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Auch Weltstars können nicht über Wasser gehen. Sie haben den meisten von uns ihr großes Talent voraus, ansonsten müssen Sie mit den gleichen Schwächen, Schrullen oder Gefährdungen leben. Wilfried Schaus-Sahm hat als künstlerischer Leiter verschiedener Musikfestivals über 30 Jahre einige Größen des Musikgeschäfts kennengelernt und erzählt in humorvollen, auch tragischen Anekdoten von diesen Begegnungen. Das Buch schildert die oft heftigen Geburtswehen und die Fragilität großer Festivals. Es beschreibt ein Stück Duisburger Kulturgeschichte und zeigt anschaulich die Erfolge des Strukturwandels auf, die mit der Arbeit der Internationalen Bauausstellung (IBA) für die Montanstadt und das Ruhrgebiet erzielt wurden.
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Seitenzahl: 116
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Vorwort
Als die Musik „in Duisburg spielte“
Verfemter Ort, verrückte Idee
Der Schritt in den Park
Der Mann mit dem Wolfspelz
„I try to get nervous“
„Where are we landed here?“
„Accentuate The Positive“
„Time to stop now“
Feine Unterwäsche und ein arabischer Walzer
Saxophon Colossus
Fürst der Finsternis
„This is not a proper place for Mr. Jarrett.“
Tuesday Night in Duisburg
Eine musikalische Rasselbande aus Kuba
Risiko!
The Ambassador
Grappellis Geigenkasten
„Punch“
Happy Birthday,Mr. Surman!
Folklore-Ensemble-Jazz-Band-Blaskapellen Orchester-Chor
Der Joachim und der Joseph
Wiedersehen mit einem linken Quertreiber
Prinz Achmed im Bauhaus
Moon
Zehn für die Insel
Künstlerliste für Programmgestaltung
Für Christel und Till
Liebe Musikfreundin, lieber Musikfreund,
wir teilen die Leidenschaft für die Musik. Es kann sein, dass wir uns sogar bei einem der Konzerte, von denen hier berichtet wird, begegnet sind. Sie saßen im Publikum, ich arbeitete hinter den Kulissen. Die kleine Sammlung von Anekdoten entstand auf Wunsch einiger Leser auf Facebook, wo ich über die Jahre in loser Folge die ein oder andere Geschichte erzählt habe.
Vor mehr als einem halben Jahrhundert veränderten Schallplatten mein Leben. Nach den Alben der „Beatles“ war es vor allem „Bitches Brew“ von Miles Davis. Ein Mitschüler lieh es mir aus, weil er die Hoffnung hatte, dass ich etwas damit anfangen könne. Er hat mir damals neue Welten eröffnet und mich, ohne es zu wissen, maßgeblich beeinflusst. Es folgten unvergessliche Konzerterlebnisse zur Zeit meines Studiums in Freiburg. Ich konnte nicht ahnen, dass ich einige dieser Musiker als künstlerischer Leiter verschiedener Festivals und Konzertreihen Jahrzehnte später persönlich kennen lernen würde. Inzwischen habe ich über 300 Konzerte organisiert.
Durch den Besuch der großen europäischen Musikmessen und Festivals, die Zusammenarbeit mit den wichtigen Labels der Musikindustrie, die Kontakte zu Agenten, Kritikern und Journalisten ist ein weites Netzwerk entstanden, das notwendig ist, um für die Programmgestaltung auf der Höhe der Zeit zu sein.
Aber eigentlich hat sich nicht viel geändert, ich bin der leidenschaftliche Fan geblieben, der als Jugendlicher den anderen seine Schallplatten vorspielte, um seine Begeisterung mit jemandem zu teilen.
Einige der großen Musikerinnen und Musiker sind inzwischen verstorben, andere, wie der brasilianische Gitarrist Baden Powell oder der schwedische Pianist Esbjörn Svensson, starben kurz vor ihren vereinbarten Auftritten in Duisburg. Eindrucksvolle Persönlichkeiten lernte ich kennen, einige menschliche Enttäuschungen waren auch dabei.
