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Eigentlich ist Gilla gut ausgelastet: Im Handwerksbetrieb ihres Mannes führt sie das Büro, der Haushalt mit zwei heranwachsenden Kindern bietet reichlich Herausforderungen und außerdem ist sie in der Kirche aktiv. Aber als sie den jungen Flüchtling Karim kennenlernt, der dringend Hilfe braucht, kann sie nicht wegschauen. Schon bald merkt sie allerdings, dass sie es nicht allen rechtmachen kann. Denn jeder erwartet vollen Einsatz: Ihr Mann Joe möchte, dass sie weiterhin ihre Prioritäten bei Job und Familie setzt, Sohn Nils braucht Hilfe beim Umzug in eine neue Wohnung, Tochter Famke hat ihren ersten Freund. Alexa Baumeister hat einen christlichen Frauenroman geschrieben, der gleichermaßen aktuell und unterhaltsam zu lesen ist. Was ist für mich dran in Familie, Job, Kirche und Gesellschaft – und wo bleibe ich persönlich mit meinen Bedürfnissen? Engagierte Frauen kennen solche Fragen. Gilla muss sich für ihren eigenen Weg entscheiden. Aber vor allem muss sie ihrem Mann klarmachen, dass er keinen Grund hat, eifersüchtig zu sein …
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Seitenzahl: 375
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© 2017 Brunnen Verlag Gießen
Lektorat: Eva-Maria Busch
Umschlagfoto: Shutterstock
Umschlaggestaltung: Daniela Sprenger
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN Buch 978-3-7655-2083-9
ISBN E-Book 978-3-7655-7486-3www.brunnen-verlag.de
Inhalt
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„Wenn der Monteur nix findet, zahle ich aber keine Anfahrt!“, droht Herr Eckerle.
„Es geht nicht darum, etwas zu finden“, versichere ich ihm geduldig. „Es handelt sich um eine regelmäßige Wartung Ihrer Heizungsanlage. Eine Art Inspektion, wenn Sie so wollen.“
Der Vergleich ist offensichtlich schlecht gewählt. „Oh! Wenn Sie wüssten, wie oft die mir in der Werkstatt schon etwas aufschwatzen wollten! Aber nicht mit mir. Ich erkundige mich da immer erst noch woanders.“ Es klingt auch etwas anders, wenn er es ausspricht. Nicht nur der Name ist schwäbisch, sondern auch der Mann selbst, und das hört man sehr deutlich.
„Aber Herr Eckerle“, sage ich besänftigend, „wir waren doch schon mehrmals bei Ihnen zur jährlichen Wartung. Gab es da jemals ein Problem?“
„Wer weiß“, schießt er zurück. „Dieses Jahr ist unser durchschnittlicher Heizölverbrauch um ganze zwei Komma vier Prozent gestiegen. Vielleicht liegt das an der Einstellung?“
„Es liegt vermutlich eher daran, dass wir einen recht kalten Winter hatten“, behaupte ich. „Erinnern Sie sich noch an den Kälteeinbruch Mitte April? Da hatten wir noch mal richtig Schnee.“
„A jo!“, ruft er. „Da ist meiner Frau beim Schneeräumen die Schüppe zerbrochen und ich musste noch eine neue kaufen. Und was meinen Sie? Es gab keine Kunststoff-Schüppen mehr, ich musste tatsächlich eine aus Metall nehmen.“
Kleinlicher Geizkragen, denke ich. Arme Frau. Aber das sage ich natürlich nicht, sondern rufe triumphierend: „Sehen Sie? So ein langer Winter war das. Und da liegen Sie mit so einer moderaten Steigerung noch richtig gut im Vergleich zu anderen Kunden!“ Ich muss gestehen, das ist jetzt etwas aus der Luft gegriffen, denn ich habe tatsächlich keine Vergleichszahlen. Aber es scheint mir in Anbetracht der Lage sinnvoll, dem Herrn Eckerle mit seiner schwäbischen Sparsamkeit ein gutes Gefühl zu vermitteln, damit ich nicht noch länger mit ihm über den Termin für die Überprüfung seiner Ölheizung diskutieren muss.
Kunden anrufen und mit ihnen Termine für die Heizungswartung ausmachen ist nicht meine Lieblingsbeschäftigung. Als ich in diese Familie einheiratete, war das auch noch kein Thema. Da hatte ich mich nur einverstanden erklärt, mich in Büro und Buchhaltung einzuarbeiten, so wie das schon meine Schwiegermutter vor mir getan hatte. Es klingt bestimmt sehr altmodisch, aber so war es nun mal. Als ich mich mit Joe verlobte, wusste ich, worauf ich mich einließ: einen Handwerksbetrieb in der dritten Generation.
Und das umfasst mittlerweile auch, dass die Kunden ihre Heizanlagen regelmäßig überprüfen lassen, anstatt zu warten, bis sie kaputtgehen. „Und das kann doch nur in deinem Interesse sein, Gilla“, waren Joes Worte. „Erstens gibt das regelmäßiges Geld und zweitens haben wir seltener diese Noteinsätze am Wochenende.“
„Hoffentlich“, habe ich geknurrt, weil ich wusste, dass ich keine andere Wahl hatte. Wer sollte diese Anrufe tätigen, wenn nicht ich? Joe, der sich schon die Zeit für umfassendere Angebote nur abends oder am Wochenende nehmen kann? Eugen, unser russlanddeutscher Mitarbeiter, der im Zweifelsfall lieber die Hand in ein verstopftes Klo steckt als ans Telefon zu gehen? Bevor ich die kurze Liste der übrigen Betriebsangehörigen durchgehen konnte, war mir klar, dass dies wieder mal einer der Fälle war, in die man sich einfach fügen muss, weil Widerstand zwecklos ist. Deshalb sitze ich jetzt hier an meinem Schreibtisch und lasse mich zuschwäbeln, was das Zeug hält.
„Also, Herr Eckerle“, flöte ich ins Telefon. „Würde Ihnen nächsten Dienstag passen? Ich könnte direkt um halb acht jemanden schicken oder aber gegen viertel nach elf.“
„Halb acht oder viertel nach elf“, wiederholt er zu meiner Erleichterung, ohne noch weitere Einwände vorzubringen.
Während Herr Eckerle die Termine gegeneinander abwägt, kommt Joe ins Büro und wedelt mit einem Zettel. Offensichtlich hat er eine Frage, aber jetzt muss er erst mal warten, bis ich diesen Fall unter Dach und Fach habe.
„Lieber in der Früh“, entscheidet Herr Eckerle. „Um halb elf bin ich nämlich fort und meine Frau mag sich um so was nicht kümmern.“
„Ist notiert“, rufe ich erleichtert. „Dienstag um halb acht. Wiederhören, Herr Eckerle.“
„Eckerle?“, wiederholt Joe und rollt mit den Augen. „Dieser Besserwisser?“
„Genau der“, sage ich grinsend und hake den Termin ab.
Joe grinst zurück. „Herr Eckerle, Herr Eckerle, der geht mir auf das Weckerle.“
„Und mir erst“, stimme ich ihm zu, bevor ich mich um den Zettel mit seiner Bestellung kümmere.
Als am Nachmittag das Telefon klingelt, erwarte ich eigentlich einen Rückruf des Lieferanten, von dem ich einen Liefertermin brauche.
