Golden Heart: Sammelband der packend-romantischen Fantasy-Reihe »Golden Heart« - Tanja Penninger - E-Book

Golden Heart: Sammelband der packend-romantischen Fantasy-Reihe »Golden Heart« E-Book

Tanja Penninger

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Beschreibung

**Rein wie Silber, stark wie Gold**  Die willensstarke Inga erfüllt sich endlich ihren Kindheitstraum und wird nach langen Jahren der Ausbildung Kriegerin am königlichen Hof. Als Goldene Schwester wird sie jedoch nicht ihrer ehrwürdigen Herrscherin, sondern deren charmantem Sohn zur Seite gestellt. Umgeben von Lügen und Intrigen setzt sie alles daran, Prinz und Königreich mit ihrem Leben zu beschützen. Doch ihre wachsenden Gefühle für Constantin kommen ihr dabei mehr als einmal in die Quere, denn dieser ist als Thronerbe dafür bestimmt, eine andere zu heiraten … Der Kampf hat begonnen  Eine willensstarke Kriegerin, deren Berufung ihr zum Verhängnis wird. Ein gut aussehender Prinz, der seiner Rolle gerecht werden muss. Und ein zerrüttetes Königreich, das es zu retten gilt. Die perfekte Geschichte für alle starken Frauen und ihre Verbündeten. //Dieser Sammelband enthält alle Bände der packend-romantischen Buchserie »Golden Heart«:   -- Golden Heart 1: Die Kriegerin des Prinzen   -- Golden Heart 2: Die Auserwählte der Königin//  Diese Reihe ist abgeschlossen. 

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www.impressbooks.de Die Macht der Gefühle

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Impress Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2020 Text © Tanja Penninger, 2020 Lektorat: Julia Feldbaum Coverbild: shutterstock.com / © Pipochka / © Razzers / © voylodyon / © artshock / pixabay.com / © Projekt_Kaffeebart / © ariachne a mazed / Adobe Stock / © Vitaly Melnik / unsplash.com Covergestaltung: Ria Raven Coverdesign Gestaltung E-Book-Template: Gunta Lauck / Derya Yildirim Satz und E-Book-Umsetzung: readbox publishing, Dortmund ISBN 978-3-646-60653-9www.carlsen.de

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Die Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

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Tanja Penninger

Golden Heart 1: Die Kriegerin des Prinzen

**Ein Herz so stark wie Gold**Schon seit dem Kindesalter hat Inga nur ein Ziel: eine königliche Kriegerin zu werden. Bereit alles dafür zu opfern, absolviert sie die Ausbildung, um als eine der faszinierenden Goldenen Schwestern in den Dienst ihrer erhabenen Königin zu treten. Am Königshof angekommen wird sie allerdings nicht ihr, sondern dem charmanten Prinz Constantin zur Seite gestellt. Als seine persönliche Leibwächterin fällt es ihr dabei unheimlich schwer, sich seinen strahlend blauen Augen zu entziehen – doch er ist als Königssohn dafür bestimmt, in einem öffentlichen Spektakel eine Braut zu wählen  …

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Vita

Danksagung

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© privat

Tanja Penninger wurde 1992 in Ried im Innkreis (Oberösterreich) geboren, hat Lehramt für Volksschule studiert und arbeitet nun als Lehrerin. In ihrer Freizeit spielt sie Querflöte in einem Musikverein und schreibt Geschichten. Derzeit wohnt sie mit ihrem Mann im Bezirk Braunau (Oberösterreich).

PROLOG

Blutüberströmt erreichten wir die Burg und hasteten mit letzter Kraft in unsere Kammern. Wir füllten eilig einige Eimer, schleppten sie die morschen Treppen hoch.

Ich keuchte, goss mit zitternden Händen das Wasser in den Zuber.

»Warte, ich helfe dir.«

Mila schälte mich aus den Leinen, die an meinem Körper klebten. Auch sie entkleidete sich, stieg zuerst in die Wanne. Ihr langes Haar schmiegte sich wie ein Schal um ihren Hals.

»Ich wasch dir das Blut von der Haut. Komm!«

Mila hatte recht. Mich ekelte es vor mir selbst. Der metallische Geruch nach Kupfer verursachte mir Übelkeit.

Schnell kletterte ich zu ihr in den Zuber und sofort färbte sich das Wasser darin dunkler. Ich erschauderte.

Nachdem wir uns den Schmutz mit Kernseife von Händen und Armen geschrubbt hatten, trockneten wir uns ab und zogen uns an.

Die anderen Mädchen kamen herein.

»Alle Träger sind bezwungen«, verkündete Susan triumphierend. Sie war die Einzige, die nicht panisch wirkte.

Als die Nacht kam, legten wir uns schlafen.

Doch kaum schlug die Turmuhr Mitternacht, erwachte ich.

Zwei rote Augen schimmerten in der Dunkelheit, glühten wie Feuerbälle.

»Ich habe … Durst«, flüsterte Mila.

Ich erstarrte. Meine Glieder wurden taub. Mein Herz tat einen einzigen festen Schlag, dann hämmerte es wie verrückt in meiner Brust.

Nein, dachte ich. Nein, bitte nicht!

Meine Freundin schmatzte. »Durst«, jammerte sie.

Ich vernahm ein Rascheln. Dann ein Patschen.

Steht sie auf?

Gerade als ich ihren Namen aussprechen wollte, schrie jemand.

»Sie trägt ihn in sich!«, kreischte Susan.

Eine Kerze wurde entzündet, oranges Licht flutete unseren Schlafsaal.

Milas Haar rutschte zur Seite, offenbarte die Bissspur am Hals.

Vor Angst wagte ich kaum zu atmen.

Auf einmal flog die Tür auf. Schwester Odine stürzte herein, ihr Silberschwert reflektierte die zuckende Flamme.

»Haltet sie fest«, forderte sie streng, »wir müssen sie töten!«

Susan und die anderen Mädchen hüpften aus ihren Betten, packten Mila.

Sie schrie vor Verzweiflung. »Nein, nein ich habe doch nur so schrecklichen Durst!« Dabei funkelten ihre Augen rot wie geschliffene Rubine.

»Schwester Inga!« Odine hatte ihre Waffe auf eine Kommode gelegt und stattdessen die zappelnde Mila am Arm gepackt. »Nimm mein Schwert und töte sie!«

Eine Welle der Panik ergriff meinen Körper. Bis ins Mark erschüttert saß ich da. Bewegungslos.

»Worauf wartest du? Trenne ihren Schädel ab, nur so wird sie erlöst!«

Ich konnte nicht. Konnte das Schwert nicht erheben.

»Susan, dann mach du es!«

Die zögerte keine Sekunde. Ich sah weg, hörte aber alles. Sie packte die Klinge und enthauptete Mila, noch bevor ich meinen Kopf ganz wegdrehen konnte.

Blut bespritzte unsere Gesichter.

Ich schrie.

»WIR MÜSSEN HIER WEG.«

Es gab Momente, die prägten einen Menschen für den Rest seines Lebens. Ein solcher trat ein, als ich fünf Jahre alt war.

»Ich sehe nichts«, beschwerte ich mich bei meiner Tante Ida, während ich von allen Seiten angerempelt wurde. Wir befanden uns in einer Menschentraube, in der jeder versuchte weiter nach vorn zu kommen. »Hochheben!«, bettelte ich, zog auffordernd an ihrer Hand.

Genervt stöhnend nahm sie mich schließlich in ihre Arme, sodass ich über die Köpfe der anderen Leute hinwegsehen konnte.

Neugierig reckte ich mein Kinn. Meine Hände gruben sich in den Schal meiner Tante, um den Halt nicht zu verlieren.

»Inga, halt still«, schalt sie mich, da ich vor Aufregung mit den Beinen zappelte.

Mit großen Augen blickte ich zum Schloss empor. Dort, so wusste ich, würde in wenigen Minuten unser König mit seiner frisch angetrauten Gattin erscheinen. Schon am Vortag hatten sie die Ehe im kleinen Kreis geschlossen und heute wurde das Fest für das Volk gefeiert.

Mein Körper vibrierte vor Anspannung. Zu Hause hatte ich meinen Vater schon oft über die Verlobung unseres Herrschers meckern hören. Ida und er fanden es unnötig, dass König Ivan eine »ausländische Prinzessin«, wie sie sagten, ehelichen wollte.

Nun aber war es geschehen. Und in wenigen Herzschlägen würde ich sie endlich erblicken – eine richtige Königin!

»Papa, auch rauf«, jammerte meine jüngere Schwester Katga, woraufhin Olav Ericson sie mit einem Ächzen auf seine Schultern hievte.

Dabei entging mir nicht, dass mein Vater die Augen verdrehte und in seinen Bart hineinbrummte: »Eigentlich hätte heute gar keiner erscheinen sollen! Ich hab Ivan gleich gesagt, dass er die Finger von dieser Fremden lassen und lieber eine Herzogin von hier nehmen soll …«

Obwohl ich jetzt einen guten Ausblick auf das elfenbeinfarbene Gebäude vor unserer Nase hatte, nahmen mir die wehenden Fähnchen anderer Schaulustiger die Sicht. Die kleinen Flaggen in den Landesfarben Dunkelblau und Silber waren ganz hinten am Eingang zum Schlosshof ausgeteilt worden. Daher hielt fast jeder dritte Besucher eine solche in den Händen und wedelte damit euphorisch in der Luft herum.

Noch auffälliger waren die üppigen Frisuren der Stadtbewohner. Frauen und Mädchen hatten bunte Bänder in ihre Zöpfe geflochten, wodurch die Haarpracht vor meinen Augen wie ein schillernder Flickenteppich wirkte.

