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Großbritannien, 60er Jahre: Im verschlafenen Dörfchen Bexhill lebt die 23-jährige Katy. Hier passiert normalerweise nichts Außergewöhnliches. Katy ist daher umso faszinierter von ihrer geheimnisvollen und herzlichen Nachbarin Gloria. Diese nimmt oft mysteriöse Frauen bei sich auf, was für reichlich Gerede sorgt. Doch dann steht eines Tages ihr Haus in Flammen, Gloria stirbt im Feuer. Kurz danach wird auch noch Katys Vater als Verdächtiger verhaftet. Von seiner Unschuld überzeugt setzt Katy mit ihrer besten Freundin Jilly und ihrem Freund Charles alles daran, Glorias Geheimnis zu lüften, auch wenn sie sich dabei selbst in Gefahr begibt ...
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Seitenzahl: 498
Großbritannien, 60er Jahre: Im verschlafenen Dörfchen Bexhill lebt die 23-jährige Katy. Hier passiert normalerweise nichts Außergewöhnliches. Katy ist daher umso faszinierter von ihrer geheimnisvollen und herzlichen Nachbarin Gloria. Diese nimmt oft mysteriöse Frauen bei sich auf, was für reichlich Gerede sorgt. Doch dann steht eines Tages ihr Haus in Flammen, Gloria stirbt im Feuer. Kurz danach wird auch noch Katys Vater als Verdächtiger verhaftet. Von seiner Unschuld überzeugt setzt Katy mit ihrer besten Freundin Jilly und ihrem Freund Charles alles daran, Glorias Geheimnis zu lüften, auch wenn sie sich dabei selbst in Gefahr begibt …
Lesley Pearse wurde in Rochester, Kent, geboren und lebt mit ihrer Familie in Bristol. Ihre Romane belegen in England regelmäßig die ersten Plätze der Bestsellerlisten. Neben dem Schreiben engagiert sie sich intensiv für die Bedürfnisse von Frauen und Kindern und ist Präsidentin für den Bereich Bath und West Wiltshire des Britischen Kinderschutzbundes.
LESLEY PEARSE
GloriasGeheimnis
ROMAN
Aus dem Englischen vonBritta Evert
Vollständige eBook-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Deutsche Erstausgabe
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2018 by Lesley Pearse
Titel der englischen Originalausgabe: »The House Across the Street«
Originalverlag: Michael Joseph, an imprint of Penguin Books, UK
Für die deutschsprachige Ausgabe:
Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Ulrike Strerath-Bolz, Augsburg
Umschlaggestaltung: Manuela Städele-Monverde
nach einem Layout von © Penguin Random House
Unter Verwendung von Motiven von © Miguel Sobreira/Trevillion Images,
© Mark Owen/Trevillion Images und © L. V. Clark/getty-images
eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-7325-8807-7
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Für Olive Bedford, meine treue Leserin in Neuseeland, die mir im Lauf von gut zwanzig Jahren eine Freundin und Vertraute, ja, fast eine Mutter geworden ist. Anlässlich ihres neunzigsten Geburtstags will sie nach England kommen, um ihre Verwandten und mich zu besuchen. Sie ist ein Quell der Inspiration, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie jemals eine alte Dame wird.
Draußen auf der Straße wurde eine Autotür zugeschlagen, und Katy spähte aus dem Fenster.
Es war der alte schwarze Humber, den sie schon ein paar Mal gesehen hatte. Zwei Frauen stiegen aus und betraten den Gartenweg, der zum Haus auf der anderen Straßenseite führte. Katy bügelte gerade im vorderen Gästezimmer; von ihrem eigenen Schlafzimmer, das auf der Rückseite des Hauses lag, sah man nur in den Garten. Rob, ihr jüngerer Bruder, behauptete, sie wäre neugierig und ständig am Kommen und Gehen anderer Leute interessiert. Sie leugnete es, aber tatsächlich fand sie das Haus gegenüber sehr geheimnisvoll.
Mrs Gloria Reynolds, die Besitzerin, führte in der Stadt einen schicken Modesalon namens Gloria’s Gowns, nur zwei Türen von der Anwaltskanzlei entfernt, in der Katy als Sekretärin arbeitete. Allein die Tatsache, dass Mrs Reynolds ein Geschäft besaß und noch dazu eine sehr attraktive geschiedene Frau war, reichte aus, um Katys Interesse zu wecken, aber ausschlaggebend waren vor allem die eigenartigen Besucher und Gäste, die den Weg zu Mrs Reynolds’ Haus fanden.
An der Fahrerin des schwarzen Humber war nichts besonders bemerkenswert: Sie war in mittleren Jahren, pummelig, grauhaarig und mit demselben Tweedmantel bekleidet, den sie bei jedem anderen ihrer Besuche getragen hatte. Auf Katy wirkte sie wie die Art Frau, die mit einem Arzt oder Pfarrer oder Ähnlichem verheiratet war; sicher sprach sie ein gepflegtes Englisch und war eine leidenschaftliche Gärtnerin.
Aber die Frauen, die sie mitbrachte, unterschieden sich deutlich von ihr oder Mrs Reynolds. Die meisten waren wesentlich jünger, oft ziemlich schäbig gekleidet, und manche von ihnen – wie zum Beispiel die Frau heute, die hinkte – schienen verletzt zu sein. Eines Tages im Sommer, als Katy gerade im Vorgarten Unkraut jätete, war eine Frau erschienen, die nicht nur ein blaues Auge, sondern ein verschwollenes, übel zugerichtetes Gesicht hatte.
Auch anderen Nachbarn waren die merkwürdigen Besucherinnen aufgefallen. Einige glaubten, Gloria würde Frauen helfen, die gerade aus dem Gefängnis entlassen worden waren, oder dass es sich um Frauen handelte, die an irgendwelchen schweren Krankheiten litten. Prostituierte, Trinkerinnen, Frauen, die ein Kind verloren hatten – alle diese Möglichkeiten wurden in Betracht gezogen. Auf jeden Fall waren die meisten Nachbarn überzeugt, dass Gloria ein Herz von Gold haben musste, wenn sie diesen Frauen, aus welchen Gründen sie auch zu ihr kommen mochten, helfen wollte.
Es beschämte Katy zutiefst, dass ihre Mutter, was das Gerede anging, die Ausnahme von der Regel war.
Hilda Speed war für ihre scharfe Zunge bekannt; manche Leute behaupteten, sie hätte noch nie etwas Gutes über andere gesagt. Sowie Glorias Name fiel, schürzte sie missbilligend die Lippen. »Das sieht man doch gleich, was das für eine ist«, pflegte sie zu sagen. Sie hielt nichts von Glorias Rotfuchsmantel, ihren hohen Absätzen, den engen Röcken und dem kastanienbraunen Haar, das sie laut Hilda färbte, um erstes Grau zu kaschieren.
Katy trat näher ans Fenster und beobachtete durch die Gardinen, wie die ältere Frau die jüngere am Arm fasste und den Gartenweg hinaufführte. Sie wünschte, sie hätte das Gesicht dieser Frau erkennen können, weil es schwer war, das Alter einer Person einzuschätzen, die man nur von hinten sah, aber vermutlich war sie noch jung, denn sie trug Keilhosen und eine Lederjacke, und ihr langes dunkles Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden.
Die ältere Frau sperrte die Haustür auf – ein weiterer Umstand, der Hilda mit Argwohn erfüllte. »Welche Frau lässt schon Leute in ihr Haus, wenn sie selbst nicht da ist?«, sagte sie immer. Und heute konnte Gloria nicht da sein, weil es der letzte Samstag vor Weihnachten war und in ihrem Laden mit Sicherheit Hochbetrieb herrschte. Rob hatte gewitzelt, ihre Mum wäre so kratzbürstig, dass nur dann Besucher zu ihnen kommen würden, wenn sie wüssten, dass Hilda außer Haus war.
Als die beiden Frauen im Haus verschwunden waren, bügelte Katy weiter und dachte dabei über die geheimnisvollen Besucherinnen nach. Sie plauderte immer gern mit Gloria, wenn sie zu ihr ins Geschäft ging. Erst letzten Monat hatte sie sich ein wunderschönes smaragdgrünes Chiffonkleid gekauft, das sie anziehen wollte, wenn sie Weihnachten tanzen ging.
Aber Gloria war der Typ Frau, der sich eher für andere interessierte, als über sich selbst zu reden. Immerhin wusste Katy, dass sie zwei Töchter und einen Sohn hatte. Die eine Tochter wohnte in Hastings und hatte zwei kleine Kinder, der Sohn lebte irgendwo im Norden. Aber so gern Katy sich auch nach den Leuten erkundigt hätte, die in Glorias Haus kamen, sie traute sich nicht. Sie wollte nicht zugeben, dass sie Gloria nachspionierte, außerdem war es unhöflich, jemanden, den man nicht näher kannte, nach persönlichen Dingen zu fragen.
Katy fand, dass Gloria eine gute Eheberaterin abgegeben hätte, denn sie war ein Mensch, dem man sich gern anvertraute. Katy hatte ihre roten Haare immer verabscheut, aber dank Gloria wusste sie jetzt, dass sie nicht karottenrot, sondern rotblond und sehr hübsch waren. Vor zwei Jahren hatte Gloria für sie ein hellgrünes Sommerkleid ausgesucht, um zu beweisen, dass sie recht hatte. Katy probierte es an und war begeistert, weil ihre Haarfarbe auf einmal viel dezenter wirkte. Sie kaufte das Kleid, und es war zu ihrem Lieblingsstück geworden und hatte sie animiert, mehr Sachen in dieser Farbe zu kaufen. Sie war Gloria sehr dankbar, dass sie ihr neues Selbstvertrauen geschenkt hatte.