Stattdessen erkenne ich im Display die Handynummer unserer Tochter Famke. „Mama, kannst du eine grooooße Ausnahme machen und mich von der Schule abholen?“
Sie weiß, dass das bei uns nicht üblich ist. Andere Mütter mögen ihre Kinder rund um die Uhr durch die Gegend kutschieren, für unsere Sprösslinge war immer klar, dass das nicht geht. Andererseits nehme ich dann einen solchen Sonderfall auch ernst, allerdings nicht ohne nachzufragen. „Was ist denn los? Warum kannst du nicht laufen?“
„Na ja, ich hab keine Jacke.“
„Was heißt das, du hast keine Jacke?“ Draußen regnet es in Strömen. Den ganzen Tag schon. Ich bin ziemlich sicher, dass sie heute früh das Haus in ihrem warmen Goretex-Parka verlassen hat.
„Ich hab die verliehen. Ich erklärs dir später. Kommst du?“
„Ausnahmsweise.“
Ich bin schon etwas beunruhigt, als ich an der Schule ankomme. Wieso verleiht Famke ihre Jacke? Man hört ja manchmal solche Geschichten – wird sie vielleicht gemobbt oder sonst irgendwie unter Druck gesetzt? Bisher war sie immer beliebt und hat es ohne Probleme bis in die Stufe 11 geschafft. Vermutlich gibt es andere Gründe. Die ich hoffentlich gleich erfahren werde.
Meine Tochter steht nicht allein unter dem Vordach des Haupteingangs. Und ich sehe auch ihre Jacke, etwas zweckentfremdet um die Hüften eines zierlichen Jungen gewickelt, den ich nicht kenne. Beide sprinten jetzt die kurze Strecke durch den Regen zu meinem Auto und lassen sich auf den Rücksitz fallen.
Bevor ich irritierte Fragen stellen kann, sagt Famke: „Danke, Mama! Du, das ist Karim. Dem ist heute in der Mittagspause seine Jeans gekracht. Direkt hinten am Po. Da hab ich ihm meine Jacke geliehen, damit er noch durch die Schule laufen kann, ohne dass sich die Unterstufenschüler dauernd kaputtlachen.“
„Wie ärgerlich“, sagte ich mitleidig. Und rufe dann nach hinten: „Hallo Karim! Kann ich dich nach Hause fahren?“
„Er versteht kein Deutsch“, erklärt Famke. „Aus irgendwelchen Gründen hat er Französisch statt Englisch gelernt. Aber ich dachte, du kannst das ja, oder?“
Vor vielen Jahren war ich mal als Au-pair-Mädchen in Troyes. Das ist lange her. „Ist er ein Austauschschüler?“
„Nein, der kommt aus Syrien. Ein paar von denen gehen jetzt bei uns in die Schule.“
Ich suche noch einmal die dunklen Augen im Rückspiegel und versuche es mit einer Begrüßung. „Bonjour, Karim, comment ça va?“
„Bonjour, Madame“, erwidert er höflich, ohne den Anflug eines Lächelns. Ein Charmeur ist er nicht, denke ich etwas unzufrieden. Dann klickt es bei mir.
„Ist er einer von den Flüchtlingen, die jetzt an der Kreuzkoppe wohnen?“ Erst vor ein paar Tagen stand in der Zeitung, dass Hasenbüttel eine ganze Gruppe junger Männer zugewiesen bekommen hat. Dass sie so jung sind wie Karim, hatte ich mir dabei nicht vorgestellt. „Das hättest du mir sagen müssen. Ich hätte vorhin schon links abbiegen müssen.“
„Ich dachte, er könnte erst mal mit zu uns kommen“, sagt Famke. „Vielleicht kriegst du ja seine Jeans wieder hin.“
Einen Moment lang fühle ich mich etwas überfahren. Ich habe für heute Nachmittag wahrlich andere Pläne als die Flickwäsche anderer Leute zu erledigen. Gerade will ich ihr das mitteilen, als ich ihren Blick auffange.
„Ich weiß nicht, ob er noch eine andere Hose hat“, fügt sie hinzu. „Er hat immer nur diese an.“
Etwas geläutert beiße ich mir auf die Lippen. „Ich kann ja mal sehen, was sich da machen lässt.“
„Kannst du ihm das auch sagen? Mein Französisch gibt das nicht her.“
Eigentlich habe ich auch seit Jahrzehnten nicht mehr gesprochen, vom Bestellen einer Mahlzeit im Urlaub vielleicht mal abgesehen. Aber jetzt muss es wohl sein. „Ich werde versuchen, Ihre Hose zu reparieren“, sage ich in Richtung Rücksitz.
„Sie sind sehr freundlich, Madame“, antwortet er höflich. Aber erfreut darüber sieht er nicht aus. Eher besorgt.
Den Rest des Weges verbringen wir schweigend. Ich zermartere mir das Hirn, wie wir vorgehen sollen. Der junge Mann braucht ja etwas zum Anziehen, solange ich mit seiner Jeans beschäftigt bin. Bestimmt möchte er nicht in seiner Unterhose in unserer Küche sitzen. Aber was kann ich ihm geben? Die Hosen von Joe oder meinem Sohn Nils sind ihm viel zu groß, die von Famke wiederum vermutlich zu eng. Von meinem Kleiderschrank reden wir erst gar nicht. Erst als wir die Garage erreichen, habe ich eine Idee.
„Geht mal in die Küche und setzt Teewasser auf“, schlage ich vor. „Ich bin gleich da.“
Als Karim aussteigt, immer bemüht, Famkes Jacke nicht zu verlieren, bemerke ich mehrere Dinge. Erstens: Er ist wirklich recht zierlich, höchstens ein Meter siebzig, und sehr schlank. Zweitens: Der Riss in seiner Jeans ist nicht unerheblich, er zieht sich von der Sitzfläche bis zur Seitennaht. Und drittens scheint es, als hätte er keine Unterhose an.
Ich weiß ja, dass es Flüchtlinge gibt, die völlig ohne Gepäck bei uns ankommen. Bisher habe ich mir allerdings keine Gedanken darüber gemacht, was das bedeutet. Ich kannte persönlich keine asylsuchenden Syrer. Aber jetzt ist da einer, der mich braucht.
Ich mache einen Abstecher ins Lager. Ziemlich hinten im Regal finde ich, was ich suche: einen Karton mit Arbeitskleidung. Unser voriger Azubi war auch nicht groß. Tatsächlich entdecke ich eine noch eingepackte Latzhose in Größe M, die müsste gehen.
Unterwäsche gehört allerdings nicht zu den Dingen, die wir unseren Mitarbeitern zur Verfügung stellen. Die Vorstellung, dass Karim jetzt mit nacktem Hintern in diese Hose steigen muss, graust mich ebenso wie der Gedanke, dass ich gleich seine noch körperwarme Jeans bearbeiten werde, die er ebenso getragen hat. Aber da müssen wir wohl beide durch.
Famkes Augen leuchten auf, als sie mich mit der grauen Plastiktüte kommen sieht. „Gute Idee!“ Offenbar hatte sie sich dazu auch schon Gedanken gemacht.
Ich reiche ihm die Hose und komplimentiere ihn unter Aufbietung meines gesamten französischen Wortschatzes ins Gästeklo zum Umziehen. Er nickt schweigend und schließt sich ein.
