Gewaltprävention und Eigensicherung im Öffentlichen Dienst - Rudi Heimann - E-Book

Gewaltprävention und Eigensicherung im Öffentlichen Dienst E-Book

Rudi Heimann

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Beschreibung

Durchdachte Entscheidungshilfen Der Ratgeber leistet einen wichtigen Beitrag zu mehr Sicherheit im beruflichen Kontext der Bediensteten der öffentlichen Verwaltung. Das Buch bietet durchdachte Entscheidungshilfen für sicherheitskritische Situationen in Verwaltungen und Institutionen mit Publikumsverkehr. Die Empfehlungen der Autoren basieren auf wissenschaftlichen Studien, Erfahrungswerten und langjährig geübter Praxis in ihren unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen. Fundierter Überblick Die Verfasser verschaffen einen fundierten Überblick über die Themen: Grundlagen und Phänomenologie von Gewalt und Aggression Rechtliche Aspekte (Grundlagen der Strafbarkeit, Selbsthilferechte, Notwehr, Hausverbote, Platzverweise, Opferschutz und -rechte, Schadensersatz) Merkmale sicherheitskritischer Situationen und daraus abgeleitete Handlungsprinzipien Bedeutung und Grenzen verbaler, para- und nonverbaler Kommunikation Deeskalation jenseits der sozial üblichen Kommunikation zur Verhinderung von Gewalt Physische Eigensicherung im Rahmen der Notwehr und Nothilfe als letztes Mittel Nachsorge Aus Gründen der Übersichtlichkeit sind Fragen der reinen Arbeitssicherheit, des Brandschutzes oder Themen wie Mobbing, Überfälle mit Gewinnerzielungsabsicht, straf-, dienst- oder arbeitsrechtlich relevantes Verhalten von Mitarbeitenden nicht Gegenstand des Leitfadens. Die Expertise der Autoren: Dr. Jürgen Fritzsche (Dr. phil. nat., M.A. Sportwiss.), vormals Bundeslehrwart im Deutschen Karateverband. Unter anderem war er ressortleitend für Gewaltschutz und Selbstverteidigung zuständig. Heute ist er Technischer Direktor des Luxembourger Karateverbands. Als international tätiger Dozent (EXperts for TRAining) unterrichtet der Buchautor nicht nur Trainer, Physiotherapeuten und Mediziner, sondern gibt sein Wissen auch an der Hochschule Wismar sowie an Behörden, Institutionen und Unternehmen weiter. Rudi Heimann (Dipl.-Verww.), Polizeivizepräsident, zuvor Leiter einer zentralen Ausländerbehörde, lehrt an der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung die Fächer Kriminologie, Führungslehre und polizeiliches Einsatzmanagement. Er ist Gastdozent an der Deutschen Hochschule der Polizei und beim BKA; einer seiner Forschungsschwerpunkte ist sexualisierte Gewalt. Er beschäftigt sich mit menschlichem Verhalten in sicherheitskritischen Situationen, bildet Trainer und Pädagogen zu DOSB-lizenzierten Gewaltschutztrainern aus; außerdem führt er Gewaltschutzseminare für unterschiedlichste Zielgruppen durch. Das Werk richtet sich an Mitarbeitende im öffentlichen Dienst in Justizeinrichtungen in Erziehungs- und Bildungseinrichtungen sowie in Berufs- und Hochschulen im öffentlichen Personennahverkehr und an Verantwortliche sowie Sicherheits- und Präventionsbeauftragte in all diesen Bereichen.

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Gewaltprävention und Eigensicherung im Öffentlichen Dienst

Rudi Heimann

Polizeivizepräsident des Polizeipräsidiums Südhessen, zuvor Leiter einer zentralen Ausländerbehörde

Dr. Jürgen Fritzsche

Techn. Direktor des Luxemburger Karateverbandes,

Ehem. Bundeslehrwart im Deutschen Karateverband

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Print-ISBN 978-3-415-07440-8

eISBN ‎978-3-415-07442-2

© 2023 Richard Boorberg Verlag

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Titelfoto: © spyrakot – stock.adobe.com

E-Book-Umsetzung: abavo GmbH, Nebelhornstraße 8, 86807 Buchloe

Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG | Scharrstraße 2 | 70563 Stuttgart

Stuttgart | München | Hannover | Berlin | Weimar | Dresden

www.boorberg.de

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Autoren

A. Öffentliche Verwaltung und Bevölkerung

1. Verwaltung und Bürger

2. Vertrauen in den Staat

3. Der Kundengedanke

B. Vor der sicherheitskritischen Situation

1. Die Situation im öffentlichen Dienst

1.1 Zur Häufigkeit von Gewalt

1.2 Eine Frage des Respekts

1.3 Die Ursachen

1.3.1 Situation

1.3.2 Bürger

1.3.3 Beschäftigte

1.4 Zu den Folgen

2. Konflikte

2.1 Konflikte im Verhältnis

2.2 Konflikte im Verlauf

2.2.1 Früherkennung von Konflikten

2.2.2 Hinweise auf eine Eskalation

2.3 Faktor Macht

3. Kommunikation

3.1 Nonverbale Kommunikation

3.2 Verbale Kommunikation

3.3 Paraverbale Kommunikation

3.4 Extraverbale Kommunikation

4. Verbesserungspotenzial

5. Sicherheitskonzepte

6. Krisenmanagement

7. Erfolg durch gemeinsame Verantwortung

8. Präventive Handlungsfelder am Arbeitsplatz

8.1 Baulich-technische Aspekte

8.2 Organisatorische Aspekte

8.3 Persönliche Aspekte

C. Während der sicherheitskritischen Situation

1. Entstehung der sicherheitskritischen Situation

2. Beteiligte in Konflikten

3. Unterstützung in Konflikten

4. Gegenwehr im virtuellen Raum

5. Gesprächssituationen beherrschen

6. Bewältigung sicherheitskritischer Ereignisse

6.1 Änderung der Ziele

6.2 Sicheres Verhalten

6.3 Allein mit dem Kunden

6.4 Verhalten im Team

7. Im Außendienst

8. Notintervention

9. Suizidankündigungen

10. Massive Gewalttaten (Amok)

11. Rechtliche Aspekte im Konfliktfall

D. Nach der sicherheitskritischen Situation

1. Stufensystem für verhaltensauffällige Kunden

2. Nachbereitung der Situation

2.1 Mitteilung über Ereignisse

2.2 Auswertung und Kommunikation

3. Langzeitschäden verhindern

4. Umgang mit Medien

5. Strafanzeige und dann?

5.1 Rechtsbeistand, Schmerzensgeld und Schadensersatz

5.2 Täter-Opfer-Ausgleich

6. Meldesysteme

7. Platzverweis & Hausverbot

8. Straftaten

9. Serviceteil

9.1 Merkblatt Verhaltenshinweise

9.2 Merkblatt Erreichbarkeiten im Notfall

9.3 Muster Notfall-E-Mail

9.4 Handlungsanweisung telefonische Drohung

9.5 Meldung sicherheitsrelevantes Ereignis

9.6 Bomben- und Anschlagsdrohungen

9.7 Evakuierung

9.8 Durchsuchung

9.9 Verdächtige Postsendungen

9.10 Nicht zuordenbare Gegenstände

9.11 Checkliste bei telefonischer Bombendrohung

Literatur- und Quellenverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Einleitung

Wenn Sie in dieses Vorwort blicken, wissen Sie bereits, dass Provokation, Eskalation und Gewalt Themen sind, die für die öffentliche Verwaltung relevant sind. Die Situation hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten grundlegend geändert. Viele Berufsgruppen, die für die Gesellschaft und den Bürger eintreten, geraten immer mehr in den Fokus von Gewalt. Ob Rettungskräfte der Feuerwehr, medizinische Ersthelfer, Einsatzkräfte der Polizei oder Mitarbeiter in öffentlichen Verwaltungen, die Bürger mit ihrem Wissen und Handeln unterstützen, allen widerfährt ein stetig wachsendes Ausmaß an Aggression.