Erst vor Kurzem hatte Gloria ihr geraten, Bexhill zu verlassen. »Es ist voller alter Leute und das langweiligste Kaff in England«, meinte sie seufzend und wedelte mit ihrer Hand in Richtung Straße, auf der nur Rentner unterwegs zu sein schienen. »Ziehen Sie nach London, mieten Sie zusammen mit ein paar anderen Mädchen eine Wohnung und genießen Sie das Leben! Die einzigen Typen, die man hier bei den Tanzveranstaltungen im De La Warr Pavillon kennenlernt, sind Hafenarbeiter. Jeder, der nur ein bisschen Mumm in den Knochen hat, schwirrt ab nach London. Da ist wenigstens was los!«
Katy wusste, dass Gloria recht hatte. Die meisten ihrer ehemaligen Mitschülerinnen waren inzwischen verheiratet, manche hatten schon zwei oder drei Kinder. Sie alle hatten junge Männer aus dem Ort geheiratet und Häuser vom sozialen Wohnungsbau bezogen, und alles deutete darauf hin, dass ihr Leben genauso verlaufen würde wie das ihrer Eltern. Das war nicht die Zukunft, die Katy sich wünschte. Sie und ihre Freundin Jilly redeten ständig davon, ihren Horizont zu erweitern; vielleicht wurde es allmählich Zeit, damit anzufangen.
»Von vielleicht kann keine Rede sein«, sagte Katy laut zu sich selbst. »Hier in Bexhill hält dich nichts mehr.«
Ihr Bruder Rob, der auf die Universität ging, war für die Weihnachtsfeiertage heimgekommen. Erst am Vorabend hatte er gesagt, er würde wahrscheinlich nicht noch einmal kommen, weil ihre Mutter immer so schlecht gelaunt war. Aber wenn auch noch Katy das Haus verließ, wäre ihr Vater Hilda auf Gnade und Barmherzigkeit ausgeliefert. Schon jetzt wurde er von seiner Frau verhöhnt und schikaniert, und wenn es so weiterging, würde er immer mehr Zeit in seinem Büro oder in seinem Gartenschuppen verbringen, um ihr aus dem Weg zu gehen. Rob mochte ihre Mutter lediglich für mürrisch halten, aber er hatte auch noch nie wirklich erlebt, wie hässlich sie sich ihrem Mann gegenüber manchmal verhielt. Wenn ihr Sohn zu Hause war, nahm sie sich immer ein bisschen zusammen.
Als sie ihre Mutter von unten rufen hörte, lief Katy zur Tür. »Wolltest du etwas von mir, Mum?«, rief sie hinunter.
»Mit dem Bügeln bist du inzwischen hoffentlich fertig, oder?«
Katy trat ein paar Schritte vor, damit sie ihre Mutter sehen konnte. Alles an Hilda Speed war scharf und spitz – ihre Zunge, ihre Gesichtszüge sowie ihr Verstand und ihre Augen, denen nichts entging. Sogar ihr Körper schien nur aus scharfen Kanten zu bestehen, knochig und mager, mit spitzen Knien und Ellbogen. Obwohl sie erst Ende vierzig war, wirkte sie älter, weil sie kaum jemals lachte oder ihre Lippen auch nur zu einem Lächeln verzog.
»Ich bin gerade beim letzten Laken«, antwortete Katy. »Warum? Hast du noch etwas für mich zu tun?«
»Nein, ich wollte bloß wissen, was du treibst.«
Katy verdrehte die Augen. Ihr ganzes Leben lang hatte ihre Mutter sie ständig kontrolliert. Von der Schule heimgehen, eine Nachricht übermitteln – allem, was außerhalb des Hauses stattfand, wurde eine bestimmte Zeitspanne zugemessen, und wenn Katy nicht innerhalb dieses Zeitraums zurückkam, wurde sie sofort ausgefragt. Es war, als könnte ihre Mutter den Gedanken nicht ertragen, dass ihre Tochter vielleicht einer Freundin oder Nachbarin begegnet und auf einen kurzen Schwatz stehen geblieben war.
»Ich lege die Sachen nur noch in den Trockenschrank und komme dann gleich runter«, sagte Katy. Sie bügelte das letzte Laken zu Ende, legte den Stapel Wäsche in den Schrank und ging in ihr Zimmer. Weil sie den Moment, nach unten zu gehen, noch ein bisschen hinauszögern wollte, setzte sie sich an ihren Frisiertisch und betrachtete sich im Spiegel.
Ihre Freundin Jilly fand, Katy sollte sich über ihre »interessante Blässe« freuen, statt darüber zu jammern, wie lange es dauerte, um im Sommer auch nur ein kleines bisschen braun zu werden. Jetzt, mit dreiundzwanzig, hatte sie ihr Aussehen endlich akzeptiert: Ihr langes, glattes rotgoldenes Haar, den Hauch von Sommersprossen auf ihrer Nase, den samtigen Pfirsichton ihrer Haut, ihre grünen Augen. Ihre Augen gefielen ihr sogar richtig gut; jeder bewunderte sie, weil sie so groß und strahlend waren. Zum Glück hatte sie braune Wimpern und Augenbrauen, nicht blonde wie so viele Rothaarige. Außerdem war sie schlank und langbeinig. Natürlich wäre es nicht schlecht, wenn sie ein kleines Stück größer wäre als mit ihren mickrigen eins achtundfünfzig, aber man konnte nicht alles haben.
Sie hatte nicht den Eindruck, dass sie äußerlich nach einem ihrer Elternteile geraten war. Rob sah genauso aus wie sein Vater, als Albert im selben Alter war: Einen Meter fünfundsiebzig groß, gute Figur, dunkelbraune Augen und Haare. Auch Hilda hatte braune Augen, und sie hatte erzählt, ihr Haar wäre kastanienbraun gewesen, bevor es grau wurde. Aber Katy hatte ein herzförmiges Gesicht, während das ihrer Mutter länglich war. Hildas Nase war spitz, Katys klein und sanft gerundet.
»Solange du nicht so schwierig wie Mum oder so schwach wie Dad wirst, haut es schon hin«, sagte sie zu ihrem Spiegelbild.
»Katy!«
Die schrille Stimme ihrer Mutter tönte durchs Treppenhaus. Katy seufzte. Bis Weihnachten war es noch ein paar Tage hin, aber schon jetzt war Hilda absolut unausstehlich. Kein Wunder, dass Rob keine Lust mehr hatte, auch in Zukunft die Feiertage daheim zu verbringen.
»Feuer! Feuer! Los, los, aufwachen!«
Katy schrak abrupt aus dem Schlaf, als sie die gellenden Schreie ihrer Mutter hörte. Mit einem Satz war sie aus dem Bett und griff hastig nach ihrem Morgenmantel. Als sie in ihre Hausschuhe schlüpfte, hörte sie ihren Vater.
»Um Himmels willen, Hilda! Das Feuer ist auf der anderen Straßenseite, für uns besteht keinerlei Gefahr. Lass die Kinder doch in Ruhe schlafen!«
Seine Stimme klang resigniert, und Katy tat es in der Seele weh, ihn so zu hören. Er hatte in den letzten Tagen bis spät am Abend im Büro gearbeitet, weil in seiner Firma, einem technischen Betrieb, eine Buchprüfung bevorstand.
»Du würdest ja nicht mal dran denken, ins Wasser zu springen, wenn deine Füße schon in Flammen stünden!«, gab Hilda zurück. »Du Trottel!«
Normalerweise wirkten derartige Bemerkungen auf Katy wie das rote Tuch auf einen Stier, aber jetzt wollte sie bloß das Feuer sehen.
Rob kam in dem Moment aus seinem Zimmer, als Katy an seiner Tür vorbeiging. »Was in aller Welt ist los?«, fragte er verschlafen und umklammerte den Bund seiner Schlafanzughose, als hätte er Angst, sie könnte hinunterrutschen.
»Irgendwo brennt es, aber wahrscheinlich übertreibt Mum mal wieder«, antwortete sie. »Wollen wir nicht mal schauen, was los ist?«
Aber als sie das Schlafzimmer ihrer Eltern betraten, stellten sie zu ihrer Überraschung fest, dass es vom Feuerschein auf der anderen Straßenseite fast taghell war.
»Oh mein Gott!«, rief Katy und starrte mit offenem Mund aus dem Fenster. Lodernde rote und gelbe Flammen züngelten an der Front des Hauses empor und erhellten die ganze Straße. Vor dem Hintergrund des dunklen Nachthimmels entstand ein schauriges Bild. Das war kein kleiner Küchenbrand, sondern ein wahres Inferno.
