Handbuch Stabsarbeit der Polizei - Rudi Heimann - E-Book

Handbuch Stabsarbeit der Polizei E-Book

Rudi Heimann

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Beschreibung

Gut gewappnet ... Das praxisorientierte Handbuch zeigt alle Aspekte der Stabsarbeit. Der Schwerpunkt liegt auf polizeilichen Führungsstäben. Es richtet sich an Mitarbeitende in Stäben, Polizeiführer und Entscheider in der Alltagsorganisation. Darüber hinaus gibt der Verfasser Einblicke in andere Bereiche, wie die des Militärs, der Feuerwehren, der Verwaltung und der Wirtschaft. ... in Krisensituationen Anschläge, Bedrohungslagen, größere Gefahren- und Schadenslagen, Geiselnahmen, Entführungen, herausragende Erpressungen und Lagen mit außergewöhnlichen Tatfolgen und Modi Operandi, gewalttätige Aktionen oder Überfälle auf Geldinstitute: Im Zusammenhang mit solchen besonderen Einsatzlagen wird regelmäßig die Einrichtung eines polizeilichen Führungsstabes erforderlich. Der Inhalt Der Autor vermittelt zunächst die wichtigsten Eckpunkte: Rolle des Stabes innerhalb der Polizeiorganisation Vielfalt der Einsatzbedingungen Fehlerquellen der Stabsarbeit Planungs- und Entscheidungsprozesse Personelle Zusammensetzung Personalauswahl und erforderliche Kompetenzen Übungs- und Trainingsformen Hilfreiche Erläuterungen der taktischen Grundbegriffe Vervollständigt wird das Nachschlagewerk durch das Muster einer Stabsdienstordnung und eine ausführliche Erläuterung der taktischen Grundbegriffe der Stabsarbeit. Diese Begriffe bilden das Fundament für eine einheitliche Normsprache in der Polizei. Kein Erfolg ohne einheitliche Grundbegriffe Die korrekte Nutzung der Begrifflichkeiten entscheidet über Erfolg oder Misserfolg der Arbeit in den Stäben. Nicht umsonst ist die Nichtbeachtung einer solchen Normsprache nach wie vor eine der Hauptursachen dafür, dass es in der Alltagsorganisation, in Einsätzen und Führungsstäben zu Fehlschlüssen oder Irrtümern kommt. Handbuch für ... Mitarbeitende in Stäben Polizeiführer Entscheider im Polizeialltag

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Handbuch Stabsarbeit der Polizei

Führung und Einsatz

Rudi Heimann

Vizepräsident des Hessischen Landeskriminalamtes

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Print-ISBN 978-3-415-07613-6

EPUB-ISBN 978-3-415-07615-0

© 2024 Richard Boorberg Verlag

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Titelfoto: © Gorodenkoff – stock.adobe.com

eBook-Umsetzung: abavo GmbH, Nebelhornstraße 8, 86807 Buchloe

Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG | Scharrstraße 2 | 70563 Stuttgart

Stuttgart | München | Hannover | Berlin | Weimar | Dresden

www.boorberg.de

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Autor

1. Zur Herkunft des Stabes

1.1 Entstehung des Begriffs

1.2 Historische Entwicklung

1.3 Stäbe außerhalb des Militärs

1.3.1 Bereich Wirtschaft

1.3.2 Öffentliche Verwaltung

1.3.3 Feuerwehr und Katastrophenschutz

1.3.4 Polizei

2. Der Stab in der Organisation

2.1 Linienorganisation

2.2 Stabs-Linienorganisation

2.3 Der Stab als Führungsorgan

2.3.1 Leitung Führungsstab

2.3.2 Aufbau des Stabes

2.3.3 Arbeitsweise und Organisation

2.4 Polizeiführung

2.5 Aufgaben der Stabsbereiche

2.5.1 Lagezentrum

2.5.2 Stabsbereich 1 – Einsatz

2.5.3 Stabsbereich 2 – Führungs- und Einsatzmittel

2.5.4 Stabsbereich 3 – Zentrale Dienste

2.5.5 Stabsbereich 4 – Einsatzbegleitende Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

2.6 Führungsgruppen

2.7 Leitstellen

2.7.1 Funktion der Leitstelle

2.7.2 Polizeiführung vom Dienst

2.7.3 Führungsübernahme

2.8 Temporäre und ständige Stäbe

2.9 Vorbereitungsstäbe

3. Die Einsatzbedingungen des Stabes

3.1 Merkmale der polizeilichen Lage

3.2 Grenzen der Wahrnehmung

3.3 Begleitende Phänomene des Einzelnen

3.4 Der Stab als Gruppe

3.5 Gegenmaßnahmen

4. Planungs- und Entscheidungsprozess

4.1 Führungsgrundsätze

4.2 Allgemeine Einsatzgrundsätze

4.3 Lagebild

4.3.1 Lagedarstellung

4.3.2 Lagevortrag

4.4 Arbeitstechniken

4.4.1 Kreativitätstechniken

4.4.2 Qualitätstechniken

4.4.3 Szenariotechniken

4.4.4 Informationsmanagement

4.5 Beurteilung der Lage

4.6 Entschluss

4.7 Durchführungsplanung

4.8 Befehlsgebung

4.9 Einsatzkonzeption

4.10 Einsatznachbereitung

5. Befehlsstellen

5.1 Mobile Befehlsstellen

5.2 Abgesetzte Befehlsstellen

5.3 Stationäre Befehlsstellen

6. Personal

6.1 Kompetenzen für Führungskräfte

6.2 Kompetenzstufen

6.3 Wissensfelder

6.4 Personalbemessung

7. Übungen

7.1 Grundsätze

7.2 Trainingsformen

7.3 Klassische Übungsformen der Polizei

7.3.1 Planbesprechungen

7.3.2 Planübungen

7.3.3 Stabsrahmenübungen

7.3.4 Vollübungen

7.4 Planübungen in fremden Settings

8. Muster Stabsdienstordnung

Abkürzungsverzeichnis

Grundbegriffe

Literatur- und Quellenverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Einleitung

Rückblickend gab es für mich drei prägende Ereignisse mit polizeilichen Führungsstäben. Im November 1989 richteten zwei ausgebrochene Straftäter in einer bayerischen Gaststätte vier Menschen hin, verletzten zwei weitere schwer und nahmen auf der anschließenden Flucht eine Frau als Geisel. In der Nähe des Offenbacher Kreuzes fuhr das Fluchtauto in einen künstlich verursachten Stau. Der verantwortliche Polizeiführer mit seinem Führungsstab ließ dem Frankfurter Spezialeinsatzkommando vor Ort den größtmöglichen taktischen Freiraum. Die Geisel wurde nach der hessischen Führungsübernahme binnen weniger Minuten unter Anwendung finaler Rettungsschüsse unverletzt befreit. Monate später wurden wir zu einer Bedrohungslage entsandt. Der Polizeiführer vom Dienst zählte über einen erstaunlich langen Zeitraum via Funk Leitlinien auf. Nach der fünften (und nicht letzten) Leitlinie hatten wir die ersten beiden schon wieder vergessen. Er sprach auch davon, dass sich ein Stab aufbauen würde und wir mit dem Zugriff warten sollten. Wenige Minuten nach dieser Anweisung wurden die von ihrem Ehemann schwer misshandelte Frau und ihre beiden Kinder aus der Mietwohnung befreit. Der sich aufbauende Führungsstab erhielt keine Gelegenheit, auf den Einsatzverlauf nur den geringsten Einfluss zu nehmen. 1999 – während des Studiums zum höheren Polizeivollzugsdienst – probte unsere Studiengruppe „Führungsstab“. Ich musste mich am Belegfluss versuchen, füllte den Fünffachvordruck aus und sorgte für dessen Verteilung im Stab; eine Herausforderung, die mir in der Erinnerung noch heute den Schweiß auf die Stirn treibt. Uns waren damals die internen Ablaufprozesse eines Führungsstabes einfach völlig fremd. In meinem damaligen Verständnis bedeutete der Einsatz eines Führungsstabes aus operativer Sicht lediglich die Verzögerung der Lagelösung und damit verbundene unverständliche Arbeitsprozesse.

Heute betrachte ich den polizeilichen Führungsstab wesentlich differenzierter. Ich bin einerseits der Meinung, dass nicht jede polizeiliche BAO-Einsatzlage eines kompletten Führungsstabes bedarf. Ein fest umrissener und unveränderbarer Tatort, Gewissheit über die beteiligten Personen und bekanntes Tatverhalten sprechen für eine operativ-taktische Abarbeitung vor Ort. Es darf dabei auch eine Befehlsstelle geben, jedoch alles eher bescheiden und auf wenige Menschen konzentriert. Andererseits sollte jede polizeiliche Lage, die nicht ein sofortiges Handeln erfordert und eine gewisse Dimension und Komplexität aufweist, wenn es möglich ist, mit dem Führungsorgan Führungsstab unterstützt werden. Was Polizeiführer unbedingt vermeiden sollten, ist der nicht erforderliche Einsatz eines Führungsstabes oder dessen Überdimensionierung, um sich damit brüsten zu können, dass in dem Einsatz mit einem Führungsstab gearbeitet wurde oder wie groß der Stab doch gewesen sei – leider ein gelegentlich beobachtetes Phänomen.