1989 haben wir uns das erste Mal außerhalb von unseren beruflichen Tätigkeiten oder einer professionellen Kampfsportkarriere mit dem Thema Konfliktbewältigung beschäftigt. In den mittlerweile weit über dreißig Jahren hat sich in unserer Gesellschaft dankenswerterweise vieles verbessert, was diese Themen angeht. Das Bewusstsein für unzulässige Aggression und Gewalt ist gewachsen. Erziehung findet bewusster statt und es wird immer weniger geduldet, dass Konflikte über Aggression und Gewalt ausgelebt werden. Gleichwohl zeigt ein Blick in die Studien- oder Ausbildungscurricula vieler Berufszweige, dass in den Bildungseinrichtungen das Thema noch lange nicht den Stellenwert erreicht hat, der ihm zusteht. Junge Menschen treffen zu Beginn ihres Berufslebens weitgehend unvorbereitet im beruflichen Alltag auf Aggression und Gewalt durch ihr Gegenüber. Die Empfehlungen, die Sie in diesem Buch finden, basieren auf wissenschaftlichen Studien, Erfahrungswerten und langjähriger geübter Praxis in den unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen der Autoren.

Wir möchten mit diesem Werk einen Beitrag zu mehr Sicherheit im beruflichen Kontext leisten und Bediensteten der öffentlichen Verwaltung Aufklärung bieten und Entscheidungshilfen in sicherheitskritischen Situationen an die Hand geben. Innerbetriebliche Gewaltformen wie Mobbing, sexuelle Belästigung oder Delikte wie Einbruchs- oder Bürodiebstahl finden keine Berücksichtigung. Eine tiefgehende Betrachtung der Arbeitsschutzorganisation mit den gesetzlichen Bestimmungen aus dem Arbeitsschutzgesetz, dem Arbeitssicherheitsgesetz oder dem Sozialgesetzbuch VII und ihren Akteuren Arbeitgeber, Betriebsärzte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Sicherheitsbeauftragten, Betriebs- oder Personalräten oder Arbeitsschutzausschuss findet gleichfalls nicht statt; Gleiches gilt für Brandschutz oder medizinische Erstversorgung.

Insofern in diesem Buch Aussagen zur Strafbarkeit, Strafanzeigen oder -anträgen und dem Verhalten in rechtlicher Hinsicht getroffen werden, stellen die Ausführungen keinen Ersatz für eine eingehende und persönliche Rechtsberatung durch eine autorisierte Stelle dar. Jeder Fall weist spezifische Merkmale auf und muss daher individuell bewertet werden.

Unsere Erfahrung zeigt, dass die meisten Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung, die stetigen Kundenkontakt haben, mit der Zeit ein sehr gutes Gefühl für den richtigen Umgang mit jeder Art von Kunden entwickeln. Gespräche mit diesen geübten und erfahrenen Personen ergeben allerdings auch, dass für deren Gesprächstechniken und Handlungsmuster nicht die Ausbildung, das Studium oder die bisherigen Seminarangebote verantwortlich sind. Vielmehr sind es die gesammelten Erfahrungswerte vieler Jahre und fundierte Überlegungen, die auch zu den in diesem Buch niedergelegten empfohlenen sicherheitserhöhenden Verhaltensweisen führen.

An zahlreichen Stellen in diesem Werk erfolgt eine wertfreie Sichtweise auf die Interaktion zwischen dem Bürger und dem Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung, die je nach Verlauf eine Opfer- und Täterrolle einnehmen. Keineswegs bedeutet die Mitbeteiligung des Opfers eine Schuldzuweisung in dessen Richtung oder eine Entschuldigung der Tat im moralischen oder strafrechtlichen Sinne für den Täter.

Wir sprechen in diesem Buch entweder von dem Bürger oder der Kundin. Andere Begriffe werden bewusst nicht genutzt; der Diskussion hie­rüber ist ein kurzer Abschnitt gewidmet.

Die Begriffe Konflikt, abweichendes Verhalten, delinquente Handlungen und Kriminalität nutzen wir weitgehend synonym, auch wenn zwischen diesen Bezeichnungen in den z. B. strafrechtlichen Folgen Unterschiede bestehen.

Um die Lesbarkeit durch konsequente Doppelung nicht zu stören, wurde angestrebt, geschlechtsneutrale Formulierungen zu nutzen, und wir hoffen, dass uns dies im erforderlichen Maß gelungen ist – bei weiblichen wie auch den männlichen Formen sind selbstverständlich immer alle Geschlechter gemeint.

Überblick

Dieses Buch ist in drei wesentliche Abschnitte gegliedert: vor, während und nach einem Konflikt. Diese Bereiche beschreiben gleichzeitig eine sinnvolle Reihenfolge, in der Sie sich mit den Themen beschäftigen sollten, die jedoch leider wenig mit der Realität zu tun hat. Die Lebensrealität in öffentlichen Verwaltungen beginnt häufig mit dem Konflikt. Wenn dieser Konflikt in seiner akuten Phase bewältigt ist, findet eine – wie auch immer geartete – Nachsorge statt, um dann nach einem Aufschrei der Entrüstung darüber, dass wenig bis überhaupt nichts vorbereitet war, in umfangreiche Planungen für einen nächsten Zwischenfall einzusteigen. Die Gliederung ermöglicht es Ihnen, im Idealfall und wenn Sie sich auch für Hintergründe und Grundlagen interessieren, im Teil 1 einzusteigen, sich im Teil 2 über Handlungsmöglichkeiten innerhalb eines Konfliktes zu informieren oder im ungünstigsten Fall nach einem erlebten Zwischenfall im Teil 3 etwas über Unterstützungs- und Handlungsmöglichkeiten zu erfahren. Diesen drei Hauptabschnitten ist der Abschnitt „Öffentliche Verwaltung und Bevölkerung“ vorangestellt. Darin wird kurz das Verhältnis zwischen Verwaltung und Bürger beleuchtet, zur Frage des Vertrauens des Bürgers in den Staat ausgeführt und eine Bewertung des Sprachgebrauchs in der Verwaltung vorgenommen.

Im ersten Abschnitt wird die Situation im öffentlichen Dienst hinsichtlich sicherheitsrelevanter Ereignisse skizziert. Neben der Prävalenz wird auf geänderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen wie auch die Ursachen untersucht, die in der Situation, dem Bürger und jedoch auch aufseiten von Beschäftigten liegen können; zumindest anteilsmäßig. Daran schließen sich grundsätzliche Betrachtungen des Verlaufs von Konflikten und deren Einflussfaktoren an. Alle Ebenen der menschlichen Kommunikation werden beschrieben und prinzipielle Elemente einer funktionierenden Sicherheitsorganisation in Behörden, wie Sicherheitskonzepte und das Krisenmanagement, aufgeschlüsselt. Einen breiten Raum am Ende des ersten Abschnitts nehmen die baulich-technischen, organisatorischen und persönlichen Aspekte ein, die gemeinsam die präventiven Handlungsfelder am Arbeitsplatz bilden.

Der zweite Abschnitt befasst sich mit dem konkreten menschlichen Handeln innerhalb einer sicherheitskritischen Situation und stellt vermutlich für viele Leserinnen und Leser das eigentliche gedankliche Neuland dar. Die Gelingensbedingungen für eine erfolgreiche kollegiale Unterstützung im Notfall, die Kontrolle von Gesprächssituationen wie auch die Bewältigung sicherheitskritischer Ereignisse aller Schwerestufen inklusive wichtiger rechtlicher Aspekte bilden den Hauptteil des Buches. Dabei werden die unterschiedlichen Formen der empathischen und konfrontativen Gesprächsführung genauso betrachtet wie die psychologische Deeskalation und die körperliche Notintervention.

