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Eigentlich möchte Lady Gloria Wingfield nicht verreisen. Gegen die Beharrlichkeit ihrer Großtante Jo kann sie aber wenig ausrichten und so findet sie sich im November 1888 auf dem Weg nach Alexandria wieder. In Begleitung von Lord Lyndon, der dort einen Freund besuchen möchte. Doch der Besuch nimmt eine andere Wendung als geplant, es geschieht ein Mord und Lyndon gerät unter Mordverdacht. Dieser scheint sich zu bestätigen, als er auch noch verschwindet. Gloria sieht sich gezwungen, ihrem Landsmann beizustehen und eigene Ermittlungen anzustellen.
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Seitenzahl: 257
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Gloria und eine aegyptische Affaere
Ein viktorianischer Krimi
Inhalt
Kapitel 1
Titel
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Die arabischen Begriffe
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Impressum
Zum Weiterlesen: "Die Liebenden von Verona"
London, Oktober 1888: Soll man erneut verreisen?
1
„Nun?“, fragte Tante Jo und zupfte wie beiläufig einen Fussel von ihrem Nachmittagskleid. Sie saß auf ihrem ziegelroten Sofa, blickte zu Gloria auf und schenkte ihr einen betont lieblichen Augenaufschlag.
Gloria, die leicht ungehalten vor ihrer Großtante auf und ab gegangen war, hielt inne. „Wir haben doch schon darüber geredet. Ich kann nicht fort. Es gibt noch zu viel zu tun.“
„Ich will ja auch nicht morgen schon aufbrechen, sondern selbstverständlich erst dann, wenn du mit dem Hausverkauf alles geregelt hast.“
„Wenn dies geschafft ist, möchte ich mich endlich der Gründung des Frauenbildungsvereins widmen.“
„Das läuft dir nicht weg! Seit wir aus Italien zurück sind, hast du unablässig gearbeitet. Das Haus deiner Eltern ausgeräumt, den Verkauf vorbereitet und eingeleitet, wir waren in Kent, damit du auch dort nach dem Rechten sehen konntest. Du hast Briefe geschrieben, dich mit deinem Anwalt und mit Nicks Vater getroffen ...“
„Ich weiß, was ich getan habe, Tante Jo, du brauchst es mir nicht aufzuzählen.“
Kaum aus Italien zurück, hatte Gloria sich endlich der schwierigen Entscheidung gestellt, welche Sachen sie aus dem Stadthaus ihrer Eltern nach Kent auf den Familiensitz schaffen, welche sie Tante Jo vermachen und welche sie verkaufen sollte. Nachdem ihre Eltern vor drei Jahren bei einem Eisenbahnunglück ums Leben gekommen waren, hatte sie diese Aufgaben immer wieder aufgeschoben, und als dann im vergangenen Jahr auch noch Nick gestorben war, der Mann, den sie über alles geliebt hatte, war sie gänzlich unfähig gewesen, solche Alltagsdinge anzugehen. Weshalb Tante Jo ihr eine Reise auf den Kontinent verordnet hatte, welche sie dieses Frühjahr tatsächlich unternommen hatten.
Inzwischen war es fast Mitte Oktober, drei Monate waren seit ihrer Rückkehr vergangen, und Gloria war in all den Wochen wirklich andauernd beschäftigt gewesen. Hier und da noch eine Veranstaltung der Saison; kurz vor deren Ende, Mitte August, die Fahrt nach Kent, bei der sie einige Dinge aus dem Stadthaus am Belgrave Square bereits mitgenommen hatten, denn das Haus war zum ersten November an eine Familie aus Wales verkauft. Der Rest wurde noch in dieser Woche von der Spedition dort abgeholt und nach Whitewater House transportiert.