Wer zum Thema Stabsarbeit in der Polizei recherchiert, wird auf ein Werk mit gleichem Titel stoßen, dass ebenfalls im Richard Boorberg Verlag erschienen ist und lange Zeit als Referenz galt. Günther Berndt und Robert Altmann haben in den beiden Auflagen von 1977 und 1981 zwei jeweils zeitgemäße Bücher zusammengestellt. Nach der Erstauflage war in puncto Stabsarbeit vieles passiert, was die Zweitauflage zwingend erforderlich machte. Dennoch ist jedem Polizeikenner bewusst, dass Veränderungen in der heterogenen Polizeiorganisation Zeit benötigen und der Umstand, dass eine Regelung oder Empfehlung Einzug in eine Polizeidienstvorschrift gefunden hat oder in einem Buch steht, noch lange nicht Gewähr dafür bietet, dass sie wahrgenommen oder zeitnah umgesetzt wird. Durch die anfängliche Beschreibung meiner persönlichen Kontakte zu Stäben wird deutlich, dass zumindest in dem von mir wahrgenommenen polizeilichen Umfeld, der Anpassungsprozess über viele Jahre andauerte.

Zwischen Mitte der 1990er-Jahre und heute hat eine technische Revolution stattgefunden, deren Ende und Folgen bislang nicht abzusehen sind. Die elektronische Datenverarbeitung war zwar bereits in den 1980er-Jahren in Führungsstäben ein Thema, beschränkte sich jedoch auf ein sehr einfaches Niveau. In den 2000er-Jahren war die erste Hochzeit der dokumentierenden Einsatzmanagementsysteme, Einsatzleitsysteme und Systeme zur Unterstützung des Führungsstabes. Aktuell findet in nicht wenigen Bereichen bereits die zweite oder dritte Generation dieser Systeme Verwendung, und die künstliche Intelligenz erlebt im Bereich des allgemein zugänglichen Internets einen Schub. Wir dürfen also sehr gespannt sein, was die Zukunft in diesem Bereich bringen wird. Im nächsten Schritt werden kreative Programme möglich: In Zukunft werden wir zumindest die Frage an die künstliche Intelligenz stellen, welchen Vorschlag zum polizeilichen Vorgehen sie in der einen oder anderen Lage hat.

Dieses Buch handelt vorrangig von polizeilichen Führungsstäben. Es wirft dennoch einen Blick in andere Bereiche wie die des Militärs, der Feuerwehren, der Verwaltung und der Wirtschaft. Hierdurch sollen Anregungen gegeben und auch das Verständnis für die Partnerorganisationen geweckt werden. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, werde ich mich eng an der polizeilichen Vorschriftensprache orientieren, weil es genau diese Phraseologie ist, die Missverständnissen und Informationsverlusten vorbeugt. Leider ist die Nichtbeachtung dieser Normsprache eine der Hauptursachen dafür, dass es in der Alltagsorganisation, in Einsätzen und Führungsstäben zu Fehlschlüssen oder Irrtümern kommt. Die Begriffe des „Stabes“, „polizeilichen Führungsstabes“ oder „Führungsstabes“ werden synonym genutzt.

Die taktische Einsatzbewältigung einzelner Einsatzanlässe sowie die konkreten Inhalte von Polizeidienstvorschriften, die komplett oder deren Teile als Verschlusssache nur für den Dienstgebrauch eingestuft sind, werden nicht dargestellt.

Die zahlreichen Beispiele stammen aus Analysen bedeutsamer Einsatzlagen, Übungen und einem regen Erkenntnisaustausch mit einem breit gefächerten Netzwerk; diese Erfahrungen wurden jeweils verfremdet. Zu den Einsatzlagen zählen u. a. die Meuterei in einer Justizvollzugsanstalt, Geiselnahmen in Privathäusern und einer JVA, Langzeitlagen aus dem Bereich Entführungen und herausragende Erpressungen mit außergewöhnlichen Tatfolgen und Modi Operandi, die Entführung eines Kleinflugzeuges, eine Vielzahl von Veranstaltungen und Versammlungen, gewalttätige Aktionen und Bedrohungslagen, Überfälle auf Geldinstitute, der Verdacht eines Anschlages, Tötungsdelikte sowie leider auch ein Tötungsdelikt zum Nachteil zweier Polizeibeamter.

Um die Lesbarkeit durch konsequente Doppelung nicht zu stören, wurde angestrebt, geschlechtsneutrale Formulierungen zu nutzen. Ich hoffe, dass mir dies im erforderlichen Maß gelungen ist – bei weiblichen wie männlichen Formen sind selbstverständlich immer alle Geschlechter gemeint.

Überblick

Dieses Buch behandelt den Stab als temporäres Unterstützungselement zur Beratung und Unterstützung des Linienvorgesetzten, nicht selten in Kombination mit den Elementen eines Fachstabes. Damit werden weder reine Fachstäbe, die nur aus Spezialisten zusammengesetzt sind, noch dauerhaft eingerichtete Stabsabteilungen in der Alltagsorganisation im Detail behandelt. Gleichwohl haben die Arbeitsmethoden und Rahmenbedingungen Gültigkeit für deren tägliche Arbeit.

Es wird erkennbar, dass die Arbeit in einem Führungsstab mehr ist als der sichere Umgang mit Lagekarten und Dokumentationssoftware, das Beherrschen von Einsatzregularien sowie Erfahrungswissen zur Kasuistik von Lagen. Strategische Flexibilität, also die Fähigkeit, die besonderen Umstände jeder Lage zu erkennen, keine althergebrachten Lösungen überzustülpen, unerwartete Entwicklungen in der Lage und auch im Innern des Stabes zu antizipieren, wird genauso benötigt wie die Fähigkeit, im Zustand der Unbestimmtheit seine Funktion zu erfüllen.

Dieses Werk ist so angelegt, dass es flüssig gelesen werden kann. Es wurde angestrebt, den Einsatz von Fachbegriffen auf das Nötige zu reduzieren und nicht mit künstlichen Klassifikationssystemen zu arbeiten, die in der Bewältigung der polizeilichen Einsatzsituation keine Hilfestellung bieten. An der einen oder anderen Stelle finden sich jedoch Hintergrundinformationen, die für das menschliche Handeln in der Lage Verständnis erzeugen sollen.

Sicherlich wird der eine oder andere Leser feststellen, dass in „seinem“ Stab die Dinge doch ganz anders laufen. Ich erhebe keinen Anspruch darauf, dass meine Wahrnehmung die einzig richtige ist. Wenn Sie Anregungen und Informationen haben, die die Polizei in der Bewältigung von Lagen weiterbringen, lassen Sie es uns alle bitte wissen. Vielen Dank!

Im Anschluss an die vorliegende Einleitung und die nachfolgenden Autoreninformationen steigt das Handbuch Stabsarbeit in der Polizei in Kapitel Eins tiefer in die Materie ein. Das Kapitel liefert zunächst einen historischen Überblick zur Entwicklung des Begriffes und des Instrumentes „Stab“ in den Bereichen Militär, Kirche, Staat, Wirtschaft, öffentliche Verwaltung, Feuerwehr, Katastrophenschutz und Polizei.

Nach einer Einführung in die Grundlagen des Organisationsaufbaus und der besonderen Rolle der Stabs-Linienorganisation wird im zweiten Kapitel die Rolle des Stabes als eines von drei Führungsorganen in der Polizei dargelegt. Hieran schließen sich die Betrachtung der Polizeiführung und die Aufgaben der standardisierten Stabsbereiche im polizeilichen Führungsstab an. Nachdem damit die Aufgabenstellung des Stabes geklärt sein wird, werden auch die beiden verbleibenden Führungsorgane erwähnt: die Führungsgruppe und die Leitstelle. Das Kapitel endet mit einem Blick auf die bunte Welt der deutschen polizeilichen Stäbe im Hinblick auf temporäre und ständige Einrichtung sowie auf das Instrument des Vorbereitungsstabes.

Im dritten Kapitel werden die komplexen Einsatzbedingungen des Stabes vertiefend dargestellt. Viele fehlerhafte Abläufe, Handlungen oder Entscheidungen könnten vermieden werden, wenn die Inhalte dieses Kapitels jeder Person, die in einem Stab tätig wird, bekannt wären. Die Komplexität, Dynamik und Vernetztheit der Lage stößt auf handelnde Menschen, die individuelle Schwächen und Defizite aufweisen und sich zudem gruppendynamischen Prozessen ausgesetzt sehen, von denen sie möglicherweise noch nie gehört haben. Das Kapitel lässt den Leser jedoch nicht mit diesem Befund allein, sondern schließt mit einem umfangreichen Werkzeugkasten an Gegenmaßnahmen.

