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Drei heimliche Wünsche hat Chloe auf ihrer Wunschliste - und es muss Liebe sein, dass Egan O'Brien ihr jeden dieser Wünsche von den Augen abliest ...
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Seitenzahl: 113
Alle Rechte, einschließlich das der vollständigen oder auszugsweisen Vervielfältigung, des Ab- oder Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten und bedürfen in jedem Fall der Zustimmung des Verlages.
Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
Emilie Richards
Geständnis unterm Mistelzweig
Roman
Übersetzung aus dem Amerikanischen von Charlotte Corber
MIRA® TASCHENBUCH
MIRA® TASCHENBÜCHER
erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,
Valentinskamp 24, 20354 Hamburg
Geschäftsführer: Thomas Beckmann
Copyright © 2012 by MIRA Taschenbuch in der Harlequin Enterprises GmbH
Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:
Naughty Or Nice
Copyright © 1993 by Emilie Richards McGee
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
Published by arrangement with
HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l
Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln
Covergestaltung: pecher und soiron, Köln
Redaktion: Mareike Müller
Titelabbildung: Getty Images, München; pecher und soiron, Köln
Autorenfoto: © by Harlequin Enterprises S.A., Schweiz
ISBN epub 978-3-86278-921-4
www.mira-taschenbuch.de
eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net
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Als Chloe Palmer, die Leiterin der “Letzten Zuflucht”, das Haus für eine Besorgung verließ, stand ein ungeschmückter künstlicher Weihnachtsbaum traurig und schief hinter dem großen Fenster des Wohnzimmers. Er war schon vor Jahren alt und müde gewesen, als ihn jemand aus dem Müll eines Nachbarn rettete.
Als Chloe zurückkam, ragte an seiner Stelle eine üppige Blautanne auf, was Passanten zu der Frage veranlasste, wo das Heim wohl einen so ungewöhnlich schönen Baum erstanden haben könnte.
Chloe konnte diese Frage nicht beantworten. Aber sie wusste genau, wen sie fragen musste. Sie hastete die vom Schnee freigeschaufelten Stufen hinauf, schlug die schwere Tür des alten Hauses hinter sich zu und rief: “Egan!”
Ein Mann erschien an der Tür des Wohnzimmers. Jemand hatte in dem Zimmer Kerzen angezündet, dutzende von Kerzen, wenn Chloe sich nicht täuschte -- und das in einem Haus, von dessen Bewohnerinnen mindestens eine aus der letzten Pflegestelle hinausgeworfen worden war, weil sie ihre Matratze in Brand gesteckt hatte.
“Hast du den Kindern einen Baum gekauft?” fragte Chloe.
“Ich nicht.”
Sie zog die Stiefel aus. In diesem Haus bestand die strikte Regel, dass niemand Schnee oder Schmutz von draußen hereintragen durfte. Dann legte Chloe die Handschuhe und den Schal ab. Als sie ihr langes schwarzes Haar über die Schultern zurückwarf, kam Egan näher, um ihr aus dem Mantel zu helfen. Aber sie wehrte ihn ab.
“So, du hast ihn nicht gekauft. Hast du dann jemandem so lange den Arm verdreht, bis er den Baum gestiftet hat?” Chloe sah, wie Egan zu lächeln begann. Er hatte einen wunderhübschen Mund, groß und ausdrucksvoll und lächelte meistens. Wie immer erschien er Chloe sehr anziehend.
“Hast du ihn gestohlen oder selbst irgendwo geschlagen? Und woher kommt dieser Kranz?”
“Ach, Chloe, komm doch herein und sieh dir an, was wir machen.” Egan drehte sich um. Chloe folgte ihm auf Socken.
Das Wohnzimmer bot einen Anblick wie auf einer Weihnachtskarte. Der Weihnachtsmann und seine Elfen verbreiteten Weihnachtsstimmung. Nur war der Weihnachtsmann nicht dick, und er trug keinen Bart. Er war groß, breitschultrig und bewegte sich geschmeidig. Auf dem Kopf hatte er kurze goldene Locken statt einer roten Mütze. Auch seine Elfen boten nicht den traditionellen Anblick.
Die Elfe Mona sang ein Weihnachtslied. Normalerweise hielt sich jedermann die Ohren zu, wenn Mona sang. Aber an diesem Tag schien das niemanden zu stören.
Die Elfe Jenny stand auf Zehenspitzen und versuchte, einen Vogel aus Papier an den Zweig über ihr zu hängen. Alles war immer zu hoch für Jenny. Acht Jahre Unterernährung hatten ihr Wachstum gehemmt, bis sie unter die Obhut des Staates Pennsylvania kam.