Wenn die Situation bewältigt wurde, schließen sich Maßnahmen gegenüber den Kunden, Unterstützungsaktivitäten gegenüber den betroffenen Beschäftigten und erforderlichenfalls weitere rechtliche Schritte an. Im dritten Abschnitt „Nach der sicherheitskritischen Situation“ wird auf diese Elemente ausführlich eingegangen und mit Verhaltenshinweisen zum Umgang mit Medien aus behördlicher Sicht ergänzt.

Im Serviceteil finden sich Entwürfe für Merkblätter, Checklisten und Muster für Handlungsanweisungen, die alle gängigen Droh- und Ereignisszenarien abdecken.

Wir versprechen Ihnen mit der Lektüre dieses Buches viele neue und spannende Eindrücke und Anregungen. Wir wünschen Ihnen von ganzem Herzen, dass es während Ihrer gesamten beruflichen Tätigkeit lediglich bei der theoretischen Anwendung der Inhalte bleiben möge.

Selters und Usingen im Oktober 2023

Rudi Heimann & Dr. Jürgen Fritzsche

Autoren

Rudi Heimann (Dipl.-Verw.), Polizeivizepräsident des Polizeipräsidiums Südhessen, zuvor Leiter einer zentralen Ausländerbehörde, lehrt an der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung die Fächer Kriminologie, Führungslehre und polizeiliches Einsatzmanagement. Er ist Gastdozent an der Deutschen Hochschule der Polizei und dem BKA; einer seiner Forschungsschwerpunkte ist sexualisierte Gewalt. Er beschäftigt sich mit menschlichem Verhalten in sicherheitskritischen Situationen und führt Gewaltschutzseminare für unterschiedliche Zielgruppen durch.

Selters, Deutschland, [email protected]

Dr. Jürgen Fritzsche (Dr. phil. nat., MA sportwiss.) war bis Ende 2018 als Chefausbilder im Deutschen Karateverband tätig. Unter anderem war er ressortleitend für Gewaltschutz und Selbstverteidigung zuständig. Bis Ende 2022 brachte er sein Wissen als technischer Direktor für den Luxemburger Karateverband ein. Als international tätiger Dozent (EXperts for TRAining) unterrichtet der Buchautor nicht nur Trainer, Physiotherapeuten und Mediziner, sondern gibt sein Wissen auch an der Hochschule Wismar, Behörden, Institutionen und Unternehmen weiter.

Usingen, Deutschland, [email protected]

Beide gemeinsam entwickelten das erste Ausbildungsprogramm zur bundesweit einzigen Lizensierung des Deutschen Olympischen Sportbundes zum Gewaltschutztrainer und waren im Wechsel von 2012 bis 2023 als zuständige Gewaltschutzreferenten ehrenamtlich tätig. Pädagogen, Vereinstrainer und andere interessierte Menschen konnten in diesem Zeitraum von dem Wissen profitieren.

A.Öffentliche Verwaltung und Bevölkerung

1.Verwaltung und Bürger

Die öffentliche Verwaltung ist vielfältig. Es gibt nicht nur erhebliche Unterschiede in den Rechtsformen (Anstalten, Körperschaften und Stiftungen öffentlichen Rechts), Ebenen (Kommunalverwaltungen, Ministerien) und Aufgabenstellungen (Bundesagentur für Arbeit und Krankenkassen), sondern auch die Begrifflichkeiten unterscheiden sich innerhalb Deutschlands. So wird eine Familie, die von Nordrhein-Westfalen nach Bayern umzieht, in ihrer neuen Heimat vergeblich eine Bezirksregierung suchen, die für die nachträgliche Ausstellung von Schulzeugnissen zuständig ist, sondern sie findet vielmehr Landratsämter in den Landkreisen. Angesichts des föderalen Aufbaus von Deutschland und der Zuweisung der Verwaltungsaufgabe an die Länder und Gemeinden (Art. 30, 83 GG) verwundern diese Unterschiede nur bedingt. Selbst Fachleute sind der Auffassung, dass sich die öffentliche Verwaltung nicht klar definieren lässt, sondern allenfalls beschreiben. In einem Punkt besteht jedoch Einigkeit: Ein wesentlicher Unterschied im Vergleich zu anderen Organisationen liegt darin, dass sie einer demokratisch legitimierten politischen Steuerung und Kontrolle unterliegt. Dieser Umstand hat unmittelbare Auswirkungen auf den Umgang mit sicherheitskritischen Situationen und wird daher erwähnt.

Es gibt also einen heterogenen Verwaltungsaufbau in den Ländern und abgegrenzte Aufgabenbereiche in jeder Verwaltungsebene. Es gibt einerseits Aufgabenbündelung in Organisationen, andererseits eine Fülle von speziellen Organisationen für bestimmte Aufgaben. Und es gibt dort überall eine alles andere als leicht begreifbare Rechtsmaterie. Gesetze, Rechtsverordnungen, Satzungen und interne Verwaltungsvorschriften regeln die Grenzen und Möglichkeiten der Verwaltung. Es ist allein angesichts dieser Strukturen und Bedingungen gut nachvollziehbar, dass es Menschen gibt, die in Kontakt mit der öffentlichen Verwaltung treten, sich nicht auskennen und dadurch bereits verunsichert sind.

Im öffentlichen Gesamthaushalt sind rund 6,33 Millionen Menschen beschäftigt. Davon rund fünf Millionen in den Ländern und im kommunalen Bereich. Was nach viel Personal klingt, muss relativiert werden. Während Menschen, die nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, zu 35 % angeben, dass sie wegen fehlendem Personal eine höhere Arbeitsmenge bewältigen oder länger arbeiten müssen, sind dies im öffentlichen Dienst 45 %. Und auch die sonstigen Rahmenbedingungen der Arbeit (Pausengestaltung, Störungen, Zeitdruck) ergeben innerhalb von Befragungen keine guten Belastungswerte für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst im Vergleich zur Privatwirtschaft. Reformprozesse im öffentlichen Dienst sollen die Kosteneffizienz steigern und erfordern Anpassungsflexibilität, Übernahme von mehr Verantwortung, Multitasking und die Bereitschaft zum ständigen Lernen. Demgegenüber fehlt in vielen Bereichen eine gesellschaftliche oder finanzielle Anerkennung, die Beschäftigen verrichten ihre Tätigkeit in sanierungsbedürftigen Räumlichkeiten, Mobilitätsanforderungen steigen und der Fachkräftemangel besteht auch in diesem Bereich. Auch wenn es positive Aspekte wie Arbeitsplatzsicherheit, hohe Rücksichtnahme auf familiäre Bedürfnisse, Weiterbildungsmöglichkeiten und hervorragende Sozialleistungen gibt, werden diese subjektiv schnell als selbstverständlich wahrgenommen, weshalb die vorgenannten Belastungswerte entstehen.

Verwaltung teilt sich in unterschiedliche Verwaltungszweige wie Bildung, Finanzen, Soziales, Gesundheit, Bau, Justiz oder Verkehr und nur die wenigsten davon gewähren im positiven Sinn ungeprüft und bedingungslos Leistungen für die Menschen in diesem Staat. Vielmehr sind auch in der Leistungsverwaltung zunächst die Anspruchsgrundlagen zu prüfen und die Leistungen nur dann zu gewähren, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Andere Verwaltungszweige treiben Einnahmen ein, vollziehen und kontrollieren Gesetze oder Rechtsvorschriften und bieten daher allein bereits durch die Aufgabenstellung Konfliktpotenzial.

Zusammengefasst ist also die Wahrscheinlichkeit groß, dass Personen, die bereits unter einer gewissen Grundspannung stehen, auf gestresste Beschäftigte im öffentlichen Dienst stoßen und das anlässlich einer Situation, in der möglicherweise eine gewünschte Leistung nicht gewährt oder eine gewährte Leistung eingeschränkt werden soll. Damit besteht gleichzeitig eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen konfliktträchtigen Verlauf dieser Begegnung.

Die Ausgangssituation und Rahmenbedingungen der Begegnung von Personen, die auf Beschäftigte im öffentlichen Dienst stoßen, begünstigen grundsätzlich einen konfliktträchtigen Verlauf.