In der Küche holt Famke gerade zwei Tassen und eine Packung Kekse aus dem Schrank. „Danke, Mama“, sagt sie mit einem verlegenen Blick. „Ich wusste nicht, was ich sonst machen sollte. Ich konnte ihn doch nicht so … unbedeckt durch die Schule laufen lassen.“
„Ist schon in Ordnung.“ Irgendwie bin ich ja stolz auf sie. Ich wollte immer, dass meine Kinder Verantwortung übernehmen und nicht wegschauen, wenn sie ein Problem sehen. Aber natürlich war ich nicht darauf gefasst, dass das Problem eines Tages ohne Unterhose in meiner Küche sitzt.
„Kennst du ihn näher?“, frage ich sie.
Famke schüttelt den Kopf. „Erstens sind die erst ein paar Tage in der Schule“, erklärt sie. „Und außerdem kann ich ja kein Französisch.“
„Wie viele sind es denn?“
„Mindestens drei. Karim und Ahmad sind in meinem Erdkundekurs. Und dann ist da noch einer, der ist wohl ein bisschen älter, der heißt Mahmoud oder so. Ahmad kann ein bisschen Englisch, aber … na ja … wir Mädchen haben noch nicht so viel mit denen gesprochen.“
Karim kommt zurück. Die Latzhose ist ihm immer noch ein wenig groß, aber immerhin hat er überhaupt was, um seine Blöße zu bedecken. Ich gehe rasch in die Hocke und kremple seine Hosenbeine hoch, damit er nicht darüber stolpert.
„Setzen Sie sich. Famke macht Tee. Ich gehe jetzt nähen.“
Er nickt mit einem winzigen Lächeln und rutscht auf die Eckbank. Neben ihm steht eine Plastiktüte, in der sich Bücher befinden.
„Famke“, sage ich, während ich Karims kaputte Hose unter den Arm klemme, „vielleicht kannst du gleich mal Nils fragen, ob der seinen alten Rucksack entbehren kann, damit Karim seine Schulsachen damit transportieren kann.“
„Ich schreib ihm sofort“, nickt sie, vermutlich erleichtert, dass sie noch etwas anderes tun kann, als hier wortkarg mit dem Syrer Tee zu trinken, mit dem die Verständigung schwierig ist. Sie zieht ihr Handy hervor. Karim tut es ihr nach, und so sitzen sie beide da und tippen schweigend. Aber so ungewöhnlich ist das heutzutage ja nicht.
Ich gehe in meinen Arbeitskeller und ziehe die Hülle von der Nähmaschine. Früher habe ich viel genäht, als die Kinder noch klein waren. Irgendwann wollten sie dann das selbst gemachte Zeug nicht mehr anziehen. Inzwischen mache ich hauptsächlich die Reparaturarbeiten: Hosen kürzen, Arbeitsklamotten flicken, ab und an mal für Famke etwas ändern, das ihr nicht gut passt.
Karims Jeans ist eine Herausforderung. Es ist eine gute Marke, aber an mehreren Stellen extrem morsch. Ich durchsuche meine Restekiste nach einem Stück Stoff, das ich großflächig von innen dagegensetzen kann, bevor ich den Riss repariere. Aber eigentlich müsste ich die ganze Hose auf diese Weise verstärken, sonst hat er nächste Woche wieder so ein Missgeschick.
Es dauert eine Weile, bis ich mit meinem Werk zufrieden bin. Trotzdem kann ich nicht dafür garantieren, dass es längere Zeit halten wird, aber was soll ich machen? Bei uns gibt es keine Sachen, die Karim passen.
Immerhin kenne ich durch den Zettel am Innenbund seine Größe. Spontan fällt mir ein, dass ich früher mal am Ende vom Marktplatz einen Secondhandladen gesehen habe. Vielleicht existiert der noch?
Wenn jemand das weiß, dann meine Freundin Gabi. „Nee“, teilt sie mir auf meine spontane telefonische Anfrage mit, „der hat längst dicht gemacht. Das war doch diese Frau Preradovich, die immer dachte, man kann mit Nichtstun Geld verdienen. Deswegen war das von Anfang an zum Scheitern verurteilt.“
„Tja“, seufze ich enttäuscht, „da kann man nichts machen.“
„Sag ich doch“, meint Gabi, „das war genau deren Einstellung. Nichts machen, meine ich. Dabei ist das ein extrem hartes Brot, mit gebrauchter Kleidung zu handeln.“
„Ach ja? Wieso denn?“
„Weil diese ganzen karitativen Tränendrüsendrücker die Preise kaputt machen“, erklärt sie mir. Ihre Wortwahl erinnert mich wieder daran, dass sie eine der wenigen Personen in meiner Bekanntschaft ist, die mit Glauben und Gemeinde nichts am Hut haben. „Die kriegen ihre Klamotten kostenlos gespendet und verscherbeln die dann für ’n Appel und ’n Ei. Sieh dir zum Beispiel mal die Sozialinitiative drüben in Westerheide an.“
Sofort werde ich hellhörig. „Sozialinitiative? Westerheide?“ Das ist unser Nachbarort, nur ein paar Kilometer entfernt.
„Ja, die betreiben alle möglichen mildtätigen Werke“, führt Gabi in spöttischem Ton aus. „Du weißt schon, Tafel, Kleiderkammer, Möbellager, die ganze Wohlfahrtspalette.“
„Weißt du noch mehr darüber?“
„Zum Glück hab ich das nicht nötig“, versetzt sie. „Aber die haben eine eigene Webseite. Kannst du ja mal googeln.“
Noch mit Karims Hose über dem Arm setze ich mich in Bewegung Richtung Büro, um genau das zu tun. Schnell habe ich gefunden, was ich suche, und erfahre, dass ausgerechnet morgen einer der beiden wöchentlichen Öffnungstage ist.
Ich schreibe mir alle Daten auf einen Zettel. Noch bin ich nicht sicher, ob ich das tun werde. Eigentlich habe ich keine Zeit für so was. Aber wenn doch, dann habe ich wenigstens die nötigen Informationen zur Hand.
In der Küche finde ich die beiden inzwischen in einer Art Dialog vor. Die Verständigung besteht darin, dass sie etwas auf ihrem Handy tippen und es sich dann zuschieben. Die Teebecher stehen vergessen auf dem Tisch. Die Kekspackung ist halb leer.
Ich winke Karim mit seiner Jeans zu. „Fertig!“
Sein Gesichtsausdruck ist schwer zu beschreiben. Vorsichtig nimmt er die Hose entgegen und schaut sich meine Reparatur an.
„Das wird nicht für immer halten“, warne ich ihn. „Aber zunächst können Sie die wieder anziehen.“
Er rutscht von der Eckbank und macht fast einen Diener, was mir etwas unangenehm ist. Mit vorlauten, frechen Teenagern habe ich definitiv mehr Erfahrung als mit dieser zurückhaltenden Höflichkeit. Die ist mir unheimlich. Genau wie die gesamte Flüchtlingsproblematik, mit der man augenblicklich in jeder Nachrichtensendung zugeballert wird.
Karim verzieht sich erneut auf unser Gästeklo zum Umziehen.