»Wann kommt die Königin?«, rief ich laut, um den Lärm der Menge zu übertönen. Ungeduldig blickte ich hinauf zum Balkon des Schlosses, bewunderte die mit unzähligen bunten Blumen geschmückte Steinmauer.

»Gedulde dich«, antwortete mein Vater. »Wir werden diese Fremde aus Gondra noch oft genug zu sehen bekommen.«

In diesem Moment öffnete sich das prächtige mit buntem Glas verzierte Tor zum Balkon.

Ich hielt gespannt den Atem an.

Acht Musiker traten hervor. Jeweils vier von ihnen stellten sich auf eine Seite, sodass der Platz direkt vor der Glastür, die erneut geschlossen worden war, frei blieb. Sie hielten ihre langen goldenen Instrumente in die Höhe und spielten eine feierliche Melodie. Das polierte Metall glänzte in der Sonne und die Fanfare schallte über den Hof.

Kaum endete diese, öffnete sich der Durchgang ein weiteres Mal. Ich schnappte nach Luft, wusste, dass gleich unser Monarch mit seiner Braut vortreten würde.

Und tatsächlich! Mein Herz machte einen gewaltigen Satz.

Ich blendete alles um mich herum aus: den Jubel des Volkes und das Murren meines Vaters. Ich sah nur noch sie – die junge Frau, die hinter König Ivan Isgehart in Erscheinung trat.

Goldenes Haar floss über schneeweiße Seide.

Sie war wunderschön.

Da nahm mir die wehende Flagge eines Mannes die Sicht. Das magische Band in meinem Kopf zerriss. Plötzlich, von einem Herzschlag auf den anderen, bemerkte ich wieder die Geräusche um mich herum.

Neben der neuen Königin waren auch andere Menschen am Balkon zu bewundern. Außer König Ivan entdeckte ich noch dessen jüngeren Bruder zwischen mehreren Gestalten in silbernen Uniformen.

Die Braut, unsere neue Königin, war von fünf Frauen umgeben. Kriegerinnen, die eine Mischung aus glänzendem Kleid und stählerner Rüstung trugen. Dank der durchbrochenen Bauweise des Balkons konnte ich sie von Kopf bis Fuß bewundern: Schulterteile und Brustharnisch waren aus vergoldetem Metall. Der verstärkte Rock reichte bis zu den Knien, die Beine steckten in eng anliegenden schwarzen Hosen. Silberstiefel schmiegten sich an die Unterschenkel. Und selbst aus dieser Entfernung konnte ich erkennen, dass scharfe Schwerter an ihren Gürteln hingen. Herrlich glitzernde goldene Umhänge rundeten das Bild ab.

Dass eine Königin von weiblichen Kriegern begleitet wurde, war mir fremd.

Gerade als ich meinen Vater danach fragen wollte, hörte ich ihn knurren: »Und ihre Goldenen Schwestern musste sie natürlich auch einschleusen …«

Neugierig schielte ich zu ihm hinüber. Aus seinen zusammengekniffenen Augen und Lippen konnte ich schließen, dass er unzufrieden war.

Tante Ida stimmte ihm zu und nickte energisch, weshalb ich beinahe von ihren Schultern gepurzelt wäre.

Meine Schwester Katga bekam von all dem nichts mit. Sie machte sich einen Spaß daraus, Vaters rote Haarsträhnen zu zwirbeln, und kicherte ununterbrochen. Aber sie war auch noch klein. Vermutlich war ihr gar nicht bewusst, was für ein denkwürdiger Tag heute war.

Dass mein Vater die Beschützerinnen der Braut als Goldene Schwestern bezeichnet hatte, faszinierte mich. Aufgeregt wandte ich mich wieder dem Balkon zu, blickte hinauf zu der frisch gebackenen Königin Kandlots.

Welche Stärke sie ausstrahlte, wie herrlich sie doch aussah. Sicher würde sie eine wundervolle Herrscherin werden.

Meine Mutter Silka war tot. Wie gern hätte ich eine starke Frau in meinem Leben gehabt, zu der ich hätte aufblicken, die ich mit meinem Leben hätte beschützen können. Ich war oft sehr einsam, obwohl ich ja Katga hatte, aber sie war noch klein.

Bestimmt hatte diese Königin die goldenen Frauen in ihr Herz geschlossen, zumindest sah es so aus, als gehörten sie zusammen.

Wie eine weiße Rose funkelte die neue Herrscherin zwischen ihren goldenen Kämpferinnen hervor, wirkte stark und zerbrechlich zugleich. Während sie unentwegt lächelte, waren die Mienen der Goldenen Schwestern konzentriert, wachsam.

Gerade als ich diesen wundervollen Augenblick in mein Herz dringen ließ, geschah es: Ein lauter Knall zerriss die Luft.

Von einer Sekunde auf die andere verwandelten sich die Jubelrufe in Schreie.

Panik brach aus.

Zuerst begriff ich nicht, was passiert war. Alles ging so schnell, dass mir keine Zeit zum Schauen blieb. Tante Ida zog mich von ihren Schultern in ihre Arme.

Irgendjemand rempelte uns an, gleich darauf weitere Menschen. Beinahe hätten uns die Leute umgeworfen. Ida hielt mich so fest, dass ich kaum noch Luft bekam.

»Wir müssen hier weg. Sofort!«, brüllte mein Vater, der meine Schwester ähnlich an seinen Körper gerissen hatte wie Tante Ida mich.

Verstört versuchte ich noch einen Blick hinauf zum Balkon zu erhaschen, doch die hysterische Menge versperrte mir die Sicht.

Erst als sich die Menschentraube bereits in alle Winde zerstreut hatte, tat sich kurzzeitig ein kleines Fenster in meinem Inneren auf. Der Vorhang aus Angst und Verwirrung zerriss und ich entdeckte oben am Balkon die Königin, deren Blick vor Schreck verzerrt war. All ihre Aufmerksamkeit galt jener schwarzhaarigen Frau, die vor ihr auf die Knie gesunken war. Blut quoll aus deren goldener Kleidung hervor.

Ich war erst fünf Jahre alt und doch begriff ich, dass sich diese Goldene Schwester gerade schützend vor ihre Herrin geworfen und eine tödliche Kugel abgefangen hatte.

Dieses Bild war so faszinierend, dass ich gar nicht mehr wegsehen konnte. Es barg gleichzeitig Schmerz und Liebe. Die Goldenen Schwestern waren ihrer Königin treu bis in den Tod, schützten sie bis zum letzten Atemzug.

Gewöhnliche Kinder hätte diese Tatsache verstört. Katga hätte gewiss nicht einmal den Anblick der sterbenden Kriegerin ertragen. Ich aber war tief beeindruckt. Diese Frau hatte ihre Zukunft für die der Königin gegeben – ohne zu zögern!

Eines Tages würde ich ebenso mutig sein.

Und während ich in den Armen meiner Tante lag und schnellstmöglich von diesem Schauplatz weggebracht wurde, fasste ich einen Entschluss, der mein restliches Leben prägen sollte: Ich wollte eine von ihnen werden, eine Goldene Schwester!

»WER HAT DICH GESCHICKT?«

Zwanzig Jahre waren seit dem Attentat vergangen. Ich hatte weder auf die Schelte meines Vaters noch auf das Flehen meiner Tante gehört. Selbst die Traurigkeit meiner Schwester Katga war nicht genug gewesen, um mich davon abzuhalten, das Land zu verlassen und mich in die Ausbildung zur Goldenen Schwester zu begeben.

Mein Vater brachte mich in eine Schule im Nachbarreich Gondra. Warum er mich hatte gehen lassen, war mir bis heute ein Rätsel.

Ich musste mich einer eisernen Ausbildung unterwerfen – Wochen, Monate, Jahre, in denen ich meinen Traum verbissen verfolgte und mich von nichts und niemandem von diesem Weg abbringen ließ.

Das Ausbildungszentrum war eine Burg, die hoch oben auf einem Felsen thronte. Prunkvoll und erhaben prangte der raue Stein zwischen sattgrünen Nadelbäumen.

Am Tag meiner Ankunft regnete es und die Luft roch nach feuchter Erde. Ich weiß noch, wie ich an der Hand meines Vaters aus der finsteren Kutsche stieg und auf dem Burghof stehen blieb. Doch anstatt mich vor den schweren Tropfen zu verstecken, schloss ich meine Augen, lächelte und reckte mein Gesicht hinauf zum Himmel.

»Beeil dich, du wirst nass«, zeterte mein Vater.

Mir war das einerlei. Ich war glücklich, fühlte mich angekommen.

Die Zeit auf Burg Gedeleen war gleichermaßen wunderschön und anstrengend. Obwohl ich von Anfang an das Gefühl hatte, an diesen Ort zu gehören, war ich eine Außenseiterin. Die anderen Mädchen waren älter als ich und in diesem Land geboren. Ich war die erste Einwohnerin Kandlots, die sich zu einem Leben als Goldene Schwester entschlossen hatte.

Freundinnen fand ich zunächst nicht, da ich in den Anfangsmonaten Schwierigkeiten mit der fremden Sprache hatte. Das Erlernen der neuen Begriffe fiel mir jedoch zunehmend leicht, da das Vokabular dem Kandlots sehr ähnlich war. Nach einem Jahr beherrschte ich die neue Sprache fließend.

Leider fand ich dennoch kaum Zugang zu den Mädchen, da diese lieber unter sich blieben und hofften, eines Tages am Hofe der gondrischen Monarchin, der Schwester der Herrscherin von Kandlot, zu dienen. Ich war die Einzige, die sich den Goldenen Schwestern am kandischen Hof anschließen wollte.