2.Vertrauen in den Staat

Veränderungen in der Gesellschaft führen zu einem Phänomen, dass sich als Staatsverdrossenheit bezeichnen lässt. Die Erklärungsansätze liegen darin, dass das Vertrauen in den Staat an sich sinke, immer weniger Bürger sich verpflichtet sähen, bestimmte Bürgerpflichten zu erfüllen, und den Staat zunächst als Leistungserbringer betrachteten. Bedenkliche Entwicklungen, wie die steigende Anzahl von Menschen, die als Selbstverwalter mit dem Abgeben einer Erklärung aus der Bundesrepublik austreten oder sich als Reichsbürger auf die Grenzen des historischen Deutschen Reichs berufen, kommen hinzu.

Die öffentliche Verwaltung trägt durch bestimmte Komponenten der Verwaltungsführung dazu bei, dass das Vertrauen in den Staat gestärkt werden kann und diese unterschiedlichen Formen der Staatsverdrossenheit nicht noch weiter zunehmen (Abb. 1):

Abb. 1 Vertrauenssteigerung in die Verwaltung

Verlässlichkeit

Die Fähigkeit der öffentlichen Verwaltung, die Unsicherheit des wirtschaftlichen, sozialen und politischen Umfelds für ihre Bürger auf ein Mindestmaß zu begrenzen und konsequent und vorhersehbar zu agieren.

Bürgerorientierung

Die Verwaltung stellt gut zugängliche, effiziente und bürgerorientierte Dienstleistungen bereit, die dem Bedarf und den Erwartungen der Öffentlichkeit effektiv Rechnung tragen.

Offenheit und Inklusivität

Mit einem systematischen und umfassenden Ansatz zur Institutionalisierung einer beidseitigen Kommunikation aller beteiligten Parteien, in deren Rahmen relevante sowie verwertbare Informationen geliefert und Interaktionen gefördert werden, um Transparenz, Rechenschaftspflicht und Engagement zu verbessern.

Integrität

Die Ausrichtung der Verwaltung an allgemeineren Prinzipien und Verhaltensmaßstäben, die zur Wahrung des öffentlichen Interesses beitragen und zugleich Korruption verhindern. Das Richtige tun, auch wenn keiner hinschaut.

Gerechtigkeit

Die einheitliche Behandlung von Bürgern (und Unternehmen) im Rahmen der Verwaltungsprozesse.

Allein diese Komponenten durchgängig zu beachten, würde eine große Herausforderung für die öffentliche Verwaltung darstellen. Dabei wirken in dieser Gesellschaft weitere Veränderungen mit, die einen unmittelbaren Einfluss auf das Verhältnis zwischen der Verwaltung und den Menschen in diesem Staat haben: Das Internet und die damit verbundenen sozialen Medien. Während noch vor drei Jahrzehnten Menschen darüber nachdachten, ob sie sich dem Phänomen Internet überhaupt annähern sollten, ist es heutzutage aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Deutschland hatte sich 2017 mit dem Onlinezugangsgesetz das Ziel gesetzt, die wichtigsten Verwaltungsleistungen ab 2022 in einem Verbund von Verwaltungsportalen digital anzubieten. Auch wenn dieses Ziel etwas zu ehrgeizig gewählt war, schreiten die Bemühungen voran. Die damit technisch eng verbundenen sozialen Medien haben jedoch bereits definitiv die klassischen Medien abgelöst. Nur die wenigsten Menschen kommen heute noch auf die Idee, für eine Beschwerde einen Leserbrief an ein klassisches Printmedium zu senden oder einen physischen Beschwerdebrief an eine Behörde zu senden. In der Regel erfolgt dies mittlerweile über Kurznachrichten, Posts in den sozialen Netzwerken, Messenger-Dienste oder E-Mail. Die damit verbundene Geschwindigkeitssteigerung, Erwartungshaltung der Bürger, die Möglichkeit der unmittelbaren Ansprache von Beschäftigten und z. T. sofortige Öffentlichkeit erhöhen nicht nur den Druck im jeweiligen Thema, sondern auch die Belastung der davon betroffenen Beschäftigten.

Verändern sich die äußeren geopolitischen und individuellen wirtschaftlichen Bedingungen der Menschen in einem Staat, hat dies zusätzliche Auswirkungen. Es gibt Hinweise, dass immer weniger Menschen ihren staatlichen Institutionen zutrauen, die Probleme unserer Zeit zu lösen. Sorgen um die wirtschaftliche Zukunft, wahrgenommene Ungleichheiten bei der Verteilung von Vermögen oder abweichende Aufstiegschancen durch Bildung und Arbeit sind die individuellen Gesichtspunkte. Soziale Polarisierung, Klimawandel, rapider technologischer Wandel bis hin zu Kriegsängsten können übergreifende Gesichtspunkte darstellen, die Menschen durch den Staat gelöst haben möchten. Fehlentwicklungen oder gefühlter Stillstand werden dann letztlich auf die öffentliche Verwaltung als Repräsentant des Staates transferiert.

3.Der Kundengedanke

Menschen, die auf die öffentliche Verwaltung treffen, tun dies aus unterschiedlichen Motivationen und Situationen heraus. Sie sind Teil der Gesellschaft, Adressat belastenden Verwaltungshandelns, Empfänger von Leistungen und Produkten, Nutzer öffentlicher Einrichtungen im Gemeingebrauch oder gegen Entgelt, Zuwendungsgeber, Investor oder selbst Mitarbeiter der Verwaltung.

Mit der Verwaltungsmodernisierung seit Mitte der 1990er-Jahre ging auch eine Diskussion einher, wie denn eigentlich derjenige genannt werden sollte, der zur öffentlichen Verwaltung kommt. In der Regel waren es bis dahin Bürger, die ein Anliegen hatten. Neben anderen Defiziten, die einem Modernisierungsbedarf unterlagen, gab es auch eine Legitimitätslücke, die auf die Unzufriedenheit der Leistungsempfänger – der Kunden – zurückzuführen war. In der Philosophie des Neuen Steuerungsmodells standen sich Kunden und Serviceempfänger auf der einen Seite und der Staat bzw. die Kommune als Produzentin von Produkten und Serviceleistungen auf der anderen Seite gegenüber. Ziel war es, das Dienstleistungsverständnis der Verwaltung so zu entwickeln, dass der Leistungserstellungsprozess auf die Kunden ausgerichtet und optimiert wird. Im Bereich der Sozialarbeit war und ist häufig die Rede vom Klienten – wobei diesem Begriff schon länger eine Subjekt-Objekt-Beziehung anhaftet. Die Verwaltung stellt den professionellen Experten als Helfer dem hilfebedürftigen Bürger als defizitärem Laien zur Verfügung. Und es mag seltsam klingen, wenn ein drogenabhängiger Mensch, eine in Bewährung befindliche Person oder ein Elternteil, dem das Jugendamt ein Kind entzieht, als Kunde bezeichnet wird; doch bezieht sich der Kundenbegriff auch auf den gesamten Vorgang und das Selbstverständnis, mit dem die Person behandelt wird. Selbstverständlich besteht auch ein Unterschied, ob ein Bürger ein Wunschkennzeichen bei der Straßenverkehrsbehörde beantragt und dafür bezahlt, weil die Verwaltung hier eine rentable Einnahmequelle entdeckt hat, oder ob die gleiche Straßenverkehrsbehörde ihn zu einer medizinisch-psychologischen Untersuchung vorlädt, um seine Fahreignung zu überprüfen.