Das vierte Kapitel beinhaltet unter anderem den Planungs- und Entscheidungsprozess der Polizei in der Art, wie ihn jeder Polizeibeamte gelehrt bekommt. Nach den wesentlichen Führungsgrundsätzen wird auf die für die Stabsarbeit gültigen allgemeinen Einsatzgrundsätze eingegangen, um dann ausführlich das Lagebild zu thematisieren, das die Basis für alles Weitere darstellt. Die Arbeitstechniken des Stabes, aufgegliedert in Kreativitäts-, Qualitäts- und Szenariotechniken, leiten in das Informationsmanagement über. In den nächsten Schritten wird der Prozess der Beurteilung der Lage erläutert, das Verfahren, über das sich die PDV 100 VS-NfD weitgehend ausschweigt. Diese Beurteilung bildet die Grundlage für den Entschluss, die Durchführungsplanung und letztlich die Befehlsgebung – alles Elemente, die sich ebenfalls in dem Kapitel finden. Mit den Ausführungen zu Einsatzkonzeptionen und Einsatznachbereitungen endet dieser Abschnitt.

Kapitel Fünf beschreibt die Unterschiede zwischen mobilen, abgesetzten und stationären Befehlsstellen und geht auf deren Ausstattung und Betrieb ein.

Ausführungen zum Personal und dessen Kompetenzen finden sich im sechsten Kapitel. Mögliche Inhalte von Fortbildungen, wie Entwicklung eines gemeinsamen Situationsbewusstseins, Kommunikationsfähigkeit, Beachtung der zwischenmenschlichen Beziehungen, Entscheidungsfähigkeit, Gruppenorganisation, Führung, Aufgabenanalyse, strategische Adaptivität sowie Flexibilität und Personalbemessung in Stäben, runden dieses Thema ab.

Im siebten Kapitel erfolgt ein Überblick zu den Übungs- und Trainingsformen, die eher polizeiüblich sind, jedoch auch zu den aktuellen Entwicklungen und Möglichkeiten, die außerhalb dieser Methodiken liegen.

Das Handbuch bietet als weiteren Service das Muster einer Stabsdienstordnung, liefert ein Abkürzungsverzeichnis und erläutert die taktischen Grundbegriffe, die als Grundlage für eine einheitliche Sprache in der Polizei fungieren können.

Die Polizei verfolgt die beiden Kernaufgaben der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung. Sie sichert damit die freiheitlich demokratische Grundordnung in diesem Staat und gewährleistet durch einen verlässlichen Dienst an den Bürgern das Vertrauen eben dieser Bürger in den Staat. Wenn ein polizeilicher Führungsstab zusammentritt, helfen wir damit im Zusammenspiel mit der operativen Ebene in den meisten Fällen Menschen, die sich in höchster Not befinden und keine andere Stelle haben, an die sie sich in dieser Situation wenden können.

Und es existiert auch keine andere Organisation in diesem Staat, in der Menschen bereit sind, das hohe Maß an Verantwortung zu tragen, welches damit einhergeht – einerseits Stabsmitarbeiter, die sich höchst gewissenhaft auf ihre Aufgaben vorbereiten und diese auf ebensolche Weise erfüllen, sowie andererseits operative Kräfte im Einsatzraum, die an Orte gehen, von denen alle anderen nur flüchten und die bereit sind, unter Einsatz ihrer Gesundheit ihren Aufgaben nachzukommen.

Im Zusammenhang mit polizeilicher Stabsarbeit wird es den Moment geben, an dem alle Beteiligten alles Mögliche und Zulässige getan haben, um die Lage bestmöglich zu lösen, und wir als Polizei trotzdem scheitern werden. Machen Sie sich bewusst, dass dies dennoch in Ordnung geht – gerade weil alles getan wurde.

Ich wünsche Ihnen mit der Lektüre dieses Buches von ganzem Herzen viele neue Erkenntnisse, Eindrücke und Informationen, die unsere Stäbe noch leistungsfähiger werden lassen. Auch wenn für „Stabsanfänger“ die gesamte Thematik überaus komplex und herausfordernd erscheinen mag, möchte ich Sie ermuntern, sich auf diese spannende Tätigkeit einzulassen.

Selters im April 2024

Rudi Heimann

Autor

Rudi Heimann (Dipl.-Verw.), Vizepräsident des Hessischen Landeskriminalamtes, zuvor Polizeivizepräsident des Polizeipräsidiums Südhessen, davor Leiter einer zentralen Ausländerbehörde, lehrt im Nebenamt seit 22 Jahren an der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung Kriminologie, Führungslehre und polizeiliches Einsatzmanagement und ist als Gastdozent an der Deutschen Hochschule der Polizei sowie dem BKA tätig. Auch ist Rudi Heimann Mitherausgeber und einer der führenden Kommentatoren des Handbuchs zur PDV 100 VS-NfD – Führung und Einsatz der Polizei. Er beschäftigt sich mit menschlichem Verhalten in sicherheitskritischen Situationen sowie Stabsarbeit und ist Vorstandsmitglied der Plattform „Menschen in komplexen Arbeitswelten e. V.“

Seine Laufbahn begann 1982 beim damaligen Bundesgrenzschutz. Nach einem zweijährigen Auslandsaufenthalt für die Deutsche Lufthansa wechselte er zur hessischen Landespolizei, absolvierte das Studium zum gehobenen Dienst, war bis 1999 Angehöriger des Spezialeinsatzkommandos Frankfurt a. M. und ab 2001, im Anschluss an das Studium zum höheren Polizeivollzugsdienst, in unterschiedlichen Führungspositionen in Hessen tätig. Er leitete den Fachbereich, der für die Aus- und Fortbildung der Spezialeinheiten und -kräfte, Stabsmitarbeiter und Polizeiführer zuständig war, steuerte die damit verbundenen strategischen Fragestellungen während einer dreijährigen Verwendung im hessischen Innenministerium und war in der übrigen Zeit selbst als Leiter Führungsstab und Polizeiführer eingesetzt.

Gegenwärtig leitet er den Arbeitskreis Sonderlagen und trägt damit die Verantwortung für die Weiterentwicklung der Thematik in der Polizei Hessen. In seiner aktuellen Funktion ist er ranghöchster hessischer Polizeiführer für Landeslagen.

1.Zur Herkunft des Stabes

Neuzeitliche Organisationen lassen sich in ihren Gestaltungs- und teilweise auch Wirkungsprinzipien auf drei Einrichtungen zurückführen: die Kirche, den Staat und das Militär. Daher verwundert es nicht, dass sich in diesen drei Einrichtungen auch stabsähnliche Strukturen oder Stäbe in Reinform finden lassen.

Innerhalb der Kirche existieren bereits seit Jahrhunderten Spezialistenstäbe zur Beratung der obersten Kirchenführung. Seit 1961 unterhält der Ökumenische Rat der Kirchen einen ständigen Führungsstab. Dennoch finden kirchliche Stäbe nur selten Erwähnung in der Literatur und in der Öffentlichkeit. Die Trennung der Prozesse von Entscheidung und Beratung wird in den kirchlichen Stäben besonders berücksichtigt. Der Staat hingegen spielt historisch gesehen keine besondere Rolle in Bezug auf Stabsarbeit, weil sich im Laufe der Zeit die Gliederung staatlicher Organisationen immer wieder veränderte. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich nicht auch Verwaltungen der Vergangenheit die Methoden der Stabsarbeit zunutze gemacht haben. Jedoch dürften die bedeutendsten Anregungen zu Führungsstäben aus den Bereichen der Armeen aller Nationen stammen.

1.1Entstehung des Begriffs

Der Begriff „Stab“ lässt sich angesichts seiner differenten sprachlichen Entwicklung auf keine bestimmte Bedeutung zurückführen. Archäologische Funde von stabförmigen Gegenständen, die auf 23.000 bis 12.000 Jahre v. Chr. zurückdatiert werden, lassen die Interpretation zu, dass es sich dabei um Insignien von Anführern gehandelt haben könnte – den bâton de commandement. Unter diesem Begriff firmieren bis in die Neuzeit teilweise kunstvoll verzierte Stäbe, die von Oberbefehlshabern als Symbol der Macht getragen wurden. Der Krummstab, auch Stock oder bâton pastoral, hingegen war im Militär den übrigen Offizieren vorbehalten. In der europäischen Gerichtsbarkeit war der Stab seit den Germanen Zeichen der richterlichen Gewalt. Niedergelegte Stäbe bedeuteten Rücktritt oder Unterbrechung und der Stab, der über jemandem gebrochen wurde, konnte dessen Todesurteil bedeuten. Auch der Eid vor Gericht wurde auf den Stab geleistet. Etymologische Deutungen legen einen Bezug zu dem indogermanischen „steb(h)“ nahe. Dieser Begriff steht für die Bedeutungen „aufstellen, stützen“. Auch das englische Wort „staff“ bezeichnet den Stab, wobei es synonym für „Stütze“ steht. Vermutlich hat sich aus dem Symbol des Stabes der entsprechende Begriff herausgebildet, der eine Personenmehrheit bezeichnet, die dem Befehlshaber zur Unterstützung zur Verfügung steht.