Die Elfe Roxanne saß mit gekreuzten Beinen auf dem Fußboden und starrte in das Kerzenlicht, als sei sie hypnotisiert. Die Elfe Bunny hielt einen Schokoladenweihnachtsmann hier und dort an den Baum. Wie immer bemühte sie sich um äußerste Perfektion.
Die Elfen waren vier der zwölf Mädchen, die im Alma-Benjamin-Haus lebten. Sie gehörten zu einer langen Kette von Kindern, die das Heim “Letzte Zuflucht” getauft hatten. Der Name war sehr treffend, denn wenn ein Kind hierher kam, gab es -- außer der Verwahranstalt mit Gitterstäben vor den Fenstern -- keinen anderen Ort, an dem es hätte unterkommen können.
“Chloe!” Bunny lief zu ihr. “Ich weiß nicht, wohin ich dies hängen soll.” Sie hielt den Schokoladenweihnachtsmann mit zitternden Händen hoch.
“Das ist doch egal. Wo immer du ihn aufhängst, wird er gut aussehen.”
Bunny schien nicht überzeugt.
“Versuch es mal”, ermutigte Chloe sie. “Du wirst es schon richtig machen.”
Bunny kehrte zum Baum zurück, und Chloe wandte sich an Egan. “Wirst du mir nun verraten, woher du diesen Baum hast, Egan O’Brien?”
“Er hat ihm beim Haus seiner Eltern abgeschlagen!” Mona sprang von der kleinen Trittleiter. “Seine Eltern haben eine Farm, Chloe, mit Tieren, richtigen Tieren.”
“Es sind nur Hunde”, stellte Egan richtig. “Schäferhunde.”
“Keine Pferde?” Mona schien enttäuscht.
“Mona möchte reiten lernen”, erklärte Chloe. “Das stimmt doch, Mona, nicht wahr?”
“Ich kann reiten. Ich komme nur nie dazu. Bei meiner Familie bin ich früher immer geritten.”
Monas Eltern hatten das Kind in krimineller Weise vernachlässigt, ihr Haus war eine Bruchbude gewesen. Die ersten zehn Jahre ihres Lebens hatte Mona nur dadurch überstanden, dass sie sich in eine Fantasiewelt zurückgezogen hatte. Chloe hatte den Eindruck, dass sie das auch jetzt noch ab und an tat.
“Das stimmt nicht, Mona.”
“Woher willst du das wissen? Weißt du alles über mich?”
“Ich weiß, dass ich dich mag. Mir ist es gleich, ob ihr zu Hause Pferde oder tolle Autos hattet, bevor du hierher kamst.”
“So etwas sagst du immer.”
“Ja, das sagst du immer”, bestätigte Egan lächelnd. “Und es klingt gut.”
Egan war für die Mädchen zu einer Art Held geworden, seit er vor drei Monaten zum ersten Mal in das Heim gekommen war und verkündet hatte, er und seine Brüder würden die Renovierungsarbeiten in dem alten Haus übernehmen.
Es hatte andere Männer im Leben der Mädchen gegeben, Lehrer, Berater, gelegentlich ein Familienmitglied. Aber keiner war wie Egan gewesen. Niemand hatte seine sorglose Art, sein verschmitztes Lächeln, seine Begabung, Streit zu vermeiden und Komplimente zu verteilen. Wenn Egan sprach, hörte ihm auch die widerborstigste Bewohnerin dieses Hauses zu.
Manchmal allerdings taten sie so, als hielten sie nichts von seinen Reden. “Das brauche ich mir nicht anzuhören”, sagte Mona. “Ich hole mir einen Kakao.”
Chloe streichelte Monas Schulter. “Ja, tu das. Nimmst du Roxanne mit?”
“Nein!”
“Bitte.”
“Immer verlangst du etwas von mir.”
“Weil ich weiß, dass du es tun kannst.”
“Komm mit, Roxanne.” Mona ging zu dem Mädchen, das immer noch auf dem Fußboden saß. “Holen wir uns Kakao.”
“Kakao?”
“Ja.”
Roxanne stand auf und folgte Mona aus dem Wohnzimmer. Bunny hängte noch drei Schokoladenfiguren an den Baum, dann hörte sie auf. Es strengte sie zu sehr an, dauernd die richtige Entscheidung zu treffen. Jenny, die die untersten Zweige geschmückt hatte, folgte ihr bald darauf, und Egan und Chloe waren allein.