Später, wenn ich erwachsen war und selbst über mein Leben entscheiden konnte, würde ich alle vier Länder unseres Kontinents bereisen. Besonders Kandlot, in dem ich geboren worden war, und das südliche Gondra, da ich hier meine Ausbildung genoss. Aber auch Noredellä ganz im Norden, das für seine prächtigen Mohnblumenfelder und Vulkane bekannt war, wollte ich erkunden. Oder Enghor, dessen Dörfer in unmittelbarer Nähe zu Burg Gedeleen lagen. Doch noch hatte ich eine lange Zeit der Ausbildung vor mir.

Nach fünf weiteren Jahren trafen Mädchen aus meiner Heimat in der Schule ein. Genau wie ich träumten sie davon, irgendwann Königin Valerie treu zur Seite stehen zu dürfen. Dank dieser Gemeinsamkeit entstand nach einigen Monaten eine Bindung, die man als Freundschaft bezeichnen konnte. Viele Gelegenheiten zum Scherzen oder Plaudern ließen uns die Goldenen Schwestern aber nicht.

Von früh bis spät wurden wir auf unsere Zukunft vorbereitet. Wir lernten Lesen und Schreiben, wurden in Geografie und Geschichte unterrichtet, trainierten mit Schwertern sowie Pfeil und Bogen umzugehen. Von Zeit zu Zeit stand sogar der Umgang mit Schusswaffen auf dem Lehrplan.

Obwohl es mir auf Burg Gedeleen an nichts fehlte, vermisste ich meine Familie. Besonders meine kleine Schwester Katga, der ich jeden Monat einen Brief schickte. Die bittere Erkenntnis, dass diese nie beantwortet wurden, löschte meine Motivation zu schreiben nicht aus.

Während die meisten Mädchen hier regelmäßig Besuch von ihrer Familie bekamen, blieb ich stets allein. Nicht einmal Tante Ida war ich es wert, sich auf den Weg zu machen. Wäre sie die Schwester meiner verstorbenen Mutter und nicht die meines Vaters gewesen, wäre sie vielleicht einmal gekommen.

Jedenfalls versuchte ich mir das einzureden. Umso mehr sehnte ich die Zeit herbei, wo ich am königlichen Hof in der Gemeinschaft der Goldenen Schwestern leben und dienen durfte.

In meiner Zeit auf Burg Gedeleen gab es viele Nächte, in denen ich mich schlaflos im Bett hin- und herwälzte. Ich wusste, dass ich eine Enttäuschung für meinen Vater war. In doppelter Hinsicht. Zum einen war ich kein Sohn. Und zum anderen wollte ich ausgerechnet jener Frau dienen, die er aus tiefster Seele verachtete.

Dieses Wissen hatte aber nie etwas an meinem felsenfesten Entschluss geändert – und so war mein Ziel näher und näher gerückt.

***

Schließlich war endlich der Moment gekommen, in dem mich meine Ausbilderinnen mit der goldenen Kampfkleidung und einem funkelnden Schwert ausstatteten.

»Du hast alle Prüfungen bestanden, Inga«, verkündete Schwester Odine in samtenem Ton und umarmte mich kurz. »Du bist nun eine von uns, eine Goldene Schwester. Nutze all deine Talente und Fähigkeiten, um deiner Königin, Valerie Vanhaag, bis zum Tod zu dienen. Schwörst du deiner Herrin bis zum letzten Atemzug treu zu sein?«

Eine gefühlte Ewigkeit hatte ich auf diesen Höhepunkt meines Lebens gewartet. Auf den Moment, endlich »Ja« zur Zukunft am Hofe Kandlots zu sagen.

Jetzt, wo er endlich gekommen war, spürte ich, wie meine Brust vor Stolz anschwoll. Aufrecht und selbstbewusst stand ich vor meinen drei Ausbildnerinnen, die mich in den letzten zwanzig Jahren zu der Person geformt hatten, die ich heute war.

»Ja«, antwortete ich mit klarer Stimme und reckte das Kinn wie zur Bestätigung in die Höhe. »Ja, ich schwöre es.«

Schwester Odine nickte zufrieden und reichte mir noch einen Silberdolch, den ich ebenfalls stets bei mir tragen sollte. Sein Griff war mit funkelnden Edelsteinen verziert und lag so gut in meiner Hand, als wäre die Waffe seit Jahren ein Teil von mir gewesen. Tatsächlich aber war dieses Schmuckstück erst vor wenigen Wochen angefertigt worden. Alle Mädchen, die ihre Abschlussprüfung mit Bravour bestanden, erhielten dieses Geschenk von der gondrischen Königin. Auch ich, obwohl ich gar nicht an deren Hof, sondern an jenem ihrer Schwester dienen wollte.

Kaum umschlossen meine rauen Finger den eleganten Schaft des Dolches, blitzte die helle Morgensonne zum Fenster herein und tauchte den goldenen Festsaal von Burg Gedeleen in oranges Licht. Für mich war dieser Moment wie ein Zeichen Dions. Offenbar wollte unser Herr und Schöpfer, dass ich Königin Valerie diente.

Der Applaus der anderen Mädchen klang wie Musik in meinen Ohren. Lächelnd drehte ich mich um und hielt den glänzenden Dolch siegessicher in die Höhe. Ich war die erste kandische Goldene Schwester und würde den Kreis der fünf am Hof von Ivan Isgehart – nach dem Opfer von Schwester Reselie beim Attentat vor zwanzig Jahren – wieder komplett machen. Bestimmt erwartete mich Königin Valerie bereits sehnsüchtig, denn unser Monarch hatte es seiner Gattin untersagt, weitere »ausländische« Schwestern zu sich an den Hof zu rufen. Er wollte verhindern, dass sich fremde Gebräuche einschlichen, stattdessen sollte sich seine Frau den Traditionen Kandlots unterwerfen. Geheiratet hatte er nicht aus Liebe, warum sonst, wusste ich nicht.

Ich aber war keine Fremde, sondern eine Bürgerin Kandlots. Mich würde der König nicht vertreiben können.

»Deine Kutsche wartet, Schwester Inga«, erinnerte mich Schwester Odine, woraufhin der Applaus meiner Mitschülerinnen abebbte. So sehr ich mich auf das höfische Leben an der Seite meiner Königin freute, niemand hatte mich auf die Gefühle vorbereitet, die ich jetzt beim Abschied empfand.

Fast zwanzig Jahre hatte ich hier verbracht. Monate, in denen ich gelacht, geweint und gelitten hatte. Doch jetzt, am Tag nach meiner Prüfung, war es Zeit, Lebewohl zu sagen.

»Dion schütze dich«, wisperte mir Odine noch zu, ehe ich schlussendlich die Hallen Gedeleens verließ und mich hinaus auf den Hof begab, wo eine Kutsche bereitstand.

Genau wie bei meiner Ankunft regnete es auch heute wie aus Eimern. Wieder hielt ich mein Gesicht gen Himmel und lächelte. Dieses Mal vermischten sich die Wassertropfen mit Tränen. Ein Gefühl von Heimweh packte mich, obwohl ich noch nicht einmal ans Einsteigen dachte.

Ein kühler Luftzug ließ mich frösteln und als der Wind auch noch unbarmherzig an meinen rotblonden Haaren zerrte, gab ich mich geschlagen und marschierte auf das Gefährt zu, das mich innerhalb von zwei Tagen an den kandischen Hof bringen sollte.

Der in Mausgrau gekleidete Kutscher winkte, doch entgegen kam mir eine Frau, die ich unmittelbar als Goldene Schwester erkannte. Die brünette Kriegerin strahlte eine solche Stärke aus, dass mich ihr Auftreten erbeben ließ. Aber anstatt mir einzugestehen, dass meine Knie weich wurden, straffte ich meine Schultern und erwiderte den durchdringenden Blick der um einige Jahre älteren Frau. Die zarten Fältchen um ihre grauen Augen verrieten ihr Alter. Laut meinen Berechnungen müsste sie in den Vierzigern sein.

»Inga Ericson?«, fragte sie, kaum dass wir uns auf zwei Meter Entfernung gegenüberstanden.

Die Stimme der Goldenen Schwester klang genauso kraftvoll, wie ihr Körperbau wirkte. Neben ihr sah ich aus wie ein schmächtiges Püppchen, obwohl ich täglich meine Muskeln stählte.

Ein heiseres »Ja?« entschlüpfte meinen trockenen Lippen. Ich erinnerte mich nun ganz klar, dass ich die Kriegerin vor zwanzig Jahren am Balkon des Schlosses gesehen hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie ihr Haar lang und glatt getragen. Jetzt kringelten sich die hellbraunen Strähnen auf Schulterhöhe.

»Mein Name ist Mercedes. Königin Valerie schickt mich. Ich soll dich sicher an den Hof Kandlots geleiten.«

»Welche Ehre«, erwiderte ich und hoffte, nicht so eingeschüchtert auszusehen, wie ich mich gerade fühlte. Dass ich die Prüfung bestanden hatte, machte mich nicht gleichzeitig zu einer Heldin. Ich war bloß eine junge Frau, die in vielen Fächern unterrichtet worden war und kämpfen konnte. Große Herausforderungen hatte ich noch keine erlebt, schließlich hatten wir während unserer Ausbildung selten die Burg verlassen. Wenn überhaupt, dann nur, um im Wald auf die Jagd zu gehen und unsere Reflexe mithilfe von Waffen zu trainieren.

Und damals, als uns die Träger heimsuchten …

Ich würde diese abscheulichen Bilder nie mehr aus meinem Kopf bekommen. All die Schreie … das Blut … der Geruch nach Kupfer …

Ich schluckte, schüttelte die schrecklichen Erinnerungen an diese grausige Zeit ab. Schwester Odine hatte uns schwören lassen niemals darüber zu sprechen. Aber galt das auch gegenüber anderen Goldenen Schwestern?

