6,49 €
Die vorliegende Erläuterung (mit einem Ausblick auf Faust II) bietet nicht nur eine exemplarische Dramenanalyse, sondern erklärt auch, - warum für Goethe Geld und Sex die Hauptantriebskräfte im Menschen sind, - worum es in der Wette zwischen Mephisto und dem „Herrn“ wirklich geht, - wer den Kampf um Fausts Seele gewinnt, - wie spannungsreich die Beziehung zwischen Goethe und den Deutschen war und - warum das klischeehafte Bild vom „Nationaldichter“ Goethes literarische Intentionen bis heute verharmlost. --> Ein leicht verständlicher Schlüssel zur gedanklichen Tiefe von Goethes Hauptwerk und die ideale Unterrichtsvorbereitung --> Ideal für Schüler:innen, Studierende, Lehrkräfte und Interessierte.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 91
KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN SPEZIAL
Analyse | Interpretation
Sven Jacobsen
GOETHES FAUST ZWISCHEN GOTT UND TEUFEL
VON DER WALPURGISNACHT ZUM PROLOG IM HIMMEL
Eine Einführung in die Interpretation des Dramas
Zitierte Ausgabe Goethe, Johann Wolfgang: Faust. Der Tragödie Erster Teil. Herausgegeben von Wolf Dieter Hellberg. (=Reclam XL Nr. 19152, seiten- und zeilenidentisch mit RUB Nr. 1). Stuttgart/Ditzingen: Reclam, 2014.
Über den Autor Sven Jacobsen unterrichtet an einem Gymnasium in Baden-Württemberg die Fächer Deutsch und Geschichte; langjährige Erfahrung im Auslandsschuldienst mit Hochbegabtenförderung und als Endbeurteiler.
1. Auflage 2021
ISBN 978-3-8044-4144-6
© 2021 by Bange Verlag GmbH, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelabbildung: Eugène Delacroix: Mephistopheles über Wittenberg, 1839 © WikiArt.org
Hinweise zur Bedienung
Inhaltsverzeichnis Das Inhaltsverzeichnis ist vollständig mit dem Inhalt dieses Buches verknüpft. Tippen Sie auf einen Eintrag und Sie gelangen zum entsprechenden Inhalt.
Fußnoten Fußnoten sind im Text in eckigen Klammern mit fortlaufender Nummerierung angegeben. Tippen Sie auf eine Fußnote und Sie gelangen zum entsprechenden Fußnotentext. Tippen Sie im aufgerufenen Fußnotentext auf die Ziffer zu Beginn der Zeile, und Sie gelangen wieder zum Ursprung. Sie können auch die Rücksprungfunktion Ihres ePub-Readers verwenden (sofern verfügbar).
Verknüpfungen zu Textstellen innerhalb des Textes (Querverweise) Querverweise, z. B. „s. S. 26 f.“, können durch Tippen auf den Verweis aufgerufen werden. Verwenden Sie die „Zurück“-Funktion Ihres ePub-Readers, um wieder zum Ursprung des Querverweises zu gelangen.
Verknüpfungen zu Inhalten aus dem Internet Verknüpfungen zu Inhalten aus dem Internet werden durch eine Webadresse gekennzeichnet, z. B. www.wikipedia.de. Tippen Sie auf die Webadresse und Sie werden direkt zu der Internetseite geführt. Dazu wird in den Web-Browser Ihres ePub-Readers gewechselt – sofern Ihr ePub-Reader eine Verbindung zum Internet unterstützt und über einen Web-Browser verfügt. Hinweis:
