Großstadtflüstern - Karin Joachim - E-Book

Großstadtflüstern E-Book

Karin Joachim

0,0

Beschreibung

Köln 1927. Hin- und hergerissen zwischen Familie und den glänzenden Verlockungen der Reichshauptstadt fiebert Karolina Offermann ihrer Volljährigkeit entgegen. In Berlin lernt sie berühmte Schauspieler und Regisseure kennen und wähnt sich am Ziel ihrer Träume. Doch als die Polizei den Tod ihrer Mutter neu aufrollt, rückt Karolinas glanzvolles Leben als Filmstar in den Hintergrund. Während die Ermittlungen Unglaubliches zutage bringen, droht sie auch noch die Liebe ihres Lebens zu verlieren …

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 458

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Karin Joachim

Großstadtflüstern

Kriminalroman

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt

Immer informiert

Spannung pur – mit unserem Newsletter informieren wir Sie

regelmäßig über Wissenswertes aus unserer Bücherwelt.

Gefällt mir!

 

Facebook: @Gmeiner.Verlag

Instagram: @gmeinerverlag

Twitter: @GmeinerVerlag

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2020 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2020

Lektorat: Sven Lang

Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © ullstein bild – Hedda Walther; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bismarck_eml%C3%A9km%C5%B1,_balra_a_Gy%C5%91zelmi_oszlop_(Siegess%C3%A4ule)._Fortepan_12152.jpg

ISBN 978-3-8392-6596-3

Fiktive Personen

Karolina Offermann alias Lia Caroll

Fabrikantentochter

Carl Anton Offermann

Karolinas Vater

Helene Offermann, geb. Leyendecker

Ihre verstorbene Mutter

Arnold Offermann

Ihr Bruder

Carl Anton Offermann senior

Ihr Großvater väterlicherseits

Hubertine Offermann, geb. Brassert

Ihre Großmutter väterlicherseits

Hedwig Schmitz

Hausangestellte

Alexander Wolf

Karolinas Halbbruder

Nadia Wolkowa

Alexanders Mutter, Tante Olgas Schwester

Felix Leyendecker

Karolinas Cousin

Johann Leyendecker

Ihr Onkel, Bruder der Mutter. Inhaber der Kölner Buchhandlung

Olga Leyendecker

Ihre Tante, Frau von Johann Leyendecker

Heinrich Leyendecker

Ihr Großvater mütterlicherseits

Ruth Leyendecker, geb. Voss

Ihre Großmutter mütterlicherseits

Ingrid Pflückbaum

Karolinas Freundin

Gertrud Mesenich

Eine weitere Freundin, Bankierstochter

Metha Bär

Frau des Kaufhausbesitzers

Jakob Bär

Kaufhausbesitzer aus Köln

Paula Poll

Schauspielerin und Schauspiellehrerin

Margot Künstle

Verstorbene Sekretärin

Rudolf Thelen

Sohn des Teppichfabrikanten Otto Thelen, Drehbuchautor

Ludwig Mönke

Freund von Onkel Johann

Käte Frings

Hotelinhaberin in Berlin

Vicki

Freundin von Karolinas Bruder Arnold

Edith Kamincke

Pensionswirtin im Grunewald

Rosanna de la Torre

Frauenrechtlerin

Dr. Christoph Adomeit

Berliner Arzt

Josef Feiler

Kölner Kriminalkommissar

Kuno Schmitz

Kriminalkommissar Anwärter

Cord Petersen

Volontär bei einer Filmfirma

Hermann Beyerlein

Berliner Kriminalkommissar

Hugo Raue

Berliner Polizist

Nancy Boyle

Karolinas Englischlehrerin

Adalbert von Bonsen

Filmproduzent, Aktionär bei der Ufa

Maria Schwericke

Hausangestellte bei Adalbert von Bonsen

Karl Gutschmit

Schauspieler

Sophie Seifert

Schauspielerin

Historische Personen

Henny Porten: Schauspielerin (1890–1960)

Arthur Bredow: Aufnahmeleiter (1876–?)

Rolf Randolf: Regisseur (1878–1941)

Henry Stuart: Schauspieler (1885–1942)

Hanni Weisse: Schauspielerin (1892–1967)

Otto Bauknecht: Kölner Polizeipräsident (1876–1961)

Billie Wilder (später: Billy): Reporter, Drehbuchautor, Filmregisseur (1906–2002)

Elsbeth Gropp: Kölner Fotografin (1885–1974)

Rudolf Walther-Fein: Produktionsleiter der Aafa (1875–1933)

Max Reinhardt: Theaterregisseur und Intendant (1873–1943)

Betty Stern: Salondame (1890–1942)

Paul Morgan: Schauspieler (1886–1938)

Jenny Jugo: Schauspielerin (1904–2001)

Marlene Dietrich: Schauspielerin (1901–1992)

Lilian Harvey: Schauspielerin (1906–1968)

Harry Liedtke: Schauspieler (1882–1945)

Prolog

Wahrhaft trefflich schrieb Charlie Chaplin über die Menschenkenntnis. Den Artikel entdeckte ich vor über zwei Jahren in der »Berliner Illustrirten«, während ich krank im Bett des Hotels Rheinland in der Fasanenstraße lag. Wären Dr. Adomeit und Käte Frings mit ihrer Fürsorge und ihrer Hühnersuppe nicht gewesen, wer weiß, ob ich überlebt hätte. Hühnersuppen waren in der Vergangenheit immer schon dazu auserkoren, mir neuen Lebensmut zu verleihen. Nichts erwärmt so sehr meine Seele und kräftigt so nachhaltig meinen Leib wie eine Hühnersuppe. Kein Wunder, dass mich der Gedanke an diese Stärkung nicht mehr loslässt, habe ich doch seit Ewigkeiten nichts mehr zu mir genommen. Nichts, außer einigen Tassen heißen Tees. Das Rattern des Schnellzugs auf dem Weg nach Bremen, den ich in Berlin bestieg – nach einer durchwachten Nacht am Lehrter Bahnhof –, lässt mich schläfrig werden. Tock, tock, tock, tock … Wie ein Sekundenzeiger, der sich immer weiterbewegt und mir den Lauf der Zeit verdeutlicht. Obwohl ich mich meinem Ziel unermüdlich nähere, so bleibt doch ungewiss, ob ich es rechtzeitig erreichen werde. Diesem Gemisch aus Aufregung und Schläfrigkeit ist es zu schulden, dass ich es versäumte, mir heute Morgen etwas zu essen zu bestellen. Nun sitze ich in diesem Vorortzug nach Bremerhaven, dem kein Restaurantabteil angekoppelt ist, jedenfalls habe ich beim Einsteigen keines ausmachen können. Minuten werden nun zu Stunden.

Der Gedanke, dass ich zu spät sein werde, kriecht in jede Pore meines Körpers. Ich kann mich vor Ungeduld kaum noch auf dem Sitz halten. Habe ich zu spät begriffen, dass mir meine Menschenkenntnis zwischenzeitlich abhandengekommen ist? Wie blind war ich doch während der letzten Jahre, wie ignorant gegenüber dem, was im Leben wirklich zählt. Ist es so? Muss ich beruflichen Erfolg und persönliches Glück in die Waagschale werfen, in den Boxring schicken? Im Augenblick würde ich für meine Liebe alles aufgeben, aber wäre ich dann noch dieselbe Person? Vermutlich nicht. Und dennoch möchte ich den Versuch unternehmen, den größten Fehler meines Lebens wiedergutzumachen. Zumindest mit ihm zu reden, mit jenem Mann, der offensichtlich dazu bestimmt ist, meine Zukunft zu sein.

Zu ihm bin ich unterwegs und hoffe, dass mich dieser ratternde Zug noch rechtzeitig ans Meer bringt.