Die hier versammelten Anekdoten zeugen von der ungebrochenen Faszination der Livemusik, sie erzählen von erfüllten und gescheiterten Träumen, sie werfen einen Blick auf die oft verschlungenen Pfade der Kulturpolitik, sie machen vor allem deutlich, dass ohne Enthusiasmus, teilweise Naivität, große Kulturereignisse nicht entstehen.
Dem Fotografen Volker Beushausen, der die Konzerte während der Traumzeit-Jahre dokumentiert hat, danke ich für seine bemerkenswerten Musikerporträts.
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre.
Wilfried Schaus-Sahm
Am 12. Oktober 1949 gründeten Jazz-Freunde einen „Hot Club Of Duisburg“. Musikdirektor Gerhard Adolph war dessen künstlerischer Leiter, Horst Wolf der Vorsitzende. Die Geschäftsleitung befand sich in der Wohnung von Schriftleiter Rolf Leers in der Prinz-Albrecht Straße 9. Nach den Jahren der Naziherrschaft und der Stigmatisierung des Jazz als „artfremde Musik“ schlug den Klängen und Rhythmen aus Amerika bei vielen Jugendlichen und Studenten eine heute unvorstellbare Begeisterung entgegen. Künstlerlokale und Jazzkeller mit Namen wie „Tabu“, „Bohème“ und „New Orleans“ schossen aus dem Boden. Der Jazz war Vehikel der Befreiung aus dem beengten gesellschaftlichen Klima der vergangenen Zeit und Sinnbild für Exotismus und Modernität. Begleitet wurde der Einzug des Jazz in das deutsche Konzertleben durch eine hitzige Kulturdebatte zwischen teilweise reaktionären Verwaltern des „abendländischen Kulturgutes“ und progressiven Künstlerinnen und Künstlern, Musikerinnen und Musikern, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
In der Erinnerung der Zeitzeugen hat in Duisburg vor allem das „Bohème“ deutliche Spuren hinterlassen.
Im Oktober 1953 eröffnete Gigi Campi in der Münzstraße eine Art Nachtklub für „Künstlerkellerjazz“. Campi, später Betreiber des Restaurants Campi“ im WDR-Funkhaus in Köln, war die zentrale Figur des Nachkriegsjazz in der Region. Er betrieb seit 1949 in der Domstadt zusammen mit seiner Mutter ein Eiscafé, das in Windeseile zum Zentrum des Jazzlebens avancierte. Pierluigi „Gigi“ Campi, 1928 in Köln geboren, hatte als Schüler und Mitglied einer antifaschistischen Gruppe in einem italienischen Jesuiteninternat die verbotene Musik heimlich unter der Decke gehört. Während seines Architekturstudiums und der Tätigkeit in der Mailänder „Avanti“-Redaktion wurde der glühende Verehrer der Musik Charlie Parkers mehr und mehr zum professionellen Jazz-Veranstalter.
In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich Campi neben Toni Fürth zum bedeutenden Impresario, der für viele amerikanische Jazzgrößen Tourneen organisierte. Dizzy Gillespie ließ es sich nicht nehmen, bei der Heirat von Gigi und Margot Campi als Trauzeuge dabei zu sein. Campis Lebenswerk ist vor allem aber mit den Anfängen eines eigenständigen deutschen Jazz verbunden. Er gründete 1954 das erste unabhängige europäische Schallplattenlabel, dessen Name „MOD“ programmatisch für modernen Jazz stand. Stilistisch orientierte er sich zu jener Zeit seit der Bekanntschaft mit den ersten Aufnahmen von Lenny Tristano am Cool Jazz.