Es wird nicht verkannt, dass die öffentliche Verwaltung häufig hoheitlich handelt und damit auch belastend in die Rechte des Bürgers eingreift. In solchen Momenten unterscheidet sich das Handeln der Verwaltung massiv von dem großzügigen Servicehandeln eines Internetkaufhauses. Das heißt jedoch nicht, dass Wartezeiten nicht erklärt werden sollten, Wartezonen keinesfalls freundlich gestaltet sein dürfen oder ein Dienstleistungsabend nicht eingeführt wird. Es ist schwer zu verstehen, warum in Deutschland gleiche Verwaltungsleistungen je nach Ausführungsort dreimal so lange dauern und viermal so viel kosten; an der einen Stelle werden 60 % der Verwaltungskosten wieder eingenommen, an der anderen Stelle über 300 %.

Den Bürger als Bittsteller, Untertan oder Lakaien zu betrachten, dürfte in jedem Fall der Vergangenheit angehören. Wir plädieren dafür, im unmittelbaren Kundenkontakt formalisierte Begriffe wie Leistungsempfänger, Steuerpflichtiger, Baugesuchsteller oder Bewilligungspflichtiger grundsätzlich nicht zu benutzen. Selbstredend verbieten sich Wortspiele wie „Bürgi“ als Nachfolger von „Hartzi“, „Aufstocker“, „Nummer“ und Abkürzungen (LE, „Spichi“, BGS, BWS, Krawix, Ü 50, o. ä.) wirken auf den Zuhörer nicht weniger despektierlich oder zumindest unverständlich.

Auch wenn es für eine öffentliche Verwaltung aufgrund ihrer Monopolstellung weniger um den ökonomischen Erfolg geht, so wird nur durch eine Orientierung hin zum Kunden dessen Zufriedenheit (im Rahmen des Möglichen) steigen, was letztlich zu einem ausgewogenen Kundenverhalten gegenüber den Beschäftigten in der Verwaltung führen kann.

B.Vor der sicherheitskritischen Situation

1.Die Situation im öffentlichen Dienst

1.1Zur Häufigkeit von Gewalt

Es ist eine bedrückende Realität, dass knapp ein Viertel der Beschäftigten im öffentlichen Dienst Gewalterfahrungen innerhalb eines Jahres machen muss; 12 Prozent berichten sogar von mehreren Vorfällen innerhalb eines Jahres. Diese Zahlen würden noch höher ausfallen, wenn in die Betrachtung die Polizei mit einbezogen worden wäre. Die Coronapandemie hat für eine zusätzliche Steigerung gesorgt. Die Gewalterfahrung, die dieser Studie aus 2022 zugrunde liegt, umfasst Beleidigung, verbale und körperliche Bedrohung sowie körperliche Angriffe. Ob dabei und mit welchem Ergebnis eine Strafverfolgung stattgefunden hat, war unerheblich. Das Ausmaß der Gewalt fällt zwischen verschiedenen Beschäftigungsbereichen unterschiedlich aus. Feuerwehr und Rettungsdienste, Veterinärämter, Ordnungsämter und Justizvollzug weisen eine Häufigkeit von einem Drittel oder mehr innerhalb eines Jahres auf. In Hochschulen, der Sozial- und Arbeitsverwaltung von Bund und Ländern und in der Justiz liegt die Häufigkeit von Gewalterfahrungen unter zehn Prozent der Beschäftigten. Demgegenüber waren Beschäftigte, die technische Hilfe in Notlagen leisten, in der Gefahrenabwehr im Außendienst oder in der medizinischen Versorgung außerhalb von und in Einrichtungen eingesetzt sind, mit mehr als 40 Prozent des Personals mit Gewalt konfrontiert.

1.2Eine Frage des Respekts

Der öffentliche Dienst existiert nicht zum Selbstzweck. Er dient den Bürgern dieses Staates und unterliegt dabei je nach Beschäftigungsverhältnis bestimmten Einschränkungen. Das Dienst- und Treueverhältnis von Beamten ist mit zahlreichen Pflichten und Einschränkungen verbunden. Auch die Tarifbeschäftigten unterliegen bestimmten Pflichten und Einschränkungen. Der Beschäftigte des öffentlichen Dienstes ist dem Gemeinwohl verpflichtet. Er hat seine Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und er hat bei seiner Dienstführung auf das Wohl der Allgemeinheit Rücksicht zu nehmen. Er ist verpflichtet, sich im dienstlichen Bereich im Verkehr mit Staatsbürgern höflich und achtungsvoll zu verhalten und durch sein gesamtes Auftreten das Ansehen der Verwaltung zu wahren. Je nach dienstlicher Stellung und Aufgabenbereich des Arbeitgebers hat der Beschäftigte auch sein außerdienstliches Verhalten so einzurichten, dass das Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers nicht deutlich fühlbar beeinträchtigt wird. Wenn dies geschieht, könnte es selbstverständlich sein, dass diesen Beschäftigten ein gewisses Maß an Respekt entgegengebracht wird. Bei der Betrachtung, welchen Berufsfeldern in der Gesellschaft wie viel Respekt entgegengebracht wird, fallen die Antworten für bestimmte Berufe im öffentlichen Dienst ernüchternd und nachdenklich machend aus. Keine einzige Berufsgruppe, die im unmittelbaren Bürgerkontakt steht, kann von sich behaupten, dass ihre Werte der Anerkennung und Wertschätzung im Vergleich zu früheren Zeiten gestiegen sind.

1.3Die Ursachen

Nachfolgend werden die unterschiedlichen möglichen Ursachen von Konflikten zwischen den Beschäftigten im öffentlichen Dienst und Bürgern betrachtet. Keiner der aufgeführten Erklärungsansätze stellt eine alleinig gültige Begründung dar, trägt jedoch insgesamt zum besseren Verständnis bei. Auch wenn den Beteiligten in einer aktuell sich ereignenden Situation diese Aufschlüsselung nicht weiterhilft, bietet sie die Grundlage für Vorbeugemaßnahmen und erhöht das Verständnis für bauliche, organisatorische oder personelle Präventionsaktivitäten. In einem Konflikt treffen die drei Elemente Situation, Bürger und Beschäftigte (Abb. 2) unmittelbar aufeinander und daher lassen sich hieraus konkrete Ansatzpunkte für exakt diese Situation genau an diesem Ort zum Handeln ableiten.

Abb. 2 Ausgangssituation

1.3.1Situation

Hat sich eine Person zu einem Konflikt entschlossen, nimmt sie ihre Umwelt im Hinblick auf die bevorstehende Auseinandersetzung selektiv wahr. Der Konflikt entsteht dann, wenn sich die Gelegenheit ergibt und das Opfer angreifbar ist. Diese Angreifbarkeit erhöht sich durch eine leichte Tatausführung, Sorglosigkeit oder Anonymität des Opfers. Zu den soziologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umgebungsbedingungen wurde bereits ausgeführt (Öffentliche Verwaltung und Bevölkerung). Der damit verbundene gesellschaftliche Wertewandel (> B. Eine Frage des Respekts Eine Frage des Respekts), Anonymität im Wohnumfeld, fehlende Vorbildfunktionen, Medieneinfluss, Arbeitslosigkeit, Langeweile und Perspektivlosigkeit sind weitere situative auslösende Aspekte. Die konkrete Situation wird auch durch formelle (Polizei, Sicherheitsdienste) oder informelle (Vorgesetzte, Kollegen, Sprachmittler) Instanzen der Sozialkontrolle mit beeinflusst. Gehen Sie davon aus, dass alle Beteiligten an einem Konflikt sehr genau registrieren, ob diese Kon­trollinstanzen vorhanden sind und die Kontrolle regelmäßig ausüben oder ob hiervon ungestört gehandelt werden kann. Je anonymer sich ein Konflikt gestaltet, desto mehr begünstigt diese Situation einen normabweichenden Verlauf. Fehlende Regularien, Passivität, Gleichgültigkeit, Verharmlosen, Infragestellen von Regeln oder eingeschränkte tatsächliche Möglichkeiten des Handelns fördern abweichendes Verhalten.

Je mehr Kontrollinstanzen durch die Konfliktbeteiligten bewusst wahrgenommen werden und je weniger anonym die Situation ist, desto ruhiger verläuft ein Konflikt.

