Geworden - Thomas Tippner - E-Book

Geworden E-Book

Thomas Tippner

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Beschreibung

Er ist ein Einzelgänger. Immer auf sich gestellt und nicht daran interessiert, das ihn jemand zu nahe kommt. Dann aber, als er die Menschen beobachtet, ihnen nachstellt und sich aussucht, wer diese Nacht für ihn bestimmt ist, ist SIE plötzlich da - SIE, die seine Vergangenheit ebenso bestimmt hat, wie seine Hoffnung, alles zu vergessen, was er jemals getan hat.

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Thomas Tippner

Geworden

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Geworden

Impressum neobooks

Geworden

Von Thomas Tippner

Schweigend hatte ich da gestanden, an der Ecke der Schillerstraße und die Menschen beobachtet, die in einer wilden Hast an mir vorbei eilten und mich ignorierten.

Niemand sah mich!

Keiner beobachtete den hochgewachsenen, schlanken Mann, der sich etwas zu dunkel kleidete und die ungesunde, blasse Gesichtsfarbe eines Menschen trug, der wie so viele andere angeblich an der Cholera erkrankt war.

Nein, mich hatte dieser verruchte Virus nicht erwischt.

Wie auch?

Ich war anders.

Und so, als ich einen Schritt hinaus auf die Straße tat, um mich jener jungen Frau zu nähern, die mir seit zwei Tagen nicht mehr aus dem Kopf ging, spürte ich den sanften Ruck und kam keinen Schritt weiter vorwärts. Erst verwirrt, dann verärgert, drehte ich mich herum und stierte zu jener blonden, blauäugigen Frau, die mich kalt anlächelte und jeglichen Protest in mir zum erliegen brachte.

Das: »Sie stehen auf meinem Mantel«, war mir ebenso im Halse stecken geblieben, wie die Verwünschung, mit der ich liebend gerne um mich warf, wenn vor mir einer jener Menschen stand, der sich viel zu wichtig nahm und doch nichts anderes war, als ein schmutziger Rand unter meinem Fingernagel.

Nun aber, wo ich in ihr Gesicht schaute, blieb mir jeder Fluch, den ich ausstoßen wollte, versagt.

Nur ein heiseres: »Du?«, drang über meine Lippen und war mehr ein Raunen, als ein Flüstern.

»Überrascht?«, wollte sie wissen.

»Ja!«, sagte ich rau und versuchte meine Verwirrung abzustreifen und meine verlorene Fassung wieder zu erlangen.

»Musst du nicht sein, mein Prinz«, flüsterte sie leise und strich mir eine schwarze Locke aus dem Gesicht. »Du trägst das Haar heute offen…«, bemerkte sie wie nebenbei und wirkte auf mich wie eine Nebelschwade über einen in frühen Morgenstunden daliegenden See. »Wie wenig du dich doch verändert hast. Wirkst beinah genau so verführerisch wie früher…«

»Was willst du?«, wollte ich wissen, nachdem ich mich von ihr löste, sie im fahlen Mondlicht betrachtete und nicht begriff, wie es sein konnte, dass sie nun vor mir stand.

War sie damals nicht verloren gewesen?

»Erfahren.«

»Was erfahren?«

»Den Grund!«

»Welchen?«

»Warum du mich damals verlassen hast.«

Ich lachte kalt und fühlte mich plötzlich so überlegen, so unbezwingbar, dass ich meinte, mir würde Honig den Rücken herunterlaufen: »Ich konnte dich nicht gebrauchen.«

»Erzähl es mir trotzdem«, bat sie mich mit einem leisen Schluchzer in der Stimme. »Ich muss es doch verstehen…«

*

Wie verloren sie doch wirkte.

So schön und bleich!

So verspielt und verziert.

Noch immer begriff ich nicht, was über mich gekommen war, als ich sie das erste Mal gesehen hatte und noch immer verschloss sich mir, warum ich nicht das Weite suchte und einfach davon lief.

Nein.

Ich musste hier sitzen bleiben, ihre Haare um meinen Finger wickeln und ihr zartes Gesicht im Schein des Mondes betrachten und bemerken, wie hübsch sie doch war.

Weich fiel der Schein des Mondes auf ihre blasse, beinah durchscheinende Haut. Nur ihre roten Lippen schimmerten kräftig und ließen mich grämend an jene Stunden des Abends denken, an denen ich sie liebte und liebkoste und nicht genug davon bekam, dabei zuzusehen wie sie sich öffneten und schlossen.

Ich beobachtete sie, sah die weichen Konturen ihres schlafenden Gesichtes.

Ich verlor mich. Schaute in die Vergangenheit und erinnerte mich wie schön der Abend gewesen war. So herrlich amüsant und doch mit kleinen Verwunderungen versehen; dass sie einen Witz beherrschte, der mich faszinierte und zum Lachen brachte.

Ich konnte nicht genug davon bekommen, ihrer Stimme zu lauschen. Wie ich dahin schmolz, in der Anmut ihrer Bewegungen. Ich tauche ein, in ihre intelligenten Augen und kämpfte damit, nicht in ihnen unterzugehen.

Weswegen ich jetzt gedankenverloren über die blassen Wangen strich begriff ich selber nicht. Und doch wusste ich, dass ich es noch einmal fühlen wollte, als sie plötzlich vor mir stand und sich mit einem leisen, verschämten, beinah schüchternen Lächeln bedachte und mich anschaute, mit einem Blick, der mein Herz im Sturm eroberte.

Oh ja… Ich war hin und her gerissen und mir unsicher wie ich mich ihr gegenüber verhalten sollte.

Feuer war in ihrem Blick.

Kummer in dem meinen.

Und doch hatte ich nicht aufgehört mich von ihr gefangen nehmen zu lassen.