Das „Bohème“ wird in einem Artikel des noch jungen „Jazz Podium“ folgendermaßen beschrieben:
„Eine undefinierbare Mischung aus moderner Kunstausstellung, Montmartre und exklusivem Nachtklub von eigenartigem Reiz.“
117 Plätze hatte der Club. Einer der beiden uniformierten Türsteher war der bekannte Boxer Oskar Bisold. Die Ausstattung hatte Campi selber entworfen. Duisburger Künstler sorgten für die Wandgemälde. Beim Eröffnungskonzert spielten die „Two Beat Stompers“ von Fatty George Dixieland und Cool Jazz. Das Spannungsverhältnis zwischen dem eher an Dixi und Swing orientierten Publikum und den Anhängern der Avantgarde trat aber schon bei den Auftritten von Hans Koller zu Tage. Das „Bohème“ hatte in der kurzen Zeit seiner Existenz von Oktober 1953 bis April 1954 unter Campus Regie riesigen Zulauf. Monatlich wurden 90.000 DM Umsatz erzielt. Campi hat nie öffentliche Gelder erhalten oder beantragt - auch nicht als man sie ihm in Köln später seitens der Kulturverwaltung für verschiedene Projekte aufdrängen wollte. Er war stolz darauf, dass seine Konzepte sich immer selbst getragen haben.
„Künstlerjazzkeller“. Zeichnung von Jutta Hipp. Sammlung Heinz te Poehl
Das Publikum des „Bohème“ teilte Campi in drei Hauptgruppen: Erstens Studenten, die ein vergleichbares Flair wie in dem berühmten Pariser Existenzialisten-Club „Tabou“ suchten, in dem Juliette Gréco ihre Karriere startete. Zweitens Familien guter Herkunft. Drittens Publikum aus Düsseldorf, denn zu der Zeit „spielte die Musik in Duisburg!“ Der damalige Oberstadtdirektor Gustav Klimpel war häufiger Gast. Firmenmanager luden Geschäftsfreunde ins „Bohème“. Die Stadt Duisburg schmückte sich mit dem Jazzclub. Zu Campis Konzept gehörte es, dass die Bands die Aufgabe hatten, die Menschen ins Schwitzen zu bringen. Einen Grund, weshalb der Jazz später sein weibliches Publikum verloren habe, sah Campi darin, dass man nicht mehr dazu tanzen konnte. Mittwochs wurde sogar ein Tanzwettbewerb um den Preis einer Flasche Sekt veranstaltet. Der Duisburger Jazz-Enthusiast Heinz te Poehl leitete damals die Jury. Er war schon in Amsterdam mit der Musik von Coleman Hawkins bekannt geworden und wurde nach seiner Umsiedlung einer der feurigsten Mitarbeiter des „Bohème“. Als kostbarstes Souvenir jener Zeit hing in seiner Wohnung ein Saxophon, das Hans Koller auf der Weltausstellung in Brüssel 1958 bei einem Auftritt mit Benny Goodman gespielt hatte.
Im „Bohème“, links Heinz te Poehl. Sammlung Heinz te Poehl
Die junge Pianistin Jutta Hipp wurde im „Bohème“ durch den bedeutenden amerikanischen Jazzkritiker Leonard Feather entdeckt, der sie überredete, in die USA auszuwandern. Te Poehl war als Kunsthändler recht vermögend geworden und bezahlte den Flug. Zum Dank schenkte ihm die talentierte Grafikerin einige Zeichnungen, die ebenfalls zu den Schätzen von Heinz te Poehl gehörten.
Feather schrieb anlässlich des Auftritts von Jutta Hipp in Duisburg:
„Finding her was a problem, but on reaching Düsseldorf we learned that she was leading her own quintet in Duisburg (…) As we entered a crowded cellar club in Duisburg, music floated up to our ears that we could hardly believe was the work of five Germans (…) To encounter the finest European Jazz we had discovered thus far, played in a country that had been deprived oft the sight and sound of real jazz during so many years of Nazism and war – this was incredible.“ (Leonard Feather: The Jazz Years – Earwitness To An Era, London 1986, S. 127 ff)
Jutta Hipp wurde in den USA als „Europe´s First Lady Of Jazz“ angepriesen, sie produzierte in den Staaten Schallplattenaufnahmen, musste jedoch nach einiger Zeit von Attila Zoller finanziell unterstützt werden, der ebenfalls in die USA gegangen war und mit Werbung für eine Gitarrenfirma gutes Geld verdient hatte.