Noch zehn Kilometer seien es bis zum Columbusbahnhof, flüsterte mir der Schaffner vor wenigen Minuten zu, als er an meinem Abteil vorbeikam. Davor hatte ich ihn bereits mehrere Male gefragt, wann wir denn endlich da sein würden. Ich greife nach meiner Tasche, in der nicht viel enthalten ist, außer einigen Utensilien, die ich für eine Übernachtung benötigen werde. Denn, was immer geschieht, eines ist sicher, heute Nacht werde ich nicht mehr nach Berlin zurückkehren. Werde ich es jemals tun? Dieser Gedanke kann nur einem Tagtraum entspringen. In den Abteilen nebenan herrscht Aufbruchsstimmung, der Korridor füllt sich nach und nach mit Leben. Ich möchte unter den Ersten sein, die den Zug verlassen. So werfe ich der Dame, die mir gegenübersitzt, einen stillen Gruß zu und verlasse eilig das Abteil, um mich zu den Türen vorzuarbeiten. Doch das ist gar nicht so einfach. Hier versperren kleinere und größere Koffer den Weg, Kinder halten ihre geliebte Puppe fest in der einen Hand, während sie mit der anderen die ihrer Mutter umklammern. Ich möchte nicht drängeln, nichts liegt mir ferner, doch ich halte die Anspannung kaum noch aus. Was erwarte ich mir eigentlich von diesem Ausflug? Eine Beruhigung, dass ich alles versucht habe, mein Leben doch noch herumzureißen? Als Zeichen, dass ich mein Versagen erkannt und eingesehen habe? Zu den Türen ist einfach kein Durchkommen. Ob alle noch auf die »Bremen« wollen? Ich kann es mir beinahe nicht vorstellen, hieß es doch, das Schiff lege am frühen Nachmittag ab. Wenn sie es schaffen, dann schaffe ich es vielleicht ebenso. Was eigentlich? Niemand wird mich ohne Fahrschein aufs Schiff lassen. Ausgebucht sei die Passage ohnehin, versicherte man mir im Reisebüro in Berlin, als ich mich nach den Abfahrtzeiten erkundigte. Ich versuche, an den Köpfen der Menschen vorbei aus einem der Fenster zu blicken. Jetzt fährt der Zug eine Kurve und wir steuern geradewegs auf das neue Bahnhofsgebäude zu. Rechts von uns muss das Meer sein, also blicke ich dorthin und erkenne die Schornsteine des Ozeanriesen, die bereits unter Dampf stehen. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen und setzt einige Male ganz aus, um dann mit einem kräftigen Schlag wieder weiter zu arbeiten.

Kaum kommen die Räder der Eisenbahn zum Stillstand, spült mich die Menge auf den Bahnsteig.

Köln, Freitag, 26. August 1927

Einige Minuten vor elf Uhr setzte sich der Zug in Bewegung und verließ schnaufend den Kölner Hauptbahnhof. An den Gleisen ging es zwar betriebsam zu, doch Karolina hatte diesen Ort am Fuße des Kölner Doms, an dem Reisende eintrafen und von dem sie aufbrachen, schon wesentlich lauter und aufgeregter erlebt. Diesen Umstand führte sie auf die Wetterkapriolen der vergangenen Tage zurück, die viele Menschen vermutlich davon abgehalten hatten, jetzt noch zu verreisen, wenn sie nicht schon längst in südlicheren Gefilden weilten. Doch Karolinas Reise führte sie woandershin. Als die Eisenbahn anfuhr, sprang Karolina ganz automatisch auf und drückte ihre Nase gegen die Fensterscheibe. Nur wenige schwenkten zum Abschied ihre Taschentücher. Niemand, den sie kannte. Ihr wehmütiger Blick galt dem Kölner Dom. Sie wusste, dass die Gelegenheit gerade jetzt sehr günstig war, denn der Zug fuhr eine große Kurve. Wie auf ein geheimes Zeichen hin schob sich die Sonne durch den wolkenverhangenen Himmel. Sofort begann der Hochchor wie von einem Scheinwerfer angestrahlt zu leuchten. Doch wenige Sekunden später hatte sich die Sonne wieder hinter den Wolken versteckt, gerade als die Eisenbahn die Hohenzollernbrücke überquerte. Der Rhein hatte eine graue Farbe angenommen, die Ausflugsdampfer tuckerten gemächlich auf dem Wasser, jedoch mangelte es auf den Decks an ihrer wichtigsten Fracht, den Ausflüglern. Ein merkwürdiger Sommer, dachte Karolina bei sich. Ein merkwürdiges Leben, das ich lebe. Noch zu Beginn des Monats hatte es so ausgesehen, als ob sie bald schon an der Seite der berühmten Filmschauspielerin Henny Porten in einem Filmatelier stehen würde. Doch das Telegramm, das während ihrer Rekonvaleszenz eingetroffen war und dessen Inhalt sie derart beflügelt hatte, dass ihr Bein immer weniger schmerzte, hatte sie mittlerweile in den Papierkorb geworfen. Der Traum war so schnell geplatzt wie eine Seifenblase im Sommerwind. Es sei nur eine Formalie, hatte ihr Henny Porten ausrichten lassen, dennoch benötigte sie für die Vorbereitung des Vertrages eine Bescheinigung von Karolinas gesundheitlicher Eignung für die Dreharbeiten. Brachte sie für dieses Ansinnen durchaus Verständnis auf, wusste Karolina doch, wie anstrengend sich die Tage in den Filmateliers gestalteten, angefangen von den langen Sitzungen im Schminkraum, über die Wartezeiten, wenn die Szene, in der man mitwirkte, noch nicht dran war, bis hin zum eigentlichen Spiel vor der Kamera. Hinzu kamen mitunter schlecht gelaunte Regisseure und Aufnahmeleiter, der Krach und die Hitze in den Studios. Doch Karolina war felsenfest davon überzeugt gewesen, dass sie diese Herausforderung würde meistern können. Hatte sie nach der verunglückten Landung auf dem Flughafen Butzweilerhof im Mai nicht fantastische Fortschritte gemacht? Als sie sich nach der körperlichen Untersuchung vor den Schreibtisch des alten Hausarztes der Familie Offermann gesetzt hatte, sah sie ihm an seiner ernsten Miene an, dass es Komplikationen geben würde. »Alles heilt erwartungsgemäß«, hatte Dr. Krumbholz mit tiefer Stimme gesagt, und Karolina wollte schon innerlich jubilieren. Doch dann kam das Aber. »Ihre physische Verfassung bereitet mir wenig Grund zur Sorge, jedoch ihre seelische, Fräulein Offermann. Sehen Sie, es ist noch nicht lange her, dass Sie Ihre Mutter zu Grabe tragen mussten. Die Vorkommnisse in Ihrem Daheim«, er hatte sich auffallend lange geräuspert, bevor er fortfuhr. »Nun, und dann noch der Tod des Piloten, die schockierenden Erlebnisse auf dem Flughafen. Dies alles veranlasst mich dazu, Ihnen die benötigte Einwilligung nicht aushändigen zu können.«

»Das bedeutet, dass ich keinen Vertrag für den Film bekomme«, hatte Karolina geantwortet, während ihr Tränen in die Augen stiegen.

»Ja, das bedeutet es. Ich werde Ihren Vater darüber informieren, da Sie noch nicht großjährig sind, wertes Fräulein.« In mehr als einem Monat wäre sie es endlich. Doch das würde in dem Fall auch nichts ändern, denn Henny Porten, die berühmte Schauspielerin und Inhaberin einer Filmproduktionsgesellschaft, würde das Gutachten sehen wollen.

»Wann?«, fragte Karolina unter Tränen.

»Sie meinen, wann ich Ihnen ein positives Gutachten ausstellen kann? Sehen Sie, wir wissen noch gar nicht, wie Sie das Erlebte verkraften, welche Spätfolgen sich ergeben«, antwortete Dr. Gottlob Krumbholz mit sorgenvoller Miene.

Karolina hatte für einen Augenblick die ehrliche Sorge aus seinen Worten herausgehört, doch dann sagte er etwas, das sie richtiggehend wütend werden ließ, und nur ihre gute Erziehung hatte sie davon abgehalten, laut zu werden.

»Fräulein Offermann, überlegen Sie es sich gut, ob Sie sich mit derlei Subjekten umgeben möchten.« Dieser Satz an sich stellte bereits eine Ungeheuerlichkeit dar, aber diesen Begriff in einem Atemzug mit der Starschauspielerin und geschätzten Filmproduzentin Henny Porten zu benutzen, war in Karolinas Augen schlichtweg ein Affront.

