte Pleite, die MOSES und den Seinen passieren konnte. Sie schaffen es, einen der heersten Momente der Menschheitsgeschichte zu vermasseln. Da gibt JHWH ihnen auf steinernen Tafeln persönlich die mit Gotteshand geschriebenen Zehn Gebote, die grundlegendsten Gesetze der Menschheit, die Verfassung unserer Zivilisation, Recht und Ordnung für ein Miteinanderauskommen, den Kodex der Menschlichkeit schlechthin. Eine nicht nur schwere, sondern auch gewichtige Sache. Und was macht MOSES? Aus erster Enttäuschung über sein ums goldene Kalb tanzendes Volk feuert er die für die Ewigkeit bestimmten steinernen Gesetzestafeln auf den felsigen Boden. Peng! Kaputt! Keinen Tag hat die Moral überlebt, nicht die geschriebene, noch die zu lebende. Nur gut, dass Gott uns auch hier eine zweite Chance einräumte. Er setzte sich wieder hin und schrieb erneut. Vierzig Tage lang.

Und wo sind Gesetz, Moral und Ethik heute? Wieder weg! Wir Menschlein werden es wohl nie lernen!

Und so ist die Geschichte der Menschheit bis heute auch eine Geschichte der Dummheit, des falschen Anspruchs, der Irrungen und Wirrungen, der Reinfälle und Flops, des Verbiegens und Fälschens. Es ist eine Geschichte der Geschichten, die zum Heulen und zum Lachen sind.

P.S.: Übrigens, noch schwerer als die originären steinernen Gesetzestafeln ist eine aktuelle Bibelausgabe in Blindenschrift. Mit ihren 38 Bänden bringt sie es auf 68 Kilogramm und ist damit das schwerste Stück Weltliteratur überhaupt. /4/ Zwei Buchmeter benötigen sie in ihren schweren Spezialregalen. Ein schönes Beispiel, dass „schwer“ und „gewichtig“ auch das Gleiche sein können.

Dummheiten um Bibel und Babel

„Ich glaube nicht an den Fortschritt,

sondern an die Beharrlichkeit

der menschlichen Dummheit”

Oscar Wilde