„Weißt du jetzt etwas mehr über ihn?“, frage ich Famke.
Sie nickt. „Er kommt aus Aleppo. Sein Vater ist wohl eine Art Geschäftsmann, das habe ich nicht so ganz verstanden, und er hat noch ein paar jüngere Schwestern. Sein älterer Bruder wurde zum Wehrdienst eingezogen und ist tot, und da haben sie ihn nach Europa geschickt, damit ihm das nicht auch passiert.“
Ich versuche mir vorzustellen, Nils wäre in so einer Lage. Er ist fast zwanzig und wäre damit im idealen Alter, um zum Militärdienst eingezogen zu werden. Aber es ist nicht realistisch. Wir leben hier einfach zu sicher, als dass wir uns da hineinversetzen können.
„Sollen wir ihn zum Essen hierbehalten?“, schlage ich etwas halbherzig vor.
Famke zieht ein Gesicht. „Erstens muss ich unbedingt für die Bio-Klausur lernen, da kann ich nicht noch stundenlang mit ihm hier rumsitzen. Und außerdem ist der Muslim, meinst du, der will unsere Leberwurst essen?“
„Na gut“, beschließe ich nicht ohne eine gewisse Erleichterung, „dann bringe ich ihn nach Hause. Von hier aus ist es ja ziemlich weit bis zur Kreuzkoppe.“
Sie nickt zustimmend. „Danke, Mama. Für alles. Gut, dass du Französisch sprichst.“
Da hat sie wohl recht. Aber ich habe das Gefühl, mit ein paar Sätzen Französisch und einer geflickten Jeans ist noch nicht alles getan.
Eine Weile später sitzt Karim neben mir im Auto, auf seinem Schoß der von Nils vererbte Rucksack. Darin sind seine Bücher, die Latzhose und der Rest der Kekse. Gern hätte ich ihm noch mehr eingepackt, aber ich weiß nicht recht, womit ich ihm einen Gefallen tun kann. Auf meine Nachfrage hin hat er mir geantwortet, dass er Muslim ist. Trotzdem hatte ich das Gefühl, er würde einem Carepaket aus einer angefangenen Packung Gouda, einer Margarinedose und einem halben Landbrot nicht unbedingt sehr wohlwollend gegenüberstehen. Was essen wohl die Menschen in Syrien normalerweise? Ich habe keine Ahnung. Und bin auch zu verunsichert, um ihn zu fragen, weil er so wortkarg ist und momentan immer nur aus dem Beifahrerfenster starrt.
Schließlich erreichen wir die Kreuzkoppe – eine Gegend, in der ich selten zu tun habe. Hier stehen einige Mehrfamilienhäuser, in denen sich Sozialwohnungen befinden, und neulich habe ich in der Zeitung gelesen, dass die Stadt darin die neu angekommenen Flüchtlinge untergebracht hat.
„Sind wir hier richtig, Karim?“
Er deutet auf das Gebäude mit der Hausnummer 16. „Hier wohne ich, Madame.“
Ich habe den Kasten noch dreckig-grau in Erinnerung, aber mittlerweile hat man die Häuser in der Straße gestrichen. Und zwar in mehreren gewagten Pastellfarben. Vielleicht gab es die billig, weil sie sich auf dem freien Markt nicht verkaufen ließen. Für die Nummer 16 hat der Zuständige eine Variante von Mintgrün gewählt, die an einem kleinen Holzhaus möglicherweise ganz nett aussehen würde. An diesem Riesenklotz wirkt sie nicht nur furchtbar unpassend, sie unterstreicht auch die hässlichen Graffiti neben der Haustür, die jemand mit einer schwarzen Spraydose dort hinterlassen hat.
Die Haustür steht offen und erlaubt den Blick in ein trübseliges Treppenhaus. Die Rasenfläche um das Haus herum ist ungepflegt und teilweise zertrampelt. Die meisten Fenster haben keine Gardinen, sondern sind entweder kahl oder mit Stoff beziehungsweise Zeitungspapier zugehängt.
Ich halte an. Karim packt seinen Rucksack und öffnet die Autotür. „Vielen Dank, Madame. Sie sind sehr freundlich.“
Ich sehe ihm nach, bis er im Dunkel des Hausflurs verschwindet. Gut, dass er nicht weiß, was ich denke. Ich bin nicht freundlich. Im Augenblick bin ich einfach nur dankbar, dass ich schleunigst wieder hier wegfahren kann. Weg aus dieser schäbigen Gegend, die viel zu deutlich dokumentiert, dass nicht jeder in Hasenbüttel das Glück hat, in einem komfortablen Eigenheim mit Garten zu wohnen. So wie wir zum Beispiel.
2
Natürlich weiß ich, dass die Leute im Trickfilmstudio nicht an mich gedacht haben, als sie „Gunilla the Killah“ erfanden. Aber es tröstet mich nicht wirklich. In dem Moment, als mir Nils zum ersten Mal das Kurzvideo für den diesjährigen Weihnachtsfilm „Little Miss Texas“ auf seinem Handy vorspielt und sich dabei halb schlapp lacht, ist mir klar, dass ich das diese Saison noch oft hören werde.
„Guck dir diese Schabracke an, Mama!“, jault mein Sohn und biegt sich vor Vergnügen. „Ich glaub es nicht!“
Tatsächlich haben die Trickfilmfigur Gunilla und ich eine auffällige Gemeinsamkeit: ein Muttermal auf der Wange, etwa in Höhe des Nasenflügels. Nur dass meins braun ist und das von Gunilla lila. Zumindest bis sie sich aufregt, was innerhalb des Films öfter passiert. Denn dann beginnt es wie ein Feuerwehrblaulicht zu blinken, damit auch alle erkennen, wie wütend sie ist.
Vielleicht wäre das ja auch für mich manchmal ganz praktisch. Dann würde Nils sich nicht so lautstark über etwas lustig machen, was für mich zeitlebens eine Qual war. Schon im Kindergarten haben sich die anderen Kinder in der Zwergengruppe darüber lustig gemacht, und einmal habe ich mich sogar mit Lothar Lewinski deshalb geprügelt, sodass Tante Almuth meine Mutter anrufen und die mich mitten am Tag abholen musste. Unvergesslich bleibt auch die Episode, als einer unserer Lehrer mal den Ausdruck verwendete: „Da kann ich mir auch einen Knopf an die Backe nähen und dran drehen, bis Radio Luxemburg kommt“, woraufhin ein vorlauter Mitschüler kommentierte: „Die Gilla hat den schon!“ Noch heute kann ich mich daran erinnern, dass ich bei dem anschließenden Gelächter am liebsten im Erdboden versunken wäre.
In der Teenagerzeit war das Muttermal ein Grund, weshalb ich eher schüchtern und verklemmt im Hintergrund blieb, wenn meine Freudinnen auf den Klassenfeten ihre ersten Flirtversuche unternahmen. Und als ich dann Joe kennenlernte, musste er einiges an Überzeugungsarbeit leisten, bis ich ihm glaubte, dass ihn der bescheuerte Fleck in meinem Gesicht nicht störte.