1.2Historische Entwicklung

Was für die sprachliche Ableitung gilt, erlangt eine noch größere Bedeutung bei der Funktion, die mit einem Führungsstab verbunden ist. Die kommenden Ausführungen erwähnen zwar „Stäbe“ im Zuge historischer Entwicklungen – in einem modernen Sinn dürften diese Stäbe jedoch erst in der Neuzeit existiert haben.

Altertum

Im Altertum gab es im militärischen Bereich Führungsgehilfen, die die damaligen Feldherren unterstützten. Im alten Griechenland erging der Befehl vom König über zwei weitere Ebenen, die die Befehle letztlich an die Ausführungsebene erteilten. Es ist zu vermuten, dass sich Griechenland dabei von den Persern inspirieren ließ. Alexander der Große nutzte in seiner Regierungszeit (ca. 336 bis 323 v. Chr.) nicht nur Kundschafter, Geografen, Beauftragte für Versorgung und Nachschub oder Wetterkundige, sondern umgab sich auch mit einem Führungsstab und hielt „Kriegsrat“.

Der erste chinesische Kaiser ließ von 246 bis 210 v. Chr. eine riesige Grabanlage errichten und platzierte darin rund 8000 Terrakotta-Figuren; darunter ist auch ein eigener, aus rund 80 Figuren bestehender Führungsstab.

Im alten Rom existierten über lange Zeiträume zwei Konsular-Armeen, die jeweils aus zwei Legionen bestanden. Jede Legion wurde im zeitlichen Wechsel für zwei Monate von sechs Tribunen befehligt. Der römische Führungsstab bestand ab etwa 100 v. Chr. standardisiert aus rund 17 Stabsoffizieren. Nach dem ersten Bürgerkrieg (ca. 82 v. Chr.) wurde an die Spitze jeder Legion ein Legat als dauerhafter Befehlshaber gestellt, und die Tribunen übernahmen Stabs- und Verwaltungsangelegenheiten. Die nachgeordneten Zenturionen hatten das Recht, an den Beratungen des Kriegsrats teilzunehmen. Eine gesonderte Schule für die höhere Kommandoebene bildete gleichzeitig den persönlichen Stab des Feldherrn und setzte sich aus gebildeten Männern zusammen, die später selbst verantwortungsvolle Posten übernehmen sollten. Daneben gab es eine Reihe von Heeresbeamten, die einen ersten Ansatz zu späteren Stabsorganisationen erkennen ließen. Sie unterlagen einer Arbeitsteilung nach Funktion und waren für Verpflegung, Festungsbau, Informationsweitergabe, Rechtsfragen oder Spionage zuständig. Archäologische Funde, die auf die römisch-germanischen Auseinandersetzungen in der Zeit von 12 bis 9 v. Chr. zurückzuführen sind, weisen gleichfalls auf die Existenz eines Führungsstabes hin. Die Anzahl und deren Zusammensetzung dürften sich an der Größe der Legion orientiert haben, die immer wieder schwankte.

Mittelalter und Frühe Neuzeit

Im späteren byzantinischen Reich waren diese Strukturen nur noch schwach zu erkennen. Dies trug möglicherweise dazu bei, dass die zentralistische Ausrichtung in Verbindung mit dem erforderlichen höheren Maß an Führungs- und Verwaltungskompetenz letztlich den Niedergang von Byzanz begründete (1200–1400). Insgesamt war im aufkommenden Mittelalter ein kultureller Wandel enthalten. Die Heere der Ritter bestanden eher aus einer Vielzahl von Einzelkämpfern, die individuell ihre Tüchtigkeit und Tapferkeit unter Beweis stellten. Führung fand nur dort Raum, wo es um die Aufstellung von Söldnerheeren ging. In einer Kriegsordnung von 1498 finden sich Aufgaben, die für eine frühe Form einer funktionellen (Stabs-)Organisation stehen. Die Idee lag darin, selbstständige Spezialisten einzusetzen, an die die entsprechenden Kompetenzen und Verantwortungen delegiert wurden. Auch wenn diese Menschen letztlich in einem Hauptquartier vereinigt wurden, handelte es sich um eine eher lockere Zusammenfassung. Machiavelli forderte 1520, dass der militärische Führer durch Berater zu unterstützen sei.

Der Diplomat und Militär von Schwendi (1522–1583) erwähnt über 27 verschiedene „Kriegsämter“, getrennt von den operativen Kräften. Diese rudimentären Stabsfunktionen griff Gustav Adolf von Schweden in seinen Reformen auf und entwickelte sie weiter. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) war der Begriff des „Generalstabs“ bekannt. Dieser Verbund von Fachleuten hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht die finale Rolle eines obersten militärischen Beratungsgremiums, die es einmal einnehmen sollte. Dennoch entlastete es den König und seine nachgeordneten Führungsebenen von Nebenaufgaben, sodass sie sich den eigentlichen Führungsaufgaben widmen konnten. Diese schwedische Organisation galt während der folgenden Jahrhunderte als Vorbild für europäische Heere.

Jüngere Neuzeit und neueste Zeit

Bereits 1645 ist die erste Kopie dieser Struktur in der britischen Armee von Oliver Cromwell zu finden. Veränderungen im Bereich der Waffentechnologie machte eine verfeinerte Organisation der britischen Truppen erforderlich. Der Generalquartiermeister wurde mit bedeutenden Kompetenzen versehen. 1763 taucht das Wort „staff“ in einer königlichen Proklamation auf und 1781 der Begriff „staff of the army“ im Oxford Dictionary. 1912 entsteht das Staff Manual, in dem die Arbeit eines Stabes dargestellt wird und das bis in die 1980er-Jahre Bestand hatte.

Österreich verfügte unter Prinz Eugen zur Zeit des Türkenkrieges (1697–1700) über eine Liste von elf Aufgaben, die in einem Generalquartiermeisteramt zusammengefasst waren. 1763, nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges, wurden die Ämter erweitert und das Amt selbst zur festen Einrichtung erhoben. 1801 wurden die innere und äußere Gestalt des österreichischen Generalstabes durch Erzherzog Karl festgelegt. 1811 legte Radetzky als Stabschef neue Maßstäbe beim Thema Delegation. Nur noch die wichtigsten Dinge erledigte der Befehlshaber selbst, der Rest wurde delegiert. Befehle wurden grundsätzlich vom Chef des Generalstabes (im Namen des Generals) ausgefertigt. Der Ausgang des deutschen Krieges von 1866 führte zu einer stärkeren Angleichung der österreichischen Organisation an das preußisch-deutsche Vorbild. Bis 1883 wurde der Große Generalstab in drei Stäbe aufgeteilt und die direkte Unterstellung unter den Kaiser verfügt. Damit war das preußisch-deutsche System verwirklicht.

Der russische Generalstab lässt sich in seinen Anfängen bis in die Zeit von Peter dem Großen zurückdatieren. 1701 wurde erstmalig ein Generalquartiermeisteramt eingerichtet, dem 1720 weitere Hilfskräfte zugeordnet wurden. Katharina II. berief den Stab zur dauerhaften Institution. Die Vorliebe ihres Mannes für das preußische Militär und ihre Herkunft als Tochter eines preußischen Generals mögen dazu beigetragen haben, dass in der Folge die Entwicklung im Wesentlichen durch die anwachsende Zahl preußischer Offiziere mitbestimmt wurde.

In der amerikanischen Armee spielte der preußische Offizier von Steuben eine wichtige Rolle, als er 1763 die preußische Stabsorganisation einführte. 1776 spricht Washington von „staff officers“. 1792 besteht dieser Stab der amerikanischen Armee, der als Hauptquartier bezeichnet wird, aus zehn Personen. Die von Amerika geführten Kriege mündeten 1903 in den Aufbau eines aktionsfähigen Generalstabes, der eine Mischung zwischen französischem und britischem System darstellte und gleichzeitig starke preußische Spuren der Ordnung enthielt.