INHALT
1. Ein Vorwort, mit Unterstützung vom äußerst verärgerten Herrn Goethe
Aufgestauter Frust
Goethe und sein deutsches Publikum
Ein denkbarer Hinweis
Vorgehensweise
2. Eine kurze Einführung in die Interpretation literarischer Werke
Text als Medium
Verallgemeinerbare Kriterien
Schwierigkeiten der Bewertung
Erste Eindrücke
Nachhaken ist gefragt
3. Das Pferd von hinten aufgezäumt: Interpretation der Szene Walpurgisnacht
Grundlage des Faust
Einordnung der Szene im Drama
Motive Fausts und erste Erkenntnisse
Mephisto
Gold und Sex
Weitere Analysedetails
Zur Versgestaltung
Goethes satanistische Interessen
Goethes Probleme
Konsequenzen für die Deutung
4. Wer ist Mephisto?
Der Teufel in der Kulturgeschichte
Dualistisches Weltbild
Zeitgenössische Umstände als Problem für Goethe
Weitere Annäherung an Mephisto
Verwandlungen
Mephisto erklärt sich
Schlussfolgerungen
Erklärungen für das schlecht Fassbare
5. Der Herr wettet nicht? Zum Prolog im Himmel
Lob der Schöpfung und Konflikt
Spott über die Schöpfung
Das Buch Hiob und der Faust
Handelt es sich um eine richtige Wette?
Der zentrale Angriff Mephistos
Ausblick in der Folge der Wette
6. Mephisto zieht die Fäden – der Weg zum Pakt
Fausts Qualen
Mephisto taktiert
Der Pakt
Fehlschlag und Korrekturen
7. Das Opfer: Gretchen
Gretchen und die Tatsachen
Liebestoller Faust, von Mephisto geführt
Begierde und Liebe
Aufforderung zur Falschaussage
Geständnis der Liebe
Wald und Höhle als Wendepunkt
Mephisto beschließt Gretchens Verderben
Fausts Wunsch und Mephistos Beitrag
Mephisto nimmt Gretchen allen Halt
Allein und verachtet
Das Ende Gretchens
8. Schlussbetrachtung mit einem Ausblick auf Faust II
Zwischenbilanz: Pakt und Wette
Ausblick auf Faust II
Fazit
9. Literatur
Zitierte Ausgabe
Textausgaben und Sekundärliteratur
Online- bzw. Internetempfehlungen (alle Stand Mai 2021)
Aufgestauter Frust
An einem Freitagnachmittag eines nicht genauer bekannten Sommertages, mutmaßlich aber im Jahr 1808[1], traf Johannes Daniel Falk (1768–1826) den übellaunigen Dichter in einer schattigen Ecke seines Gartens an. Die äußerst kurzfristige Absage eines Schauspielers drohte eine für den folgenden Tag geplante Theateraufführung platzen zu lassen und verhagelte Goethe den Tag, der sich nun mit den plötzlichen Scherereien in dieser Angelegenheit abzumühen hatte. Der Besuch des Kirchenlieddichters schien ihm nichtsdestotrotz gerade recht zu sein. Er nötigte Falk Platz zu nehmen, goss sich ein Glas Rotwein ein und ließ dem aufgestauten Frust vieler Jahre freien Lauf. Er ärgerte sich über Leute, die ihm Tag für Tag Arbeit und Probleme aufhalsen konnten, obwohl sie nur kurz nach Weimar kamen und es schnell wieder verlassen wollten. Und dass er nach all den Jahrzehnten als bekannter Schriftsteller und als Geheimrat am Hofe in dieser „Tragikomödie“ eine Hauptrolle spielen müsse! Das ganze Theaterwesen sei doch im Grunde nichts als Dreck! Falks Versuch, ihn mit Blick auf eine in der Sache gerechtere Nachwelt zu beruhigen, die seine Bemühungen zu schätzen wisse, stachelte Goethe aber erst recht an, sich über die Deutschen im Allgemeinen und den Publikumsgeschmack im Besonderen auszulassen:
„Ich verwünsche den Tasso, bloß deshalb, weil man sagt, dass er auf die Nachwelt kommen wird; ich verwünsche die Iphigenie, mit einem Worte, ich verwünsche alles, was diesem Publikum irgend an mir gefällt. (…) Sie mögen mich nicht! Das matte Wort! Ich mag sie auch nicht!“[2]
Die tiefe Verärgerung (Goethe gebraucht sogar das Wort „Hass“) scheint mit Blick auf den ganzen Gesprächsverlauf an der Tatsache zu liegen, dass Goethe sich immer wieder dem üblen Gerede der Leute ausgesetzt sah. Es machte ihm zu schaffen, wie sehr die Deutschen weder ihn noch seine Werke richtig begriffen. Er attestierte an diesem Tag den Deutschen die Unfähigkeit, weder richtig hassen noch lieben zu können (über diese Extreme wird zu sprechen sein), und er machte sich über das seit Jahrzehnten andauernde „Interpretieren und (…) Allegorisieren“ (ebd.) seiner Werke lustig.