Inzwischen habe ich mich einigermaßen damit abgefunden. Es tut nicht weh und stellt keine Einschränkung meiner Aktivitäten dar. Aber nach wie vor mag ich es nicht, wenn es zu deutlich thematisiert wird. Natürlich ist mir klar, dass die Kinder es als einen Teil von mir betrachten. Als Famke vielleicht sieben oder acht war, sagte ihr mal jemand, dass sie mir immer ähnlicher würde, woraufhin sie mich fragte: „Wächst mir dann auch so eins, wenn ich groß bin?“ Ich weiß gar nicht, ob sie erleichtert war, als die Frage verneint wurde. Ich wäre es gewesen.
Nachdem Nils sich wieder eingekriegt hat und Famke auch erschienen ist, setzen wir uns gemeinsam zum Abendessen. Das klappt nicht jeden Tag, umso mehr genieße ich es, wenn ich alle meine Lieben um mich versammelt habe. Das ist die Zeit, in der wir uns Lustiges und Ärgerliches, Wichtiges und Unwichtiges erzählen. Heute ist eher etwas Überraschendes am Start. Denn Nils teilt uns mit, dass er ausziehen möchte.
„Ich war gestern bei Gräfes wegen dem tropfenden Ventil“, berichtet er kauend. „Und die haben eine Einliegerwohnung frei. Die hab ich mir angesehen.“
Mein erster Gedanke ist nicht, dass er mich dann nicht mehr mit blöden Trailern von Disney-Filmen nerven kann. Oder dass es eigentlich „wegen des tropfenden Ventils“ heißen müsste. Nein, ich reagiere wie vermutlich die meisten Mütter: gluckenhaft. Hilfe, mein Sohn will das Nest verlassen! Wovon soll er sich denn ernähren? Bisher hat er jedenfalls erfolgreich vermieden, dass er zu Hause mal ernsthaft kochen muss.
Joe setzt da andere Schwerpunkte. „Und wie willst du das finanzieren mit deinem Lehrlingsgehalt?“
Nils guckt so leidend wie immer, wenn wir ihn mit unangenehmen Detailfragen belästigen. „Na ja, ich hab das mal durchgerechnet“, sagt er. „Wenn ich eine kleine Anschubfinanzierung kriege für eine Erstausstattung, dann könnte ich es ganz gut schaffen. Herr Gräfe hat mir nämlich angeboten, dass er die Miete deutlich reduziert, wenn ich seine Gartenarbeit mache und so. Weil er das mit seinem Rücken nicht mehr kann.“
„Oha“, sagt Joe. „Aber du weißt schon, dass man Gartenarbeit nicht nur zweimal im Jahr macht?“
„Natürlich!“, sagt Nils, als könnte er sich nicht daran erinnern, was wir immer für Diskussionen darüber hatten, in welcher Häufigkeit der Rasen gemäht werden müsste.
„Und dass man Schnee frühmorgens räumt, ist dir auch bekannt?“
„Papa!“, ruft Nils gequält, „ich bin doch kein kleines Kind mehr! Mir ist schon bewusst, dass das Arbeit ist. Aber ich möchte endlich meine eigene Bude haben, so wie meine Kumpels auch.“
„Und das kann nicht noch ein Jahr warten, bis du deine Prüfung gemacht hast und mehr verdienst?“, frage ich. Irgendwie fällt mir der Gedanke schwer, dass er schon bald für immer aus dem Haus geht. Er ist doch noch nicht so weit! Er kann weder kochen noch hat er die Spur einer Ahnung, wie man wäscht, und …
„Ich denke nicht, dass Herr Gräfe so lange warten wird“, entgegnet mein Sohn. „Jetzt ist eine gute Gelegenheit. Und ich bin bald zwanzig. Es wird mal Zeit, dass ich auf eigenen Füßen stehe.“
„Na gut, dann nehmen wir mal an, das klappt mit der Wohnung.“ Joe ist wie meistens derjenige von uns beiden, der als Erster sehr pragmatisch zu den Fakten übergeht. „Du wirst auf jeden Fall eine Küche brauchen. Das wäre wohl der größte Batzen.“
„Nicht unbedingt“, sagt Nils. „Denn Natalies Eltern kaufen sich gerade eine neue und ich könnte dann den größten Teil der alten Küche übernehmen. Sogar den Gefrierschrank!“
„Natalies Eltern?“, flötet Famke neugierig dazwischen. „Dann stimmt es doch, was Lena sagt? Ihr seid wieder zusammen?“
Nils rutscht etwas verlegen auf seinem Stuhl herum. „Das könnte man so sagen, ja.“
Das ist eine überraschende Information. Vor zwei Jahren, als Natalie zu ihrer Ausbildung nach Kassel ging, gab es eine dramatische Trennung, die auch den Rest der Familie nicht ganz unberührt ließ. Und jetzt geht das ganze Theater wieder von vorne los? Ich bin nicht begeistert. Aber darüber sollte ich mit meinem Sohn vielleicht mal unter vier Augen reden und nicht hier im Familienkreis.
Famke ist da nicht so feinfühlig. „Na, dann wundert mich nichts“, sagt sie spöttisch. „Da ist wohl sturmfreie Bude angesagt. Wissen denn Gräfes schon, dass du eine Freundin hast?“
„Lass das mal meine Sorge sein“, knurrt ihr Bruder sie an.
Vielleicht ist es nicht nur deine Sorge, denke ich. Jedenfalls bin ich nicht scharf darauf, mit Gräfes über die Lebensführung meines Sohnes zu diskutieren. Aber noch ist ja nichts entschieden.
In Joes Hosentasche erklingt die Marseillaise. (Mein Mann findet, dass „Allons enfants“ genau der passende Text ist, wenn seine Kunden sich melden.) Er steht auf, zieht sein Handy heraus und verlässt die Küche. Wir kennen das nicht anders: Als Handwerker muss man immer erreichbar sein.
„Mama“, sagt Famke zu mir. „Wenn Nils auszieht, dann könnte ich doch sein Zimmer haben, oder? Das ist viel größer.“
„Glaub bloß nicht, dass ich dir die Anlage dalasse“, erklärt Nils. „Und den größten Teil der Möbel nehme ich auch mit, die kann ich nicht alle neu kaufen.“
„Möbel habe ich selber“, versetzt Famke. „Und deine Proll-Anlage brauche ich auch nicht.“
„Warten wir doch erst mal ab, ob das tatsächlich was gibt mit der Wohnung“, sage ich. Irgendwie überrollt mich das Ganze gerade etwas. Natürlich weiß man, dass die Kinder irgendwann aus dem Haus gehen, ja man will es doch sogar. Und trotzdem erwischt es mich gerade etwas unvorbereitet.
Heute ist Nils dran mit dem Einräumen der Spülmaschine. Während er das tut, lässt er noch einmal das Video mit „Gunilla the Killah“ laufen. Abgesehen von dem bescheuerten blinkenden Muttermal ist es vermutlich ein witziger Film. Schließlich sind diese Streifen perfekt gemacht; ich erinnere mich noch gut daran, wie wir früher mit den Kindern an einem Adventssonntag in die Nachmittagsvorstellung gegangen sind, wenn wieder ein neuer Kinohit rausgekommen war. Das war immer ein Höhepunkt der Vorweihnachtszeit. Oft genug gab es entsprechende Fanartikel unter dem Weihnachtsbaum: Stofftiere, Bücher, Puzzles oder die DVD.
