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Gitanjali: Sangesopfer Rabindranath Tagore - Gitanjali ist eine Sammlung von über hundert inspirierenden Gedichten und deckt die Bandbreite der Lebenserfahrungen ab, von der Freude, Kinder beim Spielen zu beobachten, bis hin zum Kampf des Menschen mit seinem Gott. Hauptsächlich für diesen Band, Tagore Es waren hauptsächlich diese Gedichte, die die westliche Welt im Sturm eroberten und ihm weltweite Anerkennung einbrachten, und er wurde der erste Nicht-Europäer, der 1913 den Nobelpreis für Literatur erhielt. Tagores Poesie erhebt sich weiterhin über geografische und kulturelle Grenzen Grenzen, um die Fantasie der Leser auf der ganzen Welt anzuregen.
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Seitenzahl: 58
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Einzig autorisierte deutsche Ausgabe. Nach der von Rabindranath Tagore selbst veranstalteten englischen Ausgabe ins Deutsche übertragen von Marie Luise Gothein. Zweihundert Exemplare wurden zweifarbig auf Kaiserlich Japan gedruckt, in Ganzleder gebunden und handschriftlich numeriert
28. bis 32. Tausend
Du machtest mich endlos – so ist dein Belieben. Dies schwache Gefäß leertest du wieder und wieder und fülltest es immer mit neuem Leben.
Du trugst diese kleine Rohrflöte über Hügel und Täler und hauchtest durch sie ewig neue Melodien.
Bei dem unsterblichen Druck deiner Hände verliert mein kleines Herz seine Grenze in Freude und gebiert unaussprechliche Worte.
Deine unendlichen Gaben empfange ich nur auf diesen meinen sehr kleinen Händen. Zeitalter vergehn und immer gießest du aus, und immer ist Raum, um erfüllt zu werden.
Wenn du mir befiehlst zu singen, scheint mir das Herz vor Stolz brechen zu wollen; ich schau in dein Antlitz, und Tränen kommen mir in das Auge. All das, was hart und mißtönig ist mir im Leben, zerschmilzt in eine süße Harmonie – und meine Anbetung breitet die Schwingen gleich einem frohen Vogel im Fluge über die See.
Ich weiß, mein Singen macht dir Freude, ich weiß, nur als Sänger werde ich vor dich gelassen.
Ich rühre mit dem Saume der weitausgebreiteten Schwinge des Sangs deine Füße, die nie zu erreichen ich streben könnte.
Trunken von Freude des Singens vergeß ich mich ganz und nenne dich Freund, der du mein Herr bist.
Ich weiß nicht, wie du singest, mein Meister, ich lausche immer in stillem Staunen.
Dein Licht der Musik erleuchtet die Welt. Der Lebenshauch deiner Musik läuft von Himmel zu Himmel. Der heilige Strom der Musik durchbricht alle Hindernisse von Stein und stürzet fort.
Mein Herz ersehnt, deinem Sang sich zu einen und ringt umsonst nach Stimme. Ich wollte sprechen, doch Sprache fügt sich dem Sang nicht, da schrei ich getäuscht auf! O du hast mein Herz gefangen in deines Liedes endlosen Maschen, mein Meister.
O du meines Lebens Leben! Immer werd ich mich mühn, rein meinen Leib zu erhalten, wissend, daß auf meinen Gliedern lebendig dein Hauch ist.
Immer werd ich mich mühn, Unwahres mir fern vom Denken zu halten, wissend: du bist die Wahrheit, die mir im Geiste das Licht der Vernunft entzündet.
Immer werd ich mich mühn, von meinem Herzen die Übel zu treiben und meine Liebe in Blüte zu halten, wissend: du thronest im Allerheiligsten meines Herzens.
Und es soll immer mein Streben sein: dich offenbaren in meinem Tun, wissend, daß deine Macht mir Kraft gibt zum Handeln.
Ich bitte nur um ein wenig Geduld, um an deiner Seite zu sitzen, das Werk, das ich wirke, wird später vollendet.
Ferne dem Schaun auf dein Antlitz, kennt mir das Herz nicht Ruhe noch Rast; und mein Werk wird endloses Mühn am uferlosen Meere der Mühe.
Heut kam der Sommer ans Fenster mit seinem Summen und Surren, die Bienen singen von Minne am Hofe des blühenden Haines.
Nun ist es Zeit, um stille zu sitzen von Antlitz zu Antlitz mit dir und dir zu singen des Lebens Widmung in dieser schweigenden, überströmenden Muße.