»Ich fasse es nicht«, stieß Katy mit bebender Stimme hervor. »Die arme Mrs Reynolds! Hoffentlich ist sie nicht mehr da drinnen! Hat jemand die Feuerwehr alarmiert?«
»Ja, natürlich habe ich das gemacht«, sagte ihr Vater, der gerade seine Hose über den Pyjama zog. »Ich mag ein Trottel sein, aber ich schaffe es gerade noch, drei Mal die Neun zu wählen. Und jetzt gehe ich nachschauen, ob sie noch rechtzeitig aus dem Haus gekommen ist, und wenn es so ist, werde ich sie und ihre Nachbarn aus den Nebenhäusern hierher zu uns bitten.«
Katy hörte den stählernen Unterton in seiner Stimme und drehte sich zu ihm um. »Bravo, Dad! Kann ich irgendwie helfen?«
»Nein, Rob und du, ihr bleibt hier drinnen im Warmen bei eurer Mutter«, sagte er und warf dabei einen Blick auf seine Frau, die sich wieder ins Bett gelegt hatte, als wäre nichts Ungewöhnliches vorgefallen. »Sieht so aus, als wäre es draußen klirrend kalt.«
Er hatte recht; dort, wo das Feuer nicht hinreichte, glitzerten Straße und Bürgersteig von Eis.
»Lieber Gott, lass sie bitte draußen sein!« Katy wurde ganz elend, als sie sich ausmalte, was passiert sein könnte. Auf der Straße standen ein paar Nachbarn und beobachteten das Feuer, aber Mrs Reynolds befand sich nicht unter ihnen. Sie drehte sich zu ihrer Mutter um. »Mrs Reynolds ist nicht da draußen, Mum. Hast du sie gesehen, als du vom Feuer aufgewacht bist und rausgeschaut hast?«
»Nein, aber es brannte schon lichterloh, als ich wach wurde. Ich denke, sie wird zu einem der anderen Häuser gelaufen sein.«
Katy nickte. Sie hoffte dasselbe. »Normalerweise besucht sie Samstagabend ihre Tochter. Hoffentlich hat sie das auch heute gemacht!«
»Seit wann kennst du die Person gut genug, um über ihr Kommen und Gehen Bescheid zu wissen?«, fragte Hilda scharf.
Katy sah ihren Bruder an und verdrehte die Augen. Wie typisch für ihre Mutter, dass ihr mehr daran lag, zu erfahren, woher ihre Tochter Mrs Reynolds kannte, statt ihr Mitgefühl mit der armen Frau auszudrücken.
»Da ihr Geschäft nur zwei Türen weiter vom Büro ist, wäre es ausgesprochen unhöflich, nie mit ihr zu sprechen«, gab Katy kurz zurück. »Ich mag sie, man kann sich gut mit ihr unterhalten, und eine ihrer beiden Töchter ist dreiundzwanzig, genauso alt wie ich. Aber es ist die ältere, die sie samstags immer besucht; sie lebt in Hastings.«
Das laute Gebimmel des Feuerwehrwagens übertönte jede etwaige Erwiderung ihrer Mutter. Katy drehte sich wieder zum Fenster um und schaute hinaus. Immer mehr Leute fanden sich ein, um sich den Brand anzuschauen. Dicht hinter einem zweiten Löschfahrzeug folgte ein Einsatzwagen der Polizei. Zwei Polizisten sprangen heraus, um die Menschenmenge weiter die Collington Avenue hinunter zu drängen.
Das Feuer brannte jetzt so stark, dass Katy die Hitze sogar durch die Fensterscheiben spüren konnte. Während die Feuerwehrleute die Schläuche ausrollten, sah sie, wie ihr Vater mit Mr und Mrs Harding sprach, einem alten Ehepaar. Die beiden Pensionisten lebten im Nachbarhaus des brennenden Gebäudes und beobachteten, in ihre Mäntel gehüllt, furchtsam die Feuersbrunst. Offenbar hatten sie Angst, die Flammen könnten demnächst auf ihr Haus übergreifen. Katy nahm an, dass ihr Vater die beiden drängte, zu ihnen zu kommen und im Warmen zu warten.
Rob stellte sich neben Katy ans Fenster und drückte leicht ihren Unterarm, ein stummes Zeichen der Missbilligung, weil ihre Mutter nicht auch draußen war und irgendwie zu helfen versuchte.
»Ich stelle mal Wasser auf«, sagte Katy. Sie musste irgendetwas tun; einfach nur dazustehen und zuzuschauen, wie ein Haus abbrannte, schien schrecklich. »Vielleicht bringt Dad ein paar Leute mit, also sollte ich vielleicht auch ein paar Sandwiches machen. Möchtest du irgendwas, Mum?«, fragte sie ihre Mutter.
»Ein Kakao wäre schön, und vielleicht ein Stück von dem Obstkuchen, den ich heute Nachmittag gebacken habe.«
Katy nickte und ging nach unten. Unfassbar, dass ihre Mutter angesichts des Feuers so ungerührt blieb! Selbst wenn sie Mrs Reynolds nicht mochte, konnte es ihr doch unmöglich egal sein, ob sie am Leben war oder in den Flammen umkam! Was die Hastings anging, hatten die beiden hier schon fünfzehn Jahre, bevor Katy zur Welt gekommen war, gewohnt, und sie und Rob waren nach der Schule oft in ihrem Haus gewesen, um mit ihnen Tee zu trinken. Im Grunde waren die beiden fast so etwas wie Ersatzgroßeltern gewesen. Es musste furchtbar sein, in ihrem Alter befürchten zu müssen, ihr Haus könnte mitsamt allem, was ihnen lieb und teuer war, zerstört werden.
Als sie den Kessel füllte, gesellte sich Rob zu ihr. »Manchmal wünschte ich, ich wäre noch fünf«, sagte er mit bekümmert heruntergezogenen Mundwinkeln. »Damals wusste ich noch nicht, dass andere Mütter etwas mit ihrer Familie unternehmen und singen und tanzen oder mit ihren Kindern durch den Garten toben. Ich fasse es nicht, dass sie nicht mit Dad rausgegangen ist, um zu sehen, ob sie helfen kann. Was ist bloß los mit ihr, Schwesterchen? Sie muss ein Herz aus Stein haben. War sie von Geburt an so oder ist irgendwas mit ihr passiert?«
»Ich weiß es nicht, Rob«, seufzte Katy. »Früher habe ich in der Sonntagsschule gebetet, sie soll sich ändern. Das Schlimmste ist, dass mir kaum noch auffällt, wie kalt und hart sie ist. Nur weil jetzt etwas so Dramatisches passiert, etwas, das für alle Beteiligten schlimme Folgen hat, wird mir wieder bewusst, wie eigenartig sie ist.«
»Ich komme in den Ferien garantiert nicht mehr nach Hause«, sagte Rob. Er absolvierte gerade sein letztes Jahr an der Universität von Nottingham, wo er Gartenbau studierte. »Jedes Mal, wenn ich hier bin, kommt es mir wie eine Strafe vor, nicht wie eine freudige Heimkehr. Dich und Dad vermisse ich natürlich, aber mit ihr komme ich einfach nicht mehr klar. Sie giftet mich an, als wäre es eine Zumutung, dass ich am Leben bin. Ich glaube, sie hat mich noch nie nach meinen Freunden gefragt oder wie mir mein Studium gefällt oder auch nur, wie mein Zimmer aussieht. Das Einzige, was sie macht, ist scheuern und putzen.«
Katy sah, dass ihr Bruder den Tränen nahe war, und schloss ihn in die Arme. Er war drei Jahre jünger als sie, und sie hatten sich immer sehr nahegestanden. Weil man ihnen, als sie klein waren, nie erlaubt hatte, bei anderen Kindern daheim zu spielen, hatten sie geglaubt, alle Mütter wären wie ihre eigene. Später, als sie draußen spielen durften und feststellten, dass dem nicht so war, fanden sie eigene Mittel und Wege, um zu kompensieren, dass sie eine Mutter hatten, von der sie kaum jemals Zeichen von Zuneigung bekamen.
Rob war handwerklich sehr geschickt, er konnte aus praktisch nichts alle möglichen Sachen basteln – Seifenkistenwagen, Flitzebogen, Stelzen und vieles andere –, und deshalb war er allgemein beliebt. Katy suchte sich ihre Nische, indem sie unerschrocken auf Bäume kletterte, an Türen klingelte und dann wegrannte oder den Clown spielte, um die anderen Kinder zum Lachen zu bringen. Obwohl die Geschwister vom Temperament her sehr unterschiedlich waren – Rob war eher schüchtern, Katy hingegen offen und kontaktfreudig –, ergänzten sie sich bestens und gaben ein gutes Team ab.
»Ich habe mir überlegt, ob ich nicht nach London gehen soll«, gestand Katy. »Seltsamerweise war es Mrs Reynolds, die mich auf die Idee gebracht hat. Sie findet, dass Bexhill die ödeste Stadt in England ist und dass ich in eine Großstadt ziehen und es ordentlich krachen lassen soll. Sie hat recht, Bexhill ist stinklangweilig. Das höchste der Gefühle sind die Tanzveranstaltungen am Samstagabend. Die einzigen Jungs, die ich je kennenlerne, sind dieselben, mit denen ich zur Schule gegangen bin, und die Hälfte davon ist mittlerweile verheiratet und hat Kinder.«
»Ich würde dir ja nahelegen, nach Nottingham zu ziehen, weil ich dich echt gern in meiner Nähe hätte, aber ich weiß nicht, ob die Stadt so toll ist, wenn man nicht gerade dort studiert. Außerdem werde ich nach meinem Abschlussexamen im Juni auch nicht mehr dort sein. London ist der Ort, wo es so richtig abgeht, sagt man.«
Katy lächelte ihren Bruder an. »Ich will dir auf keinen Fall in Nottingham in die Quere kommen. Und wenn ich nach London gehe, kannst du zu mir ziehen.«
Während Katy Butterbrote strich, dachte sie über ihre Eltern nach. Sie hatte einmal heimlich einen Blick auf ihren Trauschein geworfen. Die beiden hatten im Juli 1941 geheiratet, und sie war im März desselben Jahres zur Welt gekommen, vier Monate vor der Hochzeit. Anscheinend war das damals, mitten im Krieg, nichts Ungewöhnliches gewesen; es hieß, die Menschen lebten für den Augenblick, und manche Frau musste feststellen, dass sie schwanger war, nachdem ihr Liebster an die Front abkommandiert worden war. Aber die Vorstellung, ihre Mutter könnte von Leidenschaft mitgerissen worden sein, fiel Katy ausgesprochen schwer. Hilda war eine überzeugte Gegnerin von vorehelichem Geschlechtsverkehr. Als sie versuchte, Katy alles über die Vögel und die Bienen zu erklären, machte sie ein Gesicht, als müsste sie allein schon bei dem Gedanken an derartige Dinge würgen. Aber vielleicht hatte sie es schwer gehabt, als sie mit ihrem Baby ganz auf sich allein gestellt gewesen war.