Um mich abzulenken, machte ich mir erneut meine hervorragende Ausbildung bewusst. Obwohl wir kaum etwas von der Welt gesehen hatten, hatten die Goldenen Schwestern stets dafür gesorgt, dass wir am Hof einmal eine gute Figur machten. Wir hatten den korrekten Umgang mit Tafelsilber, eine feine Ausdrucksweise und einige Tänze erlernt.

»Welch bedeutender Tag«, sagte Mercedes gleichmütig. »Seit zwei Jahrzehnten hoffen wir, dass König Ivan eine weitere Schwester zulässt. Endlich ist es so weit. Eine Bürgerin seines Landes kann und wird er nicht fortschicken.«

Mir fiel auf, dass die groß gewachsene Frau keine Emotionen in ihre Aussage packen wollte. Doch ihre Mundwinkel verzogen sich bei der Erwähnung des Monarchen. Aus dieser ungewollten Geste schlussfolgerte ich, dass die Ehe zwischen Valerie und Ivan nicht besonders harmonisch war. Außerdem hätte ein liebender Gatte seiner Gemahlin weitere Kriegerinnen aus ihrer eigenen Heimat zugestanden.

Lautes Donnergrollen über unseren Köpfen erschreckte mich.

Auch der Kutscher klatschte auffordernd in die Hände und zeigte gen Himmel, als wir ihm unsere Aufmerksamkeit schenkten.

Erst als Mercedes kaum merkbar nickte, trottete der hagere Mann zu seinen Pferden. Er holte zwei Äpfel aus seinem Umhang und verfütterte sie an die Tiere. Dabei tätschelte er ihre Hälse.

Diese Geste barg so viel Liebe, dass ich ihn unverhohlen anstarrte. Mercedes deutete meinen Blick falsch. Ihre Stimme klang bitter, als sie sagte: »Du fragst dich, weshalb dir der Hof bloß eine Kriegerin und einen Greis schickt? Nun, König Ivan hielt es nicht für nötig, seine Wachen und Diener damit zu belästigen.«

Obwohl ich andere Gedanken für wichtiger erachtet hatte, war mir das natürlich aufgefallen. Während manche Mädchen von einem königlichen Gefolge empfangen wurden, wartete hier nur diese simple Karosse mit dürren Holzrädern auf mich. Ein feierlicher Aufmarsch mit Trompeten und Posaunen hätte ja gar nicht sein müssen, aber eine größere Kutsche mit dem königlichen Wappen wäre doch wünschenswert gewesen.

»Um meiner Königin dienen zu dürfen, hätte ich mich auch zu Fuß auf den Weg gemacht«, entgegnete ich bescheiden.

Mercedes schnaubte. »Verschreie es nicht, sonst fällt diese Klapperkiste noch auseinander.« Sie seufzte schwer. »Und jetzt komm, Königin Valerie ist schon gespannt auf dich.«

Diese Worte beflügelten mich. Ich konnte es kaum erwarten, endlich den Menschen kennenzulernen, an dessen Seite ich seit dem Attentat vor Jahrzehnten hatte stehen wollen.

Mit diesem Ziel vor Augen fühlte ich mich trotz des kümmerlichen Gefährts wie eine Siegerin. Der Kutscher half mir ins Innere zu klettern und lächelte dabei freundlich. Dass einer seiner Schneidezähne abgebrochen war, schmälerte die Wärme seines Ausdrucks nicht. Immerhin erfüllte es diesen Mann mit Zufriedenheit, mich an den Hof zu bringen.

Noch während der Kutscher mit seiner knochigen Hand die meine hielt, sagte ich zu ihm: »Vielen Dank, dass du dich bereit erklärt hast, mich von Burg Gedeleen abzuholen! Ich kann es kaum erwarten, endlich an den Hof zu kommen. Ist es dir ebenso eine Freude, mich auf diesem Weg zu begleiten?«

Wieder grinste der Mann und nickte, antwortete jedoch nicht. Stattdessen ließ er meine Hand los und latschte zurück zu seinen Pferden.

Im Inneren der Kutsche war es finster, die Fenster waren winzig. Zuerst sah ich kaum die Hand vor Augen. Nachdem ich ein paarmal geblinzelt hatte, passten sich meine Pupillen dem schwachen Licht an. Aus der Dunkelheit schälten sich Umrisse.

Schwester Mercedes saß mir gegenüber, musterte mich.

Ihr prüfender Blick forderte mich geradezu heraus. »Was denkst du über mich?«

Die Kriegerin hob eine Augenbraue, schmunzelte. »Mir fällt auf, dass du dein Herz auf der Zunge trägst. Das imponiert mir und es wird auch Königin Valerie erfrischend finden. Allerdings …«, ein Schatten huschte über ihr Gesicht, »… könntest du dir mit dieser direkten Art Feinde am Hof schaffen. Gib gut acht, mit wem du deine Gedanken teilst.«

Irritiert runzelte ich die Stirn. Im selben Augenblick hörte ich unseren Kutscher mit der Zunge schnalzen, woraufhin sich die Pferde rührten und die Kutsche mit einem Ruck in Bewegung setzten. Ich dachte an die morschen Holzräder und hoffte, dass unser Heimweg über ebene Pfade führte.

Ein letztes Mal warf ich einen Blick durch das kleine Guckloch in der Kutschwand. In meinem Herzen brannte es, als ich realisierte, dass ich Burg Gedeleen vielleicht nie mehr wiedersehen würde.

Schnell unterdrückte ich jeden Kummer und konzentrierte mich auf das Kommende. Mir fiel wieder ein, was Schwester Mercedes gesagt hatte.

»Was meinst du damit«, begann ich daher und zwang mich, mein Augenmerk vom Fenster ab- und meinem Gegenüber zuzuwenden, »wenn du sagst, ich könnte mir Feinde machen? Wird meine Anwesenheit jemandem ein Dorn im Auge sein?« Ich kniff die Augen zusammen, dachte über ihre bisherigen Aussagen nach. »Du sprichst vom König, nicht wahr?« Obwohl ich ein bisschen nervös wurde, gab ich mich nach außen hin gelassen. In der Ruhe liegt die Kraft … das hatten uns die Goldenen Schwestern auf der Burg beigebracht.

Schwester Mercedes seufzte.

Zuerst glaubte ich, ich hätte ins Schwarze getroffen. Doch …

»Schwester Inga«, sagte sie. »Hüte deine Zunge, ansonsten wird sie dir noch abgeschnitten!«

Entsetzt schnappte ich nach Luft. Wollte mir die Kriegerin drohen? Noch war sie nicht fertig, weshalb ich artig schwieg und weiter zuhörte.

»Ich rate dir lediglich, niemandem am Hof blind dein Vertrauen zu schenken. Nicht alle Höflinge akzeptieren uns Goldene Schwestern. Einigen passt unsere Anwesenheit überhaupt nicht und sie spielen mit gezinkten Karten. Du wirst in den nächsten Wochen Gesprächsthema Nummer eins sein, das ist sicher.«

Am Hofe Kandlots wehte offenkundig ein rauerer Wind als während meiner Ausbildung. Ich verschränkte die Arme. »Dem Kutscher scheinst du zu vertrauen, oder hast du keine Angst, dass er deine warnenden Worte an den König weiterleiten könnte? Mir ist aufgefallen, wie dünn die Wände dieses Gefährts sind!«

Ich klopfte wie zum Beweis gegen das primitive Material, dann beugte ich mich nach vorn, blickte Mercedes geradewegs in die Augen.

Das Funkeln darin verriet, dass sie sich über mich amüsierte. Was war an meiner Aussage falsch gewesen? Nur weil der Kutscher nach meiner Frage, ob es eine Ehre für ihn sei, mich nach Kandlot bringen zu dürfen, genickt hatte, war er nicht im selben Zuge ein Verbündeter!

»Du sprichst von Ided?«, fragte die Goldene Schwester und beugte sich ebenfalls vor.

Ich zuckte mit den Achseln. »Sein Name ist mir nicht bekannt. Er hat sich nicht vorgestellt.« Und da wurde mir klar, dass der Kutscher überhaupt kein Wort an mich gerichtet hatte.

Mir dämmerte, weshalb das so war, aber Mercedes erklärte bereits: »Ided ist taubstumm. Er nickt immer, egal was du sagst.«

Enttäuscht unterdrückte ich ein Stöhnen. Also empfand der bucklige Mann es vermutlich gar nicht als »Ehre«, die erste Goldene Schwester aus dem eigenen Land an den Hof zu bringen. Sein Nicken war ohne Bedeutung gewesen.

Ich hatte wahrlich noch viel zu lernen.

War ich wirklich auf das, was mich am kandischen Hof erwartete, vorbereitet? Ich hatte schon die Ausbildung als hart empfunden. Doch was, wenn diese Erfahrung im Vergleich zu meiner Zukunft ein Kinderspiel gewesen war?

***

Das stete Schaukeln der Kutsche hatte mich während Mercedes’ Vortrag beruhigt, weshalb ich umso gespannter an ihren Lippen hing. Die Aussagen der Goldenen Schwester machten mir keine Angst. Im Grunde hatte sie mir bloß einen Rat gegeben:

Ich musste vorsichtig sein. Immer. Stets auf meine Worte und Taten bedacht. Diesen Hinweis wollte ich mir zu Herzen nehmen und im Hinterkopf behalten. Ich würde meine Zunge hüten und vor dem Sprechen nachdenken – sofern es mir möglich war.

»Aber«, meinte Mercedes und grinste aufmunternd, wie um das ernste Gespräch von unseren hängenden Schultern zu schütteln, »um zu deiner ursprünglichen Frage zurückzukehren: Ich denke, dass du eine wertvolle Bereicherung für uns Schwestern sein wirst. Die Königin braucht zwar – zurzeit – keine weitere Kriegerin zum Schutz, aber dennoch kann es nie genug von uns am Hof geben!«

Von uns! Sie hatte »von uns« gesagt! Die Freude rauschte wie eine warme Welle durch mich hindurch und offenbarte sich im Leuchten meiner grünen Augen, das spürte ich. Und dieser Glanz, er würde anhalten, auch wenn ich einschlief und erst nach Stunden wieder erwachte.