Pflück diese kleine Blume und nimm sie und zögre nicht, ich fürchte, sie welkt und fällt in den Staub.
Sie wird keinen Platz in deinem Kranze finden, doch ehre sie mit dem Schmerzensdruck deiner Hand und pflücke sie ab. Ich fürchte, der Tag könnt enden, eh ich es merke und die Zeit des Opferns vergehn.
Ist auch die Farbe nicht tief und ihr Duft nur schwach, nütze die Blume für deinen Dienst und pflück sie, solange es Zeit ist.
Mein Lied hat seines Schmuckes sich entäußert, es ist nicht stolz auf Kleid und Zier. Der Schmuck könnt unsre Einigkeit zerstören, er würde zwischen dich und mich sich stellen; dein Flüstern könnt ertrinken in dem Klingklang.
Mein Dichterhochmut stirbt in Scham vor deinem Anblick, o Meisterdichter, ich saß dir zu Füßen. Laß mich mein Leben grad und einfach machen, gleich einer Flöte, die du füllst mit Tönen.
Das Kind, dem ein fürstlich Kleid man anzog, und das Juwelen um seinen Nacken trägt, verliert alle Freude an seinem Spiel, behindert vom Kleid bei jedem Schritt.
Aus Furcht, es könnte zerreißen, vom Staube befleckt sein, hält es sich fern von der Welt und fürchtet beinah sich zu regen.
Mutter, es ist kein Gewinn im Zwang deines Putzes, wenn er uns ausschließt vom heilsamen Staube der Erde, wenn er des Rechts uns beraubt, hinzuzutreten zum großen Markt des gemeinen menschlichen Lebens.
Narr, der du suchst, dich auf eignen Schultern zu tragen; o Bettler, der du kommst, an eignen Türen zu betteln!
Leg deine Lasten in seine Hände, der alles trägt und schaue nicht zurück in Bedauern.
Deine Begierde löschet sogleich das Licht der Lampe, die sie mit ihrem Atem berührt. Unheilig ist sie – nimm nicht deine Gaben aus ihren unreinen Händen. Nimm nur, was heilige Liebe dir bietet.
Hier ist dein Schemel, dort ruhn deine Füße, wo die Ärmsten und Niedersten, wo die Verlorenen leben.
Wenn ich versuche, mich dir zu neigen, kann mein Haupt nicht die Tiefe erreichen, wo deine Füße ruhen unter den Ärmsten und Niedersten, den Verlorenen.
Stolz kann niemals sich nähern, wo du umher gehst in den Gewändern der Demütigen unter den Ärmsten und Niedersten, den Verlorenen.
Mein Herz findet nie seinen Weg dorthin, wo du Freundschaft hältst mit den Freundlosen unter den Ärmsten, den Niedersten, den Verlorenen.
Laß dies Stimmen und Singen und Sagen des Rosenkranzes! Wen betest du an in diesem einsamen, dunklen Winkel des Tempels, in dem verschlossenen Tor?
Öffne die Augen und sieh, dein Gott ist nicht vor dir.
Er ist dort, wo der Pflüger den harten Grund pflügt, wo der Steinklopfer Steine bricht. Er ist mit ihnen in Sonne und Regen und wo sein Kleid bedeckt ist mit Staub. Leg ab deinen heiligen Mantel und komme herab mit ihm auf den staubigen Boden.
Befreiung? Wo ist die Befreiung zu finden? Unser Meister hat freudig die Bande der Schöpfung auf sich genommen; er ist mit uns für immer gebunden.
Komm heraus aus deiner Betrachtung, laß Blumen und Weihrauch beiseite! Was schadet es, wenn deine Kleider zerreißen und fleckig werden. Geh ihm entgegen, stehe bei ihm in der Arbeit, dem Schweiß deiner Stirne.
Die Zeit, die meine Reise braucht, ist lang, und der Weg ist lang.
Ich kam heraus auf dem Wagen im ersten Strahle des Lichts und setzte die Fahrt weiter fort durch die Wildnis der Welten und ließ meine Spur auf manchem Stern und Planeten.
Es ist der fernste Weg, der am nächsten führt zu dir selbst, und jene Übung ist die schwierigste, die zum allereinfachsten Ton kommt.
An jede fernste Türe muß der Wanderer klopfen, bis er zur eigenen gelangt, durch alle äußeren Welten muß man ziehn, zuletzt zum Allerheiligsten zu kommen.
Und meine Augen streiften weit und breit, eh ich sie schloß und sprach: »Hier bist du!«