Das erklärte freilich immer noch nicht, warum ihr Vater Hilda anziehend genug gefunden hatte, um sie auch nur anzusprechen, geschweige denn mit ihr zu schlafen. Albert war in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil von Hilda: freundlich, gütig, liebevoll. Noch dazu war er ein gut aussehender Mann, groß, mit dichtem, dunklem Haar, blitzend weißen Zähnen und einem charmanten Lächeln.
Katy hätte ihre Mutter nur zu gern nach dieser Zeit und ihrer Romanze mit Albert gefragt, aber Hilda neigte nicht zu vertraulichen Geständnissen und empfand persönliche Fragen als Affront, selbst wenn sie von ihren eigenen Kindern kamen.
Aber es war nicht nur die problematische Beziehung zu ihrer Mutter, die in Katy den Wunsch weckte, ihr Elternhaus zu verlassen. Sie sehnte sich nach dem Leben und Treiben einer Großstadt. Hier in Bexhill fühlte sie sich, als würde sie unter einem Mikroskop leben. Wenn ihre Mutter sie nicht gerade ins Kreuzverhör nahm, wurde sie von Freunden und Nachbarn scharf beobachtet.
Bexhill war nicht nur langweilig, es war scheintot! Man erzählte sich, dass die Polizei einmal den Pfarrer mit aufs Revier genommen und verhört hatte, weil er an einem Winterabend noch nach neun Uhr abends auf der Straße gewesen war. Die Polizeibeamten hielten ihn für einen Einbrecher und glaubten ihm erst, dass er eine kranke alte Dame besucht hatte, als er seinen Schal abnahm und seinen Priesterkragen zeigte.
Über diese Geschichte hatte sich Katy immer amüsiert. Doch trotz der Unzulänglichkeiten Bexhills hing sie an ihrer Heimatstadt. Abgesehen vom Meer gab es hier breite, von Bäumen gesäumte Straßen – wenigstens dort, wo sie mit ihrer Familie lebte –, und lebendigere Städte, wie Hastings oder Brighton, waren leicht mit dem Bus zu erreichen.
Rob war aus der Küche gegangen, um seiner Mutter Kakao und Kuchen zu bringen. Als er wiederkam, wurde Katy in die Gegenwart zurückgeholt.
»Das Feuer scheint jetzt unter Kontrolle zu sein«, sagte er. »Aber in dem Haus kann niemand überlebt haben.«
Katy lief ins Wohnzimmer und schaute aus dem Fenster. Rob hatte recht, die Flammen loderten nicht mehr an der Fassade empor, und der Feuerschein im Vorderzimmer schien erloschen zu sein. Ihr stieg ein Kloß in die Kehle. Auch wenn Mrs Reynolds bei ihrer Tochter und in Sicherheit war, musste es schrecklich für sie sein, all ihr Hab und Gut verloren zu haben. Aber wesentlich schlimmer war natürlich die Möglichkeit, eine so nette Frau könnte in den Flammen umgekommen sein. Die Vorstellung war einfach zu tragisch.
Rob trat zu ihr. »Ich fürchte, Mr und Mrs Harding können nicht in ihr Haus zurück«, meinte er nachdenklich. »Es ist zwar nicht abgebrannt, aber die Hitze und der Qualm dürften einiges beschädigt haben. Sie sind alt und gebrechlich, und ich glaube, sie haben keine Verwandten, zu denen sie gehen könnten.«
Da Katy dazu nichts einfiel, erinnerte sie ihren Bruder daran, dass sie noch Sandwiches machen musste. Beide wandten sich vom Fenster und von dem Bild der Zerstörung ab und gingen in die Küche zurück. Rob schürte das Feuer im Ofen, während Katy Brote belegte.
»Wirst du Mum und Dad sagen, dass du in den Ferien nicht mehr heimkommen willst?«, fragte sie ihren Bruder. »Oder kommst du einfach jedes Mal mit irgendeiner Ausrede?«
Rob machte ein verlegenes Gesicht. »Letzteres, denke ich. Ich bin nicht so mutig wie du.«
»Eigentlich finde ich es eher diplomatisch. Ich meine, dann wird Dad nicht so traurig sein, oder? Mir gefällt die Vorstellung, ihn hier zurückzulassen, auch nicht, aber wahrscheinlich erwarten Eltern von ihren Kindern, dass sie irgendwann aus dem Haus gehen.«
»Wer weiß, vielleicht ist Mum ja netter zu Dad, wenn sie nur noch zu zweit sind«, meinte Rob.
Fast wie aufs Stichwort ging die Hintertür auf, und ihr Vater kam mit einem Schwall eisiger Luft herein. »Brrr, draußen ist es eiskalt«, sagte er und rieb seine Hände aneinander. »Mr und Mrs Harding gehen zu den Bradys, ein Stück die Straße hinunter. Sie spielen mit den beiden gelegentlich Bridge und sind dort besser aufgehoben als hier.«
»Was ist mit den Suttons?«, fragte Rob. Das war das Ehepaar, das auf der anderen Seite von Nummer 26 lebte.
»Na ja, da ihr Haus nicht direkt an das von Mrs Reynolds angrenzt, ist auch kein Schaden entstanden. Sie waren mit den Feuerwehrleuten drin, um den Zustand zu überprüfen, und haben gesagt, dass es zwar nach Rauch stinkt, aber ansonsten alles in Ordnung ist. Trotzdem wollen sie bei ihrer Tochter bleiben, bis sich der Rauch verzogen hat. Sie ist schon unterwegs.«
»Haben die Feuerwehrleute feststellen können, ob Mrs Reynolds im Haus war?«, wollte Katy wissen.
Albert runzelte die Stirn. »Bis jetzt noch nicht. Mrs Harding sagt, dass sie früher am Abend daheim gewesen sein muss, weil sie den Fernseher gehört hat. Später wurde er abgeschaltet, was hoffentlich bedeutet, dass Mrs Reynolds das Haus verlassen hat. Aber die Feuerwehr kann noch nicht hinein. Wir müssen einfach die Daumen drücken, dass sie irgendwo anders und in Sicherheit ist.«
»Weiß man schon, wie das Feuer entstanden ist?«, fragte Rob.
»Ich habe gehört, wie einer der Polizisten sagte, es bestehe der Verdacht auf Brandstiftung. Aber das lässt sich erst dann mit Bestimmtheit sagen, wenn das Feuer völlig erloschen und das Haus ausgekühlt ist.« Er machte eine Pause. Seine dunklen Augen glänzten, als wären sie tränenfeucht. »Falls das Feuer absichtlich gelegt wurde und Mrs Reynolds darin umgekommen ist, würde ich denjenigen, der ihr das angetan hat, liebend gern mit eigenen Händen erwürgen.«
margin-t">Als Katy am nächsten Morgen aufwachte, hatte sie einen Moment lang das Gefühl, sie müsste geträumt haben, dass es gegenüber gebrannt hatte. Das Läuten der Kirchenglocken von Little Common rief die Gläubigen zur Acht-Uhr-Messe, und einen Moment lang war Katy fast verärgert, weil sie von dem Gebimmel an einem Sonntagmorgen so früh geweckt wurde; schließlich war sie erst um fünf Uhr wieder ins Bett gekommen. Andererseits hatte der Glockenklang etwas Tröstliches, als könnte nichts wirklich Schlimmes passieren, wenn er ertönte.
Sie stand auf und ging ins Gästezimmer, um aus dem Fenster zu schauen. Da war es, schlimmer als erwartet, die rußgeschwärzte, immer noch qualmende Ruine eines Hauses, das Dach zur Hälfte eingestürzt, die Fensterscheiben geborsten, der einst so gepflegte Vorgarten zertrampelt und voller Schutt. Selbst durch das geschlossene Fenster konnte sie den feuchten, halb brandigen, halb chemischen Geruch von Zerstörung wahrnehmen.
Es war noch zu früh am Tag, als dass Menschen unterwegs gewesen wären, und noch dazu bitterkalt, und da Rob und ihre Eltern anscheinend noch schliefen, legte sie sich wieder ins Bett.
Gegen elf Uhr morgens fing es an, zu schneien. Katy saß auf der Fensterbank im Wohnzimmer und beobachtete, was sich auf der Straße abspielte. Abgesehen von den Schaulustigen, die einen Blick auf das abgebrannte Haus werfen wollten, waren etliche Feuerwehrleute anwesend, die in Gruppen herumstanden. Anscheinend war es im Haus noch zu heiß oder wegen der Einsturzgefahr zu riskant, um hineinzugehen. Auch Polizisten waren unterwegs, um von Haus zu Haus zu gehen und Nachbarn zu befragen, ob ihnen in der vergangenen Nacht etwas Ungewöhnliches aufgefallen wäre. Einige Männer in Zivil begutachteten das Haus, vermutlich Beamte vom Bauamt oder der Baupolizei, dachte Katy.