***

Wir hatten die Stadt Binjar erreicht und machten eine Pause. Kaum waren wir ausgestiegen, schaute ich mich neugierig um. Inzwischen regnete es nicht mehr, auch wenn es so aussah, als könnte es jeden Augenblick wieder beginnen.

Dunkelgraue Häuser erhoben sich links und rechts von der grob gepflasterten Straße, auf der einige Menschen neugierig stehen blieben, als sie uns erblickten.

Zuerst begriff ich nicht, weshalb eine einfache Kutsche so viel Aufsehen erregte. Erst als ein kleines Mädchen mit dem Finger auf Mercedes zeigte und »Schau, Mama, das glänzende Kampfkleid, das ist eine Goldene Schwester!« rief, verstand ich.

Die Mutter des rotbäckigen Kindes nickte und strahlte vor Freude. Überhaupt wurden nach und nach immer mehr Leute auf uns aufmerksam und warfen uns bewundernde Blicke zu. Einige klatschten sogar oder jubelten.

Kaum betraten wir eine der einladenden Gaststuben, eilte uns auch schon der über beide Ohren grinsende Wirt entgegen. Er begrüßte uns aufs Herzlichste und erkundigte sich nach unseren Wünschen. Nachdem Mercedes den Herbergsvater um eine Mahlzeit und zwei Zimmer für die Nacht gebeten hatte, wies er uns den wohl schönsten Tisch zu. Dieser war aus dunklem Kirschholz gefertigt und die Beine des Möbels verrieten, dass hier ein Drechselmeister am Werk gewesen war.

Der dickliche Wirt rückte Mercedes und mir die Stühle zurecht und erklärte einmal mehr, dass es ihm eine Freude sei, uns seine Gäste nennen zu dürfen.

Auch Ided nahm Platz und deutete auf die Bierzapfhähne hinter der Theke, nachdem der Hausherr nach seinem Getränkewunsch gefragt hatte. Entweder hatte Ided geraten, was der Wirt zu ihm gesagt hatte, oder unser Kutscher konnte Lippen lesen.

Nachdem wir uns mit köstlichen Speisen den Bauch vollgeschlagen hatten – tatsächlich hatte ich seit Langem nicht mehr so viel auf einmal gegessen –, zogen wir uns auf unsere Zimmer zurück. Während Ided ein kleines Kämmerlein zugewiesen bekam, bewohnten Mercedes und ich ein geräumiges Gemach mit eleganten Möbeln. Der Wirt verriet, dass dieser Raum dem Adel vorbehalten war. Dem Adel – und den Goldenen Schwestern. Seine Tochter, so erzählte er uns, wollte auch eines Tages am Hof Königin Sabita Vanhaags dienen.

Als ihn Mercedes aufklärte und mitteilte, dass wir auf dem Weg nach Kandlot waren, zog der Wirt überrascht seine Augenbrauen in die Höhe.

»Och, zu Könich Ivan geht die Reis’? Och, dann Gnade euch Dion, schließlich weiß ’n jeder hier, dass er nur nach einem Vorwand sucht, d’ Gemahlin loszuwerden.«

Gern hätte ich den Mann gefragt, woher er diese Information hatte, doch Mercedes ließ mich nicht zu Wort kommen. Obwohl sie bestimmt gemerkt hatte, dass ich bereits meine Lippen öffnete, erklärte sie rasch: »Wir danken dir für deine Gastfreundschaft und deinen Segen!«

Sie schloss die Tür und nahm mir somit die Gelegenheit, den Wirt um genauere Auskunft zu bitten. Das war Mercedes bewusst, denn kaum waren die schweren Schritte des Wirts auf der Treppe verklungen, verriet sie: »Lass dich nie vom Klatsch und Tratsch der Dorfleute beeindrucken. Und niemals – niemals! – verliere ein schlechtes Wort über den Herrscher Kandlots. Kommt ihm dies zu Ohren, geht es dir an Kopf und Kragen! Ivan hat Leute schon für weniger am Strick baumeln lassen.«

»König Ivan würde mich hängen lassen?« Ich zog meine Augenbrauen hoch, fasste mir dabei unbewusst ans Genick, obwohl ich vor Mercedes keine Schwäche zeigen wollte. »Das wird er nicht tun, mein Vater ist einer seiner Berater, steht ihm mit Rat und Tat zur Seite!«

Die Goldene Schwester zeigte sich unbeeindruckt. »Wie heißt es so schön«, begann Mercedes bitter, »halte dich eng an deine Freunde, aber noch näher an deine Feinde.«

Was die Kriegerin andeutete, gefiel mir nicht. Inzwischen wusste ich aber, dass ich meine Gefühle verbergen musste – Mercedes selbst hatte es mir geraten. Also würde ich diesen Hinweis beherzigen – auch in ihrer Gegenwart.

***

In der Nacht tat ich kaum ein Auge zu. Obwohl die Matratze weich und das Bettzeug sauber waren, hielt mich irgendetwas wach. Dennoch war es nicht ich, die das Unheil schon von Weitem vernahm.

»Ich höre Schritte!«, wisperte Mercedes in die Finsternis hinein, so als hätte sie gemerkt, dass ich noch gar nicht geschlafen hatte.

Im Gegensatz zu der Goldenen Schwester konnte ich keinen Laut ausmachen. »Schritte?« Irritiert setzte ich mich auf.

In der Zwischenzeit war Mercedes aufgesprungen, hatte eine Kerze entzündet und nach ihrem Schwert gegriffen, das sie zusammen mit dem Waffengürtel auf dem Nachttischchen abgelegt hatte. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie im Gegensatz zu mir noch immer ihre goldene Uniform trug.

»Jemand kommt näher und der Wirt ist es nicht. Dessen Bewegungen haben die Treppe anders knarzen lassen«, erklärte die Kriegerin knapp.

Tatsächlich vernahm ich nun auch Geräusche. Es klang wie das Rasseln von Ketten, vermischt mit schwerem Stampfen.

Ein Soldat, schoss es mir durch den Kopf und plötzlich hatte ich das Bild der Silbernen Brüder des Königs vor Augen.

Ohne es gemerkt zu haben, hatte auch ich meine Beine freigestrampelt und war aufgestanden. Meine Finger zitterten voller Unruhe, als ich nach meiner Waffe griff.

»Ist das ein Hinterhalt?«, fragte ich aufgeregt und spürte, wie mein Herz raste. Schneller und schneller.

Die Schritte wurden lauter, der Eindringling kam näher.

Zeit zum Antworten blieb meiner Mitschwester nicht, denn …

Rums. Die Tür wurde mit einem gewaltigen Tritt aufgebrochen. Vor Schreck schrie ich auf.

Eine riesige dunkle Gestalt polterte in den Raum. Energisch umklammerte ich den Griff meines Schwertes, stellte mich dem Eindringling. Ehe ich irgendetwas tun konnte, vollführte Mercedes schon einen gekonnten Hieb und schmetterte ihre Klinge gegen die des Angreifers.

Stahl prallte auf Stahl. Oder war Mercedes’ Schwert aus Silber? Ein Klirren zerriss die stickige Luft. Ich bekam eine Gänsehaut.

»Was wollt Ihr? Wer seid Ihr?«, fauchte die Kriegerin. Sie klang wie eine wütende Raubkatze.

Mein Blut pulsierte dröhnend in meinen Ohren, sodass ich mich konzentrieren musste, um die Erwiderung des Fremden zu hören. Doch dieser schwieg, atmete lediglich mit geöffneten Lippen ein und aus.

An der Statur erkannte ich, dass es sich um einen Mann handeln musste. Die Gewänder in den Farben Dunkelblau und Silber verrieten, dass der Eindringling ein Soldat Kandlots war.

»Wer hat dich geschickt?«, zischte Mercedes in diesem Augenblick. Im flackernden Kerzenschein leuchteten die Augen der Kriegerin auf. »Rück schon mit der Sprache heraus, sonst bist du tot!«

Und wahrhaftig vollführte Mercedes eine gekonnte Drehung und einen Schlag, der den Angreifer entwaffnete. Fassungslos starrte dieser auf seine Klinge, die nun scheppernd über den Holzboden schlitterte und unter einem der Betten landete. Gleich darauf riss er seine Augen auf, als hätte die Goldene Schwester nicht einfach nur grandios gekämpft, sondern einen Zauber vollführt.

Diese zögerte keine Sekunde länger.

Innerhalb desselben Herzschlags – ich schaute wieder dem Schwert nach – sah ich sie aus den Augenwinkeln heraus den Dolch aus ihren Gewändern ziehen. Hatte sie die Waffe die ganze Zeit unter ihren Kleidern getragen? Erschrocken schnappte ich nach Luft.

Daran habe ich gar nicht gedacht …

Mercedes drückte den Mann gegen die Wand und presste die Klinge an seinen Hals. Bitterböse fuhr sie ihn an: »Wer schickt dich?«

Der Laut, der ihrer Kehle anschließend entschlüpfte, klang wie das Knurren eines Bluthundes, der sein nächstes Opfer aufgespürt hatte.

Unsicher ging ich näher an die beiden heran, wollte den Fremden genauer betrachten. Wer war dieser Kerl, der es wagte, sich ohne Verstärkung mit zwei Goldenen Schwestern anzulegen?

»Ist es van Ijek? Rhöslad? Haben sie Spione am Hof – und dich bezahlt? Oder ist es gar der König selbst? Bist du einer seiner Männer?«, raunte die Kriegerin und ritzte mit der Spitze ihres Dolches einen feinen Kratzer in die Haut des Mannes.