Auf dem Nachhauseweg hatte Karolina ihren Tränen freien Lauf gelassen. Tränen der Wut und der Enttäuschung rannen über ihr Gesicht. Sie hatte vorgehabt, zu Fuß nach Hause zu laufen, doch plötzlich begann ihr Bein wieder zu schmerzen, was es immer tat, wenn sie sich aufregte. So blieb ihr nichts anderes übrig, als eine Kraftdroschke herbeizurufen, die sie zur Villa des Möbelfabrikanten Carl Anton Offermann in der Kirschallee im Kölner Süden brachte. Wortlos war sie an der besorgten Hedwig, der Hausangestellten ihres Vaters, vorbei ins Haus gelaufen, wo sie sich für Stunden in ihr Zimmer einschloss und niemanden hatte sehen oder sprechen wollen. An allem war nur diese Person schuld, diese Margot. Wegen der Sekretärin ihres Vaters, die zu diesem Zeitpunkt schon längst nicht mehr seine Angestellte, sondern die Frau an seiner Seite war, hatte Karolina im Mai Hals über Kopf aus Berlin abreisen müssen, um ihrem Vater beizustehen, der mit den ganzen Verwicklungen offensichtlich nicht fertigwurde. Zuerst starb seine Frau, Karolinas geliebte Mutter, unter mysteriösen Umständen, dann sprang Margot Künstle von der Brücke, weil sie angab, den Tod von Helene Offermann verschuldet zu haben. Aber was heißt hier verschuldet? So harmlos war alles nicht abgelaufen, schließlich handelte es sich um keinen Unfall. Vielmehr hatte sie schriftlich gestanden, Karolinas Mutter vergiftet zu haben. Warum nur hatte Karolina an jenem Tag, als ihr Bruder Arnold sie im Filmatelier in Tempelhof aufgesucht und gebeten hatte, nach Hause zu kommen, nicht einfach bis zum nächsten Morgen gewartet? Warum hatte sie nicht in Ruhe die Heimreise angetreten? Oder einen Linienflug genommen? Auch wenn Linienflüge ebenfalls ein Risiko darstellten. Die Zeitungen ließen keinen Zweifel daran. Immer wieder las sie darin über Flugzeugunglücke. Mal mit glimpflichem Ausgang, oft jedoch gab es Verletzte oder sogar Tote. Nichts war vollkommen sicher in dieser Welt.

Wie hatte sie sich doch gefreut, als Arnold ihr bei seinem Besuch berichtet hatte, dass ihr Vater sie wiedersehen wollte, nachdem er sie zuvor regelrecht verstoßen hatte.

Karolinas neues Leben, das so verheißungsvoll begonnen hatte, kam ihr wie ein Trugbild vor. Niemand drang zu ihr durch, noch nicht einmal ihr guter Freund Rudolf, der sie hin und wieder anrief. Den Sohn des Kölner Teppichfabrikanten Otto Thelen hatte Karolinas Vater als ihren Bräutigam ausgesucht, lange bevor sie selbst überhaupt etwas davon erfahren hatte. Carl Anton Offermann war darüber auch mit Karolinas Mutter Helene in Streit geraten, da sie die überkommenen Ansichten ihres Ehemannes nicht teilte. Zumindest in dieser Hinsicht. Auch dass es lange in ihren Kreisen üblich gewesen war, das Geschäftliche mit dem Privaten zu verbinden, ließ Helene Offermann nicht als Argument gelten. Nachdem Karolina eher durch Zufall von dem Vorhaben ihres Vaters erfahren hatte, war für sie, die von einem freien Leben als Schauspielerin geträumt hatte, eine Welt zusammengebrochen. Als sie Rudolf jedoch eines Tages im Kölner Stadtpark kennengelernt hatte, war ihr Widerstand gegen diesen Mann und die Pläne ihres Vaters rasch gebrochen. Damals war Rudolf mit ihrer Freundin Gertrud ausgegangen. Gertrud entsprach dem Bild der verwöhnten Tochter aus sehr gutem Hause. Der angesehene Bankier Mesenich lebte mit seiner Familie ebenfalls im Kölner Vorort Marienburg, in dem sich eine Villa an die nächste reihte. »Komm nach Berlin. Wir finden etwas für dich, das dich zufriedenstellt«, hatte Rudolf, mit dem sie sich angefreundet hatte und von dem sie wusste, dass er an Gertrud als Frau keineswegs interessiert war, gleich mehrfach vorgeschlagen. Doch sie fand immer wieder Gründe, dankend abzulehnen. Fadenscheinige Gründe, wie sie selbst am besten wusste, denn sie konnte seine Fürsorge nicht richtig einschätzen. Karolina blieb misstrauisch. Obwohl ihr Vater den Plan aufgegeben hatte, ihren Ehemann für sie zu bestimmen, konnte sie daran nicht so recht glauben. Möglicherweise existierte doch ein heimliches Abkommen zwischen Rudolf Thelen und Karolinas Vater. Dabei hatte sie noch nicht einmal Kenntnis davon, ob Rudolf überhaupt in das Vorhaben ihres Vaters eingeweiht war, es guthieß oder sie womöglich gar nicht hätte heiraten wollen, wenn er vor die Wahl gestellt worden wäre. Es war alles zu verwirrend. Erschwerend kam hinzu, dass Karolina mittlerweile immer wieder einmal ein leichtes Kribbeln in der Magengegend verspürte, wenn sie an Rudolf dachte. Oder ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand. Wenn sie ehrlich gegenüber sich selbst wäre, dann müsste sie zugeben, dass ihr Vater offensichtlich doch in der Lage war, in ihr Herz zu schauen. Sie musste an den innigen Moment auf dem Aussichtsplateau des Kölner Doms denken, als sie sich ihrem Vater so nah gefühlt hatte wie später nie mehr. Zwischenzeitlich hatte sie ihn wegen seiner Strenge und seinem Unwillen, ihr als Frau dieselben Rechte wie einem Mann, etwa ihrem Bruder Arnold, zuzugestehen, regelrecht gehasst. Heute musste sie zumindest sich selbst gegenüber zugeben, dass die Worte des Hausarztes der Familie doch ein Quäntchen Wahrheit enthielten: Ihre Seele befand sich in Aufruhr. Manchmal kannte sie sich selbst nicht mehr.

Sie hatte früher schon einen Hang dazu gehabt, recht zögerlich in ihren Entscheidungen zu sein, was in Anbetracht der Tatsache, dass sie genau wusste, was sie vom Leben erwartete, doch recht unverständlich war. Lag es an einem Fehler ihres Charakters oder an der Angst, von ihrem Vater gemaßregelt und gescholten zu werden? Dabei fiel ihr ein, dass ihr Vater selbst eine deutliche Launenhaftigkeit an den Tag legte. Also gar ein erblicher Charakterzug? Wie dem auch sei. Karolina hatte sich schwergetan und sich erst vorgestern dazu entschlossen, die Einladung von Metha Bär nach Berlin anzunehmen. Metha Bär, die Ehefrau des Kaufhausbesitzers und ihre Komplizin bei den heimlichen Schauspielstunden, die ihr Paula Poll im Hause Bär erteilt hatte, besaß Premierenkarten für die Berliner Aufführung des Films »Der Bettler vom Kölner Dom«, jenem Film, für dessen Außenaufnahmen Karolina im vergangenen Jahr den Aufnahmeleiter und einige der Schauspieler in Köln persönlich kennengelernt hatte. Wie üblich flog Metha Bär nach Berlin, doch ein Flugzeug konnte Karolina vorerst beim besten Willen nicht besteigen. Wenn sie nur ans Fliegen dachte, kamen sofort die Bilder des Absturzes zurück. Die Sekunden vor und nach dem Aufprall liefen vor ihrem geistigen Auge wie ein Film ab.

»Karo, setz dich doch endlich«, holte sie die Stimme ihrer Freundin Gertrud zurück in die Gegenwart. Gertrud klopfte mit ihrer flachen Hand auf den Platz neben sich direkt am Fenster. Karolina knöpfte ihren Sommermantel auf und hängte ihn an einen Haken neben der Tür. Sie waren alleine im Abteil der ersten Klasse.

»Wie lange dauert die Fahrt noch mal?«, fragte Gertrud. Ihr war anzumerken, dass sie diese Reise nur Karolina zuliebe antrat. Niemand hatte sie jedoch dazu gezwungen mitzukommen.

»Neun Stunden werden es laut Fahrplan wohl sein, bis wir in Berlin eintreffen«, antwortete Karolina ruhig. Doch innerlich rumorte es in ihr, hatte ihre Freundin es mittlerweile geschafft, ihr ein schlechtes Gewissen zu bereiten. Während sie Köln hinter sich ließen, versuchte sich Karolina an die Umstände zu erinnern, die dazu geführt hatten, dass sie beide jetzt hier saßen. Gertrud hatte Karolina am letzten Wochenende besucht, als Metha Bär angerufen und Karolina die Reise nach Berlin geschenkt hatte. Metha Bär hatte es Karolina freigestellt, den Zug oder das Flugzeug zu nehmen. Gertrud hatte Karolina eine Weile angeschaut und dann gefragt, ob sie es sich bereits zutraute, zu fliegen. Auf Karolinas Kopfschütteln hatte sie ihr vorgeschlagen, gemeinsam mit der Bahn zu fahren. »Du willst mitkommen?«, hatte Karolina überschwänglich ausgerufen. »Ja«, hatte Gertrud geantwortet, doch die in ihrer Antwort liegenden Zweifel waren Karolina nicht verborgen geblieben. Sie ahnte, dass ihre Freundin das Angebot übereilt ausgesprochen hatte und vermutlich ebenfalls spürte, dass sich ihre Beziehung verändert hatte. Sie waren nie sehr enge Freundinnen gewesen, aber es hatte durchaus Momente gegeben, in denen sie viel Spaß miteinander gehabt hatten. Später hatte Gertrud dann tatsächlich keinen Hehl daraus gemacht, dass sie für Karolina auf eine Sommerparty verzichtete und die Reise nach Berlin lieber mit dem Flugzeug antreten würde. Doch als Karolina ihr mehrfach nahelegte, in Köln zu bleiben, hatte Gertrud auf Karolinas verletztes Bein verwiesen und darauf beharrt, sie zu begleiten. Die Widersprüchlichkeit von Gertruds Verhalten ließ Karolina misstrauisch werden. Außerdem hatte sich ihre Freundin nie durch eine besondere Fürsorge anderen gegenüber ausgezeichnet. Warum gerade jetzt? So war Karolina gar nicht mehr wohl bei dem Gedanken, die nächsten Tage mit ihr zu verbringen.