Kurz nach dem Lunch, als Katy sich mit einer Tasse Tee ins Wohnzimmer setzen und ein bisschen lesen wollte, sah sie, wie Polizisten aus Haus Nummer 26 kamen. Sie trugen eine abgedeckte Bahre.
Katy wäre vor Schreck beinahe die Tasse aus der Hand gefallen. Sie und ihre Familie waren der festen Meinung gewesen, es habe keine Todesfälle gegeben. Und jetzt wurde zu ihrem Entsetzen noch eine zweite Bahre hinausgetragen!
Ein Blick auf die Gesichter der Polizisten und Feuerwehrleute sagte ihr, dass sie genauso verstört waren wie sie selbst. Offensichtlich war in der Zeit, als sie und ihre Familie zu Mittag aßen, einiges an verbrannten Möbeln und Zimmertüren aus dem Haus geschleppt und auf den Schutthaufen im Garten geworfen worden. Wahrscheinlich hatten die Feuerwehrmänner dabei auch die beiden Toten entdeckt.
Katy lief schluchzend ins Esszimmer, wo ihr Vater und ihr Bruder in Lehnstühlen vor dem Kamin saßen und die Sonntagszeitung lasen. »Es gibt zwei Tote!«, platzte sie heraus. »Die Polizei hat sie gerade herausgetragen!«
Rob und ihr Vater waren einen Moment lang zu schockiert, um ein Wort herauszubringen, und starrten sie nur fassungslos an.
»Wie furchtbar!«, sagte Albert schließlich mit brüchiger Stimme. »Ihre arme Familie! Glaubst du, bei der zweiten Toten handelt es sich um ihre Tochter?«
Katy fing an zu weinen. »Die Tochter, die sie immer am Samstagabend besucht, hat zwei kleine Kinder. Sie hat mir erzählt, dass sie nie über Nacht bleiben, deshalb wird sie es wohl nicht gewesen sein«, brachte sie schluchzend heraus.
»Es gibt noch eine Tochter und einen Sohn«, sagte Albert nachdenklich. »Sie erwähnte mir gegenüber, dass ihre jüngere Tochter unbedingt Karriere machen will, als Anwaltsgehilfin, wenn ich mich nicht irre. Der Sohn lebt in Manchester.«
»Ja, stimmt, ich kann mich erinnern, dass sie mir das auch erzählt hat«, sagte Katy. »Bei der Gelegenheit hat sie mir auch vorgeschlagen, mich um Arbeit in einer Anwaltskanzlei zu bemühen, weil man da besser bezahlt wird.«
»Wenn es wirklich Brandstiftung war, hat irgendjemand zwei Menschen auf dem Gewissen«, sagte Rob, das Gesicht vor Zorn gerötet. »Was für ein furchtbarer Gedanke! Und ausgerechnet hier in Bexhill, wo sonst nie etwas passiert!«
»Sprechen wir vor eurer Mutter lieber nicht darüber«, sagte Albert mit gesenkter Stimme. »Dann gäbe es für sie den ganzen Abend kein anderes Thema, und das könnte ich nicht ertragen. Sie hat etwas gegen Mrs Reynolds, seit ich einmal bei ihr war, um einen tropfenden Wasserhahn zu reparieren.«
»Wo ist Mum eigentlich?«, fragte Rob.
»Spazieren«, antwortete Albert. »Weiß der Himmel, wie sie bei der Kälte auf diese Idee gekommen ist. Aber sie war nicht davon abzubringen, und als ich ihr anbot, sie zu begleiten, hat sie mir fast den Kopf abgebissen. Aber mittlerweile sollte sie daheim sein, es wird schon dunkel.«
»Ich fange mal an, das Abendessen zu richten«, sagte Katy. »Obwohl mir nach dem Anblick dieser beiden Bahren der Appetit gründlich vergangen ist.«
Als Katy aufwachte, fiel mattgraues Licht in ihr Zimmer, und sie wusste sofort, dass es in der Nacht geschneit hatte.
Als Kind war sie vor Freude immer ganz aus dem Häuschen gewesen, wenn es Schnee gab, aber nach den Ereignissen des Vortags hätte sie sogar ein nächtliches Erdbeben oder ein Hurrikan kaltgelassen.
Flora, eine Kollegin, hatte ihr einmal von ihrer Nachbarin erzählt, die völlig unerwartet gestorben war. »Ich habe mich gefühlt, als hätte mir jemand in den Bauch getreten«, hatte sie gesagt. »Seltsam eigentlich, denn wir haben uns gar nicht besonders nahegestanden.«
Damals hatte sich Katy ein bisschen über Floras Bemerkung gewundert, aber jetzt fühlte sie sich genauso: fassungslos, erschüttert und doch außerstande zu begreifen, warum sie so betroffen war. Vielleicht deshalb, weil sie gern mehr über Gloria Reynolds gewusst hätte? Oder hatte sie etwa ein schlechtes Gewissen, weil sie die Frau so oft beobachtet hatte?
Der Tod war eine völlig neue Erfahrung für Katy. Beide Großelternpaare waren vor ihrer Geburt gestorben. Möglicherweise empfanden andere Menschen in einer derartigen Situation dasselbe wie sie.
Sie beschloss, ihre Freundin Jilly zu fragen. Jilly kam aus einer großen Familie, in der über alles und jedes lang und breit diskutiert wurde. Sie würde wissen, ob Katys Reaktion normal war.
Sie stand auf, zog die Vorhänge zurück und war trotz ihrer gedrückten Stimmung gerührt, als sie die dicke weiße Schneeschicht sah, die den Garten bedeckte.
Die kahlen Blumenbeete, der alte Rasenmäher, der Apfelbaum, Zaun und Gartenschuppen: Alles war wie von Zauberhand in eine winterliche Märchenwelt verwandelt worden. Dennoch schien es nicht richtig zu sein, dass alles so schön aussah, wo sich doch erst vor Kurzem eine furchtbare Tragödie ereignet hatte.
Eine Stunde später trottete Katy auf dem Weg zur Arbeit die Straße hinunter. Unter ihrem Kleid trug sie eine karierte Hose, darüber zwei Pullover und ihren braunen Wintermantel und zusätzlich eine grüne Strickmütze, Handschuhe, Schal und Gummistiefel. Ihre Halbschuhe, die sie im Büro anziehen wollte, steckten in ihrer Handtasche. Schneefall an einem Montagmorgen, bevor die Streufahrzeuge unterwegs gewesen waren, bedeutete möglicherweise, dass einige ihrer Kollegen, die außerhalb wohnten, heute nicht kommen konnten und sie selbst mehr Arbeit als sonst haben würde. Ein deprimierender Gedanke.
Doch trotz der Kälte war sie froh, aus dem Haus zu sein. Beim Frühstück war die Atmosphäre sehr angespannt gewesen. Normalerweise kündigte sich die schlechte Laune ihrer Mutter durch lautes Klappern mit Geschirr und das Knallen von Schranktüren an, und früher oder später kam es zu einem Wutausbruch. Aber heute war es anders gewesen – kein Lärm, nicht einmal scharfe Bemerkungen. Auf einen Außenstehenden hätte alles ganz normal gewirkt. Aber Katy wusste es besser; sie hatte die höhnisch verzogenen Mundwinkel gesehen, die unterschwellige Gehässigkeit gespürt. So war es immer, wenn es in ihrer Mutter brodelte.
Rob erzählte, er habe gehört, wie ihr Vater spät in der Nacht mit Hilda gestritten hatte. Worum es dabei ging, hatte er allerdings nicht verstehen können.
Vermutlich hatte ihre Mutter wieder über Mrs Reynolds hergezogen, dachte Katy, wie schon am Sonntagmorgen, als Albert irgendwann die Beherrschung verloren hatte. Seiner Meinung nach gehörte es sich einfach nicht, schlecht über Tote zu reden.
Katys Hoffnung, die Arbeit würde sie ablenken, erwies sich als falsch. Die Tragödie hatte in sämtlichen Tageszeitungen Schlagzeilen gemacht, und da jeder im Büro wusste, dass Katy in der Collington Avenue direkt gegenüber dem abgebrannten Haus lebte, konnten es ihre Kollegen kaum erwarten, mehr von ihr zu erfahren.
Sogar Mr Marshfield, der Seniorpartner, kam eigens aus seinem Büro, um Fragen zu stellen. Normalerweise redete er nur mit Katy, wenn sie für ihn ein Diktat aufnehmen sollte.
Er machte ein bekümmertes Gesicht. »Mrs Reynolds war eine Klientin von uns«, sagte er. »Sie war so ein lebensfroher Mensch. Ich mochte sie sehr. Und ihre Tochter ist mit ihr gestorben, heißt es?«
Katy hatte von dem Mann noch nie gehört, wie er Sympathie für einen seiner Mitmenschen aussprach. Sie und die anderen Mädchen hatten ihm heimlich den Spitznamen I-Aah gegeben, nach dem sauertöpfischen Esel in Pu der Bär. Wie I-Aah war er ein absoluter Pessimist, und sein langes, schmales Gesicht verzog sich nie zu einem Lächeln.