Dieser schluckte und verzog vor Angst oder Schmerz das Gesicht.

»Bitte«, wisperte er nun, »ich darf es Euch nicht sagen. Ansonsten wird meine Frau getötet. Lasst mich einfach gehen!«

Und weil der Fremde plötzlich so verzweifelt aussah, regte sich Mitleid in mir.

Mercedes hingegen schnaubte verachtend. »Verrate mir deinen Auftraggeber und ich werde es mir überlegen! Ist es der König, ist es Ivan Isgehart?«

Der Mann blieb stumm.

Und wenige Sekunden später erfuhr ich, wie unbarmherzig eine Goldene Schwester sein musste.

Noch bevor das Blut spritzte, schrie ich auf.

Die Klinge glitt durch den Hals des Mannes, als wäre er aus zartschmelzender Butter gefertigt.

»SEI GEGRÜSST, NEUE SCHWESTER!«

Kaum fiel der Fremde auf seine Knie und stieß den letzten Atemzug aus, spürte ich, wie heiße Tränen in meinen Augen brannten.

Wurde ich so sehr von meinen Gefühlen bestimmt? Warum hatten uns die Schwestern auf Burg Gedeleen nicht besser auf solche Momente vorbereitet? Nicht einmal die Dämonenträger hatten mich abgehärtet. Vielleicht hätte ich damals hinsehen sollen – in jener Nacht, als wir eine von uns hatten töten müssen.

Ich schüttelte die Erinnerungen ab, wandte mich wieder der Gegenwart zu. Der Eindringling krachte in sich zusammen, als hätte man einen Sack mit Getreidekörnern aufgeschnitten. Um ihn herum breitete sich eine dunkle Blutlache aus, einzelne rote Flüsse schlängelten sich durch die Maserungen des Holzbodens bis zu meinen bloßen Füßen.

Schnell zog ich mir auch das goldene Kriegerinnengewand über und schlüpfte in meine Stiefel. Dabei beobachtete mich Mercedes die ganze Zeit. Ich spürte ihre Blicke im Rücken und versuchte das Beben meiner Hände zu unterdrücken.

Als ich mich ihr zuwandte, sagte sie monoton: »Du bist blass, Schwester Inga.« Noch immer leuchteten ihre Pupillen im Licht der Kerze.

»Mir geht es gut.«

Ich hatte bereits einiges gelernt. Vielleicht zu viel.

Mercedes kniff die Augen zusammen. Ihr war klar, dass ich gelogen hatte, doch sie sagte nichts dazu.

»Wer sind van Ijek und Rhöslad?«

»Wir müssen hier weg«, erklärte sie statt einer Antwort, wischte den blutigen Dolch an den Vorhängen ab und verstaute ihn am Waffengürtel. »Vermutlich durchsuchen weitere Silberbrüder die anderen Wirtshäuser der Stadt.«

»Silberbrüder?«

Ich konnte meine Entgeisterung nicht verbergen. Wie konnte die Goldene Schwester wissen, dass es sich bei dem Mann um einen aus König Ivans Gefolge handelte? Jeder Soldat in Kandlot trug diese Uniform, nicht nur die Krieger im Schloss.

Bevor sie mich aufklären konnte, marschierte Mercedes mit der Kerze und dem Schwert in der Hand aus dem Zimmer und suchte die Schlafstätte unseres Kutschers, dem stummen Ided auf. Diese lag unten im Erdgeschoss.

Allein schon, dass die Holztüren zu sämtlichen Räumen sperrangelweit offen standen, hätte mich stutzig machen sollen. Dennoch trat ich blauäugig in das Zimmer von Ided. Was ich dort sah, versetzte mir einen weiteren eiskalten Schock: Unser Kutscher lag reglos am Boden, seine Augen starr. Der Mann war tot.

Zweifellos hatte ihn der Eindringling, den Mercedes für einen Silberbruder hielt, niedergestreckt, doch Beweise hatte ich nicht. Trotzdem verblasste das Mitleid, das sich zuvor in mir ausgebreitet hatte. Zurück blieb kalter Rauch, der meine Sinne benebelte. So hatte ich mir meine ersten Stunden als Goldene Schwester nicht vorgestellt.

Nachdem wir auch den Wirt und dessen Familie leblos in ihren Privaträumen vorgefunden hatten, hielt Mercedes nichts mehr an diesem Ort.

»Wir brechen sofort auf«, befahl sie, woraufhin wir unverzüglich zu unserer Kutsche eilten. Anstatt jedoch ins Innere des Gefährts zu klettern, was auch keinen Sinn gehabt hätte, da Ided ja nicht mehr bei uns war, trennte Schwester Mercedes die Pferde vom Wagen. Eines davon lahmte plötzlich und mir fiel auf, dass es in einen rostigen Nagel getreten war. Das Ding musste den Huf durchdrungen haben. Ich bückte mich, wollte mich um das Tier kümmern.

Mercedes fluchte. »Dafür ist keine Zeit.«

Wir schwangen uns hintereinander – ich vorn – auf die gesunde Stute und galoppierten, so schnell wir konnten, davon. Weder Mercedes noch ich schauten zurück.

***

Erst als sich die Wolken langsam violett färbten und vom Anbruch des nächsten Tages zeugten, drosselte Schwester Mercedes das Tempo. Sie hatte das arme Pferd elendig geschunden und das Tier brauchte dringend eine Pause. Aus diesem Grund beschlossen wir, uns einen letzten Zwischenstopp zu gönnen. Diesmal steuerte Mercedes keine Stadt an, sondern bestand darauf, dass wir auf einer Waldlichtung rasteten.

»Weshalb verlassen wir die Königsstraße?«, fragte ich, da wir auf Burg Gedeleen gelernt hatten, dass dieser Weg der sicherste war. Diese Pfade wurden von Wachen des Hofes geschützt! Fernab von diesen konnten wir jederzeit auf Banditen treffen und ich hatte keine Lust, schon wieder jemanden sterben zu sehen. Ich war zu den Goldenen Schwestern gegangen, um Leben zu retten. Das Leben der Königin.

»Wir entfernten uns von diesem Weg«, sagte Mercedes gedehnt, »weil ich es hier für sicherer halte.«

Skeptisch schaute ich mich um. Wir waren von Eichen und Buchen umgeben; in der Nähe hörte ich das Plätschern eines Baches. Im Prinzip konnte hinter jedem dieser Bäume ein Räuber lauern. Auf Burg Gedeleen hatte man uns stets vor dem Gesindel im Forst gewarnt.

»Was ist mit Räuberbanden?«, wollte ich wissen. »Mit zwei oder drei Kerlen werden wir ja leicht fertig … aber … mit mehreren?«

Da lachte die Goldene Schwester ehrlich amüsiert.

»Ach, Schwester Inga«, säuselte sie und tat, als müsste sie sich Lachtränen aus den Augenwinkeln wischen – was ich nicht sehr höflich fand. »Ich habe damals im Kontinentalen Krieg gekämpft. Manchmal gegen fünf Männer auf einmal.«

»Im Kontinentalen Krieg?«, fragte ich und rechnete im Kopf nach. »Dieser ist fast dreißig Jahre her!«

Erstaunt blickte ich in die klaren Augen der Kriegerin. Ich selbst war fünfundzwanzig und konnte nicht glauben, dass die Frau mir gegenüber schon fast doppelt so alt sein solle. Ihr Haar glänzte im Licht der Sonnenstrahlen, die sich ihren Weg durch das Blätterdach suchten.

»Im Dienst der Krone zu stehen hält jung, Schwester Inga. Jeden Tag kommt eine neue Überraschung auf dich zu.«

***

Nachdem sich das Pferd etwas ausgeruht hatte, setzten wir unseren Weg zum Hof von Kandlot fort. Mit jedem Kilometer, den wir hinter uns ließen, stieg meine Aufregung. Aus dem wohligen Gefühl in meinem Körper wurde ein kummervoller Kloß, schwerer als ein Eimer voller Steine. Die Furcht, meiner Aufgabe als Goldene Schwester nicht gerecht werden zu können, war berechtigt: Menschen zu töten war mir unmöglich. Das war mir heute wieder bewusst geworden. Eines Tages würde es aber gewiss nötig sein – wie sonst sollte ich die Königin schützen?

In Gedanken versunken ritten wir weiter, bis sich der Wald lichtete: Wir hatten die Stadt erreicht.

Dort herrschte reges Treiben. Es war gerade Markt, an einem hell gepflasterten Platz waren reichlich Stände aufgebaut. Wir glitten vom Pferd; Mercedes ergriff die Zügel und führte es geschickt durch die Menge. So konnte ich mich umsehen.

Die verschiedensten Waren wurden feilgeboten und mit überschwänglichen Worten von den Besitzern beworben. Kaum gewöhnte sich meine Nase an die Duftkombination aus frischen Fischen, Kräutern und Fleischwaren, marschierten wir schon weiter und erschnupperten die Düfte der nächsten Produkte.

Frauen liefen mit überladenen Körben herum und Männer inspizierten die neuesten Tabak-, Werkzeug- und Waffenangebote. Für die Kinder gab es ein Puppentheater, gerade wurde eine Vorstellung geboten. Das Lachen der Kleinen zauberte mir ein Schmunzeln auf die Lippen und ließ meine Nervosität für kurze Zeit verschwinden.

Dieses Quäntchen Sorglosigkeit genügte, um mich zum Kauf eines Apfels zu motivieren. Mercedes hatte mir vorhin einen kleinen Vorschuss meines künftigen Lohns gegeben. Ich schenkte der Marktfrau mein freundlichstes Lächeln, obwohl mich diese nur verblüfft beäugte. Vermutlich hatte sich die Kunde vom Eintreffen einer neuen Goldenen Schwester noch nicht herumgesprochen. In Gondra wäre diese Situation völlig anders abgelaufen … Dort hätte man mir einen glorreichen Empfang bereitet – mich mit Musik und Fähnchen willkommen geheißen.