Der blutjunge Jazzer Klaus Doldinger, der im benachbarten Düsseldorf wohnte, hatte in Duisburg seine ersten Auftritte, als er im „Bohème“ bei „Hans Kolllers New Jazz Stars“ und der „Werner Giertz Combo“ einstieg. Später spielte Doldinger dann mit den „Feetwarmers“ im „Europa Palast“. Amerikanische Größen wie Buddy DeFranco und Red Norvo waren im „Bohème“ zu Gast. Gigi Campi erzählte mir die schockierende Anekdote, dass Billy Holiday über eine Feuerwehrleiter aus dem Hotelzimmer im Düsseldorfer „Breitenbacher Hof“ geflohen sei, um im „Bohème“ zu singen. Ihr Mann, ein berüchtigter Schläger, hatte sie eingesperrt. Er verprügelte sie nach dem Auftritt, so dass sie am folgenden Tag bei dem Kölner Konzert mit einer Sonnenbrille auf die Bühne kommen musste, um ihre Blutergüsse zu verbergen. Sie eröffnete den Abend mit dem Song „ I love my man“.
(Billie Holiday und William Dufty: Lady Sings The Blues, Harrisburgh / Virginia, S. 176)
Nach nur sechs Monaten und täglicher Arbeit bis in die frühen Morgenstunden gab Campi trotz des finanziell großen Erfolgs auf: Der Stress war nicht mehr zu bewältigen. Er verkaufte an den Gastronomen Theodor Bollwan, der glaubte, mit dem eingekauften Image des „Bohème“ eine Goldgrube gefunden zu haben und nach Goldgräbermanier weitere Clubs gleichen Namens in Aachen und Wuppertal aufmachte. Nachdem sein geliebtes „Bohème“ wieder geschlossen war, versuchte Heinz te Poehl zusammen mit seinem Freund Joe Hinsche eine Art Nachfolgeeinrichtung, den „Modern Jazz Club“ aufzuziehen. Hier traf sich für eine kurze Zeit zwar ein Fachpublikum, doch das Gros wanderte zum „Doktor Jazz“ nach Düsseldorf ab.
Eine enge Kooperation des „Bohème“ ergab sich mit dem „Europa Palast“, einem großen Kino auf der Düsseldorfer Straße, das Hans Eckelkamp gehörte. Die Unternehmerkarriere von Eckelkamp begann 1948 nach Erhards Währungsreform.
Ein Münsteraner Schuhfabrikant hatte 40.000 Holzsandalen gehortet, die er „nach der Währung“ mit Reingewinn für zwei DM verkaufte. Für 40.000 DM erstand er ein Grundstück des Vaters von Hans Eckelkamp, der wiederum von dem Kaufpreis das halb zerstörte „Deli-Kino“ in Duisburg Neudorf erwarb. Es folgte zusätzlich das „Rialto“ und schon bald lockte die Innenstadt.
An der Düsseldorfer Straße, die bis zum Kantpark eine einzige Ruinenreihe darstellte, entstand dann 1954 für die damals immense Summe von 400.000 DM ein Objekt mit Warenhaus, zwei Kinos, Restaurant und Wohnungen, um dessen Realisierung fünf Architekten wetteiferten. Paul Bode aus Kassel entwarf schließlich den vielleicht schönsten Kinosaal Deutschlands mit 1200 Sitzplätzen, ein wahrer Kino-Palast.
Für Eckelkamp lag es nahe, den prachtvollen Saal auch zu bespielen, zumal die Mercatorhalle noch nicht gebaut war. Als Jazzfreund und Stammgast des „Bohème“ konzipierte er das Programm seines Kinosaals in zwei Strängen. Der erste Strang war die direkte Kooperation mit dem Jazzclub. Er holte die Musiker aus dem Künstlerjazzkeller auf die große Bühne des Kinotheaters vor ein Konzertpublikum, was im Übrigen Gigi Campis Anliegen entsprach, der Jazzmusik Respekt zu verschaffen. Vor 400 bis 800 Zuschauern spielten Albert Mangelsdorff, Michael Naura, der blinde Blues Sänger Wolfgang Sauer, Hans Koller, Fatty George, die „Dutch Swing College Band“ u.a.