1.3.2Bürger

Menschen zeigen aus unterschiedlichen Gründen sozial abweichendes Verhalten. Im Kern lassen sich zwei große Ursachenfelder – biologische und psychologische Ansätze – unterscheiden. Die Wirkung der Medien erlangt eine immer größere Bedeutung und auch wenn sie letztlich psychische Auswirkungen haben, ist diesem Bereich ein separates Kapitel gewidmet.

1.3.2.1Biologische Ansätze

Auch wenn moderne biologische Erklärungsansätze die Umweltbedingungen mit einbeziehen, grenzen sie sich von den Theorien ab, die auf äußere Faktoren Wert legen. Das Ausmaß von genetischen Einflüssen auf abweichendes Verhalten lässt sich unverändert nicht exakt festlegen, dennoch scheint es einen niedrigen Prozentsatz von Menschen zu geben – etwa fünf Prozent – die sich bedingt durch neurologische Dysfunktionalitäten während ihres gesamten Lebens aggressiv und impulsiv verhalten. Sie missachten soziale Normen, sind eher verantwortungslos und Schuldgefühle sind ihnen fremd. Eine Reihe von Hormonen und Neurotransmittern, die durch stoffwechselbedingte Veränderungen beeinflusst werden, haben Auswirkungen auf aggressives Verhalten. Zumindest steigt die handlungsspezifische Bereitschaft eines Menschen unbewusst, bevor er sich bewusst für eine Handlung entscheidet. Ein zu niedriger Blutzuckerspiegel, das prämenstruelle Syndrom bei Frauen oder Zusammenhänge mit dem Essverhalten sind geeignet, Auffälligkeiten in Verhaltensweisen zu erzeugen. Auch wird bei aggressivem Verhalten, das auf Rachegefühle zurückzuführen ist, das Belohnungszentrum im Gehirn angesprochen.

1.3.2.2Psychologische Ansätze

Frustrations-Aggressionstheorie

Eine der bekanntesten Erklärungen für aggressives Verhalten ist das vorherige Erleben von Frustration und vielleicht ist dieser Gedanke – gerade in dem hier thematisierten Kontext – die wesentlichste Ursache für ein nicht angepasstes Verhalten von Bürgern. Die Frustration kann auf Depression und Resignation beruhen oder auf dem Umstand, dass ein Bedürfnis nicht befriedigt wird (> Das Taxi). Die daraus resultierende Aggression richtet sich dann gegen die als verantwortlich betrachtete Person oder einen Gegenstand. Der Mensch kann so sozialisiert werden, dass er auf Frustration konstruktiv reagiert. Ist die Aggressionsneigung erst einmal erzeugt, erweist sie sich über die Lebensspanne hinweg als relativ stabil. Negative Gefühle jeglicher Art und insbesondere die Emotion Ärger oder das Gefühl des Ausschlusses können die Frustration auslösen. Dabei ist es unbedeutend, ob eine Bemerkung tatsächlich als Beleidigung gemeint war; die subjektive Bewertung ist entscheidend. Situative Faktoren wie Hitze, Kälte oder Lärm können auch verstärkend wirken. Ärger und Aggression werden vor allem dann ausgelöst, wenn das Verhalten anderer Menschen absichtlich oder ungerecht erscheint oder sogar vermeidbar gewesen wäre. Die Wahrscheinlichkeit der Aggression steigt zudem, wenn die Frustration in der Öffentlichkeit erlebt wird.

Empfindet ein Bürger das belastende Verhalten von Beschäftigten als absichtlich, ungerecht oder vermeidbar, entsteht Frustration, die zur Aggression führen kann.

Das Taxi

Ein 37-jähriger Mann erbittet in einer Asylunterkunft ein Taxi und einen Dolmetscher, um seine kranke Frau in der nahegelegenen Klinik besuchen zu können. Beide wurden verständigt; vor dem Eintreffen verschwand der Mann ohne Ankündigung. Nach einer halben Stunde Wartezeit wurden Dolmetscher und Taxi wieder weggeschickt. Nach zwei Stunden taucht der Mann erneut auf und wurde aggressiv laut. Ihm wurde ein neues Taxi zugesagt. Dennoch lief der Mann aus dem Büro, zerriss sein Hemd, bedrohte den Sicherheitsdienst mit Worten und entriss einem anderen Bewohner, der gerade aus einer Küche kam, ein Küchenmesser und bedrohte den Sicherheitsdienst.

Neutralisationstheorie

Die Auswirkungen dieses Erklärungsansatzes dürften nicht nur die meisten Menschen bereits erlebt haben, sondern sie dürften ihn auch bereits für sich selbst benutzt haben, um das eigene Handeln zu rechtfertigen. Auch wenn wir die Normen und Werte unserer Gesellschaft kennen, sind wir in der Lage, diese zu missachten. Diese Missachtung kann temporär auftreten, weil wir aktuell erregt sind, unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stehen oder uns in Gegenwart einer Gruppe befinden (Familie, Sportveranstaltung, Demonstration), in bestimmten Lebensphasen vorherrschen (Trennung, Scheidung, Arbeitslosigkeit) oder bei Persönlichkeitsstörungen durchgehend als feststehendes Merkmal vorhanden sein. Der Mensch befindet sich dann häufig in der Illusion der Unangreifbarkeit und Überlegenheit. Die häufigsten Neutralisationstechniken sind hierbei:

Verlagerung der Verantwortung

Die Personen sehen sich als Opfer der Umstände an: Alkohol, Drogen, Kindheitserfahrungen, Wohnsituation, Arbeitgeber, Kollegen, Heimaufenthalt, Misshandlungen, Ungerechtigkeit, schlechte Erfahrungen.

Leugnung des Unrechts

Das Handeln wird zwar als illegal, jedoch nicht als unmoralisch angesehen; ein angerichteter Schaden wird verharmlost: „Der Staat hat es doch!“ oder „Andere machen das doch auch!“

Abwertung der Opfer

Die Handelnden halten sich zu dem Opfer auf emotionaler Distanz, sehen sich als überlegen an und schieben ihm die Schuld zu: „Die Behörde hat keinerlei Verständnis für meine Situation!“ oder „Wie kann man mich so lange warten lassen!“

Leugnung der Zulässigkeit des Vorwurfs

Das Problem ist nicht die Handlung der Person, sondern die übertriebene Bewertung durch Dritte: „Es ist doch nicht so schlimm wie dargestellt!“ Rechtstreue werden als Heuchler dargestellt und die Regulationsinstanzen werden verurteilt: „Beamte sind alle Sadisten!“

Berufung auf höhere Werte oder Instanzen

Die Personen berufen sich auf moralische Werte wie Rassismus durch das Gegenüber, eigene Loyalität zur Gruppe, angegriffene Ehre oder fehlende Respektbezeugungen.

Nutzt ein Bürger im Konflikt Neutralisationstechniken, sind Äußerungen wie „Beruhigen Sie sich“ kontraproduktiv. Sie deklassieren den Bürger, obwohl dieser sich überlegen fühlt, und führen wahrscheinlicher zur Eskalation.

Lerntheorien

Verschiedene Ansätze betonen die Bedeutung des Lernens im Zusammenhang mit auffälligem Verhalten. So verfolgt eine Theorie den Einfluss der Interaktion mit anderen Personen, insbesondere innerhalb von persönlichen Gruppenstrukturen. Dieser Gedanke ist eng verknüpft mit dem Beobachtungslernen, bei dem Menschen in der Realität oder in den Medien das Verhalten anderer Personen betrachten und dann an diesem Modell lernen. An erster Stelle kommt die Familie mit dem größten Einflusspotenzial, dann die Gesellschaft und an dritter Stelle die Modelle, die durch die Medien angeboten werden. Ob dann eine Person eher aggressives Verhalten zeigt oder darauf verzichtet, hängt davon ab, welche Konsequenzen (Bestrafung/Belohnung) und wie wahrscheinlich diese erfolgen. Die Belohnung kann bereits darin liegen, das beabsichtigte Ziel zu erreichen. Beispielsweise drängelt sich ein Mensch in einer Warteschlange nach vorne und wird auch tatsächlich vorher bedient. Dabei setzt nicht jeder, der aggressives Verhalten beobachtet, diese Beobachtung in eigenes aggressives Verhalten um. Eine identische Situation wird durch Menschen nahezu immer unterschiedlich wahrgenommen und folglich werden daraus auch unterschiedliche Verhaltensweisen abgeleitet. Beachtenswert erscheint, dass wenn erst einmal ein Schema für aggressives Verhalten aktiviert ist, mehrdeutige Situationen eher als feindselig interpretiert werden und auch vermehrt selbst aggressives Verhalten gezeigt wird.