„Was ich sagen will“, begann ihre Tante erneut, „ist, dass du inzwischen schon wieder ganz blass und erschöpft aussiehst. Ich sehe doch, wie du dich abmühst, Kind. Du brauchst Erholung.“
Gloria deutete auf das Sammelsurium von Broschüren, Büchern – zuoberst auf dem Stapel Mariana Starkes „Reisen auf dem Kontinent“ – und Prospekten auf dem runden Beistelltisch und sagte: „Ist es nicht eher so, dass du verreisen willst?“
„Was wäre schlecht daran, den Winter in einer wärmeren Gegend zu verbringen?“ Tante Jo zupfte einen Schal von dem Häufchen aus Häubchen, Hüten und Handschuhen, das neben ihr auf dem Sofa lag, und ließ ihn durch die Finger gleiten.
„Whitewater House andauernd allein zu lassen, ist nicht gut.“
„Harper kümmert sich um alles. Was willst du im Winter allein in Kent?“
„Außerdem habe ich mit Violet ausgemacht, dass ich Weihnachten bei ihr in Devonshire verbringe, wie du sehr wohl weißt, denn du bist ebenfalls eingeladen.“
Violet war die jüngere Schwester ihres Ehemannes Andrew, mit der sie sich anfänglich nicht sonderlich gut verstanden hatte. Aber nachdem Andrew in Afrika verschollen war, hatten sie sich einander angenähert und waren inzwischen Freundinnen geworden. Violet war mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern auf das elterliche Gut in Devonshire zurückgekehrt und lebte dort mit ihrer Mutter zusammen.
„Nimm jenen Abenteurer Thomas Stevens, der auf seinem Hochrad um die Welt fuhr“, ignorierte Tante Jo Glorias Einwand. „Beachtenswert, wo dieser Mensch überall hingelangte. Auf einem Rad! Wien, Konstantinopel, Teheran, Ägypten, Delhi und Kalkutta, schließlich Hongkong und Schanghai. Schon allein der Klang all dieser fremden Namen macht neugierig auf die weite Welt. Meinst du nicht?“
„Nein.“
„Wie wäre es dann hiermit?“ Tante Jo zog aus dem Bücherstapel, der daraufhin gehörig ins Wanken geriet, einen Baedeker hervor. Sie schwenkte ihn in der Luft und setzte ein vergnügtes Grinsen auf. „Italien Teil drei, Süditalien und Sizilien, mit Exkursionen zu den Liparischen Inseln, Malta, Sardinien, Tunis und Korfu“, las sie vor.
„Ach Tantchen!“
„Dann bedenke zumindest die Gefährlichkeit Londons! Jene schrecklichen Morde in den vergangenen Monaten von diesem Jack the Ripper! Und diese grässlichen, sensationslüsternen Zeitungsberichte darüber. Ich mache mir Sorgen, denn du bist viel in dieser verkommenen Stadt unterwegs! Wir müssen von hier fort!“
„Ich werde in Kent und dann in Devonshire sein. Das dürfte dich doch hinreichend beruhigen.“
„Noch bist du es aber nicht.“
„Und seit wann bist du derart erpicht darauf, in die Ferne zu schweifen? Bisher waren dir die Kent Downs und Schottland doch Reiseziele genug.“ Ihre Großtante war oft mit ihrem verstorbenen Ehemann in Schottland gewesen, wo die Wurzeln von dessen Familie mütterlicherseits lagen.
„Du bist nicht die Einzige, der Italien guttat.“ War Tante Jo zuvor schalkhaft neckend gewesen, so wurde sie nun ernst und sagte mit einem fast feierlichen Unterton: „Ich habe das Licht genossen und die Gerüche. Ich habe den Klang der fremden Sprache genossen und den Anblick der unvergänglichen Kunstwerke, die dieses Land erschaffen hat. Sogar unser kleines Abenteuer in Verona hat mir Spaß gemacht, ich fühlte mich lebendig.“ Sie senkte den Blick auf das Sammelsurium um sie her und schloss: „Nur Gott weiß, wie viele Jahre mir noch bleiben, mein Kind. Ich möchte sie mit Schönem ausfüllen.“
Gloria, zutiefst ergriffen, stürzte zu ihr hin, beugte sich vor und umarmte sie. „Aber viele Jahre noch, liebes Tantchen!“, raunte sie an deren Hals. „Und wir werden sie mit Schönem füllen, das verspreche ich!“
„Also verreist du mit mir?“, kam es trocken.