»Es steht noch nicht fest, wer die zweite Frau war, Mr Marshfield. Ich hoffe, es war nicht Mrs Reynolds’ Tochter, aber wer sie auch gewesen sein mag, auch sie muss Angehörige haben, die um sie trauern werden. Die Polizei scheint davon auszugehen, dass das Feuer vorsätzlich gelegt wurde. Aber warum sollte jemand eine so nette Frau wie Gloria Reynolds töten wollen?«
»Ein verschmähter Liebhaber vielleicht?«, warf Mrs Edwards, Marshfields Sekretärin, ein. Sie war hoffnungslos romantisch und kaufte ständig Hochzeitsmagazine, um sich an den Bildern zu begeistern und Pläne für die Verehelichungen ihrer Söhne zu schmieden, obwohl noch nicht einer der vier jungen Männer eine feste Freundin hatte. Außerdem besaß sie eine lebhafte Phantasie, die von der Lektüre gruseliger Horrorgeschichten angefeuert wurde.
»Vielleicht war ihr Laden nur Tarnung«, meinte Sandra, die dümmliche Bürokraft, die im Archiv arbeitete. »Sie könnte eine Spionin gewesen sein!«
»Sehr wahrscheinlich«, bemerkte Mr Marshfield sarkastisch. »Machen Sie sich lieber wieder an die Arbeit, Sandra. Und achten Sie darauf, den Briefverkehr in den richtigen Akten abzulegen!«
Den ganzen Tag über kam Mrs Reynolds’ schockierendes Ableben immer wieder zur Sprache. Da in Bexhill so gut wie nie etwas Aufregendes passierte, war es nicht weiter verwunderlich, dass jeder, der die Tote auch nur flüchtig gekannt hatte, darüber reden wollte. Leute, die noch nie zuvor die Kanzlei von Franklin, Spencer and Marshfield betreten hatten, tauchten jetzt unter irgendeinem Vorwand auf. Tatsächlich kamen so viele, dass sich die Angestellten gezwungen sahen, an der Eingangstür Zeitungspapier auszulegen, um den Schnee aufzusaugen, den die Besucher hereinschleppten.
Auf dem Heimweg – früher als sonst, weil es wieder zu schneien begonnen hatte – überlegte Katy, wann sie sich das letzte Mal mit der Geschäftsfrau unterhalten hatte. Ende November war sie in den Laden gegangen, um sich nach einem Kleid für die Tanzveranstaltungen umzusehen, die alljährlich an den Weihnachtsfeiertagen stattfanden. Sie sah Gloria Reynolds deutlich vor sich, die weiblichen Kurven, an jenem Tag in einem roten Etuikleid mit einem breiten schwarzen Lackledergürtel und passenden hochhackigen Schuhen, das kastanienbraune Haar wie üblich zu einem Bienenkorb aufgetürmt, in den Ohren rotschwarze baumelnde Hänger, das Make-up so perfekt, dass ihr Teint makellos wirkte.
»Schön, dass Sie vorbeischauen, Katy«, sagte sie. »Ich habe nämlich genau das richtige Partykleid für Sie.«
Sie griff nach einem smaragdgrünen Chiffonkleid und schüttelte es aus, um Katy zu zeigen, wie sich der Stoff bauschte. »Ein toller Kontrast zu Ihren Haaren! Und schauen Sie nur, wie der Rock schwingt!«
Katy war wie immer hingerissen, nicht nur weil Gloria genau wusste, was ihren Kundinnen am besten stand, sondern weil sie jeder von ihnen das Gefühl gab, etwas Besonderes zu sein.
Als Katy in dem Kleid, das ihr wie angegossen passte und, wie sie insgeheim dachte, einen Filmstar aus ihr machte, aus der Umkleidekabine kam, schlug Gloria entzückt die Hände zusammen.
»Ich musste sofort an Sie denken, als es hereinkam«, sagte sie. »Es ist wie für Sie gemacht, Farbe und Schnitt sind einfach perfekt. Aber Sie sollten es an einem sehr viel aufregenderen Ort als Bexhill tragen, meine Liebe.«
Sie habe das Gefühl, dass sich in England gewaltige Veränderungen anbahnten, vor allem in London, fuhr sie fort. »Ich habe es gespürt, als ich das letzte Mal da war«, sagte sie. »Endlich ist Schluss mit der Prüderie der Fünfzigerjahre à la Doris Day! In London schießen überall schicke kleine Läden aus dem Boden; man nennt sie Boutiquen, und die tollen Klamotten werden von talentierten jungen Designern entworfen. Und dann die Diskotheken – Tanzsäle sind mittlerweile kalter Kaffee. Wenn ich in Ihrem Alter wäre, Katy, wäre ich wie der Blitz auf und davon!«
Katy hatte darüber auch schon in Zeitschriften gelesen, aber Glorias Enthusiasmus schien alles viel realer und greifbarer zu machen.
»Aber ich habe doch meinen Job in der Kanzlei«, wandte sie ein. »Was, wenn ich in London keine so gute Stellung finde?«
»Unsinn, Katy! In London gibt es Tausende Anwälte, und Sie werden dort eine Stelle finden, wo man Ihnen doppelt so viel zahlt wie hier. Gute Bürokräfte wie Sie sind Gold wert! Meine Elsie arbeitet als Sekretärin in einer Anwaltskanzlei, ich weiß also, wovon ich rede.«
»Aber hier sind alle meine Freunde. In London kann es sehr einsam sein, habe ich gehört.«
»Ach was, Katy, ein Mädchen wie Sie wird schnell genug neue Freundschaften schließen. Sie teilen sich mit ein paar anderen Mädchen eine Wohnung, und Sie werden sehen, im Handumdrehen gibt es Partys und Tanz und Rendezvous mit ehrgeizigen jungen Männern, die ein Ziel vor Augen haben. Ich wette, die einzigen Männer, die Sie hier am Samstagabend im Pavillon zum Tanzen auffordern, arbeiten auf der Werft oder in irgendeinem Laden.«
Katy drehte sich vor dem Spiegel hin und her und ließ den Rock wirbeln. Das Kleid war einfach ein Traum, auch wenn es mehr als zwei Wochenlöhne kostete. »Zugegeben, ich habe ein paar Mechaniker, Landarbeiter und sogar einen Müllmann kennengelernt«, gestand sie mit einem Grinsen. »Auf jeden Fall keinen, der meinen Puls zum Rasen gebracht hätte. Aber so einen finde ich in London womöglich auch nicht, und meiner Mum und meinem Dad wäre es gar nicht recht, wenn ich von hier fortgehe.«
»Sie müssen Ihr eigenes Leben leben, nicht das Ihrer Eltern«, sagte Gloria fest. »In dem Kleid sehen Sie wie ein Model aus – umwerfend genug, um jedem Mann den Kopf zu verdrehen. Außerdem will Ihr Dad bestimmt nur Ihr Bestes, und ihm dürfte klar sein, dass Bexhill für junge Leute nicht besonders viel zu bieten hat.«
An dem Abend nach dieser Unterhaltung mit Mrs Reynolds hatte Katy sich ausgemalt, nach London zu gehen. Sie stellte sich vor, wie sie und ihre Freundin Jilly in einer schicken kleinen Wohnung lebten und an den Wochenenden jeden Abend auf die Pauke hauten. Später unterhielten sich die beiden Mädchen über diese Möglichkeit und überlegten, ob sie nicht im Januar ein paar Urlaubstage nutzen sollten, um eine kleine Erkundungstour nach London zu machen. Aber dann waren sie eifrig damit beschäftigt, Weihnachtseinkäufe zu erledigen und darüber nachzudenken, was sie zu den Tanzveranstaltungen an Weihnachten und Silvester anziehen sollten, und ihr Plan kam nicht mehr zur Sprache.
Als Katy jetzt durch die wirbelnden Schneeflocken nach Hause stapfte, bedrückte sie der Gedanke zutiefst, dass sie nicht die Zeit gefunden hatte, Gloria Reynolds vor Weihnachten noch einmal zu sehen und ihr für ihre Ratschläge zu danken. Und nun würde sie die Frau nie wiedersehen, Glorias Geschäft würde bald seine Pforten für immer schließen. Das wäre ein Gefühl, fand Katy, als würde in der Stadt ein helles Licht erlöschen. Vielleicht sollte sie tatsächlich nach London ziehen, als eine Art Hommage an diese sympathische Frau.
Vor dem Haus ihrer Eltern stand ein blauweißer Polizeiwagen.
»Da ist ja meine Tochter«, hörte Katy ihre Mutter sagen, als sie ihren Mantel und ihre Gummistiefel auszog. »Aber sie hat bestimmt nichts gehört oder gesehen, sie schläft wie ein Murmeltier.«
Katy ging ins Wohnzimmer, wo sie ihre Mutter in Gesellschaft von zwei Polizeibeamten antraf. Hilda hatte Tee gemacht und sogar einen Teller mit Keksen bereitgestellt. Im Kamin prasselte ein Feuer, und mit dem tiefroten Teppich und dem Goldbrokat der dreiteiligen Sitzgarnitur wirkte das Zimmer sehr gediegen und anheimelnd.