Als zweiten Strang stellte Eckelkamp mit den großen Konzertveranstaltern in jener Zeit jeweils donnerstags ein breit gefächertes Angebot zusammen. Es reichte von Ballettvorstellungen über Schlagerabende mit Fred Bertelsmann oder Gerhard Wendland, Filmpremieren mit dem Duisburger Opernsänger Rudolf Schock, Rockveranstaltung mit Herman Brood bis zu regelmäßigen Kabarettabenden des Düsseldorfer „Kommödchen“.
Im Rahmen dieses Highlight-Programms traten im „Europa Palast“ die Jazzstars Oscar Peterson, Ella Fitzgerald, Sidney Bechet, das „Modern Jazz Quartet“, Buck Clayton, Buddy Tate, Jimmy Rushing, Lee Konitz, Jacques Loussier u.a. auf.
Lee Konitz im „Europa Palast Foto © Sammlung Heinz te Poehl
Hans Eckelkamp war zwischenzeitlich erfolgreich mit seiner Firma „Atlas“ in das Kino-Verleihgeschäft eingestiegen, hatte mit Ingmar Bergmanns „Schweigen“ finanziellen Erfolg und gewann durch die Produktion verschiedener Fassbinder-Filme auch künstlerisch hohes Ansehen. Dennoch mehrten sich 1966 die Verleihverluste so sehr, dass er seine Kinos verkaufen musste. Die Ära „Europa“ war beendet. Das Kino wurde von den neuen Erwerbern rigoros zerstückelt.
Soweit im Zeitraffer die „Frühgeschichte“ des Jazz in Duisburg bis zur Mitte der sechziger Jahre, wie sie mir Heinz te Poehl, Mitarbeiter im „Bohéme“ und Gigi Campi erzählt haben, als ich 1996 für einen Aufsatz im Buch „Jazz in Nordrhein-Westfalen“ (Emons-Verlag) recherchierte.
Heinz te Poehl starb kurze Zeit nach unserem Interview. Gigi Campi verließ uns 2010.
In den Folgejahren organisierten verschiedene Enthusiasten wie Ferdy Brockerhoff und Bernd Albani verdienstvolle Konzertreihen, aber die große Zeit des Jazz war in Duisburg vorüber. Erstaunlich, weil gerade in den siebziger und achtziger Jahren der aktuelle Jazz in NRW die längst überfällige Anerkennung erhielt und international beachtete Festivals in Leverkusen, Moers, Köln, Münster, Bochum entstanden. Städtische Kulturämter bezogen Jazz in ihre Konzepte freier Kulturarbeit ein.
An Duisburg ging diese Entwicklung weitgehend spurlos vorüber. Es mag daran gelegen haben, dass der WDR damals seine Lokal-Studios an anderen Orten aufbaute, ein weiterer Grund dürfte aber die Kulturpolitik der Stadt gewesen sein, die von 1976 bis 1992 durch den Kulturdezernenten Dr. Konrad Schilling bestimmt wurde. Weil der Jazz nicht in den Kanon der etablierten Kultur übernommen wurde, sondern als Zwitter zwischen Kunst und Unterhaltungsmusik lange Zeit ein Leben jenseits der städtischen Kulturangebote führte, war er auf das Engagement von Privatpersonen angewiesen.
In einem damals verfemten Duisburger Stadtteil gründeten 1990 fünf Verrückte auf meine Anregung hin und aus einer Laune heraus einen Jazz-Verein. Spielort war das städtische Bürgerhaus Hagenshof. Die Begegnungsstätte mit einem akustisch ausgezeichneten Veranstaltungssaal war eine Art Entschuldigung der Stadt für die genehmigten Bausünden der 70er-Jahre. Hier in Obermeiderich entstand eine Trabanten-Hochhaussiedlung, die recht bald zum sozialen Brennpunkt wurde. Das Bürgerhaus hatte das unerklärte Ziel, die Konflikte aufzufangen.