Frankreich durchlief einen ähnlichen schrittweisen Aufbau. Insbesondere das Anwachsen der Heere während der Kriege von Louis XIV. (1638–1715) machten den weiteren Ausbau erforderlich. Der gesamte Aufbau der französischen Hauptquartiere war geschlossener als zuvor; sie wurden zum Arbeitsinstrument des Kommandanten. Obwohl Napoleon dem Grunde nach auf einen Stab verzichten konnte, weil er um sich herum nur Ausführungsgehilfen und keine Berater benötigte, waren die im Stab tätigen Fachleute in der Lage, sich auf die dort auftretenden Probleme zu konzentrieren. Grimoard und Thiébault schufen schriftstellerische Werke, die die Entwicklung der kommenden Jahre massiv prägen sollten. Napoleon hingegen fasste nicht nur seine Entschlüsse selbst, sondern diktierte sie auch mit hingebungsvoller Präzision in allen Details. Der napoleonische Stab war bereits Werkzeug seines Kommandanten – zwar noch nicht im Sinn einer geistigen Stütze oder einer selbst mitdenkenden, teilweise sogar mitverantwortlichen Erweiterung und als dessen technisches Hilfsmittel für die Durchführung seiner Ideen. Es ließ sich in ihrer Zweckbestimmung erkennen, dass hieraus einige Generationen später ein Stab hervorgehen konnte. Mit diesem Schritt beeinflusste Frankreich während nahezu eines Jahrhunderts die Entwicklung maßgeblich. In der Mitte des 18. Jahrhunderts fand dann eine Verlagerung des Schwergewichts der Entwicklung nach Preußen statt.

Im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) fanden sich in den Heeren der brandenburgischen Kurfürsten die ersten Ansätze zu einer künftigen Stabsorganisation, die sich noch deutlich an das schwedische Vorbild anlehnten. Kurfürst Friedrich Wilhelm errichtete ein stehendes Heer und bildete 1650 einen „Generalquartiermeisterstab“, dessen Aufgaben vor allem in der Betreuung des Ingenieurdienstes, der Überwachung der Marschrouten und der Auswahl der Lager sowie befestigten Stellungen bestanden. Der Begriff des Generalquartiermeisters blieb in der deutschen Armee bis in den Zweiten Weltkrieg erhalten.

In Preußen zur Zeit Friedrichs II. beschränkten sich die Aufgaben des Generalstabes auf ingenieurtechnische Dienste. Die dort tätigen Offiziere wurden als Erfüllungsgehilfen der Entscheidungen des Königs genutzt. Dies war nicht zuletzt auf die selbst empfundene Genialität und Einzigartigkeit des Königs zurückzuführen, der sich als unübertrefflich ansah. Unter Friedrich Wilhelm II. erfolgten in den Jahren 1787–1796 Reformen, die erstmals die besondere Rolle der Generalstabsoffiziere auch nach außen deutlich machten. Sie erhielten eine eigene hellblaue Uniform (1787) und ihnen wurden Ingenieurkartografen zugewiesen.

Major v. Massenbach verfasste 1795 ein Grundsatzpapier, in dem neue Aufgabenstellungen und besondere Ausbildungswege verlangt wurden; auch die Erstellung von Kriegsplänen zu Friedenszeiten gehörte dazu. Es sollte noch bis 1803 dauern, bis diese Ideen umgesetzt wurden und der Stab zum ersten Mal eine feste Organisation, bestehend aus 34 Personen, erhielt. Zuvor hatten sich die Generäle die Mitglieder für ihren Stab selbst ausgesucht. Jetzt gehörte der Stab zur Truppe. Unter Friedrich Wilhelm III. erfuhr der Generalstab einen erneuten personellen Zuwachs und im Jahr 1804 übernahm Scharnhorst als Offizier die Rolle des „dritten Quartiermeisters“. Für die Generalstabsoffiziere war diese noch aus dem 18. Jahrhundert stammende Dienstbezeichnung üblich und machte die Distanz zu den militärischen Diensträngen deutlich: Der Quartiermeister entsprach dem Dienstrang Major.

Die eigentliche Truppenführung wurde weiterhin nicht aus dem Stab heraus vorgenommen. Im Winter 1807 formulierte Generalmajor Scharnhorst eine Neuorganisation, die in den folgenden Jahren umgesetzt wurde. 1810 wurde der Generalquartiermeisterstab zum Generalstab mit einem Generalstabschef an der Spitze. Ein Umdenken zu wissenschaftlichen Methoden setzte ein und Scharnhorst schuf durch seine intensive Beschäftigung erstmalig ein in sich geschlossenes und harmonisches Gedankengebäude. Die Angehörigen des Stabes sollten in der Lage sein, das Ganze zu überblicken, um die Truppen zu einem möglichst wirkungsvollen Einsatz zu bringen. Die Generalstabsoffiziere blieben ohne eigene Truppen, konnten jedoch während der Befreiungskriege (1813–1815) ihrer neuen Aufgabe, der weitgehenden Entlastung des Generals von Detailaufgaben, nachkommen. In diese Zeit sind die Zweiergespanne aus Führungskraft und Generalstabschef zu verorten, die militärhistorisch Bedeutung erlangten: Scharnhorst, Gneisenau, Grolmann, Boyen, Müffling, Bonin oder Moltke. Es war die ideale Verbindung zwischen zwei sich jeweils ergänzenden Persönlichkeiten, die für den Erfolg mitverantwortlich war.

Das Jahr 1821 war das entscheidende Jahr in der weiteren Entwicklung des preußischen Generalstabs und damit des Stabsgedankens überhaupt. Es brachte mit der Herauslösung des Generalstabs aus der Befehlsgewalt des Kriegsministers nicht nur eine erhebliche Stärkung der Stellung des Generalstabs, sondern mit der Aufteilung in einen „Großen Generalstab“ und einen „Truppengeneralstab“ auch eine weitere Festigung seiner Organisation. 1866 erhielt der Chef des Generalstabes das Recht, dem Feldheer direkt Befehle zu erteilen – der Kriegsminister wurde nur noch informiert. Die Person Moltke nahm hier eine besondere Rolle ein. Ihm ist die Geisteshaltung zuzuschreiben, dass der Stab den Ratschlag erteilt und der Entschluss und die Entscheidung dem Befehlshaber obliegen. Dabei leistet der Stab viel, ohne selbst hervorzutreten und ist mehr, als er scheint. Der Stab ist keine Machtinstitution, und er erfüllt seine Pflichten eher entsagungsvoll. Dieser Gedanke kann auch wie folgt zum Ausdruck gebracht werden: Wenn der Kommandant etwas haben möchte, soll er nicht sagen müssen: „Es muss getan werden.“ Er soll sich vielmehr auf die Antwort des Stabschefs: „Es ist bereits getan“, verlassen dürfen. Zum 19. Jahrhundert hin änderte sich unter Schlieffen die Stärkung der Planungstechniken, was die Kriege der Technik und der großen Zahl einläutete.

„Der Stab erteilt den Ratschlag, und der Entschluss und die Entscheidung obliegen dem Befehlshaber. Dabei leistet der Stab viel, ohne selbst hervorzutreten und ist mehr, als er scheint.“

Generalfeldmarschall Graf von Moltke

Der personelle Umfang eines Generalstabes variierte im Verlauf der Militärgeschichte abhängig von den Überzeugungen des Verantwortlichen, der Führungsebene, dem Einsatz im Kriege oder im Frieden und den zugeschriebenen Aufgaben. So waren zwischen 1781 und 1823 wechselnd zwischen zwölf und 54 Offiziere eingesetzt. Hinzu kamen weitere Mitwirkende in der Form von Adjutanten und sonstigen Personen, sodass 1815 mit 161 Menschen eine Höchstzahl erreicht wurde. 1808 hielt Scharnhorst sieben Offiziere im Generalstab für letztlich 42.000 Soldaten ausreichend. Der Generalstab des Armeekorps in der ihm direkt nachgeordneten Führungsebene verfügte über 17–21 Offiziere; die dazugehörigen 42.000 Soldaten waren auf drei Korps verteilt.

In den Aufzeichnungen des Oberstleutnants Neidhardt von Gneisenau lassen sich Hinweise auf die Entwicklung einer standardisierten Arbeitsorganisation erkennen. Formulare wurden geschaffen, Vorschriften schriftlich festgehalten und ein Kompendium mit rund 400 Seiten bürokratisierte die Verfahren, machte damit jedoch gleichzeitig die Abläufe nachvollziehbarer. Neben vielen weiteren Fortschritten, die vorwiegend militärische Bedeutung hatten, ist dieser Zeit eine standardisierte Befehlstechnik und die Weiterentwicklung der Kartografie zuzuschreiben. Standardisierte Symbolik als Vorläufer von taktischen Zeichen und die Regel, das Meldungen verifiziert werden sollten, begannen sich durchzusetzen. Überhaupt wurden Hinweise zur Schriftsprache entwickelt, die verhindern sollten, dass Fehlinterpretationen möglich wurden. Wichtige Zahlen sollten ausgeschrieben werden, Richtungsangaben wie rechts und links durch Himmelsrichtungen erfolgen und niemals auf einen Ort mit Begriffen wie „ersterer oder letzterer“ Bezug genommen, sondern immer dessen Namen genannt werden.