»Es wird dir guttun, endlich hier rauszukommen, aus dieser Villa, aus Köln«, sagte plötzlich ihre Sitznachbarin. Karolina konnte gar nicht anders, als in einem sentimentalen Anflug nach Gertruds Hand mit den lackierten Nägeln zu greifen. Ihre Finger fühlten sich kühl an. Lange hielt Gertrud dieser Berührung nicht stand.

Nein, es war nicht mehr wie früher, stellte Karolina traurig fest, während ihre Freundin etwas in ihrer Tasche suchte. Die Tage der unbeschwerten Freundschaft waren lange vorbei. Sie konnten nicht ewig Kinder bleiben. Diese Gewissheit rief bei Karolina Zuversicht hervor. Sie sehnte sich nichts mehr herbei, als endlich großjährig zu sein. Sie sehnte diesen Tag so sehr herbei, als würde sich dann mit einem Schlag alles für sie ändern. Dabei würde sich nur dann ihr Traum erfüllen, wenn sie etwas dafür tat. Statt Trübsal über die vertane Chance zu blasen, musste sie eine Strategie entwickeln, wie sie an die aussichtsreiche Entwicklung vor ihrem Unfall anknüpfen konnte. Schließlich war Berlin voll von Filmproduktionsgesellschaften. Berlin war der Film.

Gertrud war nun damit beschäftigt, ihr Gesicht zu pudern. Wie oft wollte sie das noch tun? Wenn sie so weitermachte, kam sie in Berlin mit einer zentimeterdicken Schicht Schminke an. Karolina sagte nichts. Sie zog ein Buch aus ihrer Reisetasche, einen Band mit Gedichten von Rilke. Einen Band mit Rilke-Gedichten hatte sie zum letzten Weihnachtsfest ihrem Halbbruder Alexander geschenkt. Alexander schrieb selbst Gedichte und kam mit seiner künstlerischen Ader sehr nach seiner Mutter, der Schwester von Karolinas Tante Olga. Doch sie konnte sich nicht auf die Zeilen voller tiefgründiger Poesie konzentrieren. Und so betrachtete sie die vorbeiziehende Landschaft, während Gertrud sich weiter ihrer Schönheit widmete. Als sie im Bahnhof von Düsseldorf hielten und Karolina gedankenversunken die ein- und aussteigenden Passagiere beobachtete, durchbrach Gertrud das Schweigen.

»Willst du eigentlich noch Filmschauspielerin werden?« So, wie sie es sagte, klang es, als traue sie ihrer Freundin eine Filmkarriere nicht mehr zu. Natürlich hatte Karolina seit Tagen, nein, seit Wochen an nichts anderes gedacht. Würde die Funktionsfähigkeit ihres Beines bald wiederhergestellt sein? Würde sie die Belastungen in den Ateliers überstehen? Noch war sie nicht zu einem abschließenden Ergebnis gelangt.

»Ich weiß es selbst nicht«, antwortete Karolina zögerlich.

»Du hast doch so dafür gekämpft. Lass den Traum nicht enden, Karo.« Das hörte sich nicht zweifelnd an. Ganz im Gegenteil. Konnte es doch wieder wie früher zwischen ihnen werden?

»Aber der Arzt meinte auch, dass es lange dauern kann, bis ich wieder kräftig genug bin.«

»Nur den Mut nicht verlieren, hörst du?«

Karolina schaute Gertrud direkt an. »Du weißt doch. Es hat sich so viel ereignet, mit dem ich erst einmal abschließen muss.«

»Ja, das ist wahr, aber du wirst nicht damit abschließen können, indem du dich zu Hause vergräbst.« Da war er wieder, dieser vorwurfsvolle Unterton.

»Lass uns etwas essen, ich habe Hunger«, sagte Karolina. Sie war nicht in der Lage, etwas zu erwidern, was sich nicht nach gekränkten Gefühlen angehört hätte.

»Wir können uns auch etwas bringen lassen«, schlug Gertrud vor.

»Wieso?«

»Na, ich dachte wegen deines Beins und den schaukelnden Bewegungen des Zuges«, entgegnete Gertrud.

»Es geht schon, du sagtest doch, ich solle mich nicht gehen lassen«, sagte Karolina schnippischer, als sie es meinte.

»Das wollte ich nicht ausdrücken, als ich …«

»Ich weiß«, sagte Karolina. Sie hatte nicht vor, ein Grundsatzgespräch mit Gertrud zu führen. Nicht jetzt, da sie doch noch ein langes gemeinsames Wochenende vor sich hatten. »Lass uns den Speisewagen aufsuchen.«

Nach dem Essen fanden sich die beiden Frauen wieder in ihrem Erste-Klasse-Abteil ein. Das Rattern des Zuges wirkte beruhigend auf Karolina. Beide schlummerten ein.

»Sag mal, was ist mit dem jungen Burschen, eurem Gärtner?«, fragte Gertrud unvermittelt, während sie den Bahnhof von Bielefeld passierten, ohne dass der Zug dort hielt.

Karolina rekelte sich, länger als es notwendig gewesen wäre, um ihren verspannten Rücken zu lockern. Sie musste Zeit gewinnen, denn Gertrud kannte die wahren Hintergründe immer noch nicht. Karolinas Vater hatte beschlossen, die Familie zu schützen, und das bedeutete, dass nur wenig nach draußen drang. Nur mit der Hilfe des Kölner Polizeipräsidenten war es möglich gewesen, den Selbstmord von Margot Künstle, der Geliebten ihres Vaters, weitgehend vor der Presse geheim zu halten. Alexander, ihr Halbbruder, war der junge Gärtner, von dem sie gerade sprachen. Er studierte in Köln. Karolinas Vater hatte ihn eingestellt. So konnte er seinen Sohn sehen, ohne dass die Familie Verdacht schöpfte. Nur Karolinas Tante Olga war zu diesem Zeitpunkt eingeweiht und spielte so manches Mal die Botin, wenn es darum ging, Alexanders Mutter, die am Stadtrand von Köln lebte, mit finanziellen Mitteln, die Karolinas Vater bereitstellte, zu versorgen. Nachdem Karolina und Alexander sich angefreundet hatten, erfuhr sie die ganze Wahrheit, zu der auch gehörte, dass Karolinas Vater niemals Ehebruch begangen hatte, sondern Alexander der Beziehung mit Nadia Wolkowa entstammte, die vor der Ehe von Karolinas Eltern beendet worden war. Aus gesellschaftlichen Gründen.

»Er studiert bald wieder und hat dann wenig Zeit für uns«, antwortete Karolina ausweichend. Das war nicht gelogen, aber dennoch eben nur ein Teil der Wahrheit. Sie hoffte, dass das Thema damit beendet war, doch Gertrud bohrte weiter.

»Du magst ihn sehr, oder?«

Karolina ahnte, worauf Gertrud abzielte. Selbstverständlich mochte Karolina Alexander sehr, wie man einen Halbbruder eben mochte, der einem in Vielem näher stand als der Bruder, mit dem sie bislang unter einem Dach gelebt hatte.

»Ich sehe es doch, du denkst an ihn und du träumst von einem gemeinsamen …«

»Halt!«, rief Karolina und sprang auf. »Was willst du nur? Willst du mich verkuppeln?« Sie spielte die Betroffene vielleicht ein wenig zu übertrieben.