»Das ist Katy«, sagte ihre Mutter. »Ich habe der Polizei schon gesagt, dass du nichts gehört oder gesehen hast.«
»Das stimmt. Ich habe erst etwas mitbekommen, als Mum uns aufgeweckt hat«, sagte Katy und schaute den älteren der beiden Polizisten an. Sie war ihm schon einmal kurz begegnet, als er bei ihr im Büro war, um wegen eines Einbruchs in einem der Nachbarhäuser auf der High Street zu ermitteln. Er war um die vierzig, groß und breitschultrig und hatte eine Glatze, nette zwinkernde braune Augen und ein freundliches Lächeln. Sie erinnerte sich auch an seinen Namen: Sergeant Ransome. »Eine furchtbare Sache. Ich hoffe, Sie schnappen den Täter.«
»Wir sammeln immer noch Informationen. Im Moment versuchen wir gerade, uns ein Bild von Mrs Reynolds zu machen. Haben Sie sie gekannt, Katy?«
»Ja, ich habe oft bei ihr im Geschäft eingekauft, und ich hatte sie sehr gern«, sagte Katy. »Ich glaube, jeder mochte sie. Sie war sehr warmherzig und freundlich.«
»Hat sie mit Ihnen je über ihr Privatleben gesprochen?«
Katy schüttelte den Kopf. »Nicht wirklich, nur dass sie zwei Töchter hat – und einen Sohn, der in Manchester lebt. Normalerweise besuchte sie die eine Tochter, die selbst schon Kinder hat, samstags nach der Arbeit. Ich glaube, diese Tochter wohnt in Hastings. Elsie, die andere, arbeitet als Sekretärin für einen Rechtsanwalt in London. Den Namen der anderen Tochter kenne ich nicht.«
»Wenn Sie abends in Bexhill ausgehen, ist Ihnen Mrs Reynolds dabei manchmal begegnet? In einer Bar, bei einer Tanzveranstaltung oder dergleichen?«
»Nein, nie.«
»Ihr Büro ist nur zwei Häuser weiter von ihrem Modesalon. Haben Sie jemals Gerede über sie gehört? Über Männerbekanntschaften vielleicht?«
Katy warf ihrer Mutter einen Blick zu. Sie hatte das Gefühl, Hilda könnte der Polizei gegenüber angedeutet haben, ihre Nachbarin wäre eine Art Femme fatale.
»Der einzige Klatsch, den ich je gehört habe, war meiner Meinung nach völlig unbegründet und stammte von erbärmlichen, boshaften Frauen, die neidisch auf sie waren, weil sie eine so attraktive und erfolgreiche Frau war«, sagte Katy fest und wandte dabei den Blick von ihrer Mutter ab.
Einen Moment lang herrschte betretenes Schweigen, nur das Feuer im Kamin knisterte. Katy spähte wieder zu ihrer Mutter und stellte fest, dass sie die Lippen zusammenpresste und die Stirn runzelte. Nachher bekomme ich garantiert Ärger, dachte Katy bei sich.
Sergeant Ransome schlug vor, das Gespräch unter vier Augen fortzusetzen, ging mit Katy in die Diele und schloss die Wohnzimmertür hinter sich. Der andere Polizist blieb bei ihrer Mutter.
»Ich habe gemerkt, dass Ihnen nicht ganz wohl dabei ist, sich in Gegenwart Ihrer Mutter näher dazu zu äußern«, sagte er. »Aber fahren Sie jetzt ruhig fort, erzählen Sie mir alles, was Sie für wichtig halten. Und ob unbegründet oder nicht, ist Ihnen je zu Ohren gekommen, dass Gloria Reynolds eine Affäre mit einem verheirateten Mann hatte?«
»Nein, nie«, antwortete Katy entschieden. »Es schockiert mich ein wenig, dass man so etwas von ihr behaupten könnte, wo sie doch gerade erst gestorben ist.«
»Ja, aber falls es stimmt, könnte der Betreffende ihr Mörder sein«, sagte Ransome ruhig. »Nur wenige Leute werden von Fremden getötet; fast immer hat jemand die Hand im Spiel, der dem Opfer nahestand.«
»Hat jemand von den Besucherinnen erzählt, die sie hatte?«, fragte Katy. »Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass sie etwas damit zu tun haben. Manchmal kamen Frauen zu ihr, gewöhnlich in einem alten schwarzen Humber, der von einer Frau mittleren Alters gefahren wurde.«
Ransome machte ein überraschtes Gesicht. »Nein, das hat bisher noch niemand erwähnt. Wollen Sie damit sagen, es waren Gäste, die auf einen Drink kamen?«
»Nein, das glaube ich nicht. Außerdem kamen die meisten tagsüber, wenn Mrs Reynolds in ihrem Geschäft war. Die ältere Frau hatte einen Schlüssel zum Haus.«
Ransome runzelte die Stirn. »Wie oft ist das vorgekommen?«
»Keine Ahnung. Mir ist es nur samstags manchmal aufgefallen, und auch dann nur, wenn ich zufällig aus einem der vorderen Fenster schaute. Aber den Humber habe ich mehrmals vor dem Haus stehen sehen, wenn ich von der Arbeit kam.«
»Haben Sie sich Gedanken gemacht, welchen Grund die Frauen für ihr Kommen haben mochten?«
»Ich habe mir überlegt, ob Mrs Reynolds vielleicht so etwas wie Eheberatung macht oder ob es möglicherweise Frauen waren, die eben erst aus dem Gefängnis entlassen worden waren. Wissen Sie, Mrs Reynolds war sehr nett und fürsorglich. Darüber haben auch andere Nachbarn gesprochen, und einige von ihnen haben ein paar sehr unschöne Sachen angedeutet. Aber ich glaube nicht, dass auch nur ein Funken Schlechtigkeit an Gloria Reynolds war.«
»Würden Sie eventuell eine der Besucherinnen wiedererkennen?«
»Die ältere Frau, die das Auto gefahren hat, auf jeden Fall. Die Frauen, die mit ihr kamen, wohl kaum.«
»Die Autonummer?«
Katy schüttelte den Kopf. »Tut mir leid.«
»Nun, damit haben Sie uns auf jeden Fall weitergeholfen. Rufen Sie mich bitte an, falls Ihnen noch etwas einfällt.« Sergeant Ransome reichte ihr eine Karte, auf der sein Name und die Telefonnummer des Polizeireviers standen.
»Das mache ich«, versprach sie. »Ich hoffe wirklich, Sie erwischen den Täter. Mir ist der Gedanke unerträglich, dass eine so bezaubernde Dame auf derart schreckliche Weise ums Leben kommen musste.«
Während des Abendessens herrschte eine angespannte Atmosphäre. Rob schnitt Katy heimlich eine Grimasse, was sie dahingehend deutete, dass schon den ganzen Tag dicke Luft im Haus war.
Alle schwiegen, aber Katy spürte, dass ihre Mutter kurz vor einem Zornausbruch stand, der sich aller Wahrscheinlichkeit nach gegen sie richten würde.
»Ich denke, ich fahre morgen nach Nottingham zurück«, sagte Rob plötzlich. »Ich muss noch ein Projekt beenden und brauche Informationen, an die ich eher dort in der Bibliothek herankomme.«
»Gute Idee, mein Junge«, sagte Albert. »Der Einstieg ins nächste Semester wird dir leichter fallen, wenn du ein paar Tage Zeit hast, um dich wieder einzugewöhnen.«
»Was weißt du schon davon?«, sagte Hilda giftig. »Du bist doch nie auch nur in die Nähe einer Universität gekommen.«
»Wie viele Männer in meinem Alter sind angesichts des drohenden Kriegsausbruchs schon auf die Universität gegangen?«, gab Albert zurück. »Ich war damals im selben Alter wie Rob. Und dass ich nicht auf der Uni war, heißt noch lange nicht, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie es dort zugeht.«
Katy sah ihre Mutter an. Wie schaffte sie es bloß, ihren Mann immer als Versager dastehen zu lassen? Während des Kriegs hatte er bei den Royal Engineers gedient. Nach seiner Entlassung vom Militär hatte sein Onkel ihn in seiner Firma in Hastings aufgenommen und dafür gesorgt, dass er in der Werkstatt und in der Abendschule eine Lehre machte. Mittlerweile war er Geschäftsführer von Speed Engineering, und unter seiner Leitung war das Unternehmen immer erfolgreicher geworden. Das war der Grund, warum sie das große Haus in der Collington Avenue besaßen, warum Katy und Rob Privatschulen besucht hatten und es Hilda nie an etwas gefehlt hatte. Trotzdem nörgelte sie ständig an ihrem Mann herum.
Alberts Blick wanderte von Katy zu Rob. »Ich für meinen Teil bin sehr froh, dass keiner von euch den Krieg miterleben musste. Alles, was ich mir jetzt für euch wünsche, ist, euch glücklich zu sehen. Und wenn das bedeutet, dass ihr von Bexhill und eurer Mutter und mir weggehen müsst, ist das für mich absolut in Ordnung.«
Das abfällige Schnauben ihrer Mutter ärgerte Katy.
»Wie schön, dass du derselben Meinung bist, Mummy«, sagte sie zuckersüß. »Erst heute habe ich darüber nachgedacht, ob ich mir nicht in London eine Wohnung und einen Job suchen soll. Ich habe noch ein paar Urlaubstage übrig, also fahre ich nächste Woche vielleicht mal hin und schaue mich um.«
»Schön dumm von dir, wenn du mich fragst.« Hilda stand auf und räumte das Geschirr ab. »Hier hast du einen guten Job und ein schönes Zuhause. In London hausen die Leute in erbärmlichen Verhältnissen.«
Sie rauschte mit dem Geschirr aus dem Esszimmer. Albert, Rob und Katy wechselten vielsagende Blicke, während sie auf das Geräusch von klirrendem Porzellan warteten, das sicher nicht lange auf sich warten lassen würde.