Gloria richtete sich mit einem Ruck auf und blickte ihrer Tante ins Gesicht.
Tante Jo lächelte gewinnend. „Gut, abgemacht“, sagte sie und deutete auf die Hüte zu ihrer Linken, „welchen der drei soll Vera mir aufputzen?“
„Du hast doch jetzt nicht etwa absichtlich derart sentimentale Töne angeschlagen?“
Ein Räuspern an der Tür, Gloria fuhr herum, erblickte Twentyman, Lady Blythes Butler.
„Ein Besucher, Mylady“, meldete Twentyman mit sonorer Stimme und trat, ein kleines Silbertablett in der Hand, auf dem eine Visitenkarte lag, zum Sofa. Er beugte sich hinunter und reichte Lady Blythe das Tablett. Diese griff nach der Karte, warf einen Blick darauf – und hob wie vom Donner gerührt den Kopf.
„Das ist nun ganz und gar sonderbar!“, bemerkte sie überrascht.
„Was?“, fragte Gloria.
„Da habe ich eben noch von Italien gesprochen und sogar davon, dass mir unser kleines Abenteuer in Verona Vergnügen bereitete – und da …“ Sie sprach nicht zu Ende, sondern starrte Gloria voll ungläubigem Erstaunen an.
„Was?“, wiederholte Gloria und hob in einer fragenden Geste die Hände.
Ein Lächeln überzog plötzlich Tante Jos Gesicht, als habe jemand Sonnenschein darüber ausgegossen. Sie schenkte das Lächeln ihrem Butler und gebot milde: „Bitten Sie ihn herein, Twentyman.“
Der Butler wandte sich zur Tür.
„Und bringen Sie den Tee“, rief sie ihrem Diener hinterher.
Gloria, plötzlich von einer Ahnung befallen, fragte: „Wer ist es?“
„Oh, Liebes!“ Tante Jo strahlte nun regelrecht. „Jener Mann, der wie kein anderer zusammen mit dir in dieses italienische Abenteuer verwickelt war. Lord Lyndon, Viscount Loughborough.“
Mit dem Namen kehrte die Erinnerung an ihn zurück. Dabei war es nicht so, dass sie ihn vergessen hätte. Durchaus nicht. Hin und wieder hatte sie an den Viscount gedacht. Doch das Regeln ihrer privaten Angelegenheiten hatte sie derart in Anspruch genommen, dass es zu mehr als einem flüchtigen Gedanken nicht gekommen war. Einem Brief zum Beispiel. Ihm schien es ähnlich ergangen zu sein, denn auch er hatte keinerlei Nachricht gesandt.
Und nun war er hier.
Als Lord Lyndon das Wohnzimmer betrat, lächelnd und aufgeräumt wie je, stellte Gloria fest, dass sein überraschendes Auftauchen sie befangen machte.
„Mylady Blythe!“, rief der Viscount freudig und eilte zum Sofa, um die ausgestreckte Hand ihrer Tante zu ergreifen.
„Wie schön, Sie wiederzusehen, Lord Lyndon!“, erwiderte Tante Jo.
„Die Freude ist ganz meinerseits“, betonte er und hauchte einen Kuss auf Lady Blythes Handrücken. „Und wie erfreut bin ich, auch Sie hier anzutreffen, Lady Wingfield!“, wandte er sich sodann an Gloria und bedachte auch sie mit einem Handkuss. „Ich habe mir erlaubt, ganz ohne Anmeldung vorzusprechen. Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen?“, sagte er mit einem raschen Blick auf das Durcheinander, das Lady Blythe umgab.
„Gewiss nicht, es ist reizend von Ihnen, uns zu überraschen!“, versicherte Tante Jo. „Bitte, nehmen Sie doch Platz.“ Sie wies zum Sessel zu ihrer Linken.
Lord Lyndon tat, wie ihm geheißen.