»Warum so gereizt? Liegt in meinen Worten etwas Wahres?«

Karolina drehte sich um und blickte aus dem Fenster. Genau vor dieser Situation hatte sie sich gefürchtet. Wäre Gertrud die Freundin, für die Karolina sie vor Zeiten gehalten hatte, dann würde sie ihr jetzt alles berichten. Dass Alexander ihr Halbbruder war. Dass sie dessen Mutter Nadia, die Schwester ihrer Tante Olga, sehr mochte, weil sie ihr jene Geborgenheit vermittelte, die Karolina seit dem Tod der Mutter so vermisste. Aber Karolina widerstand der Versuchung, weil sie Gertrud immer weniger einschätzen konnte. Sie versuchte sich zu erinnern, seit wann Gertrud diese unterschwellige Feindseligkeit ihr gegenüber an den Tag legte. Alles hatte an jenem Tag im Kölner Stadtwald begonnen, als sie Gertrud und Rudolf nach ihren Schauspielübungen begegnet war. Karolina hatte gleich gemerkt, dass Gertrud versucht hatte, Rudolf zu vereinnahmen. Vielleicht hatte sie an Karolinas Blick ablesen können, dass diese ihre Abneigung gegen Rudolf aufgegeben hatte. Dabei hatte sich Karolina zuvor doch mit Händen und Füßen gegen die Pläne ihres Vaters gewehrt, der Rudolf, den Sohn des Teppichfabrikanten, für sie als Ehemann auserkoren hatte. Nur wenige Tage nach diesem Zusammentreffen fing Gertrud an, Karolina mehr und mehr aus ihrem Leben auszuklammern. Sah man von den sporadisch eintreffenden Urlaubskarten einmal ab, die mehr der Selbstdarstellung dienten als Aufmerksamkeitsbekundungen an Karolina sein sollten. So empfand Karolina es zumindest. Und nun war sie plötzlich wieder an ihrer Seite, tat besorgt und sprach mit keinem Wort an, warum sie ihre Freundin bis vor wenigen Tagen kaum beachtet hatte. Hegte Gertrud etwa immer noch großes Interesse an Rudolf und war deshalb derart darauf erpicht, Karolina verliebt und glücklich zu sehen? Hauptsache der Mann, dem diese Gefühle galten, war nicht Rudolf?

Karolina musste sich zusammenreißen und überlegte fieberhaft, wie sie am klügsten antworten sollte. Sie entschied sich schließlich, ihre Freundin erst einmal in dem Glauben zu lassen, dass Alexander ihr Herz in Wallung brachte. Jedoch wollte sie sich keiner Lüge bedienen, sondern beschloss, ihren Verdacht nicht zu dementieren. So konnte sie später alles als Missverständnis darstellen. Denn erst musste sie wissen, ob Gertrud vorhatte, wieder mit Rudolf auszugehen.

»Hm«, sagte sie deshalb lächelnd, während sie sich vom Fenster wegdrehte und ins Innere des Abteils blickte. Ihre Freundin wirkte, als wäre sie mit dieser Antwort zufrieden, ließ Karolina doch genau die Interpretation zu, die Gertrud sich insgeheim wünschte.

Karolina holte ihren Rilke-Band hervor und Gertrud widmete sich wieder ihren Modezeitschriften. Am Nachmittag ließen sie sich Kaffee und Gebäck ins Abteil bringen.

Als der Zug endlich in Berlin einrollte, zeigte die Uhr halb acht abends an. Die Sonne war bereits untergegangen. Für ihr überschaubares Gepäck, zwei Reisetaschen aus Stoff, benötigten sie keine fremde Hilfe. Auch wenn Gertrud das vermutlich rein aus Prestigegründen anders sah. Immerhin war sie die Tochter eines Bankdirektors. Auf dem Bahnsteig vom Bahnhof Zoo wehte ihnen ein frischer Wind entgegen. Dieser Sommer war kein Sommer. Während der vergangenen Tage hatte es überall im Reich gestürmt und geregnet. Gertrud zog Karolina mit sich zu dem ersten Zeitungsstand, der auf dem Weg zum Ausgang lag.

»Meine Güte, hier gibt es ja Tausende von Zeitungen«, rief sie, so als wäre sie das erste Mal in Berlin. Karolina betrachtete die Titelblätter, während sich Gertrud mehrere Modemagazine aussuchte.

»Flugbetrieb in Tempelhof lahmgelegt«, titelte eine der Zeitungen.

»Tempelhof freigepumpt« eine andere.

»Was war denn passiert?«, murmelte Karolina und versuchte, den Text zu lesen.

»Benötigst du eine Brille?«, fragte plötzlich jemand neben ihr. Die Stimme erkannte sie sofort.

»Rudolf? Du hier?« Sie hätte ihn vor Freude am liebsten umarmt, aber da stand schon Gertrud neben ihnen und schwenkte die Magazine, die sie gerade erstanden hatte. Sofort durchzuckte Karolina ein ungeheuerlicher Verdacht. Hatte Gertrud deshalb so bereitwillig angeboten, Karolina nach Berlin zu begleiten, um ihn zu treffen? Woher sonst kannte er ihre Ankunftszeit? Sie musste ihn herbestellt haben.

»Ich nehme euch das Gepäck ab und begleite euch zu eurem Hotel«, sagte er und ließ sich erst Karolinas, dann Gertruds Tasche reichen.

Gemeinsam verließen sie den Bahnhof. Karolinas Bein war wegen des langen Sitzens steif geworden und so kam sie nur mit Mühe die Treppe hinab. Gertrud unterhielt sich angeregt mit Rudolf, der sich immer wieder zu Karolina umschaute. Schließlich gab er Gertrud ihre Tasche zurück und streckte Karolina seine Hand entgegen. Gertruds abweisender Blick traf Karolina mit voller Wucht.

»Gleich haben wir es geschafft«, sagte er fürsorglich. Als sie ebenen Boden erreicht hatten, ließ Karolina Rudolfs Arm wieder los. Sie wollte Gertrud nicht allzu zornig werden lassen. Mit Besorgnis dachte sie an ihren gemeinsamen Aufenthalt im Hotel Rheinland.

Rudolf winkte eine Kraftdroschke herbei. Die beiden Frauen stiegen hinten ein, er nahm neben dem Fahrer Platz. Offensichtlich kannte Rudolf nicht nur ihre Ankunftszeit, sondern wusste auch, in welchem Hotel sie übernachteten.

»Hast du ihn über unseren Aufenthalt in Kenntnis gesetzt?«; fragte Karolina leise.

Gertrud raunte etwas, was Karolina als ein Nein verstand. Wenn sie es nicht war, kam nur Metha Bär infrage. Sie hatte für die beiden Freundinnen zwei Zimmer im Hotel Rheinland von Käte Frings gebucht, in dem sich Karolina bei ihrem früheren Aufenthalt so wohl gefühlt hatte. Sie selbst war der Einladung eines reichen Geschäftspartners in das Hotel Adlon Unter den Linden gefolgt. Aber warum hatte sie Rudolf informiert? Steckte wohlmöglich Karolinas Vater dahinter?

»Rudolf, was haben die Schlagzeilen eigentlich zu bedeuten? Wieso musste der Flughafen Tempelhof freigepumpt werden?«, fragte Karolina, um zu erfahren, ob Metha Bär überhaupt noch rechtzeitig Berlin erreichen würde.

»Das Unwetter gestern hat den Flughafen überschwemmt. Aber seit heute Morgen starten und landen wieder die Flugzeuge«, erklärte er, während er sich zu ihr umdrehte. Karolina registrierte erheitert, dass Rudolf einen Seitenblick auf Gertrud warf, die gerade recht linkisch versuchte, ihre Lippen mit einem dunklen Rot nachzuziehen. Das Ruckeln der Kraftdroschke ließ dies zu einem schwierigen Unterfangen ausarten. Als sie in die Fasanenstraße einbogen, die vom Kurfürstendamm abzweigte, fiel Gertrud zu allem Überfluss auch noch der kleine Silberspiegel aus der Hand und verlor sich im Fußraum des Automobils. Während Gertrud noch mit der Suche beschäftigt war, half Rudolf Karolina aus dem Fahrzeug und drückte Karolina zum Abschied einen leichten Kuss auf die Wange.

»Ich hoffe, du bleibst ein paar Tage in Berlin. Ich würde mich freuen, mit dir Essen zu gehen, und wenn du es möchtest, könnten wir über deine Zukunft sprechen …«

Soeben eilte ein Angestellter des Hotels an ihnen vorbei, um das Gepäck in Empfang zu nehmen.

»Sehr gerne möchte ich das, lieber Rudolf. Nur bin ich mit Gertrud hier …«

»Ja, Gertrud. Sie wird bestimmt Möglichkeiten der Zerstreuung finden. Schiebe es auf dein Bein, wenn du eine Ausrede benötigst, dann kann sie alleine losziehen.«

Warum sprach Rudolf gegenüber Gertrud nicht aus, dass er mit Karolina allein sein wollte? Ob er sich eine Hintertür offen halten wollte? Er wusste schließlich zu gut, dass Gertrud für ihn schwärmte. Inzwischen hatte sie ihren Spiegel gefunden und verstaute ihn in ihrer Tasche.