“Sag: ‘Ich freue mich, dass du den Baum geschlagen und hierher gebracht hast.’” Egan lächelte Chloe an.
“Du musst damit aufhören, den Kindern Geschenke zu machen, Egan. Sie fangen an, sie zu erwarten. Aber keines der Kinder ist in der Situation, Geschenke erwarten zu können.”
Egan legte Chloe die Hände auf die Schultern. “Und was ist mit der Frau, die hier lebt? Ist es erlaubt, ihr etwas zu geben?”
“Sie erwartet ebenfalls nichts, und sie wünscht sich auch nichts.”
Egan sah Chloe forschend an. Er ahnte, was sich hinter ihrer ablehnenden Haltung verbarg. “Chloe.” Er sprach ihren Namen in einer Weise aus, dass es wie eine Liebkosung wirkte. “Glaubst du nicht an Weihnachten?”
“Oh doch. Weihnachten ist der Tag, an dem die Angehörigen einer bestimmten Religion versuchen, ihren Zwist zu vergessen. Wenn alle anderen Tage des Jahres dieselbe Bedeutung annehmen würden, wäre ich ein glühender Anhänger von Weihnachten.”
“Dann glaubst du nicht an den Weihnachtsmann, an Wunder?”
Chloe erwiderte nichts. Schließlich ließ Egan die Hände sinken. “Nun, trotzdem: Fröhliche Weihnachten.” Er lächelte.
“Weihnachten ist erst in vier Wochen.”
“Umso besser. Noch vier Wochen, um sich die Spannung zu erhalten.”
Chloe drehte sich zu dem Baum um. “Sag bloß nicht, dass du die Kerzen auch aus einem Wäldchen auf der Farm deiner Eltern hast. Und den Kranz, und die Glocken an der Haustür.”
“Haben die Mädchen Weihnachten nicht verdient, Chloe, unabhängig von deiner Einstellung?”
“Natürlich. Sie verdienen alles, was andere Kinder als selbstverständlich ansehen. Aber diese Kinder werden keine Weihnachten haben, wenn sie von hier fortgehen, und sie können auch nicht mit einer Collegeausbildung oder einem interessanten Beruf rechnen. Sie müssen lernen, dass sie nur bekommen können, wofür sie hart arbeiten.”
“Kein Weihnachtsmann?” Egan streichelte ihre Schulter.
Chloe versuchte, die Berührung nicht zu beachten. “Niemand wird diesen Kindern jemals etwas geben, Egan. Ich versuche, sie zu lehren, dass das nichts ausmacht. Sie können selbst dafür sorgen, dass gute Dinge geschehen.”
“So wie du es getan hast.”
Chloe versteifte sich bei dieser Anspielung auf ihre Vergangenheit für einen Moment. Egan ließ sich nicht anmerken, dass er das spürte. Er streichelte sie weiter.
“Etwas in dieser Art”, sagte sie schließlich.
“Du sprichst mit einem Mann, dem ein Weihnachtsmannkostüm gehört.”
“Lass es in der Mottenkiste, wenn du hierher kommst.”
Egan nahm Chloe zärtlich an den Schultern und drehte sie sich herum. “Du weißt, dass jedes Mädchen eine Wunschliste hat.”
Chloe wusste das. Die Kinder waren ihre ganze Leidenschaft, sie gaben ihrem Leben Sinn. Aber sie musste sich an ihre Grundsätze halten. Dazu gehörte es, die Mädchen nicht zu verwöhnen.
“Mach dir deswegen keine Sorgen, Egan. Wir haben hier ein Punktesystem. Wer genügend Pluspunkte gesammelt hat, bekommt einen kleinen Betrag, um sich dafür etwas zu kaufen. Und jedes Kind bekommt vom Heim Weihnachtsgeschenke.”
“Was denn? Socken? Unterwäsche? Sweatshirts?”
“Egan, wir mögen diese Kinder, alle meine Mitarbeiter tun das.”
“Aha. Also neue Tennisschuhe?”
“Unsinn, die sind viel zu teuer.”
“Hör mal, Chloe, die Mädchen wünschen sich Kassettenrekorder, Elektrogitarren und Skibretter. Mona möchte Reitunterricht haben, Bunny wünscht sich Löcher in den Ohrläppchen und Ohrringe.”
“Bunny? Sie hat schon entschieden, was sie sich zu Weihnachten wünscht?”