Erster und Zweiter Weltkrieg

Während des Ersten Weltkriegs, der nicht umsonst auch als Krieg der großen Stabschefs bezeichnet wurde, änderte sich die Arbeitsweise der Stäbe nicht mehr. Zu starke Führungspersönlichkeiten wischten die Gedanken Moltkes zur Seite, was dazu führte, dass sich deren Eingriffe in das Kriegsgeschehen immer wieder nachteilig auswirkten. Wie bedeutsam die Rolle des deutschen Generalstabes und die damit von ihm ausgehende Gefahr angesehen wurden, ist am Versailler Vertrag abzulesen, der unter anderem jede weitere Tätigkeit des deutschen Großen Generalstabes verbot.

Im 20. Jahrhundert spielten Offiziere wie General Groener, Generaloberst von Seeckt und Generaloberst Beck eine wichtige Rolle beim Übergang und Wiederaufbau der militärischen Macht zwischen den Weltkriegen. Allerdings musste dies anfangs in größter Heimlichkeit geschehen, was später negative Entwicklungen hervorrief und schließlich zum politischen Schweigen der militärischen Führung zu Beginn des Dritten Reiches beitrug. Im Jahr 1935 wurde der Generalstab offiziell neu berufen. Seit 1940 gab es zwei Generalstäbe – der eigentliche Generalstab für den Osten und der persönliche Wehrmachtsführungsstab für den Rest, einschließlich Frankreich, Finnland, Afrika, Italien und den Balkan. Die Stäbe verloren auf den obersten Stufen mehr und mehr an Bedeutung, weil sie nur noch ein bloßes Hilfsinstrument für die Führung oder genauer „den Führer“ waren. Mit dem durch Offiziere geplanten und durchgeführten Attentat am 20. Juli 1944 wurde den damaligen Machthabern klar, dass das Offizierskorps des Generalstabes noch immer in der Lage war, Widerstand zu leisten.

Deutsches Militär nach 1945

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde mit dem Potsdamer Abkommen eine eigenständige deutsche Armee und somit auch ihr Generalstab verboten. Erst im Rahmen der Wiederbewaffnung in den 1950er-Jahren existierte zunächst bis 1967 ein Führungsstab der Bundeswehr, dann ein Führungsstab der Streitkräfte, der im Bundesministerium für Verteidigung angesiedelt war. Bis heute werden Offiziere in der Generalstabsarbeit ausgebildet, seit 2004 alle Streitkräfte in einem gemeinsamen Lehrgang, um sie in nationalen und internationalen Stäben einzusetzen. Über einige organisatorische Zwischenschritte wurden seit 2008 die einsatzrelevanten Aufgaben für die zunehmend komplexer werdenden Auslandseinsätze beim Einsatzführungsstab der Bundeswehr gebündelt. Mit der Neuausrichtung der Bundeswehr ab 2010 wurde der Führungsstab des Heeres als einer von fünf Führungsstäben 2012 aufgelöst und seine Aufgaben dem Kommando Heer übertragen, das seitdem als rein militärische oberste Kommandobehörde fungiert. Daneben existieren das Kommando Luftwaffe und das Marinekommando mit ihren Stäben als einzige höhere Kommandobehörden. Im Bundesministerium der Verteidigung findet sich ebenso ein Leitungsstab wie im Einsatzführungskommando. Die operativen Einsatzstäbe des Militärs bleiben an dieser Stelle unberücksichtigt.

Der Bundesminister der Verteidigung ist Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte und höchster Vorgesetzter aller Soldaten und Beschäftigten. Unmittelbarer Vorgesetzter der Streitkräfte ist der Generalinspekteur. Er beruft unter seinem Vorsitz den Militärischen Führungsrat (MFR) ein, um gemeinsame Angelegenheiten der Streitkräfte von grundsätzlicher Bedeutung zu erörtern. Der MFR dient der streitkräftegemeinsamen Willensbildung und der Vorbereitung von Entscheidungen des Generalinspekteurs der Bundeswehr. Formale Entscheidungskompetenzen kommen dem MFR nicht zu. 2023 wurde der Planungsstab zur Erarbeitung und Analyse von zentralen militärstrategischen Zielen, der bereits von 1968 bis 2012 existierte, wieder eingeführt.

1.3Stäbe außerhalb des Militärs

Außerhalb des Militärs haben sich gleichfalls, teilweise seit Jahrhunderten, stabsähnliche Strukturen herausgebildet, die Arbeitsprozesse erleichtern sollten. In einigen Fällen entwickelten sich diese Strukturen zu den leistungsfähigsten Stäben, die die Neuzeit zu bieten hat.

1.3.1Bereich Wirtschaft

Stäbe der Wirtschaft entstanden in Anlehnung an die militärische Organisation. Zunächst übernahm die Wirtschaft jedoch das militärische Führungsprinzip mit Befehl und absolutem Gehorsam – von einer beratenden Stabsarbeit wollte noch niemand etwas wissen. Das war folgerichtig, da die großen Unternehmen letztlich aus Handwerksbetrieben hervorgingen, in denen der Meister der alleinige Führer war. Soweit Beratung stattfand, z. B. in einer Rechtsabteilung, oder soweit auch der Einsatz von Währungsspezialisten durch die Fugger in den Jahren 1560/1570 bereits als eine Form der Stabsarbeit verstanden werden konnte, war dies tatsächlich noch nicht der Ausdruck einer modernen Führungskultur. Berater und Agenten wurden von ihnen regelmäßig in Stäben zusammengefasst, um strategische Entscheidungen zu treffen und Geschäftspläne zu entwickeln.

Im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert stieg die Komplexität von Unternehmen, was zu einer zunehmenden Spezialisierung und Arbeitsteilung führte. Um die Unternehmensprozesse zu koordinieren, schneller Entscheidungen zu treffen und diese umzusetzen, wurden Führungsstäbe eingeführt. In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, als viele Unternehmen mit wirtschaftlichen Unsicherheiten und Krisen konfrontiert waren, wurden Führungsstäbe genutzt, um schnell auf veränderte Marktbedingungen zu reagieren. Während des Zweiten Weltkriegs spielten Stäbe eine wichtige Rolle bei der Koordination von Ressourcen und der Durchführung von Operationen. Unternehmen wurden von der Kriegswirtschaft erfasst, was zur Folge hatte, dass sie zunehmend militärische Planungsmethoden übernahmen, um ihre Geschäftsprozesse zu optimieren. Amerikanische Organisationswissenschaftler beriefen sich dabei nicht nur ausdrücklich auf die deutsche Stabslehre, sondern betonten auch die Namen deutscher Generalstabsoffiziere als Ideengeber. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Bedeutung von Stäben in der Wirtschaft weiter gestärkt. Die Einführung von computergestützten Systemen und die zunehmende Globalisierung der Wirtschaft führten zu einer weiteren Komplexitätssteigerung, die die Notwendigkeit von Führungsstäben weiter erhöhte. In den 1960er-Jahren etablierte sich das Konzept des Corporate Planning, das darauf abzielte, die strategische Planung und Entscheidungsfindung von Unternehmen zu verbessern. Heute sind Führungsstäbe in vielen Unternehmen ein fester Bestandteil der Organisationsstruktur. Sie sind dafür verantwortlich, die Strategie und die Geschäftsentwicklung des Unternehmens zu steuern und zu überwachen.

1.3.2Öffentliche Verwaltung

Die Vorteile der Stabsarbeit für die öffentliche Verwaltung wurden schon in den 1960er-Jahren betont. Jedoch zeigten sich öffentliche Verwaltungen in diesem Thema – zumindest bis zur C-19-Pandemie – sehr zurückhaltend. Das Bild in Deutschland war heterogen. Natürlich gibt es eine große Schnittstelle der Verwaltung zu Feuerwehr und Katastrophenschutz. Viele Einsatzsituationen lassen eine alleinige Stabsarbeit einer Verwaltungsbehörde selten werden. Jedoch bewies die Langzeitlage der Pandemie, dass die Notwendigkeit einer Beschäftigung mit Stabsarbeit besteht. Denn wenn die Arbeitsprozesse eines Stabes und das innewohnende Selbstverständnis bei den Beschäftigten der Verwaltung nicht vorhanden sind, wird die Zusammenarbeit mit Feuerwehr und Katastrophenschutz vor große Herausforderungen gestellt.

Wie unterschiedlich und langwierig die Entwicklungen innerhalb Deutschlands sind, lässt sich beispielsweise daran erkennen, dass es in Baden-Württemberg seit 2004 eine Verwaltungsvorschrift der Landesregierung und der Ministerien zur Bildung von Stäben bei außergewöhnlichen Ereignissen und Katastrophen gibt. Diese ist einerseits sehr abstrakt, enthält jedoch auch das Muster einer Stabsdienstordnung. Zur Ergänzung wurde durch das Innenministerium des Landes Baden-Württemberg 2017 eine Hilfestellung für kleinere Gemeinden gegeben, die die Regelungen mitunter nicht ohne Weiteres umzusetzen vermögen. Die Bestrebungen des Bundeslandes fußen auf einem Beschluss der IMK aus 2003 für Verwaltungsstäbe, der nur in wenigen Ländern in dieser Konsequenz umgesetzt wurde. Der Beschluss der IMK wurde in den Bundesländern nicht selten aus Vereinfachungsgründen mit dem Thema Feuerwehr und Katastrophenschutz verwoben. So handelt beispielsweise Nordrhein-Westfalen, wo seit 2004 regelmäßig die Normen an aktuelle Entwicklungen anpasst werden. Wie gut und erfolgreich diese Regelungen letztlich in den Verwaltungen umgesetzt werden, ist schwer zu beurteilen.