Das waren noch Zeiten. Inzwischen ist die Findet-Nemo-Bettwäsche längst entsorgt. Von den Trinkgläsern mit den Dalmatiner-Motiven hat nur eins überlebt, und das steht im Gartenhaus und enthält Samentütchen. Nur ein paar Stofftiere zieren noch das Regal in Famkes Zimmer.
Trotzdem werfen die Studios aus Hollywood natürlich weiterhin entsprechende Produktionen auf den Markt – und dieses Jahr haben sie sich „Little Miss Texas“ ausgedacht. Es ist die Geschichte von Annie, die zusammen mit dem Draufgänger Luke Austin eine Rinderherde nach El Paso treiben muss, während die böse Gunilla sie mit ihren fiesen abgerichteten Schakalen daran hindern will. Natürlich geht nicht die gesamte Handlung aus dem Trailer hervor, aber das Blaulicht auf Gunillas Wange scheint eine wichtige Rolle zu spielen. Genau wie der absolut eingängige Titelsong „Das Glück liegt im Westen“. Nils pfeift ihn bereits mit, als er die Spülmaschine zuklappt und sich davonmachen will.
„Moment!“, halte ich ihn im letzten Augenblick noch zurück. „Du hast weder den Tisch abgewischt noch die Getränke weggestellt.“
„Verzeih mir, Massa“, sagt er augenrollend. „Sklave macht das sofort.“
„Wenn du eine eigene Wohnung hast, musst du das immer machen“, belehre ich ihn. „Das ist keine Sklaventreiberei, sondern Gewöhnung.“
„Es geht auch mehr um den Ton, mit dem du das sagst“, behauptet er und wedelt mit seinem Mobiltelefon. „Immerhin weiß ich jetzt, warum du diesen Leberfleck hast. Du bist Gilla the Killah!“
Dass er dabei lacht, mildert die Aussage nur unwesentlich ab. Kaum hat er die Küche verlassen, begebe ich mich zu unsrem Flurspiegel und begutachte mich. Ist das Muttermal wirklich so auffällig? Zum Glück habe ich sonst wenig mit Gunilla gemein: sie hat wild wuchernde dunkle Haare, meine sind blond und glatt; Gunillas Pistolenhalfter sitzen auf ausladenden Hüften, während ich bisher eine ganz gute Figur bewahrt habe. Nein, es macht eigentlich keinen Sinn, dass ich mich von einer Trickfilmfigur aus dem Gleichgewicht bringen lasse, und doch … Manchmal bin ich wohl zu dünnhäutig.
Während ich mich noch von links und rechts mustere, kommt Joe zurück. „Was machst du da, Gilla?“
„Ich wollte wissen, ob ich dicker geworden bin. Was meinst du?“
Ich ahne schon, was er dazu meint. Fast alle Männer hassen diese Art von Fragen.
„Vermutlich nicht, sonst würden dir deine Klamotten nicht mehr passen. Was soll das denn jetzt?“
„Na ja, ich werde halt älter, und ich frage mich, ob das auffällt.“
„Älter zu werden ist doch ganz normal“, meint er. „Wieso ist das jetzt gerade wichtig?“
„Unsere Ehe kommt in eine schwierige Phase“, behaupte ich. „Viele Leute trennen sich, wenn die Kinder aus dem Haus gehen, weil sie plötzlich nichts mehr haben, was sie verbindet.“
„Erstens sind unsere Kinder noch nicht aus dem Haus“, sagt er. „Und wenn du glaubst, dass du aussehen musst wie Germany’s Next Topmodel, um unsere Ehe zu retten, dann ist das doch wohl etwas albern. Wir haben bestimmt mehr, was uns verbindet. Die Firma … die Gemeinde … Du sollst übrigens Brunhilde zurückrufen.“
Und schon ist er verschwunden, ohne sich konkret zu meinem Erscheinungsbild zu äußern, und auch ich verlasse den Spiegel, um mich wieder den wirklich wichtigen Dingen zuzuwenden.
Brunhilde ist nicht einfach eine Freundin von uns, sondern eine langjährige Institution in unserer Gemeinde. Viele Außenstehende nehmen an, dass sie die Gemeindeleiterin ist oder zumindest zum Ältestenkreis gehört, weil sie so eine natürliche Autorität ausstrahlt, aber das hat sie immer ihrem Mann Edgar überlassen. Brunhilde selbst macht einfach, was sie richtig findet und wovon sie denkt, dass Gott es ihr aufgetragen hat – und häufig stellt es sich als genau das heraus.
Um ein solches Thema geht es ihr auch jetzt. Sie will nämlich ein Gemeindecafé starten und mich als Mitarbeiterin gewinnen. „Ich war neulich drüben in Westerheide und hab mir das angesehen“, berichtet sie. „Die machen das jetzt fast zwei Jahre und haben regelmäßig um die dreißig Besucher.“
„Die haben aber auch ihr Gemeindehaus direkt an der Hauptstraße“, gebe ich zu bedenken. „Da kommen viele Leute vorbei. Bei uns in dieser Sackgasse ist das ganz anders.“
„Deswegen habe ich ja mit denen gesprochen“, erwidert sie. „Und die meinten, dass sie trotzdem eher selten Laufkundschaft haben. Stattdessen sitzen da zum Beispiel die Eltern, deren Kinder in der Jungschar sind, oder die Senioren, die sich die Preise vom Stadtcafé nicht leisten können.“
Daraufhin unterhalten wir uns eine Weile angeregt über die mögliche Preisgestaltung eines solchen Cafés, und erst danach wird mir klar, dass ich damit schon quasi zugesagt habe. „Ich kann aber nicht jede Woche!“, beeile ich mich zu ergänzen. „Wenn ich die Lohnabrechnung machen muss, wird es immer etwas eng zeitlich.“
„Nein, das sollst du auch nicht!“, versichert Brunhilde. „Wir brauchen auf jeden Fall ein größeres Team, um die Arbeit auf viele Schultern zu verteilen.“
„Und wir müssen ein neues Kaffeegeschirr anschaffen“, fällt mir ein. „Diese fürchterlichen Blümchentassen mit den vielen Macken kannst du doch niemandem mehr anbieten!“
„Davon musst du natürlich erst mal Petra überzeugen, die findet das ja immer noch schön. Und bestimmt heult sie dir auch wieder vor, dass das alles nur an der Spülmaschine liegt und wie wunderbar das früher war, als alle gemeinsam noch von Hand gespült haben.“
Ich rolle mit den Augen, auch wenn Brunhilde es nicht sehen kann. „Vielleicht können wir das einfach über Petras Kopf hinweg …?“
„Keine Chance, Gilla. Manfred ist doch im Ältestenkreis, der wird ihr das schon brühwarm erzählen, sobald du den Antrag stellst.“
Das sehe ich sofort ein. Manfred und Petra sehe ich sowieso als zwei der größten Bremser, die wir in dieser Gemeinde haben. Abgesehen von Friedbert natürlich, aber ausgerechnet diese beiden Altvorderen sind in den Ältestenkreis gewählt worden, als Joe sich nicht wieder aufstellen ließ, um Platz für Jüngere zu machen. „Und wenn man das Geschirr einfach stiftet? Was meinst du, wie viele Gedecke braucht man wohl?“
„Hmmm“, macht Brunhilde und ich merke, dass ihr die Idee gefällt. „Ich denke, so etwa hundert Tassen müssten wir schon haben, oder was meinst du?“
„Angenommen man kauft die im Baumarkt“, spinne ich weiter. „Da gibt es zum Teil Geschirr für sechs Personen für zwanzig Euro.“
„Da weißt du aber nicht, wie empfindlich das ist“, gibt sie zu bedenken. „Und da wärst du immerhin auch schon bei vierhundert Euro, wenn du einhundertzwanzig Gedecke kaufst. Und man hat keine Nachkaufgarantie, wenn was kaputtgeht.“
Ich merke schon, das ist nicht die sinnvollste Art, dieses Problem zu lösen. „Vielleicht finden wir ja irgendwo etwas Schönes, Schlichtes, das bezahlbar ist. Ich könnte mal im Internet gucken.“
„Ja, tu das doch bitte“, sagt Brunhilde. „Und ich rufe mal Birgit an. Die ist die Nächste auf meiner Liste.“
„Viel Erfolg!“, wünsche ich ihr und lege auf.