»Ist das dein Ernst, Katy?«, fragte Rob sie leise.
»Eigentlich habe ich erst gemerkt, wie ernst es mir ist, als sie sich so albern aufgeführt hat«, sagte Katy. »Tut mir leid, Daddy, aber es wird unerträglich. Alles ist besser, als jeden Abend heimzukommen und so etwas zu erleben.«
»Ich mache dir keine Vorwürfe«, sagte Albert ruhig. »Ich würde am liebsten auch weggehen. Hier hält mich nichts mehr, aber ich habe ›in guten wie in schlechten Zeiten‹ gelobt, und dieses Versprechen muss ich halten.«
»Das musst du nicht, Daddy. Sie hat deine Treue nicht verdient.« Katy erhob ihre Stimme, um das Scheppern von Töpfen und Pfannen zu übertönen. »Du besorgst dir eine Wohnung in Hastings und ich ziehe zu dir, was meinst du?«
Sie sah, wie ein Funken Hoffnung in seinem Gesicht aufflackerte und wieder erlosch. »Das geht nicht, Katy. Der Gedanke ist sehr verlockend, aber es würde nicht funktionieren.«
»Du glaubst, sie würde zu Speed Engineering gehen und Krach schlagen?«
»Ich weiß es.«
»Du sagst, du willst, dass wir glücklich sind, aber wie soll das gehen, wenn wir wissen, was du mit ihr mitmachst?«, sagte Rob. »Du solltest einen Schlussstrich ziehen.«
Plötzlich fiel allen gleichzeitig auf, dass das Klappern und Klirren verstummt war und ihre Mutter gehört haben musste, was Rob gesagt hatte. Er stöhnte und fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht.
Katy wurde übel. Sie alle wussten, dass Hilda Kritik sehr schlecht aufnahm. Auf die eine oder andere Art und Weise würde sie ihre Familie für das, was gerade gesagt worden war, büßen lassen.
Am nächsten Morgen verließen Rob und Katy um halb neun mit ihrem Vater das Haus. Er wollte Rob beim Bahnhof und Katy bei ihrem Büro absetzen. Obwohl es keiner von ihnen laut aussprach, empfanden es alle als ungeheure Erleichterung, aus dem Haus zu kommen. Schneepflüge hatten die Hauptstraßen geräumt, und auch wenn der schmutzige Schnee, der sich im Rinnstein türmte, nicht schön aussah, waren die Wege frei.
Normalerweise buk Hilda für Rob einen Kuchen zum Mitnehmen nach Nottingham, packte ihm für die Reise Sandwiches ein und machte viel Getue um ihn. Dieses Mal nicht. Am Vorabend war sie wie ein Eisberg gewesen. Sie hatte einige Hemden von Rob mit der Anweisung, sie einzupacken, ungebügelt in seinen Schoß fallen lassen, bevor sie sich in einen Sessel sinken ließ und den Rest des Abends eisernes Schweigen bewahrte. Und heute Morgen hatte sie sich nicht einmal von ihnen verabschiedet.
Wenn Hilda früher in einer so hässlichen Stimmung war, hatte Katy ihren Vater angefleht, ihre Mutter dazu zu bringen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Er hatte stets mit dem Sprichwort geantwortet: »Du kannst ein Pferd zum Wasser führen, aber du kannst es nicht zwingen, zu trinken.« Er behauptete, er habe es schon oft versucht, sei aber immer gescheitert.
»Mir graut jetzt schon davor, heute Abend heimzukommen«, gestand Katy, als sie Rob am Bahnhof abgesetzt hatten und zu ihrem Büro weiterfuhren. »Ohne Rob wird es ärger denn je mit ihr werden. Du weißt ja, dass sie sich normalerweise zusammenreißt, wenn er zu Hause ist. Warum suchen wir uns nicht eine Wohnung, Dad? Für dich muss es doch noch viel schlimmer sein als für mich.«
Er antwortete erst, als er vor der Kanzlei stehen blieb. »Deine Mutter hat eine schwere Kindheit gehabt«, sagte er. Tiefe Sorgenfalten zeichneten sich auf seinem Gesicht ab. »Wenn ich verständnisvoller gewesen wäre, als ihr noch klein wart, oder rigoroser durchgegriffen hätte, als es bei ihr mit diesen Wutanfällen losging, hätte man das Problem vielleicht noch in den Griff bekommen können.«
»Immer gibst du dir selbst die Schuld, Dad.« Katy streckte ihre Hand aus und strich ihm liebevoll über die Wange. »Du bist ein guter Mensch, ein wundervoller Vater und noch dazu ein unglaublich nachsichtiger Ehemann. Es gibt nichts, was du dir vorzuwerfen hättest. Du bist erst fünfundvierzig, jung genug, um eine Frau kennenzulernen, die deinen wahren Wert erkennt. Scheidungen sind heutzutage gang und gäbe, niemand würde dich deshalb schief angucken.«
»Mal sehen, in welcher Verfassung sie heute Abend ist«, seufzte er. »Ich muss gestehen, ich bin am Rande der Verzweiflung. Vielleicht sollte ich tatsächlich mal mit einem Anwalt sprechen. Aber nicht in deiner Kanzlei, Katy – die Leute dort müssen nichts von unseren Privatangelegenheiten mitkriegen –, sondern lieber in Hastings.«
Katys Stimmung hob sich. Das war eindeutig ein Durchbruch. Ihr Vater hatte noch nie zuvor zugegeben, dass er an Scheidung dachte.
»Wir sehen uns um sechs«, sagte sie. »Fahr vorsichtig!«
Später an diesem Tag musste Katy einen Scheidungsantrag abtippen. Er kam von einer Mrs Byrne, einer Klientin, die sich wegen unzumutbaren Verhaltens ihres Ehemannes scheiden lassen wollte. Zufällig erinnerten die Klagen über ihren Mann sehr stark an alles, was Katys Vater in seiner Ehe durchmachte.
Er hat an nichts Freude, er hat an allem etwas auszusetzen. Er will nirgendwohin gehen; er nörgelt an Freunden und Nachbarn herum, obwohl sie alle wirklich nett zu ihm sind. Ich bin froh, dass ich einen Teilzeitjob habe, weil ich dadurch aus dem Haus komme, aber jeden Abend wünsche ich mir, ich müsste nicht heimgehen und ihn sehen.
Katy stiegen beim Lesen Tränen in die Augen. Sie fragte sich, ob der Richter diese Punkte für belanglos halten würde, aber sie wusste, dass ihr Vater genauso verzweifelt war, wie es diese Mrs Byrne zu sein schien.
Als sie Mr Marshfield den getippten Antrag brachte, konnte sie es sich nicht verkneifen, ihm die entscheidende Frage zu stellen.
»Mrs Byrnes Aussage hat mich sehr berührt«, sagte sie, wobei sie insgeheim hoffte, er würde sie nicht anschnauzen. »Ich kann mir gut vorstellen, wie schrecklich es sein muss, mit einem so schwierigen Mann zu leben. Sagen Sie, Sir, glauben Sie, dass ihrem Antrag auf Scheidung aufgrund dieser Beschwerdepunkte stattgegeben wird?«
Mr Marshfield stützte seine Ellbogen auf den Schreibtisch und legte seine Hände zusammen, fast als wollte er beten. Das machte er immer, wenn er nachdachte, und alle im Büro fanden es sehr komisch.
»Nein, ich denke, der Richter wird den Antrag abweisen«, sagte er schließlich. »Schließlich hat Mr Byrne seine Frau weder geschlagen, noch sie betrogen.«
»Dann wird er also der Ansicht sein, dass sich eine Ehefrau mit der Lieblosigkeit ihres Manns abfinden muss? Und was, wenn es andersherum wäre, wenn Mrs Byrne sich so verhalten würde? Würde ihr Mann die Scheidung bekommen?«
»Eine interessante Frage, Katy«, sagte er und bedachte sie mit einem Lächeln, das man an ihm nur sehr selten sah. »Ich vermute, der Ehemann könnte bei dem Richter auf mehr Verständnis stoßen, aber was würden Freunde und Verwandte von einem solchen Mann halten? Ein Pantoffelheld ist immer eine Witzfigur.«
Am liebsten hätte Katy ihn gefragt, was er tun würde, wenn seine Frau eine herzlose, zänkische Person wäre, aber weil das ziemlich unverschämt gewirkt hätte, dankte sie ihm nur und verließ sein Büro.
Nach der Arbeit ging Katy nicht direkt nach Hause, sondern besuchte stattdessen ihre Freundin Jilly, um sie zu fragen, was sie von einem kurzen Abstecher nach London hielt.
Jilly arbeitete bei einem Tierarzt als Sprechstundenhilfe. Ihr Traum war es, einen Job als Tierkrankenpflegerin im Zoo zu bekommen. Da ihr klar war, dass ihre Ausbildung und Erfahrung sie nicht unbedingt dafür qualifizierten, Elefanten, Affen oder andere wilde Tiere medizinisch zu versorgen, bildete sie sich fleißig weiter, indem sie Fachbücher über die verschiedensten Tierarten las.
»Komm rein«, sagte Mrs Carter, Jillys Mutter, freundlich, als sie Katy die Tür aufmachte. »Jilly ist noch nicht da, wird aber bald kommen. Möchtest du nicht zum Essen bleiben? Ich habe einen großen Schmortopf zubereitet.«