“Sie ist sich hundertprozentig sicher.”
“Das ist ja wunderbar.” Chloe war angenehm überrascht. “Roxanne möchte einen blauen Angorapullover haben, Schlittschuhe und eine Barbiepuppe. Sie sagt, ihre Schwester habe auch eine.”
“Roxanne hat über ihre Schwester gesprochen?”
“Jedenfalls hat sie das gesagt.”
“Ihre Schwester ist gestorben. Roxanne hat immer noch Albträume.”
Egan fragte nicht weiter nach. Er gehörte nicht zum Personal, und er wusste, dass hier Vertraulichkeit gewahrt werden musste. Außerdem wollte er nicht zu viel wissen. Er hatte sich in alle die kleinen Bewohnerinnen des Heims verliebt, und er war gefährlich nah daran, sich auch in die Leiterin des Heims zu verlieben.
“Chloe, ich kann ihnen geben, was sie sich wünschen. Es ist gar nicht so viel. Meine Brüder und ich haben für solche Zwecke immer Geld. Es würde uns allen wirklich sehr viel bedeuten, wenn du uns den Weihnachtsmann spielen ließest. Joe könnte …”
“Du hast mir offenbar nicht zugehört.”
“Doch. Aber ich stimme dir nicht zu.”
“Du bist ein Gefühlsmensch, Egan, viel zu weich.”
“Unsinn. Ich bin ein großer starker Mann ohne Herz.”
“Du bist nur Herz.” Chloe sagte das nicht so, als finde sie es schlimm.
Egan hielt es trotzdem für besser, das Thema zu wechseln. “Komm Sonntag mit mir zu meinen Eltern zum Essen.”
Chloe war überrascht. In den vergangenen Monaten hatten sie und Egan es sorgsam vermieden, über eine richtige Verabredung zu reden. Er hatte sie gelegentlich in ein Restaurant mitgenommen, damit sie in Ruhe über die Renovierungsarbeiten sprechen konnten, oder ihr Freikarten für ein Konzert gegeben und war dann mitgegangen, als sie sagte, so kurzfristig könne sie keine Begleitung finden. Aber er hatte sie nie längere Zeit im Voraus eingeladen, und schon gar nicht zu seiner Familie.
Sie zögerte. “Ich habe noch so viel zu erledigen …”
“Chloe.” Egan gab der Versuchung nach und berührte ihr Haar. “Bitte. Ich werde nicht beißen.”
“Aber ich weiß nicht, worüber ich mit deinen Eltern reden könnte.”
“Ihr habt etwas gemeinsam -- ihr haltet mich für wunderbar.”
Egan gab Chloe keine Gelegenheit, darauf zu antworten. Er beugte sich vor, drückte ihr einen Kuss auf die Nasenspitze und verschwand.
Stunden später saß Chloe im dritten Stock des Heims vor dem Frisierspiegel, bürstete ihr langes Haar und dachte über Egan nach.
Was hatte er nur an sich, dass er sie so sehr beeindruckte? Er war sehr anziehend, aber das waren andere Männer auch, die sie während ihrer siebenundzwanzig Jahre kennen gelernt hatte. Er konnte fröhlich und nett, dickköpfig und einfühlsam sein. Er war intelligent und bescheiden. Aber er war mehr als nur die Summe all dieser Eigenschaften. Er war Egan. Und irgendwann während der vergangenen Monate, auch wenn sie sich dagegen gewehrt hatte …
Chloe führte den Gedanken nicht zu Ende. Sie begann, ihr Haar zu einem Zopf zu flechten. Sie hatte es seit ihrem achtzehnten Lebensjahr nicht mehr kürzer schneiden lassen, als sie die letzte Pflegefamilie verließ, die der Staat Pennsylvania für sie gefunden hatte.
Ihr Haar war stets der Stolz ihrer Mutter gewesen. Als Kind hatte sie es lang getragen. Doch als sie sieben Jahre alt war, kamen ihre Eltern bei einem Brand um. Bei ihren ersten Pflegeeltern hatte man ihr das Haar kurz schneiden lassen. Kurzes Haar war praktischer und billiger zu pflegen. In den folgenden Pflegefamilien war es ähnlich gewesen. Niemand hatte grausam zu ihr sein wollen. Aber alle ihre Pflegeeltern mussten hart arbeiten und hatten wenig Geld.
Chloe hatte nicht aufbegehrt. Aber als sie dann auf eigenen Füßen stand, hatte sie keine Schere mehr an ihr Haar gelassen.