Ich dankte der Marktfrau, wandte mich ab und stellte fest, dass Mercedes einfach weitergegangen war. Mit dem Apfel in der Hand stand ich da und hielt nach ihr Ausschau. Zum Glück erkannte ich in diesem Meer aus Umhängen schnell den einzigen goldenen und flitzte ihr hinterher.

Kaum hatte ich sie eingeholt, verfütterte ich meinen Apfel an die brave Stute und tätschelte ihr den Hals. Mein Blick wanderte zu einem kleinen Tisch, an dem ein Mädchen selbst gebastelte Ketten aus bemalten Tonperlen anpries.

Mercedes aber hatte nicht vor die Stände abzuklappern und weiter Zeit zu verlieren, weshalb wir wieder aufs Pferd stiegen.

Mit der Aussage »Herumschlendern kannst du in den nächsten Tagen noch genug!« lenkte sie es in die Richtung des Stadttores.

Der Junge, der dort mit einem Korb voller reifer Tomaten stand, bewarf uns mit seinem Obst.

»Frauen gehören in die Küche«, plärrte er verachtend und traf mich mit seiner Frucht am Umhang. Vor Schreck riss ich die Augen auf. Entsetzt starrte ich auf den dunkelroten Fleck, der sich auf dem goldenen Stoff zeigte. Die Flüssigkeit saugte sich in das feine Gewebe, wodurch sich weitere Fasern verfärbten. Eine Schande!

Anstatt diesem Rüpel die Meinung zu sagen, schnalzte Mercedes lediglich mit der Zunge und trieb die Stute – die plötzlich einen eigenartigen Gang hatte – an, schneller zu laufen.

»Sollen wir dem Bengel den Kopf geraderücken?«, fragte ich und spürte, dass die Wut tief in meinem Bauch brodelte. »Ihm erklären, dass es in Kandlot auch Frauen gibt, die den Kampf nicht scheuen?«

»Spar dir die Mühe!«, erwiderte Mercedes scheinbar emotionslos. »Gewöhne dich lieber an die Ablehnung. Menschen sind so. Besonders Männer. Und besonders hier.«

Wir ritten die gepflasterte Straße entlang. Nach und nach kam hinter einem Wäldchen das Schloss hervor. Der Anblick verschlug mir die Sprache. Efeuranken schlangen sich um die helle Fassade, so als würde ein Riese ein zartes Sommerkleid tragen.

Kaum passierten wir das schwarze Schlosstor und erreichten den Haupthof, erblickte ich den Eingang des königlichen Palastes. Er war mit Säulen und Statuen geschmückt. Noch mehr faszinierte mich der Balkon, schließlich erinnerte er mich an den Augenblick vor so vielen Jahren.

Mir war, als wäre es gestern gewesen, dass ich miterlebt hatte, wie sich die Königin zum ersten Mal dort zeigte. Die Gefühle, als sich eine ihrer Goldenen Schwestern beim Attentat schützend vor sie geworfen hatte, kamen wieder hoch. Ergriffen schnappte ich nach Luft und wagte für ein paar Sekunden kaum zu atmen. Es war, als würde ich die Uhr zurückdrehen. Instinktiv formten sich meine beiden Hände zu Fäusten, die ich aneinandergedrückt an meine Brust legte. So beteten wir in Kandlot, Gondra und Enghor zu unserem Gott Dion. Die Einwohner Noredelläs glaubten noch an die uralte Göttin Pavi, hatten sich auch nach dem Kontinentalen Krieg geweigert, die neue Religion anzunehmen.

Wortlos schickte ich ein Dankgebet an Schwester Reselie gen Himmel. Jener mutigen Frau, die sich für die Königin geopfert hatte.

»Inga, folge mir«, wies mich Mercedes in diesem Augenblick an, was unverzüglich meinen Tagtraum wie eine Seifenblase zerplatzen ließ.

Wir stiegen vom Pferd und Mercedes führte es an den Zügeln neben sich her. Kommentarlos hastete ich ihr nach. Sie steuerte jedoch nicht den Haupteingang an, sondern führte mich um das Gemäuer herum, hin zu einem separaten Tor – vermutlich war es der Durchgang für Bedienstete.

Dort angekommen übergab Mercedes einem Burschen das Pferd und wies ihn an, es unverzüglich zu versorgen. Sie erklärte ihm, dass das arme Tier wohl eine Wunde hatte und schnell mit Kamille behandelt werden sollte.

Auch mir war das Lahmen der Stute bereits aufgefallen; plötzlich bekam ich ein schlechtes Gewissen. Meine Aufregung hatte mich dermaßen abgelenkt, dass ich nicht daran gedacht hatte, das arme Vieh zu verarzten. Lediglich einen Apfel hatte ich ihm gegeben!

Ich war enttäuscht von mir.

»Warum gehen wir hier hinein?«, fragte ich und meinte natürlich den Dienstboteneingang, während ich die Stufen zum Tor emporsieg.

Mercedes drehte sich zu mir um, zog eine Augenbraue hoch und deutete dann mit ihrem Zeigefinger auf meine Uniform.

Irritiert senkte ich den Blick – und erkannte sofort das Problem: Unsere Gewänder waren voller Schmutz. Im Wald waren wir durch Pfützen geritten; die Grasflecken, die uns die Pause an der Lichtung beschert hatten, waren ebenfalls zu sehen. Zudem hatte ich die roten Spritzer von den Tomaten auf dem Umhang vergessen.

»Wir sollten uns frisch machen, ehe wir der Königin gegenübertreten!« Sie zwinkerte mir zu.

Mercedes führte mich an einfachen Kammern vorbei, sie verriet mir, dass dort sämtliche Dienstboten untergebracht waren. »Für die Goldenen Schwestern gibt es etwas besser ausgestattete Kammern«, verkündete sie und betonte das Wort »etwas« sehr deutlich.

In Wahrheit hätte ich die Bezeichnung »Kammer« niemals für das Gemach gewählt, in welches mich Mercedes nun brachte; kaum öffnete die Goldene Schwester die mit Mustern verschönerte Holztür und ließ mich vortreten, sog ich scharf die Luft ein.

»Ist dies meine Unterkunft?«, erkundigte ich mich erstaunt und ließ meinen Blick ungläubig über den sauberen Holzboden, die vertäfelten Wände und das offensichtlich kostbare Mobiliar wandern.

Mercedes schüttelte den Kopf. »Eine Schande, nicht wahr?«, scherzte sie. »Warte, bis du das Badezimmer gesehen hast!«

Badezimmer? Konnte es sein, dass jede der Goldenen Schwestern eine Wanne für sich selbst besaß? In den Bergen auf Burg Gedeleen hatten wir uns pro Schlafsaal einen kleinen Zuber teilen müssen.

»Immerhin kannst du hier Diener beauftragen, die Eimer zu schleppen. Das brauchst du nicht mehr selbst zu tun.«

Schwester Mercedes wusste also noch genau, dass die Ausbildnerinnen auf Gedeleen das so verlangt hatten. Zwanzig lange Jahre hatte ich vom Brunnen Kübel mit Wasser die Treppen hinaufbugsiert.

»Mercedes«, fragte ich da plötzlich und wunderte mich gleichzeitig, dass ich daran noch gar nicht gedacht hatte, »war Schwester Odine auch eine deiner Ausbildnerinnen?«

Zuerst wirkte sie ob meiner Frage verwirrt. Ihre Stirn warf tiefe Falten und ihre Lippen presste sie zu einer schmalen Linie zusammen. Dann jedoch glätteten sich ihre Züge; sie entspannte sich wieder. Schließlich lächelte sie und erwiderte: »Nein, Schwester Odine ist eher wie eine gute Freundin für uns.«

Ich nickte und hoffte, dass »uns« irgendwann auch mich einschließen würde.

»Wie dem auch sei«, wechselte Mercedes das Thema, »ich lasse nach Dienerinnen schicken – sie sollen dir ein Bad bereiten. Und ich sorge dafür, dass eine frische Uniform in dein Gemach gebracht wird. In weniger als zwei Stunden wirst du vor Königin Valerie stehen. Sie wird dir deine Aufgabe am Hofe Kandlots mitteilen.«

***

Ehe ich mich also unserer Herrscherin präsentieren konnte, musste ich den Schweiß und Schmutz der vergangenen Stunden von meinem Körper waschen.

Neugierig betrat ich das Badezimmer meines Gemachs, begutachtete den Holzboden – einige Dielen quietschten ganz fürchterlich – und die gusseiserne Wanne, die das Herzstück des ansonsten eher schlichten Raumes war.

Ein an der Wand befestigter Spiegel zeigte mir, was ich bereits vermutet hatte: Ich sah erschöpft aus. Unter meinen tannengrünen Augen zeichneten sich dunkle Ringe ab und betonten umso mehr mein bleiches Gesicht mit den unzähligen Schönheitsflecken. »Sommersprossen«, wie Schwester Odine diese Punkte, deren liebste Stelle meine Nase war, bezeichnet hatte. In den Winter- und Frühlingsmonaten sahen diese Sprenkel meiner Meinung nach vielmehr wie Ascheflecken aus. So als hätte ich mich nach dem Säubern eines Kamins nicht gewaschen.

Rotblondes strohiges Haar umrahmte mein kümmerliches Antlitz und dass ich mich zuletzt auf Burg Gedeleen vor meiner Abreise gebürstet hatte, sah man meinen langen Strähnen auch an.