»Wann und wo?«, flüsterte Karolina.

»Morgen Abend seid ihr ja auf der Filmpremiere. Am Sonntag vielleicht?«

Karolina nickte und freute sich schon auf die gemeinsamen Stunden mit ihm. Was sie jedoch traurig stimmte, war, dass er offensichtlich nicht vorhatte, der Uraufführung beizuwohnen.

»Du kommst nicht zur Filmpremiere?«, fragte sie leise, doch da mischte sich Gertrud ein.

»Na, ihr beiden? Was habt ihr denn zu besprechen?« Während sie Rudolf anblickte, drehte sie Karolina ihren Rücken zu.

»Nichts Wichtiges«, antwortete Karolina beiläufig.

Dabei wäre es bedeutsam für sie, Rudolf dort wiederzusehen. Ihm nahe zu sein. Karolina hatte sich so sehr angestrengt, vor Gertrud ihre Gefühle für Rudolf zu verbergen, dass sie nun auf ihn vermutlich ebenfalls recht gleichgültig wirkte.

»Ich lasse dir eine Nachricht zukommen«, flüsterte er, während er Gertrud hinterhersah, wie sie auf den Eingang des Hotels zustürmte. Karolina und er folgten ihr in einiger Entfernung.

Berlin, Sonnabend, 27. August 1927

Gertrud war gestern Nacht alleine ins Berliner Amüsierviertel aufgebrochen. Kaum hatten sie im Hotel Rheinland zu Abend gegessen, hatte Karolina wieder einmal diese bleierne Müdigkeit überkommen. Seit dem Flugzeugunglück war sie ständig müde. Gertrud dagegen sprühte vor Energie und brauchte über eine Stunde, um sich fertig zu machen. Sie hatte Karolina zwar gefragt, ob sie sie begleiten wolle, doch schon wegen ihres Beines hatte sie abgelehnt. Als Gertrud beinahe pflichtbewusst noch einmal an Karolinas Zimmertür geklopft hatte, um ihr mitzuteilen, sie sei nun ausgehbereit, zeigte Gertrud sich keineswegs enttäuscht über Karolinas endgültige Absage. Derart euphorisiert hatte Karolina ihre Freundin noch nie erlebt. Doch bevor sie sich darüber allzu große Gedanken machen konnte, war sie bald darauf eingeschlafen. Die Filmmagazine, die Käte Frings ihr hatte heraufbringen lassen, hatte sie gar nicht mehr angerührt.

Irgendwann am frühen Morgen hatte sie nebenan Geräusche gehört, die aus Gertruds Zimmer kamen. Eindeutige Geräusche. Karolina konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass ihre Freundin es gewagt hatte, einen Mann mit aufs Zimmer zu bringen. Oder handelte es sich bei ihrem männlichen Begleiter gar nicht um einen Fremden? Bei dem Gedanken, es könnte sich um Rudolf handeln, begann sie unwillkürlich zu zittern. Beides wäre unmoralisch, aber Letzteres wäre für Karolina einer Katastrophe gleichgekommen. Hoffentlich bekam Käte Frings davon nichts mit, denn sie legte äußersten Wert darauf, dass ihr Hotel ein anständiges Haus war. Als die Geräusche nebenan schließlich verstummten, war auch Karolina wieder eingeschlafen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie allen Respekt vor ihrer Freundin verloren.

Am Morgen ging Karolina an Gertruds Zimmer vorbei in den Frühstücksraum, ohne anzuklopfen. Trotz ihres Grolls, der einer Mischung aus Enttäuschung, Abscheu und Eifersucht entsprang, schmeckte ihr das Frühstück dennoch. Vielleicht gehörte es zum Erwachsenwerden dazu, solche Gefühle auszuhalten und sich von ihnen nicht das eigene Befinden diktieren zu lassen. Deshalb beschloss sie, sich den heutigen Tag keinesfalls verderben zu lassen und sich um ihre eigenen Belange zu kümmern. Als Erstes stand für sie ein Friseurbesuch auf dem Plan, denn der Bubikopf, den sie sich vor Monaten hatte schneiden lassen, war nicht einmal mehr zu erahnen. Sie wollte neben den Premierengästen schließlich nicht wie eine graue Maus wirken, es reichte, dass sie sich wie eine solche fühlte. Ihr Selbstbewusstsein war nach den vielen Niederschlägen zusammengeschmolzen. Ob sie die Schauspieler Henry Stuart und Hanni Weisse, die sie beide in Köln kennengelernt hatte, bei der Uraufführung antreffen würde? Mehr noch fieberte sie einer Begegnung mit dem Aufnahmeleiter Arthur Bredow entgegen, der ihr damals in Köln so bereitwillig Auskunft gegeben und dem sie es zu verdanken gehabt hatte, dass sie den Filmaufnahmen für den Film »Der Bettler vom Kölner Dom« im Hotel Excelsior eine Weile beiwohnen durfte. Auch wenn eine Zusammenarbeit mit der Henny Porten-Froelich Produktion-Gesellschaft erst einmal auf Eis lag, so bedeutete es ja keineswegs das Aus für ihre Schauspielkarriere. Sie wollte zuversichtlich bleiben, dass es andere Filmschaffende gab, die ihr eine Rolle anbieten würden. Schließlich musste sie ja nicht jedem von ihrem Flugzeugunglück berichten. Außerdem würde sie ihr Bein bald wie früher belasten können. Und was Dr. Krumbholz von den psychischen Beeinträchtigungen ausgeführt hatte, empfand sie mittlerweile eher als Vorwand. Ob ihr Vater den Arzt dazu bewegt hatte, ihr das Attest unter keinen Umständen auszustellen, um sie von ihrem Traum vom Film endgültig abzubringen? Verfolgte er immer noch dieses Ziel? Karolina konnte sich das nur so erklären, dass ihr Vater einfach nicht mehr der Mensch war, für den sie ihn als Kind immer gehalten hatte.

»Jetzt Schluss damit«, murmelte sie vor sich hin und legte ihre Serviette beiseite. In der Halle traf sie Käte Frings, die Inhaberin des Hotels, und ließ sich einen guten Friseursalon in der Nähe des Hotels empfehlen. Um ihren Sommermantel zu holen, bestieg sie den Lift, der sie auf ihre Etage brachte. Vor Gertruds Zimmer blieb sie stehen und lauschte an der Tür. Doch von dort drangen keinerlei Geräusche nach draußen. Ob Gertrud nun allein war? Sie war versucht zu klopfen, unterließ es dann aber.

Mit ihrem Mantel und den bequemen Reiseschuhen verließ sie keine Minute später das Hotel und lief die wenigen Schritte zu Fuß zum Kurfürstendamm, wo sie bald schon den empfohlenen Friseursalon entdeckte.

»Ick hab Se schon erwartet, jnädijet Fräulein«, sagte der Inhaber, während er mit der Schere in der Hand klapperte. »Frau Frings hat Se mir bereits avisiert.«

Kaum hatte Karolina Platz genommen, plauderte der Friseur, den alle nur Hugo nannten, derart launig daher, dass sich Karolina in seiner Obhut ausgesprochen wohlfühlte und ihm gespannt dabei zusah, wie er ihren viel zu lang gewordenen Bubikopf gekonnt in einen modischen Haarschnitt verwandelte.

»Nun sehn Se aus wie die Brooks«, sagte er offensichtlich stolz auf sein eigenes Werk.

Karolina wusste mit dem Namen nicht gleich etwas anzufangen. Doch Hugo ließ sie keineswegs im Unklaren, sondern zeigte auf eine Fotografie, die neben dem Spiegel an der Wand hing.

»Die Fotojrafie hat mir en Kunde aus Amerika mitjebracht. Et is en Ausschnitt aus ener Illustrierten. Die Brooks is in die Staaten ene janz berühmte Schauspielerin. Et wundert mir, det die Filme mit ihr hier so selten jezeicht wern.«

Die junge Frau auf dem Foto sah mit ihren kurz geschnittenen Haaren wunderschön aus. Sie ähnelte von den Gesichtszügen her Karolina, oder vielmehr sie ihr. Karolina fühlte sich geschmeichelt, mit einer so erfolgreichen Frau verglichen zu werden. Sie wollte unbedingt mehr über sie erfahren. Nachdem sie bezahlt hatte, trat Karolina, von vielen Worten des Lobes begleitet, die dem plappernden Saloninhaber leicht über die Lippen kamen, auf die Straße.