Goethe und sein deutsches Publikum
Dieses Gespräch mit Johannes Falk ist nicht das einzige, aus dem man etwas über die keineswegs einfache Beziehung zwischen Goethe und seinem Publikum erfahren kann. Die von Bewunderung und Ehrfurcht geprägte Rezeption der Werke Goethes, der Kult um den „Nationaldichter“, die Denkmäler und der feste Platz in jedem Schulbuch, all das prägt sicherlich die Wahrnehmung Goethes. Dass Goethe aber schon früh mit Anfeindungen seiner Werke zu kämpfen hatte, gerät leicht außer Acht. Die Römischen Elegien sind ein Beispiel, wie scharf künstlerische Freiheit und das Spiel mit Antike und Erotik gegen die engen Moralvorstellungen des 19. Jahrhunderts krachten. Man muss nicht lange in den insgesamt mehr als 32.000 Briefen lesen, die an Goethe geschickt und von ihm verschickt wurden, oder die Bände mit den Gesprächen, dem Klatsch sowie all die Rezensionen seiner Werke, um schnell festzustellen, wie sich Goethe wieder und wieder mit einem Publikum auseinanderzusetzen hatte, das mit ihm und seinen Werken nicht immer zurechtkam und oft genug in diesem Zusammenhang auch sein Privatleben thematisierte. So wurde beispielsweise seine uneheliche Beziehung mit Christiane Vulpius im wahrsten Sinne des Wortes zur Staatssache aufgebauscht.
Ein denkbarer Hinweis
Das Gespräch an jenem Sommertag mit Johannes Falk wandte sich bald dem Faust und besonders der Szene Walpurgisnacht zu. Es deutet entscheidende Überlegungen Goethes zum Drama an sowie den Entschluss, einem Streit mit dem ungeliebten und kritiksüchtigen Publikum auszuweichen – durch Selbstzensur. Auch wenn man annehmen muss, dass Goethe einen schlechten Tag hatte und manches übertrieben formulierte, so ändert das nichts an der Tatsache, dass er sich schon seit längerem vom deutschen Publikum unverstanden fühlte. Es scheint sich zu lohnen, den Andeutungen Goethes nachzugehen, um zu sehen, ob sich dadurch nicht ein anderes Verständnis des Werks ergibt.[3]
Selbstverständlich ist mir bewusst, dass der Faust seit mehr als 200 Jahren Zuschauer:innen und Leser:innen fasziniert und für derart viele Veröffentlichungen gesorgt hat, dass kein Menschenleben ausreicht, auch nur einen Bruchteil davon zu lesen. Man findet vielleicht noch nicht einmal genau heraus, was zu einer bestimmten Überlegung wo bereits in ähnlicher Form steht, so viel ist geschrieben worden. Und natürlich gibt es auch nicht den einen und besonderen Ansatz, um dieses reiche Werk zu begreifen.