„Sind Sie schon lange in London?“
„Seit vier Tagen.“
Gloria ging zu dem Sessel rechts vom Sofa. Da er auf das Fenster ausgerichtet war, auf die Fächerpalme im Topf und die Zimmerpflanzen auf dem Sims, drehte sie ihn etwas, sodass sie Tante und Gast ansehen konnte, und setzte sich. Ihr gegenüber saß tatsächlich jener Mann, der sich bei ihrer ersten Begegnung blasiert und besserwisserisch verhalten, sich aber dann als durchaus umgänglich erwiesen hatte. Wie interessant, ihn wiederzusehen!
„Es ist kaum zu glauben, Lord Lyndon, aber gewissermaßen sprach ich gerade von Ihnen“, plauderte Tante Jo.
„Ach?“, machte er.
„Ich erinnerte Gloria – Lady Wingfield – soeben an unser kleines Abenteuer in Verona.“
Lord Lyndon lächelte und sagte, indem er Gloria den Kopf zudrehte: „Da Sie es erwähnen: Wie geht es Ihrem Knöchel?“
Bei jenem „kleinen Abenteuer“ in Verona war Gloria eine Treppe hinuntergestoßen worden. Glücklicherweise war sie nur einige Stufen hinuntergefallen. Außerdem hatte ihr Gesäßpolster schlimmere Verletzungen verhindert. Dennoch hatte sie sich den Knöchel verstaucht und den Rest ihrer Reise auf lange Erkundungstouren zu Fuß verzichten müssen.
„Gut, danke, er ist ausgezeichnet geheilt“, antwortete Gloria etwas steif, wie sie selber merkte.
„Und hatten auch Sie noch eine angenehme Zeit in Italien?“, zog Lady Blythe die Aufmerksamkeit des Viscounts wieder auf sich. „Haben Sie Ihre Freunde in Rom getroffen?“
„Ja, Rom mit Freunden war ein gelungener Abschluss.“
Twentyman erschien und brachte den Tee. Da der kleine Beistelltisch mit Büchern und Broschüren übersät war, stutzte er einen Augenblick verwirrt, denn er wusste nicht, wohin mit dem Tablett.
Tante Jo packte die Bücher und verfrachtete sie neben sich aufs Sofa.
Twentyman stellte das Tablett ab, goss die dampfende Flüssigkeit ein und reichte die Tassen. Mit einer leichten Verbeugung fragte er: „Soll ich die Utensilien an ihren angestammten Platz bringen, Mylady?“
„Ist schon gut, Twentyman, vielen Dank. Der Viscount wird die kleine Unordnung übersehen.“
„Wie Sie meinen, Mylady.“
Damit entfernte er sich und Lord Lyndon fragte: „Reisebroschüren und ein Baedeker – sind Sie etwa im Begriff zu verreisen?“
„In der Tat sprachen wir gerade von einer solchen Möglichkeit, nicht wahr, Liebes?“
„Nun, wir haben ein wenig herumgeträumt, wie es eventuell wäre …“ Gloria sprach nicht zu Ende und Lord Lyndon nippte kurz an seinem Tee und sagte dann: „So planen Sie nichts Konkretes?“
„Wir sind schon ein bisschen weiter als nur beim Herumträumen, Lord Lyndon. Gloria, du stimmst mir doch zu?“
Lord Lyndon blickte von Tante Jo zu ihr.
Gloria, in die Enge gedrängt, antwortete ausweichend. „Im Augenblick denken wir über ein mögliches Ziel nach.“
„Nun, in der Tat stehe ich im Begriff zu verreisen!“, sagte Lord Lyndon.