Draußen war es zwar immer noch kühl, aber wenigstens regnete es nicht. Ab und zu lugte sogar ein Sonnenstrahl durch die Wolkendecke. Mehrfach fasste Karolina sich ins Haar, so als könne sie ihre Verwandlung noch gar nicht recht glauben. Sie fühlte sich gut. Ausgesprochen gut. Sie begann, den Kurfürstendamm in westlicher Richtung entlangzuschlendern. In einem Bekleidungsgeschäft erstand sie einen farbenfrohen Schal aus feinstem Crêpe de Chine, der hervorragend zu ihrem Kleid passte, das sie heute Abend anziehen wollte. Als sie an einer Konditorei mit dem so gar nicht nach Berlin passenden Namen Rumpelmayer vorbeikam, konnte sie der im Schaufenster dargebotenen verlockenden Tortenvielfalt nicht widerstehen. Im Innern roch es nach frisch gebrühtem Kaffee. Die angeregt miteinander konversierenden Menschen zauberten Karolina ein Lächeln ins Gesicht. Sie bestellte sich ein Stück Ananastorte – was auch sonst? – und dazu einen Kaffee. Ihre Sorgen waren wie weggeweht, hier in einer Umgebung, in der die Großstadt auf eine faszinierende Weise flüsterte. Wie unbeschwert die Menschen wirkten, wie unbeschwert sie miteinander umgingen. Als sie durch eines der Fenster nach draußen auf die Straße blickte, entwich ihr ein leiser Seufzer. Der Rhythmus der Stadt hatte sie wieder vollends in den Bann gezogen.

Sie holte sich eine Zeitung und bestellte einen weiteren Kaffee. Kaum hatte sie die ersten Seiten mit den politischen Nachrichten überblättert, da fiel ihr ein Aufruf auf, der sich von den anderen Anzeigen durch seine Größe deutlich abhob:

»Schauspielschule des Deutschen Theaters lädt zum Vorsprechen ein.«

Sie studierte den Text genau. Angehende Schauspielschüler sollten bis zum dreißigsten August im Deutschen Theater vorstellig werden.

»Anmeldungen täglich von 3-6 Uhr persönlich oder telefonisch vormittags bis 12 Uhr. Sonnabend nur vormittags.«

Ein hastiger Blick auf die Uhr verriet Karolina, dass ihr nur noch wenige Minuten blieben, um heute noch Kontakt aufzunehmen. Sie winkte einen Kellner herbei und fragte nach einem Telefon. Tatsächlich hielt man für Gespräche innerhalb Berlins einen Anschluss in der Konditorei bereit. Karolina folgte dem Kellner in einen abseitigen Bereich und ließ sich mit der in der Anzeige genannten Nummer des Theaters verbinden. Doch erst eine Minute vor zwölf Uhr wurde sie durchgestellt. Offensichtlich war sie nicht die Einzige, die sich für ein Vorsprechen interessierte. Die Dame am anderen Ende der Leitung war freundlich, auch wenn sie ihre Erschöpfung kaum verbergen konnte. Sie wollte von Karolina wissen, ob sie bereits auf Bühnen aufgetreten sei, was sie wahrheitsgemäß verneinte, jedoch gleich anmerkte, dass sie in Köln privaten Unterricht genossen habe. Den Namen Paula Poll ließ sie außen vor, da sie nicht abschätzen konnte, ob dieser hier etwas galt. »Wenigsten keine blutige Anfängerin mit Schauspielambitionen«, tönte es Karolina durch die Hörmuschel entgegen. »Kommen Sie am Montag um drei Uhr fünfzehn zu uns. Seien Sie pünktlich. Bereiten Sie einen klassischen Text von drei bis fünf Minuten Länge vor. Shakespeare und Lessing sind gerade sehr gefragt. Und bringen Sie Wartezeit mit, aber melden Sie sich pünktlich am Empfang.« Wenn es etwas gab, das sie gerade zur Genüge hatte, dann war es Zeit. Und wenn es niemanden gab, der ihre Pläne mutwillig vereitelte, dann würde sie pünktlich in der Schumannstraße 13a am Deutschen Theater eintreffen. Fest stand damit auch, dass Karolina gute Gründe hatte, ihren Aufenthalt über das Wochenende hinaus zu verlängern.

Als sie wieder auf den Kurfürstendamm trat, wurde sie von dem Strom der Passanten mitgerissen. Begeistert von der neuen Perspektive, die sich ihr bot, hielt Karolina Ausschau nach einer Buchhandlung, um sich die entsprechende Lektüre zu besorgen. Der Gedanke an ein Engagement an einem Theater begann sie immer mehr zu reizen. Vielleicht würde sie sogar beides miteinander verbinden können? Und wenn es mit dem Film nichts wurde, dann wollte sie sich gänzlich den Sprechrollen zuwenden. Sie konnte Paula Poll nur dafür dankbar sein, dass sie ihrem Wunsch nach ausschließlich mimischen Übungen nicht nachgekommen war und ihr immer wieder aufgegeben hatte, klassische Rollen einzustudieren und den Text zu lernen. Anfangs war ihr das Auswendiglernen schwergefallen, jedoch lernte sie mit zunehmender Erfahrung immer leichter.

Endlich entdeckte sie eine Buchhandlung. Sie löste sich aus der Menge der Passanten, die immer eiliger auf ein unbekanntes Ziel hinstrebte. Hier im Laden konnte sie durchatmen. Diese Stille! Alle Geräusche waren gedämpft, selbst das Klingeln der Kasse. Erinnerungen an die unbeschwerten Tage in der Buchhandlung ihres Onkels in der Schildergasse stellten sich ein. Sie sog den Geruch ein, den nur Bücher ausströmten. In einem Regal fand sie die Klassiker. Sie wollte gerade nach »Romeo und Julia« greifen, zog jedoch ihre Hand wieder zurück. Vermutlich trug beinahe jede angehende Schauspielerin den Part der Julia vor. Und wenn sie auffallen wollte, dann gelang ihr das bestimmt nicht durch eine wenig originelle Rollenauswahl. Sie entschied sich schließlich für den »Sommernachtstraum« von Shakespeare und »Emilia Galotti« von Lessing. Auf dem Weg zurück zum Hotel Rheinland begann sie, schneller als üblich zu gehen, ja, sie musste sich regelrecht zusammenreißen, nicht wie ein Kind über das Trottoir zu hüpfen. Leichtigkeit in einer hektischen, getriebenen Welt, passte das zusammen? Sie wunderte sich über das Gefühl der Unbeschwertheit, bis sie den eigentlichen Grund dafür erkannte: Ihr Bein schmerzte nicht mehr. Vielleicht würde, früher als erhofft, alles wieder gut werden. Mittlerweile war sie sich sicher, dass Seele und Körper aufeinander Einfluss hatten. Als das Hotel in Sichtweite war, fiel ihr ein, wen sie bezüglich ihres Gesundheitszustandes um Rat fragen konnte: Dr. Christoph Adomeit, der sie während ihres Aufenthalts in Berlin vor einem Jahr behandelt hatte. Er kannte sich mit Erkrankungen der Psyche aus. Und er hatte erst neulich eine Karte zu ihrer Genesung geschickt.

Ja, es würde alles gut werden. Wie oft hatte sie bereits daran geglaubt, und kurz darauf war etwas Unvorhergesehenes geschehen. Diesmal wollte sie zuversichtlich bleiben. Doch ihre gute Laune bekam einen Dämpfer, als Käte Frings sie im Foyer des Hotels abpasste und zu sich ins Büro bat.

»Wat häs du mir do för ene Minsch mitjebraht?«

»Wen, wie …?« Natürlich wusste Karolina, von wem die Rede war.

»Ding Fründin es e janz schön jöckig Radiesche«, schnaubte Käte Frings.

Karolina wartete lieber ab, bevor sie sich noch einmal zu Wort meldete.

»Die Naachsüül – Doochter vun enem Bankier, nit wohr? – brängk mich un mi Hotel en Verrof. Brängk et doch Käälsbesök met und deit dä Ömstand och noch esu offe kund, dat sich ehr Nevvelück bei mir beschwere«, sprach sie aufgeregt.

Wäre Käte Frings nicht gerade derart in Rage geraten, so hätte Karolina am liebsten laut gelacht. Das Kölsche enthielt so viele amüsante Begriffe. Nun ahnte Karolina aber auch, warum sich die Hotelbesitzerin in ihrem gewohnten Dialekt ausdrückte. Niemand, der ihr Gespräch zufällig belauschte, würde verstehen, dass ein »jöckig Radiesche« ein Flittchen, eine »Naachsüül« eine Nachteule und ein »Käälsbesök« ein männlicher Besucher war.