Vorgehensweise
Zur Vorgehensweise: Die vorliegende Erläuterung ist für die Schule gedacht. Es soll sich zeigen, dass bewährte Textarbeit eine sicherlich aufwändige, aber bestimmt erfüllende Vorgehensweise ist, um sich einem kompliziert und schwer verständlich erscheinenden Werk zu nähern. Selbst wenn man dabei an Grenzen stößt, so sind der gedankliche Reichtum und die sprachlichen Finessen Goethes diese Mühen allemal wert. Man kann nur für sich selbst gewinnen. Die methodischen Kriterien für literarische Interpretationen werden deshalb zunächst vorgestellt. Der Analyse liegt aus praktischen Gründen die gängige Textausgabe von Goethes Faust. Der Tragödie Erster Teil von Reclam XL Nr. 19152 zugrunde (seiten- und zeilenidentisch mit RUB Nr. 1), hrsg. von Wolf Dieter Hellberg, Stuttgart/Ditzingen 2014.
Text als Medium
Auch wenn (ältere) literarische Texte mitunter sprachlich und thematisch schwer zugänglich erscheinen, ändert es nichts an der Tatsache, dass sie wie alle Texte verstanden werden wollen. Es spielt auch keine große Rolle, ob es sich um einen erzählerischen, lyrischen oder Dramentext handelt. Ein literarischer Text wurde in der Regel mit dem Wortschatz einer bestimmten Sprache verfasst, gehorcht den Regeln der Grammatik und bedient sich verschiedener Gestaltungsmittel, um seine Botschaften zu vermitteln und etwas zum Ausdruck zu bringen. Alle Regelabweichungen haben eine Bedeutung. Der Text ist das Mitteilungsmedium zwischen Autor:in und Leser:in, die beide für gewöhnlich einen Großteil des gleichen Sprachwissens und oft genug ähnliche Erfahrungen teilen. Der Autor oder die Autorin eines Textes nutzt dieses Medium, um grundlegende menschliche Erfahrungen wie Liebe, Schmerz, Glück oder Unglück zu verarbeiten.
Es ist sehr bedauerlich und mit Sicherheit auch falsch, wenn man vor einem Gedicht, Drama oder anderen Texten Goethes zurückschrecken würde und sich damit tröstet, dass es vom großen Herrn Goethe stamme und einem zu hoch sei. Goethe hat ausgesprochen bissige Kommentare für diejenigen parat, die etwas allzu kompliziert behandeln. Und nach etwas Zeit zum Einlesen geht man so gut wie immer mit einem Erkenntnisgewinn aus der Beschäftigung mit seinen Texten heraus. Zugegebenermaßen gehört ein wenig Durchhaltewillen zum Geschäft; so wie die Zeit zum Wandern, wenn man das Ziel erreichen möchte.
Verallgemeinerbare Kriterien
Es ist sinnvoll, von verallgemeinerbaren Analysekriterien auszugehen, eben weil Texte gleich welcher Form letztlich Texte sind. Die Kriterien können gegebenenfalls um die wenigen Aspekte ergänzt oder abgeändert werden, die sich aus den spezifischen Unterschieden der Literaturgattung herleiten. Zum Drama fallen einem beispielsweise Auffälligkeiten in der Makrostruktur ein, wie die Einteilung in Akte, Szenen, Orte, Figuren oder das Verhältnis von Haupt- und Nebentext.
Es gibt viele vorzügliche Bücher, die in die Interpretationsmethodik einführen, sodass es beinahe ungerecht wäre, wenn man auf ein bestimmtes Werk verweist und andere nicht nennt. Ich persönlich, und das ist wirklich rein subjektiv, hatte mein sog. Aha-Erlebnis nach der Lektüre von Bernd Matzkowskis Bänden mit dem Titel Wie interpretiere ich?, ergänzt um die jeweilige Gattung, also beispielsweise Wie interpretiere ich ein Drama? In ihnen wird eine grundsätzliche Vorgehensweise vorgestellt. Generell ist man gut beraten, sich im Wesentlichen an die folgenden Analyseschritte zu halten[4]:
Das allgemeine Thema/Problem des Textes erkennen, was nicht den Inhalt meint, sondern das dem Inhalt Übergeordnete, das durch den Inhalt zum Ausdruck gebracht wird.
Das inhaltliche Geschehen, den Handlungsablauf verstehen und ggf. Unklarheiten beseitigen.