1.3.3Feuerwehr und Katastrophenschutz

Zwischen den Weltkriegen wurde der zivile Luftschutz ausgebaut. Hintergrund waren Kriegsvorbereitungen. Die Aufgabe bestand darin, das öffentliche und wirtschaftliche Leben nach einem Luftangriff schnellstens wieder in Gang zu bringen. Unter der Führung der Polizei kamen Personen aus Feuerwehr, Rettungsdiensten und unterschiedlichen Verwaltungsbereichen zusammen und bildeten einen Stab. In der Nachkriegszeit war die Notwendigkeit zur Einrichtung von Stäben in Einsätzen – analog zum Bereich der Polizei – offensichtlich gering, und die Thematik des Luftschutzes erledigte sich 1968 mit der Auflösung desselben. Mit dem Gesetz zur Errichtung des Bundesamtes für zivilen Bevölkerungsschutz wurde 1958 das gleichnamige Bundesamt gegründet. Es war die Folgeorganisation der Bundesanstalt für zivilen Luftschutz sowie der Bundesdienststelle für zivilen Bevölkerungsschutz. 1973 entstand daraus das Bundesamt für Zivilschutz (BZS), das bis zum Jahr 2004 den Vorläufer des heutigen Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) bildete. Mit dem ersten Gesetz über die Erweiterung des Katastrophenschutzes wurde 1968 dem Hauptverwaltungsbeamten die Aufgabe zugeteilt, sich einen Stab zu schaffen, der ihn durchgehend berät. 1978 regelte das BZS auf Bundesebene die Rahmenbedingungen des Ablaufs von Katastrophenschutzübungen mit Stäben sowie bestimmte Grundregeln der Arbeitsorganisation für Stäbe.

Nach den Waldbränden in Niedersachsen im August 1975 wurden Schwächen im Führungssystem der Gefahrenabwehr offengelegt: Eine Diskussion über Führungsstrukturen im Brand- und Katastrophenschutz führte zur Katastrophenschutz-Dienstvorschrift „Führung und Einsatz“ (KatS-DV 100) und zur Feuerwehr-Dienstvorschrift „Einsatzleitung – Führungssysteme“ (FwDV 12/1), die 1981 und 1982 veröffentlicht wurden. Diese Dienstvorschriften wurden von allen Bundesländern verbindlich eingeführt und enthielten erstmals detaillierte Regelungen zu Aufgaben, Kompetenzen und Strukturen der Führungseinrichtungen Katastrophenschutzleitung (KatSL) und Technische Einsatzleitung (TEL). Die KatSL wies dabei mit dem nach militärischem Vorbild gegliederten Stab eine operative Komponente und mit Vertretern interner Ämter und externer Stellen eine administrative Ebene auf. Diese Konstruktion hatte zum Ziel, die strategische und administrative Ebene der KatSL zu verknüpfen, während die Umsetzung auf der technisch-taktischen Ebene der TEL erfolgte. Die Gesamtleitung lag in den Händen des Hauptverwaltungsbeamten der jeweiligen Gebietskörperschaft, d. h. des Oberkreisdirektors bei Landkreisen oder des Oberstadtdirektors bei kreisfreien Städten.

In den Folgejahren zeigte sich jedoch, dass diese Konstruktion gravierende Schwächen aufwies, insbesondere durch die geringe Einsatzfrequenz, die große Dimensionierung und die unklare Abgrenzung zwischen KatSL und TEL. Daher kristallisierte sich in den 1990er-Jahren immer mehr ein System heraus, das nach wie vor die Existenz von zwei Stäben vorsah, die Trennlinie jedoch zwischen der administrativ-organisatorischen und der operativ-taktischen Komponente zog und beide Stäbe als gleichberechtigte Organe unter der Führung des politisch Gesamtverantwortlichen, das heißt auf Ebene der unteren Katastrophenschutzbehörden – des Hauptverwaltungsbeamten – sah. Diese Überlegungen flossen in die Feuerwehr-Dienstvorschrift 100 „Führung und Leitung im Einsatz – Führungssystem“ ein (FwDV 100), die 1999 veröffentlicht und den Ländern zur Einführung empfohlen wurde. Der vorherige Einsatzstab avanciert darin zum Führungsstab und wurde um optionale Sachgebiete erweitert. Die FwDV 100 beschreibt das Führungssystem für den Einsatz der Feuerwehren und regelt die Führungsorganisation, den Führungsvorgang und die Verwendung der Führungsmittel. Darüber hinaus zeigt diese Vorschrift auch den Einfluss von Führungspersönlichkeit und Führungsverhalten auf das technisch und organisatorisch geprägte Führungssystem auf. Nachdem die Umsetzung dieser Vorgaben zunächst eher schleppend verlief, änderte sich dies dramatisch durch die Terroranschläge vom 11. September 2001 und das Hochwasser im August 2002 mit schweren Überflutungen in Deutschland, Österreich und Tschechien; in der Folge wurde dem Bevölkerungsschutz wieder ein hoher Stellenwert beigemessen.

Im Jahre 2002 verabschiedete die Konferenz der Innenminister und -senatoren „Neue Strategien zum Schutz der Bevölkerung“. Ziel war u. a. die Einführung eines bundesweit einheitlichen Führungssystems. Dies gelang jedoch nur im Bereich der flächendeckenden Einführung der FwDV 100 für die Einsatzleitungen. Der Aufbau einer bundesweit einheitlichen administrativ-organisatorischen Komponente gelang hingegen nicht. Zwar wurden den Ländern vom AK V der Innenministerkonferenz Hinweise zur Bildung von Stäben der administrativ-organisatorischen Komponente (Verwaltungsstäbe) empfohlen, die Umsetzung erfolgte lediglich in Teilen Deutschlands. Grundsätzlich kann unterschieden werden in Länder, die das Modell der Führungsebenen oder auch Zwei-Stabs-Modell (Abb. 1) nach der FwDV 100 umgesetzt haben, und Länder, die in unterschiedlicher Form einen zentralen Stab eingeführt haben, der sowohl operativ-taktisch als auch administrativ-organisatorisch tätig ist. Dies sind alle anderen Bundesländer bis auf Brandenburg. Dort ist es den Gebietskörperschaften freigestellt, für welches Modell sie sich entscheiden. Die politisch gesamtverantwortliche Person (z. B. Bürgermeisterin, Oberbürgermeister oder Landrätin) muss zur Gefahrenabwehr sowohl Einsatzmaßnahmen als auch Verwaltungsmaßnahmen veranlassen, koordinieren und verantworten. Sie bedient sich hierbei zur Erledigung der operativ-taktischen Maßnahmen eines Führungsstabes beziehungsweise einer TEL und zur Erfüllung der administrativ-organisatorischen Maßnahmen einer je nach Landesrecht geregelten administrativ-organisatorischen Komponente.

Die operativ-taktische Komponente (z. B. Führungsstab, TEL, Örtliche Einsatzleitung, Gemeinsame Einsatzleitung vor Ort) ist nach der FwDV 100 zu gliedern. Wer die Einsatzleitung stellt, regeln die jeweiligen Feuerwehrgesetze oder im Katastrophenfall die Katastrophenschutzgesetze der Länder.

Abb. 1 Führungsebenen

Die administrativ-organisatorische Komponente (z. B. Leitungsstab, Stab für außergewöhnliche Ereignisse, Leitungs- und Koordinierungsgruppe) ist eine nach Landesrecht festgelegte Verwaltungseinheit. In ihr arbeiten alle zur Bewältigung der vorliegenden Schadenslage benötigten und zuständigen Ämter der eigenen Verwaltung, anderer Behörden und Personen mit. Aufgabe und Zweck der administrativ-organisatorischen Komponente ist es, unter den zeitkritischen Bedingungen eines Einsatzes umfassende Entscheidungen schnell, ausgewogen und unter Beachtung aller notwendigen Gesichtspunkte zu treffen.

1.3.4Polizei

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gab es einen grundlegenden Wandel in der Organisation der Polizei. Die Polizei wurde von den Alliierten komplett umstrukturiert und stellte sich neuen Herausforderungen. Die Aufgaben der Polizei wurden erweitert und umfassten nun auch den Schutz der Verfassung und die Bekämpfung des politischen Extremismus. Ab den 1960er-Jahren gab es immer wieder polizeiliche Großeinsätze, die Stabsarbeit in der Polizei notwendig machten. Beispielhaft seien genannt:

Der Bau der Berliner Mauer im Jahr 1961 führte zu einer hohen Spannung zwischen Ost- und Westdeutschland und einem entsprechenden Demonstrationsgeschehen.