Ergänzende Theorien

Anomietheorie

Es gibt keine Gesellschaft, in der sich alle an die Regeln halten. Abweichendes Verhalten ist unserer Gesellschaft immanent, weil es auch nicht für jeden möglich ist, die Ziele der Gesellschaft zu erreichen. Diese Diskrepanz verursacht Belastungen und soziale Konflikte.

Broken Windows

Nehmen Menschen Störungen in den üblichen sozialen Abläufen wahr, führt dies zur Nachahmung und die Regeln werden missachtet. So wird auffälliges Verhalten imitiert, dort wo Müll liegt, weiterer Müll dazu geworfen; dort wo falsch geparkt wird, das eigene Auto dazugestellt. Soziale Unordnung wird so interpretiert, dass die Beachtung von Normen nicht so wichtig ist.

Niedrige Selbstkontrolle

Menschen können impulsiv, wenig sensibel und risikobereiter sein, wenn Mängel in der Erziehung dazu geführt haben, dass sie nur über eine geringe Selbstkontrolle verfügen. Sie sind sich den Folgen ihres Handelns nicht im vollen Umfang bewusst.

Rational Choice

Je größer der persönliche Nutzen einer Handlung ist und je geringer die persönlichen Kosten dieser Handlung sind, desto wahrscheinlicher wird ein Mensch seine Ziele, Wünsche und Bedürfnisse in einem höchstmöglichen Ausmaß zu verwirklichen versuchen.

1.3.2.3Medien

Medien mit ihren Inhalten haben – basierend auf dem Gedanken der sozial-­kognitiven Lerntheorie – eine Wirkung im Zusammenhang mit aggressiven Verhaltensweisen. Militärische Einheiten werden gezielt mit computerbasierenden Simulationen trainiert, um eine Desensibilisierung gegenüber Gewalt zu erreichen und Aggression zu steigern. Dauerhafte Einflüsse, wie ein ständiger Konsum medialer Inhalte, sind in der Lage, die Persönlichkeit eines Menschen bleibend zu verändern. Aggression kann zur Normalität werden, wenn die Sensibilität durch ständigen Konsum herabgesetzt wurde. Es können auch Nachahmungseffekte auftreten und der einzelne Mensch kann stimuliert werden, wenn bestimmte persönliche und situative Faktoren hinzukommen.

Der andauernde Konsum von Gewaltdarstellungen beeinflusst ebenfalls die Vorstellung von der Realität; gleichzeitig wird die Häufigkeit von Verbrechen überschätzt und die Furcht vor solchen Taten steigt. Medien tragen damit nicht nur zu unzutreffenden Vorstellungen über Gewaltverläufe und -häufigkeiten bei. Das Betrachten von Gewalt kann, wenn bestimmte persönlichkeitsspezifische und situative Faktoren hinzutreten, wie durch Frustration bewirkte emotionale Erregung oder aggressionsauslösende Hinweisreize (z. B. Waffen), zu einer Zunahme aggressiven Verhaltens führen. Durch alle diese Forschungsergebnisse und daraus abgeleiteten Annahmen sollte jedoch verhaltensauffälligen Personen keinesfalls ein Argument zur Rationalisierung, Rechtfertigung oder gar Verantwortungsverschiebung geliefert werden. Bereits seit geraumer Zeit führen Straftäter Medienkonsum regelmäßig als Entschuldigungsgrund an. Nicht zuletzt dadurch, dass jeder täglich mit Massenmedien umgeht, jedoch nicht jeder gewalttätig wird, erscheint eine differenzierte Betrachtung erforderlich.

Medial wahrgenommene fiktive Gewalt allein führt nicht zu gesteigerter Aggressivität. Sie wird dann kritisch, wenn gegensteuernde Einflüsse fehlen oder eine Problemgruppenzugehörigkeit besteht.

Beobachten Menschen wissentlich reale Gewalt, gehen die Wirkungen da­rüber hinaus und auch die Medien gehen anders mit realer Gewalt um. Zunächst besteht eine besonders große Aufmerksamkeit gegenüber Gewalttätigkeiten und Nachrichten über Gewalt und Verbrechen werden intensiv und vorzugsweise konsumiert. Das wissen auch viele Menschen, weshalb es dazu kommen kann, dass Ereignisse bewusst inszeniert werden, um die Medien auf Sachverhalte aufmerksam zu machen und zu einer Veröffentlichung zu bewegen. Alternativ besteht mittlerweile für jeden die Möglichkeit, die Kanäle der sozialen Medien zu bedienen, um z. B. eine aufgezeichnete provozierte aggressive Unterhaltung mit einem Behördenmitarbeiter dort zu publizieren. Solcherlei Veröffentlichungen, wie auch die Berichte über Gewaltvorfälle in Behörden, können dazu führen, dass der Berufsstand als grundsätzlich aggressiv oder die Behörde als gefährlicher Ort empfunden wird. Verschärfend kommt hinzu, dass die Berichterstattung über Gewalt zu weiteren gleich gelagerten Handlungen stimulieren kann.

Die Veröffentlichung von realen Gewaltvorfällen sollte, soweit dies beeinflussbar ist, nur mit Bedacht erfolgen und zusätzlich mit klaren präventiven Botschaften versehen werden.

Mediale Veröffentlichungen können jedoch gleichfalls positive Effekte erzielen. So können sie Opfern helfen, das Erlebte zu verarbeiten, gesellschaftliches Problembewusstsein wird geschaffen und bei z. B. erfolgreichen Hilfeleistungen in Notsituationen werden andere Menschen sensibilisiert und selbst zu dem gleichen prosozialen Hilfeverhalten angeregt.

1.3.3Beschäftigte

Sicherheitskritische Situationen werden auch durch das Handeln (oder Nichthandeln) von Beschäftigten bestimmt und gesteuert. Dies betrifft nicht nur den Verlauf der Situation, sondern auch die Frage nach den Ursachen, die auch in der Person des Beschäftigten liegen können. Grundsätzlich können alle Erklärungsansätze, die für ein abweichendes Verhalten von Bürgern gelten (> B. 1.3.2 Bürger), auch auf die Beschäftigten ­angewandt werden. Hierdurch bietet sich die Möglichkeit, tatfördernde Reize in einer Situation zu vermeiden oder in bestimmten eigenen Verhaltensweisen Risiken zu erkennen. Die Frage, ob ein Verhalten risikoerhöhend zu bewerten ist, kann im Einzelfall nur im Nachhinein verlässlich beantwortet werden. Gleichwohl beinhalten bestimmte Verhaltensweisen mit hoher Wahrscheinlichkeit ein überproportional hohes Risiko der Gefahrenerhöhung, da sie dem Gegenüber Schwäche und Angreifbarkeit zeigen, ihn provozieren oder frustrieren. Diese Verhaltensweisen können im beruflichen Umfeld sein:

Zeigen von Ängsten oder Unsicherheit

Herablassende oder arrogante Haltung

Anschreien des Kunden

Beleidigungen des Kunden

Drohungen (insbesondere solche, die ohnehin nicht durchgesetzt werden können)