Das Thema interessiert mich. Deshalb setze ich mich erst mal an den Computer – manchmal hat es auch seine Vorteile, wenn Privathaus und Geschäft direkt miteinander verbunden sind – und suche im Internet nach Anbietern für Gaststättenbedarf. Schnell habe ich einige Seiten gefunden und durchsuche sie nach Geschirr, das sowohl formschön als auch günstig ist.
Als Nächstes lege ich eine Tabelle an und trage die infrage kommenden Modelle ein, weil es sonst zu unübersichtlich wird. Gleichzeitig speichere ich die Fotos meiner Favoriten ab, damit ich sie später Brunhilde schicken kann. Und schließlich rechne ich aus, was die unterschiedlichen Designs kosten würden.
Irgendwann steckt Joe den Kopf durch die Tür. „Was machst du hier? Ich suche dich im ganzen Haus!“
Bevor ich es verhindern kann, steht er hinter mir und schaut mir über die Schulter. „Du suchst Porzellan aus?“
„Nicht für uns!“, beeile ich mich zu versichern. Ich weiß ja, wie ihn das wundern muss, weil ich die Begeisterung seiner Mutter für Hausrat und Nippes nie teilen konnte. „Ich schaue einfach mal, was es kosten würde, wenn wir in der Gemeinde ein neues Geschirr anschaffen würden.“
„Geschirr für die Gemeinde?“ Jetzt lehnt er sich neben mich gegen den Schreibtisch, um mich ansehen zu können. „Bist ausgerechnet du damit beauftragt worden?“
„Nicht direkt“, muss ich zugeben. „Aber Brunhilde möchte ein Gemeindecafé starten, und das können wir nicht mit diesem alten Blümchenschrott.“
„Ein Gemeindecafé?“, wiederholt er. Sofort ahne ich, was das in ihm auslöst: Zehn Jahre lang war er im Ältestenkreis und hat über solche und ähnliche Fragen entschieden, und jetzt läuft das völlig an ihm vorbei. Das macht ihm zu schaffen.
„Ja, so ähnlich wie sie das in Westerheide machen. Da kommen die Jungschareltern, um auf ihre Kinder zu warten, oder die Rentner, denen langweilig ist.“
„Ich weiß, darüber haben wir letztes Jahr noch gesprochen“, sagt er. „Aber wir haben das nicht weiterverfolgt, weil dadurch zu viele Mitarbeiter gebunden werden.“
„So viele können das doch nicht sein“, widerspreche ich sofort. „Nur ein paar Frauen, die Kuchen backen und Kaffee kochen …“
„So einfach ist das nicht“, fällt er mir ins Wort. „Vorher und hinterher muss der Raum umgeräumt werden, es fällt zusätzliches Putzen an, und jetzt kommst du auch noch und willst dafür neues Geschirr kaufen.“
„Aber das ist eine einmalige Investition, nicht nur für das Café! Davon profitiert auch die Gemeinde: in der Teestube, oder bei Beerdigungsnachfeiern und wenn wir sonst mal Kaffee trinken … Davon haben alle was!“
Joe zuckt mit den Schultern. „Eigentlich kann es mir auch egal sein. Das müssen jetzt andere entscheiden.“
„Genau!“, sage ich. „Und du wirst sehen, wenn wir erst mal mit dem Café gestartet sind …“
„Wir?“ Seine Augen verengen sich kritisch. „Du willst da auch mitarbeiten?“
„Ja, Brunhilde hat mich gefragt, und …“
„Meinst du nicht, dass du zeitlich schon ausgelastet bist?“
Komisch, sonst war es immer andersherum, da habe ich ihm diese Frage gestellt. „So viel mache ich doch momentan in der Gemeinde nicht. Alle sechs Wochen kümmere ich mich um die Teestube, ich helfe in der Küche, wenn eine Veranstaltung mit Essen ist, und ab und zu muss ich mal ein Thema für den Hauskreis vorbereiten. Außerdem habe ich Brunhilde direkt gesagt, dass ich nicht jede Woche mitarbeiten kann.“
Das heitert ihn nicht auf. „Ich meine nicht nur die Gemeinde, Gilla. Du hast auch einen Haushalt und einen Job, vergiss das nicht.“
„Nein, das vergesse ich nicht“, sage ich ein wenig knurrig. Muss er mir nach all den Jahren immer noch vorzuschreiben versuchen, wie ich mein Leben zu organisieren habe?
Joe stößt sich mit der Hüfte von der Schreibtischkante ab, um das Büro wieder zu verlassen. Aber natürlich geht er nicht, ohne mich noch mal an meine Pflichten zu erinnern. „Hast du eigentlich diese Woche wieder Termine für die Heizungswartung gemacht?“
Volltreffer. Dafür habe ich mir in den letzten Tagen zu wenig Zeit genommen. „Ich habe einige Kunden nicht erreicht“, sage ich ausweichend. „Aber am Montag früh gehe ich direkt wieder dran.“
„Du weißt, das ist gut verdientes Geld“, sagt er und schließt die Tür. Und ich sitze da mit einem schlechten Gewissen und einer Liste für Tassen, die alle mehr kosten, als ich gedacht hatte.
3
Die Sozialinitiative Westerheide befindet sich in einem ehemaligen Drogeriemarkt. Der Besitzer fand wohl, dass es immer noch besser wäre, die Räumlichkeiten samt Lager für kleines Geld zu vermieten, als sie komplett leer stehen zu lassen.
Es gibt sogar noch eine Reihe von Einkaufswagen, von denen ich jetzt einen vor mir herschiebe. Sie merken: Von all den widerstreitenden Empfindungen in meinem Kopf hat die Neugier gewonnen und das Gefühl, Karim ein klein wenig helfen zu wollen. Schließlich kenne ich jetzt seine Jeansgröße und weiß, dass seine Jacke nicht unbedingt geeignet ist, den hiesigen Winter gemütlich zu überstehen.
Aber das Einkaufen funktioniert hier anders als in einem normalen Geschäft. „Wo finde ich denn die kleinen Herrengrößen?“, frage ich die resolut aussehende Dame an der Kasse. „Oder nach welchem System ist das hier sortiert?“
An ihrem Seufzen erkenne ich, dass sie diese Frage nicht zum ersten Mal hört. Sie weist mit einer Handbewegung an die Stirnseite des Ladens. „Die Herrensachen sind alle da vorne. Nach der Größe müssen Sie schon selber schauen. Wir schaffen es nicht, die Sachen alle zu sortieren. Und schon gar nicht, Schildchen dranzumachen.“
„Aha“, sage ich und mache mich mit meinem Wägelchen auf den Weg.