Gerade als ich überlegte, wie wohl meine jüngere Schwester Katga nach all den Jahren aussah, klopfte es an der Tür.

»Lady Inga?«

Ich erschrak, griff instinktiv nach dem Schwert an meinem Waffengürtel. Plötzlich hatte ich die aufgeschlitzte Kehle des Eindringlings im Wirtshaus vor Augen.

»Lady Mercedes schickt uns. Wir sollen Euch ein Bad bereiten. Dürfen wir eintreten?«

Sofort fiel die Schockstarre von meinem Körper ab, so als hätte ich einen schweren Mantel von mir geworfen.

»Gewiss«, erwiderte ich und schüttelte ob meiner übertriebenen Unruhe über mich selbst den Kopf.

Die fünf Mädchen, die daraufhin mit Eimern voll heißem Wasser zu mir ins Badezimmer geeilt kamen, knicksten kurz. Sie lächelten freundlich und gossen die dampfende Flüssigkeit in die Wanne. All das geschah, ohne dass ich mich auch nur einen Deut bewegen musste. Wie zur Salzsäule erstarrt stand ich da und beobachtete, wie andere Leute mein Bad bereiteten.

Als ich sah, wie sehr sich die Kleinste von ihnen mit ihrem Kübel plagte, konnte ich nicht länger tatenlos danebenstehen.

»Warte«, sagte ich, nahm ihr das schwere Behältnis aus den knochigen Händen und leerte das heiße Wasser selbst aus.

Das Mädchen, das genau wie die anderen einfache weiße Gewänder trug, riss entsetzt die Augen auf. »Habe ich etwas falsch gemacht, Mylady?«

Mylady! Auf Burg Gedeleen hatten uns die Ausbilderinnen gelehrt, dass wir am Hof als »Ladys« galten; tatsächlich so bezeichnet zu werden war dennoch eine eigenartige Erfahrung. Ich fühlte mich nicht wohl in meiner Haut. Es wäre mir lieber gewesen, ich hätte beim Herauftragen des Wassers mithelfen dürfen.

Dass sich Tränen in den Augen des Mädchens bildeten, erschütterte mich.

»Mitnichten«, erklärte ich daher schnell, »ich bin äußerst zufrieden; alles ist wunderbar. Legt mir das Badetuch einfach hier bereit. Den Rest schaffe ich ohne eure Hilfe.«

Mein Wunsch irritierte die fünf Mädchen erneut.

»Ihr wollt allein sein?«, fragte die größte der Frauen und betone dabei das Wort »allein«, als hätte ich eine unerhörte Bitte gestellt. »Schwester Mercedes trug uns auf, Euch ein Bad zu bereiten, Euch zu entkleiden, zu waschen und in frische Gewänder zu hüllen.«

Ich versuchte mir mein Unbehagen nicht anmerken zu lassen. Auf Burg Gedeleen hatten uns die Ausbilderinnen auf derartige Situationen vorbereitet. Der Unterricht über die »Sitten am Hof« hatte sich also ausgezahlt, war vielleicht sogar wichtiger gewesen als die zusätzlichen Kampfeinheiten, die ich freiwillig absolviert hatte.

Dennoch wollte ich unbedingt ein paar Minuten für mich sein, weshalb ich das auch einforderte. »Heute ziehe ich es vor, mein Bad ungestört zu genießen. Legt mir meine Gewänder bereit, dann dürft ihr euch, nachdem ihr mich entkleidet habt, zurückziehen.«

Da mein Wunsch diesmal keine kummervollen Blicke oder verwirrtes Stirnrunzeln zur Folge hatte, atmete ich erleichtert aus. Es war ein ungewohntes Gefühl, mich meiner Kleider nicht selbst zu entledigen. Erst ein Mal hatte mir jemand anderes die Stoffe vom Leib geschält.

Ich widerstand dem Drang, die fünf Mädchen doch noch vorzeitig aus meinem Gemach zu komplimentieren.

Alles verlief nach höfischer Sitte. Die Mädchen würden sich möglicherweise dennoch über mich die Münder zerreißen, aber das war mir egal. Ich hatte mir keinen üblen Fehltritt erlaubt, also gab es im Grunde nichts über mich zu berichten.

Tatsächlich hatten die fünf auch andere Gesprächsthemen, wie ich bemerkte, als mir zwei von ihnen beim Hineinsteigen in die Wanne halfen. Ich sank wohlig stöhnend in die dampfende Flüssigkeit und das heiße Wasser taute meine kalten Glieder auf. Ich schloss entspannt die Augen.

»Habt ihr Djana heut schon gesehen?«, fragte das hochgewachsene Mädchen. Ihre Stimme kannte ich bereits.

Abwertendes Schnauben erklang von allen Seiten. Der Duft von Rosenöl kitzelte mich in der Nase.

»Lady Kestrall hat sie auch schon gesucht«, verriet da das Mädchen, das ich zuvor beinahe zum Weinen gebracht hatte. Ihre hohe Tonlage hob sich deutlich von den Stimmen der anderen ab. »Sie drückt sich immer vor der Arbeit!«

Es gehörte sich nicht, doch ich musste schmunzeln. Tratschten diese Mädchen etwa neben einer Goldenen Schwester ungeniert über eine der ihren? Vielleicht wollten sie diese Djana bewusst in schlechtem Licht erscheinen lassen. Möglicherweise brachte es ja Vorteile, in der Gunst der Schwestern zu stehen. Andererseits konnte es genauso gut sein, dass ich einfach an fünf Schnatterweiber geraten war.

»Offenbar treibt sie sich mit ’nem feineren Herren herum«, zischte eine andere, während ich spürte, dass mir eines der Mädchen etwas ins Haar massierte. Der sanfte Druck auf meiner Kopfhaut fühlte sich so gut an, dass ich zufrieden seufzte. Ja, ich würde mich schnell an die höfischen Bräuche gewöhnen.

Dennoch bestand ich nach einer Weile erneut darauf, dass ich noch Zeit für mich brauchte. Ich behauptete, einigen privaten Gedanken nachhängen zu wollen.

Die fünf Mädchen legten mir Badetücher und eine frische Uniform bereit, knicksten brav und verließen mein Gemach.

Inzwischen war das Wasser zwar nicht mehr heiß, aber noch schön warm, weshalb ich abermals meinen Kopf untertauchte und genoss, wie die Flüssigkeit über meinem Gesicht zusammenschwappte. Dort, in diesem friedlichen Element, war ich ganz allein, nur für mich. Bis …

Ein dumpfes Geräusch störte die Ruhe in meiner Unterwasserwelt. Erschrocken fuhr ich hoch, spürte, wie mir das Haar klitschnass an der Haut klebte. Gerade als ich dachte, dass ich mir die Störung bloß eingebildet hatte, vernahm ich es noch mal ganz deutlich. Die Tür zwischen Badezimmer und Schlafraum war lediglich angelehnt und ich hörte ein verdächtiges Klicken: Irgendjemand versuchte sich Zutritt zu meinem Gemach zu verschaffen! Und diesmal waren es wohl keine hilfsbereiten Mädchen.

***

Verstört sprang ich aus der Wanne, schlang eines der Badetücher um meinen triefnassen Körper. Der Stoff sog sich sofort voll, da auch aus meinem langen Haar noch Sturzbäche aus nach Rosenöl duftendem Wasser rannen.

Als Nächstes griff ich unverzüglich nach meinem Schwert, das ich beim Entkleiden sicher neben dem Waffengürtel verstaut hatte. Erst jetzt ließ ich die Gefühle zu, die sich schon seit dem ersten Geräusch in mir aufgebaut hatten.

Ich spürte, wie meine Hände zitterten und mein Körper bebte. Vielleicht lag es daran, dass ich zu schnell aus dem warmen Wasser in die Kälte gestiegen war, aber mein wild klopfendes Herz wusste es besser. Frostige Angst war es, die gerade eine Gänsehaut auf meine Arme zauberte und ihre Hand in mein Genick legte.

Ich hörte, wie die Tür zu meinem Gemach aufgestoßen wurde, und hielt den Atem an.

»… wir nicht tun, Djana! Die … ähm … Goldene Schwester kann jeden Augenblick eintreffen!«

»Firlefanz. Wenn des so wär’, hätte Lady Mercedes bereits nach mir schicken lassen.«

Fassungslos lehnte ich mich gegen die Wand des Badezimmers, sodass mich die beiden Eindringlinge nicht sehen konnten. Auch ich erblickte sie nicht, erkannte an ihren Stimmen jedoch, dass es sich um einen Mann und eine Frau handelte.

Die weibliche Person war offenkundig diese verschollene Djana, von der die Mädchen vorhin gesprochen hatten. Also trieb sie sich tatsächlich mit einem Herrn herum. Weshalb aber drangen sie in das Gemach einer Goldenen Schwester ein?

Die straffen Fesseln der Sorge lockerten sich ein wenig. Offenbar handelte es sich bei den beiden um keine Meuchelmörder. Dennoch hielt ich weiterhin den Griff meines Schwerts fest umschlossen und überlegte, was ich tun konnte.

»Ich wollt’ schon immer in einem ihrer Betten … liegen, weißt’?!«, kicherte Djana in diesem Augenblick und ich vernahm, wie sie sich in die Kissen warf. »Komm her zu mir!«

Entsetzt riss ich die Augen auf. Diese Djana war eine wahrhaft unverschämte Person! Vielleicht lag ich falsch, aber ich vermutete, dass sie sich in meinem Bett mit diesem Herren vergnügen wollte. Eine solche Frechheit konnte ich nicht durchgehen lassen.

Ich hörte, dass sich die beiden leidenschaftlich küssten, und beschloss, dieses Stelldichein unverzüglich zu beenden. Die Königin sollte dann entscheiden, welche Strafe diese beiden hier für ihr Benehmen erhielten.