Dauernder Augenkontakt durch ein versuchtes „Niederstarren“

Dem Kunden den Rücken zudrehen

Mit dem Kunden zugewandtem Rücken weggehen

Provokation von Streit

Den Kunden sprachlich oder körperlich in die Ecke drängen

Körperkontakt herstellen

Direktes Zugehen auf den Kunden oder Nähe zum Kunden suchen

Versperren von Fluchtwegen

Es ist eine Herausforderung, das Zusammentreffen von Bürger und Mitarbeiter in einer öffentlichen Verwaltung so zu beschreiben, dass eine wertfreie Analyse der Verhaltensmuster möglich wird und keine Schuldzuweisung an das Opfer erfolgt. Es gibt zwischen Täter und Opfer eine Beziehung und die Beeinflussungsmöglichkeiten der Situation führen im Idealfall zu weniger dramatischen Ausgängen. Niemand wird ernsthaft Zweifel daran haben, dass die Urlaubsreise in ein umkämpftes Kriegsgebiet oder die Mitgliedschaft in einer kriminellen Gruppierung gewisse Lebensrisiken beinhaltet. Und so gibt es auch weniger offensichtliche Verhaltensweisen, die das Risiko einer Opferwerdung oder eines kritischen Verlaufs einer Situation erhöhen:

Die Weigerung, die ausgestreckte Hand eines Kunden zum Gruß zu ergreifen – auch ohne gesundheitliche Bedenken

Das für alle Kunden einsehbare Platzieren persönlicher Informationen (Kinder, Haustiere) im Büro oder in den sozialen Medien, z. B. in Form von Bildern

Die offene Erörterung von Sicherheitsregeln, Zugangscodes oder Abläufen bei Fehlalarmen in der Gegenwart von Kunden

Das Verhalten von Mitarbeitern hat Einfluss auf den Prozess, Opfer zu werden, und dennoch führt dies keinesfalls zu einer Mitschuld der betroffenen Person.

1.4Zu den Folgen

Die Folgen von Konflikten im beruflichen Umfeld sind nicht minder facettenreich wie die Ursachen. Gewalterfahrungen können sich z. T. gravierend auf das psycho-physische Wohlergehen auswirken. Die Betroffenen haben ungute Gefühle auf der Arbeit und fühlen sich unsicher im Umgang mit Kunden. Dadurch benötigen Betroffene mehr Arbeitszeit oder es entstehen Ausfallzeiten. Stresssymptome wie Schlaf- und Angststörungen, depressive Verstimmungen, Traumata, Berufswechsel und Berufsunfähigkeit können die Folgen sein. Sie berichten von schweren körperlichen oder psychischen Nachwirkungen (z. B. Hypervigilanz, spezifische Phobien). Es scheint daher nicht verwunderlich, dass es in einigen Berufsgruppen ein erhöhtes Burn-out-Risiko gibt. Je direkter und unausweichlicher der Kontakt (nach dem Konflikt) zwischen den geschädigten und den verursachenden Personen ist, desto wirkungsreicher sind die Folgen. So treffen beispielsweise Lehrkräfte regelmäßig immer wieder auf die gleichen Konfliktgegner, während ein weiterer Kontakt bei der Feuerwehr eher unwahrscheinlich ist.

2.Konflikte

Immer dann, wenn mindestens zwei Menschen zusammentreffen und in irgendeine Art der sozialen Interaktion eintreten, besteht die Option, dass es zu einem Konflikt zwischen ihnen kommt. Diese soziale Interaktion kann sich auf das Denken, Fühlen oder Handeln beziehen. Es beginnt bereits damit, dass sich diese Individuen in körperlicher Nähe zueinander aufhalten, ohne bewusst direkt in Kontakt getreten zu sein; eine von außen wahrnehmbare sprachliche Kommunikation muss noch nicht stattgefunden haben ( Bushaltestelle).

Bushaltestelle

Sie stehen an einer Haltestelle, warten auf den Bus und sind allein. Um Sie herum ist eher wenig Straßenverkehr und auch nur wenige Passanten sind unterwegs. Jede Person, die an der Haltestelle auf Ihrer Straßenseite vorbeiläuft, wird von Ihnen wahrgenommen. Wenn eine Person stehen bleibt, achten Sie darauf, welchen Platz diese andere Person einnimmt und auch, ob es einen Kontaktversuch seitens der ankommenden Person gibt. Sie registrieren einen entbotenen Tagesgruß (und erwidern ihn vermutlich) und Sie registrieren (eine gewisse soziale Grundbildung vorausgesetzt) auch, wenn dieser nicht ausgesprochen wird.

Für die Lösung von Konflikten gibt es fünf vorherrschende Konfliktlösungsstile: Ausweichen, Dominanz, Kompromiss, Nachgeben oder Konsens (Abb. 3).

Abb. 3 Konfliktlösungsstile

Der Konfliktlösungsstil Ausweichen bezieht sich auf eine Methode zur Lösung von Konflikten, bei der eine oder beide Parteien beschließen, das Problem zu vermeiden oder aufzuschieben, anstatt es direkt anzugehen. Dies kann dazu führen, dass der Konflikt ungelöst bleibt oder sogar verschlimmert wird. Ausweichen kann in bestimmten Situationen sinnvoll sein, wenn die beteiligten Parteien nicht bereit oder in der Lage sind, den Konflikt aktuell zu lösen, oder wenn eine Lösung nicht sofort erreichbar ist. Es kann jedoch auch dazu führen, dass der Konflikt ungelöst bleibt und sich verschlimmert, und es kann dazu führen, dass die beteiligten Parteien unzufrieden sind. Es ist bedeutsam, dass die beteiligten Parteien einen Zeitpunkt vereinbaren, an dem sie das Problem erneut angehen und lösen können.

Mit Dominanzwerden Konflikte gelöst, wenn eine Person versucht, ihren Willen und ihre Forderungen durchzusetzen, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse und Wünsche der anderen Partei. Dieser Ansatz kann dazu führen, dass die andere Partei sich unterlegen und unzufrieden fühlt und das Problem nicht vollständig gelöst wird. Dominanz kann in bestimmten Situationen schnelle und effektive Entscheidungen ermöglichen, jedoch kann es auch dazu führen, dass die andere Partei sich unterdrückt und unzufrieden fühlt, und es kann dazu führen, dass die Beziehungen beeinträchtigt werden. Es ist wichtig, dass die beteiligten Parteien ihre Bedürfnisse und Anliegen kommunizieren und darauf achten, dass die Entscheidungen ausgewogen und fair empfunden werden.

Der Konfliktlösungsstil Kompromiss bezieht sich auf eine Methode zur Lösung von Konflikten, bei der beide Parteien bereit sind, ihre Forderungen zu reduzieren, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Dieser Ansatz kann dazu beitragen, dass beide Parteien ihre Ziele erreichen, jedoch nicht in dem Umfang, den sie ursprünglich angestrebt haben. Ein Kompromiss erfordert, dass beide Parteien bereit sind, auf einige ihrer Forderungen zu verzichten, um eine gemeinsame Lösung zu erreichen. Ein Kompromiss ist nicht immer die beste Lösung, da er dazu führen kann, dass beide Parteien unzufrieden sind und das Problem nicht vollständig gelöst wird. Dieser Weg kann nur dann gelingen, wenn die beteiligten Parteien eine gewisse Flexibilität und Offenheit für die Anliegen des anderen haben und das Ziel haben, eine Lösung zu finden, die für beide Parteien akzeptabel ist.

Die Methode Nachgeben ist quasi die andere Seite des Dominanzverfahrens und bezieht sich auf eine Methode zur Lösung von Konflikten, bei der eine Person bereit ist, ihre Forderungen aufzugeben, um eine Lösung unter Verzicht auf ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu finden. Dieser Ansatz kann gleichfalls dazu führen, dass das Problem nicht vollständig gelöst wird. Auch hier gilt, dass in bestimmten Situationen Konflikte schnell gelöst werden, sich jedoch eine Person unterdrückt und unzufrieden fühlt und Beziehungen beeinträchtigt werden.

Im Konsens