„Immerhin sind in den Herrensachen die Schilder meist noch drin!“, ruft sie mir hinterher. „Im Gegensatz zu den Frauenklamotten. Die schneiden fast alles raus. Da kann man nur noch raten.“
Ich gehöre auch zu den Leuten, die bei einem neuen Kleidungsstück zuallererst die Nackenschildchen abmachen. Entweder sind sie kratzig und treiben mich wegen der dauernden Reizung zum Wahnsinn oder sie haben die ärgerliche Tendenz, oben aus dem Ausschnitt rauszugucken, sodass einem gelegentlich sogar wildfremde Menschen an den Hals fassen, um das zu richten. Noch nie habe ich mir darüber Gedanken gemacht, dass ich es damit späteren Nutzern schwer mache zu entscheiden, welche Größe denn diese Bluse haben könnte.
Immerhin habe ich Glück und entdecke relativ schnell eine noch ganz ordentlich aussehende Jeans mit Karims Koordinaten. Dann erregt ein schmales gestreiftes Hemd meine Aufmerksamkeit, das könnte ich mir auch gut an ihm vorstellen. Leider ist es eine Damenbluse mit den entsprechenden Abnähern, offensichtlich falsch einsortiert.
Aber jetzt ist mein Jagdtrieb erwacht. Aus der geplanten Viertelstunde werden vierzig Minuten, in denen ich fast das gesamte Angebot für Herren durchforste und schließlich mit einer ansehnlichen Beute wieder an der Kasse auftauche: eine Jeans, eine Winterjacke, zwei T-Shirts, zwei Pullover. Ich habe sogar ein schönes Paar Schuhe gesehen, fast neu, aber weil ich seine Größe nicht kenne, ist mir das zu unsicher. Umtausch ist nämlich, wie mir mindestens ein Dutzend Schilder in jeweils vier Sprachen vermittelt, definitiv ausgeschlossen.
Die resolute Dame kassiert achtzehn Euro und packt mir alles in eine große Kaufhof-Tüte. „Für Ihren Sohn?“, fragt sie.
Ich muss lächeln, wenn ich an Nils denke, der noch zwei Zentimeter größer ist als sein Vater und diese Klamotten allesamt sprengen würde. „Nee, das ist für einen Flüchtling, den meine Tochter aus der Schule kennt.“
Die Frau kraust die Stirn und hält die Tüte fest. „Schwarzafrikaner?“
„Syrer, warum?“
Sie zieht den bunten Pulli wieder aus der Tüte. „Dann können sie den gleich hierlassen. Das ziehen die nicht an.“
Ich starre ratlos auf den Pullover. Reine Wolle, guter Zustand, schöne Herbstfarben zwischen Ocker, Rostrot und Grün. „Sie meinen, der ist zu bunt?“
Sie nickt. „Schwarzafrikaner lieben das. Aber syrische Männer wollen nur dunkles Zeug.“
„Hm.“ Einerseits würde ich mich ärgern, wenn ich Karim etwas kaufe (und dafür extra nach Westerheide fahre), das er dann nicht anzieht. Andererseits: Können Leute in seiner Situation denn so wählerisch sein?
Die Mitarbeiterin nimmt meine Unsicherheit wahr. „Vielleicht finden wir ja was anderes“, sagt sie aufmunternd. Sie geht hinüber in die Damenabteilung und zieht ein paar Sachen hervor. „Was meinen sie dazu? Der Mann scheint ja eher klein zu sein.“
Den ersten Pullover lege ich sofort wieder beiseite. Hundert Prozent Polyacryl kommt mir nicht in die Tüte. Der nächste ist etwas verwaschen – auch weg damit. Dann kommt ein schlichter dunkelblauer V-Pullover, der noch ganz ansehnlich ist. Natürlich ohne Schildchen, aber ich schätze mal auf Größe M. Und schließlich ist da noch ein recht weit geschnittener in Dunkelgrün, der mir auch selber gefallen würde.
„Wissen Sie was?“, sagt die resolute Dame. „Ich gebe Ihnen beide für den Preis von einem. Ist ja schließlich für einen Bedürftigen.“
„Na gut“, willige ich ein, stopfe die Kleidungsstücke in meine Tüte und verabschiede mich. Die ganze Strecke zurück nach Hasenbüttel kämpfe ich mit mir, ob ich den dunkelgrünen Pulli Karim gebe oder selber behalte.
Als ob ich nicht schon genug zum Anziehen hätte.
„Auf keinen Fall!“, sagte Famke mit Nachdruck, als ich ihr am Freitagmorgen die Tüte mit in die Schule geben will. „Erstens habe ich heute überhaupt keinen Kurs zusammen mit Karim. Zweitens sieht das doch total blöd aus, wenn ich dem so eine Tüte überreiche. So als wär er einer von denen, die mit einem Pappschild und einem Becher vor dem Supermarkt sitzen. Ich kenn den doch kaum.“
Ich überlege kurz, ob ich sie damit bestechen kann, dass ich sie fahre, lasse es dann aber. Erstens ist das überhaupt nicht ihr Argument. Zweitens verderbe ich mir damit doch selber die Preise. Und drittens muss ich mir eingestehen, dass ich die Sache vor allem deshalb an sie delegieren wollte, weil es mir auch ein wenig unangenehm ist.
Aber wo kämen wir hin, wenn wir uns vor so etwas Bange machen ließen? Bin ich nicht eine erwachsene Frau? Da werde ich ja wohl noch mal rüber zur Kreuzkoppe fahren können und dem jungen Mann ein paar Sachen schenken!
Außerdem kann ich das sowieso nur gegen Abend machen, wenn er nicht mehr in der Schule ist. Heute Abend passt es mir aber nicht. Verschieben wir es also auf nächste Woche. Bis dahin wird Karims Hose hoffentlich halten.
Wenn Brunhilde sich was vorgenommen hat, dann macht sie es auch, und zwar ohne Zeit zu verlieren. Deshalb wundert es mich nicht, dass mich bereits am Sonntag während der Teestube zwei Leute unabhängig voneinander auf das Café ansprechen.
Eine davon ist Luzie, eine treue Seele, die ihr ganzes Leben in dieser Gemeinde verbracht hat und sich immer freut, wenn irgendwas passiert. „Wie viele Torten werdet ihr denn dann brauchen?“, fragt sie mich, so als würde das Projekt schon in drei Tagen starten.
„Das weiß ich nicht“, muss ich ihr erklären. „Noch ist das Ganze nicht spruchreif.“
„Ja, ja“, sagt sie unbeirrt. „Aber wenn Brunhilde das plant und du mit dabei bist, dann soll das schon was werden. Mich könnt ihr jedenfalls für eine Torte pro Woche einplanen. Backen tu ich ja gerne.“
„Super, danke“, sage ich und will gerade ein anderes Thema anschneiden, als ich spüre, wie mich jemand auf die Schulter tippt: Margie, unsere Jungscharleiterin.