1962 besetzten Studenten und linke Aktivisten leer stehende Gebäude in Berlin, um gegen die Wohnungsnot und die Politik des Berliner Senats zu protestieren.

Die Proteste gegen das politische System und gesellschaftliche Normen gipfelten im Jahr 1967 in der „Osterunruhe“ und im Jahr 1968 in den Protesten gegen den Vietnamkrieg.

Der Besuch des iranischen Schahs in Berlin im Jahr 1967 führte zu Ausschreitungen.

1968 wurde ein Brandanschlag auf die Kaufhäuser Schneider und Kaufhof in Frankfurt am Main verübt.

1968 demonstrierten in Berlin 70.000 Menschen gegen die Notstandsgesetze.

Die Olympischen Spiele in München 1972 wurden von einem schweren Terroranschlag überschattet, der allen Geiseln und einem Polizeibeamten das Leben kostete.

Die Polizei musste sich auf mögliche Unruhen und Ausschreitungen (Abb. 2) vorbereiten. Proteste erforderten umfangreiche Konzepte und eine dezidierte Einsatzplanung. Innerhalb der Einsatzmaßnahmen kamen starke Kräfte zum Einsatz und verlangten nach einer präzisen taktischen Koordination. Ermittlungen machten eine intensive Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Polizeidienststellen und Behörden notwendig.

Abb. 2 Demonstrationseinsatz

Die Polizeiführung machte die Erfahrung, dass eine Einsatzführung mit einigen Führungsgehilfen nicht verlässlich zu realisieren war. Der polizeiliche Führungsstab wurde in der damals neu geschaffenen und bundesweit gültigen PDV 100 verbindlich geregelt und definiert.

Führungsstab (PDV 100, 1975)

Ständig eingerichtetes oder für bestimmte Einsätze gebildetes Führungsorgan.

Sie sollten ständig eingerichtet werden von:

Innenministerien

Stellen der oberen Integrationsebene

Stellen der unteren Integrationsebene

Polizeibehörden und Polizeidienststellen, die auf Bundes- oder Landesebene zentrale Aufgaben wahrnehmen

geschlossenen Einheiten und Verbänden ab Abteilungsebene

Es erfolgte auch ein Aufgabenzuschnitt, der wie folgt lautete:

Beratung des Polizeiführers in allen Bereichen

Planung und Koordination

Sammlung, Beschaffung, Bewertung und Weitergabe von Informationen wie Meldungen, Befehlen und sonstigen Nachrichten (Lagezentrum, Nachrichtensammel- und Informationsstelle)

Erarbeitung des Durchführungsplans

Ausarbeitung und Weiterleitung von Befehlen und besonderen Anordnungen nach Weisung des Polizeiführers

Aufnahme von Verbindungen zu übergeordneten, unterstellten und benachbarten Stellen sowie zu anderen Behörden, Dienststellen und Personen

Dokumentation

Führung von Lagekarten und Übersichten

Sicherstellung der Versorgung

Unterrichtung der Öffentlichkeit und Auskünfte an Publikationsorgane, soweit nicht andere Stellen dafür zuständig sind

Auch zu Arbeitsweise und möglichen Beratern fanden sich Hinweise: Im Führungsstab sind Vorschläge für den Polizeiführer zu erarbeiten, um dessen Entscheidungen vorzubereiten. In besonderen Lagen kann es zweckmäßig sein, zur Unterstützung des Führungsstabs Vertreter anderer Behörden, Fachberater wie Ärzte, Psychologen oder Spezialisten aus anderen Bereichen hinzuzuziehen.

In der Anlage 5 der damaligen PDV 100 gab es einen ersten Gliederungsvorschlag (Abb. 3).

Abb. 3 Stabsaufbau 1975

Trotz dieser vorhandenen Regelungen bedurfte es eines einschneidenden Ereignisses in Form des Untersuchungsberichts zur Entführung und Ermordung des damaligen Arbeitgeberpräsidenten Schleyer. Das Gutachten des ehemaligen Bundesinnenministers Höcherl legte 1978 dar, dass die zu frühe Übernahme von Führungsverantwortung ohne ausreichende Kenntnis der Lage, eine kurzfristige und wiederholte Veränderung von etablierten Informations- und Kommunikationswegen und die weitgehende Unkenntnis von Arbeitsabläufen Fallstricke für die Stabsarbeit waren. Höcherl empfahl konkret die Einrichtung eines dauerhaften Krisenstabes mit festen Strukturen und standardisierten Arbeitsprozessen. Die IMK beauftragte in der Folge ihren Arbeitskreis II (Innere Sicherheit) mit der Entwicklung eines Führungsstabsmodells für die Polizei. Die Vorschläge erarbeiteten die AG Kripo und der UA Leitende Exekutivbeamte in Zusammenarbeit mit der damaligen Polizeiführungsakademie. Sie wurden 1978 bundesweit verbindlich verabschiedet und dienen seither als Orientierungsrahmen (Abb. 4).

IMK Beschluss vom 29.08.1978 – Grundsätze für Polizeiführungsstäbe

(1)Die Innenminister/Senatoren für Inneres des Bundes und der Länder richten in ihren Behörden planmäßig vorbereitete Polizeiführungsstäbe zur Bewältigung von Großlagen und schwerwiegenden Störungen der inneren Sicherheit ein.(2)Der Polizeiführungsstab muss sich aus der bestehenden Organisationsstruktur der Polizeiabteilungen/Abteilungen für öffentliche Sicherheit und Ordnung der Ministerien so aufbauen, dass er in kürzester Zeit arbeitsfähig ist.(3)In den Polizeiführungsstäben sind alle Dienstzweige der Polizei integriert. Je nachdem, ob die Aufgabe schwerpunktmäßig schutzpolizeilichen oder kriminalpolizeilichen Charakter hat, kann eine Verstärkung mit spezialisierten Beamten des jeweiligen Dienstzweiges erfolgen.(4)Die Polizeiführungsstäbe gliedern sich in die Stabsbereiche–Einsatz mit Lagezentrummit den Sachbereichen: Sicherheits- und Ordnungsaufgaben, Verbrechensbekämpfung, polizeiliche Verkehrsaufgaben–Führungs- und Einsatzmittelmit den Sachbereichen: Fernmeldewesen, Kraftfahrzeugwesen, Waffen und Gerät, Datenverarbeitung, kriminaltechnischer Dienst–Versorgungmit den Sachbereichen: Personalangelegenheiten, Wirtschaftsverwaltung, ärztlicher Dienst, Recht, innerer Dienst.Das Lagezentrum kann auch als eigener Stabsbereich ausgewiesen werden. Soweit sich die dringende Notwendigkeit ergibt, können weitere Stabs- und Sachbereiche gebildet werden.(5)Der Führungsstab untersteht dem Polizeiführer. Der Leiter des Führungsstabes ist ihm für die Erfüllung der Stabsaufgaben verantwortlich.(6)Die Verbindung zu anderen Stäben/Einrichtungen ist durch Verbindungsbeamte sicherzustellen. Im Bedarfsfall sind besondere Berater (z. B. Wissenschaftler, Psychologen, Dolmetscher) beizuziehen.(7)Funktionsfähigkeit und Zusammenwirken der Polizeiführungsstäbe sind durch gemeinsame Übungen und durch Aus- und Fortbildungsveranstaltungen sicherzustellen.(8)Polizeiführungsstäbe nachgeordneter Polizeibehörden müssen den vorstehenden Grundsätzen entsprechen.

Abb. 4 Stabsaufbau 1978

Für die Polizei wurde das Führungsstabsmuster 1979 in die PDV 100 aufgenommen und in den darauffolgenden 20 Jahren nur einmal verändert. Im Wesentlichen wurde 1999 das Lagezentrum aus dem Stabsbereich 1 (Einsatz) entnommen und als eigener Stabsbereich eingefügt sowie der Stabsbereich 4 (Einsatzbegleitende Presse- und Öffentlichkeitsarbeit) hinzugefügt. Die Gründe für diese Veränderung lagen in der Erkenntnis, dass das Lagezentrum eine zentrale Rolle im Informations- und Kommunikationsmanagement innehat. Im Idealfall sollte hier ein möglichst kompletter und aktueller Überblick über die im Führungsstab vorhandenen ein- und ausgehenden Informationen sowie Aufträge vorhanden sein. Die Schaffung des Stabsbereichs 4 machte u. a. deutlich, dass es während eines Einsatzes nicht Aufgabe einer Polizeiführung sein kann, die arbeitsintensive Tätigkeit der Medienbetreuung wahrzunehmen. Bemerkenswert erscheint, dass diese Gedanken bereits 1983 formuliert wurden, es jedoch zunächst zu keiner Umsetzung kam.

2.Der Stab in der Organisation

2.1Linienorganisation

Die einfachste und wohl auch ursprünglichste Organisationsform ist die Linienorganisation