„Ach wirklich?“, rief Tante Jo erfreut. „Wohin geht es denn?“
„Nach Ägypten. Aus diesem Grund – unter anderem – bin ich nun auch in London. Ich habe heute Vormittag meine Passage gebucht. In vier Wochen breche ich auf.“
„Ägypten!“, rief Tante Jo. „Das Land der Pharaonen und Pyramiden!“ Sie stellte ihre Tasse ab, schaute Lord Lyndon direkt und eindringlich an und sagte: „Ich gestehe, Ägypten stand ebenfalls auf unserer Liste. Was halten Sie davon, wenn wir mit Ihnen reisten? Sie sind quasi das Zünglein an der Waage, verzeihen Sie mir den Vergleich, Lord Lyndon, doch wir konnten uns nicht entscheiden – und nun ist es entschieden! Wir kommen mit! Ach, wie wunderbar!“, jubelte sie vergnügt und Lord Lyndon entfuhr ein erstauntes „Äh …“, während Gloria ihre Tante ungehalten anstarrte. Wie konnte sie den Viscount derart in Verlegenheit bringen!
„Ich werde sofort Herrn Gray-Bartholomew bitten, sich um alles zu kümmern“, zwitscherte diese.
„Aber verehrte Lady Blythe, ist das nicht ein wenig überstürzt? Wollen Sie dies nicht noch einmal überdenken?“
„Aber gewiss nicht! Sie schickt der Himmel. Sie haben unsere Überlegungen im richtigen Moment zum Abschluss gebracht. Und“, sie zwinkerte dem Viscount tatsächlich zu, „wir haben ja bereits eine gemeinsame Reiseerfahrung, wenn ich so sagen darf! Einen besseren Begleiter als Sie, Lord Lyndon, kann sich eine Lady nicht wünschen!“
„Ich fürchte, ich muss Sie enttäuschen, Lady Blythe. Ich reise lediglich bis Alexandria. Dort bin ich völlig von einer Angelegenheit in Anspruch genommen. Sobald diese erledigt ist, werde ich zurückkehren.“
Es ist klar, dass er uns nicht dabeihaben will, dachte Gloria – und spürte einen Stich, obwohl ihr die aufdringlichen Äußerungen ihrer Tante peinlich waren.
Tante Jo indes rief: „Aber Sie werden mir doch nicht erzählen, dass Sie die Schätze Ägyptens nicht sehen wollen? Das können Sie nicht tun! Gloria, bist du nicht der gleichen Ansicht? So rede ihm zu. Man muss auf jeden Fall Kairo besuchen. Die Pyramiden. Luxor. Eine Fahrt auf dem Nil! Ach, wie einst Cäsar und Kleopatra!“ Sie faltete die Hände vor der Brust und richtete einen verzückten Blick an Lord Lyndon vorbei vermutlich direkt auf den mächtigen Strom.
Gloria sah zu Lord Lyndon, der wiederum sah sie an – rang sich ein höfliches Lächeln ab (wobei die Narbe unter seinem rechten Auge zuckte) und nippte an seinem Tee.
Kapitel 2
So hatte er sich das nicht vorgestellt! Ganz und gar nicht!
Alexander Lyndon, Viscount Loughborough lehnte nachdenklich in den Polstern seines dahinruckelnden Landauers. Er hatte die Hände über dem Stockknauf übereinandergefaltet und sah durch das Wagenfenster hinaus auf die vorüberziehenden Hausfassaden in der Duke Street.
Er hatte Lady Blythe mit dem Gedanken aufgesucht, die Bekanntschaft zu ihr und ihrer Großnichte zu erneuern. Man könnte ja unverbindlich in Kontakt bleiben. Sich womöglich in der nächsten Saison in London verabreden. Etwas in der Art. Denn wie er in den vergangenen Monaten festgestellt hatte, waren ihm die Damen durchaus hin und wieder im Kopf herumgegangen. Manchmal, wie einem eben jemand ohne besonderen Grund einfiel oder weil man etwas sah, das man mit dieser Person in Verbindung brachte, hatte er an Lady Wingfield – Gloria – gedacht. Anfänglich hatte er ihre selbstbewusste Art enervierend gefunden. Wenn ihm auch ihr angenehmes Äußeres durchaus zugesagt hatte. Doch schließlich hatten ihr Scharfsinn und ihre Entschlossenheit seine Anerkennung gefunden. Es wäre sicher unterhaltsam, ihr hin und wieder zu begegnen, hatte er überlegt.
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