Karolina hatte gehofft, dass Gertruds Liederlichkeit Käte Frings verborgen geblieben war. »Winnichstens kunn ich de Jäss verklöre, dat ehr Nohbere jrad fresch verhierot sin. Karolina, dat jehürt sich nit.«

»Hast du den Mann gesehen, Käte?«, fragte Karolina besorgt.

»Dodrüvver denks do noh? Dat ich mer domet Ärjer enhandele, wann hee ene Frauminsch, dat nit verhierot es un dobei noch us der bessere Jesellschaff kütt, ehr Fisternöllche met en mi Hotel bränk. Häs do dat jewoss?«

»Nein, ich, ich habe nur Geräusche gehört. Natürlich weiß ich um die Tragweite …« Aber um Moral und Sittlichkeit ging es Karolina gerade nicht. War der Mann nun Rudolf, oder nicht? Karolina hielt die Anspannung kaum noch aus.

»Ich kannt in nit«, flüsterte Käte Frings, »ävver dä hät et sich us irjendeinem Etablissemang metjebraht.«

Dann konnte es Rudolf nicht gewesen sein, denn er war für die Hotelbesitzerin kein Unbekannter. Karolina atmete auf. Natürlich hätte es Gertrud nicht zum Äußersten kommen lassen dürfen, und schon gar nicht in einem Hotel, dessen Inhaberin aus Köln stammte und in deren Haus nicht nur aufgrund des Namens viele Rheinländer logierten. Karolina fand keine rechte Erklärung für das Verhalten ihrer Freundin und versprach, mit Gertrud zu reden. Insgeheim jedoch überlegte sie, ob sie die Angelegenheit überhaupt zur Sprache bringen sollte. Gertrud war ihr nicht erst seit diesem Vorfall fremd geworden. Karolinas Naturell entsprach es ganz und gar nicht, sich als Gouvernante aufzuspielen. Außerdem hatte sie gerade Wichtigeres zu tun. Bis zum Beginn der Uraufführung von »Der Bettler vom Kölner Dom« im Emelka-Palast wollte sie wenigstens damit anfangen, eine Rolle für das Vorsprechen einzuüben.

In ihrem Zimmer machte sie sich sogleich daran, in den Reclam-Heften zwei passende Szenen zu finden, in denen sie möglichst viel von ihren schauspielerischen Fähigkeiten zeigen konnte, die andererseits aber nicht zu schwer zu lernen waren. Denn viel Zeit blieb ihr bis Montag nicht. Sie fand recht schnell etwas Geeignetes und entschied sich für den Prolog von Tom Snout aus »Ein Sommernachtstraum«. Dieser Tom Snout stellt die Wand dar und erklärte vorab das Stück »Pyramus und Thisbe«, das wiederum andere anlässlich der Hochzeit von Theseus und Hippolyta aufführten. Verwirrend zwar, dieses Stück-im-Stück-Szenario, aber auch sehr reizvoll. Erst als Karolinas Magen mehrmals hintereinander laut knurrte, bemerkte sie, dass der Nachmittag bereits weit fortgeschritten war. Sie musste sich sputen. Bevor die Kraftdroschke eintraf, die sie bei ihrer gestrigen Ankunft bereits bestellt hatten und die sie zum Emelka-Palast am Kurfürstendamm kutschieren sollte, musste sie sich schließlich noch zurechtmachen. Kurz dachte sie an Gertrud und fragte sich, ob sie überhaupt mitkommen würde? Den ganzen Tag hatte sie sich noch nicht bei Karolina gemeldet.

Karolina ließ sich einen kleinen Imbiss aufs Zimmer bringen, denn mit leerem Magen war keine Filmpremiere durchzustehen. Ihre Haare saßen noch perfekt und das Make-up war im Nu aufgelegt. Sie fühlte sich hübsch mit ihrem Kleid und dem passenden Crêpe-de-Chine-Tuch. Auch die Schuhe waren ganz auf ihr dunkelblaues Kleid abgestimmt. Dazu noch das Täschchen mit den dezent schimmernden Pailletten. Sie warf erneut einen Blick in den kleinen Spiegel neben der Zimmertür, als es zaghaft klopfte. Gertrud stand vor der Tür. Sie sah wie immer atemberaubend aus, trotz des üblichen Übermaßes an Schminke. Auch wenn Karolina keine dunklen Augenringe erkennen konnte, so erahnte sie deren Existenz unter der dicken Puderschicht. Gertrud wirkte auf sie übermüdet und aufgekratzt zugleich. Es kostete Karolina einige Überwindung, ihr gegenüber die Ahnungslose zu spielen. Ein Fremder hätte sofort bemerkt, dass die Nettigkeiten, die sie über das Aussehen der jeweils anderen austauschten, allzu bemüht waren.

Der Fahrstuhl brachte sie in die Hotelhalle, wo ein Droschkenchauffeur mit einem zurückhaltenden Heben der Hand auf sich aufmerksam machte. Käte Frings bestätigte Karolina, dass der Mann auf sie wartete, wünschte Karolina einen schönen Abend und warf Gertrud einen missbilligenden Blick zu.

»Die mag mich nicht«, sagte Gertrud schnippisch und schob Karolina vor sich durch die Tür.

»Weißt du, wen ich vor dem Monbijou gesehen habe?«, fragte sie beinahe hastig, mit einem abwertenden Unterton in der Stimme, während sich die Kraftdroschke in Bewegung setzte. Kein Wort zu den nächtlichen Ereignissen im Hotelzimmer, kein Nachfragen, wie es Karolina heute ergangen war. Schließlich hatte Gertrud sie doch begleitet, um sie zu unterstützen.

»Was ist das Monbijou?«

»Ein Lokal, eine Diele. Ist doch einerlei. Und, wen glaubst du?« Gertrud wartete gar nicht erst auf eine Antwort. »Paula Poll, deine Paula Poll.«

Auch wenn Karolina nicht erwartet hatte, dass sich ihre frühere Schauspiellehrerin in der Hauptstadt aufhielt, so war es doch keine ungewöhnliche Nachricht, schon gar keine solche Sensationsmeldung, wie es den Anschein machte.

»Du weißt wohl nicht, was das für ein Lokal ist, oder?«

Karolina zuckte mit den Schultern. Woher sollte sie das wissen?

»Da hinein kommt man nur mit besonderer Einladung. Zwei Frauen, die Mali und Igel heißen, leiten es. Die Fenster sind verhängt … immer noch keine Idee?«

Was sollte das?

»Lesbische Frauen«, flüsterte Gertrud Karolina ins Ohr und machte dabei ein wichtiges Gesicht. »Ich fand diese Paula Poll immer schon etwas merkwürdig.«

»Du kennst sie doch kaum«, schnaubte Karolina. »Woher willst du so genau wissen, dass sie es war? Und überhaupt, selbst wenn sie sich zu Frauen hingezogen fühlt, was ist schon dabei?«

Gertrud zog eine Schnute.

»Wir sind gleich da«, rief der Droschkenfahrer und verlangsamte seine Fahrt. Er ließ das Automobil am Straßenrand auslaufen und stieg aus. Vor ihnen hatten bereits weitere Fahrzeuge angehalten, aus denen adrett gekleidete Damen und ebenso adrett gekleidete Herren stiegen.

»Gertrud«, sagte Karolina. »Ich muss dich das fragen: Mit wem warst du heute Nacht in deinem Hotelzimmer?«

»Was geht es dich an?«; zischte Gertrud. Karolina erschrak. »War ja abzusehen, dass diese Pute von Hotelbesitzerin mich bei dir verpetzt. Weißt du was, mir ist es egal, was du von mir denkst! Und im Übrigen: Kehrt mal lieber vor eurer eigenen Haustür«, polterte sie weiter. Jetzt, da sie allein waren, wurde ihr Ton noch rauer. »Dein Vater hat seine Sekretärin auf dem Gewissen. Ihr schöne Augen machen und sie dann in den Selbstmord treiben. Feine Gesellschaft, dass ich nicht lache! Wenn wir schon von Moral sprechen. Ganz Köln zerreißt sich über ihn den Mund«, keifte sie, während sie die Autotür aufstieß und heraussprang. Den Droschkenfahrer, der ihr gerade aus dem Automobil helfen wollte, beachtete sie nicht. Sie rannte wortlos an ihm vorbei. Karolina blickte ihr verblüfft hinterher, ergriff nach einer Weile der Besinnung die helfende Hand, die der Droschkenfahrer ihr anbot. Sie drückte ihm ein Extratrinkgeld zusätzlich zum Fahrpreis in die Hand. Als sie sich umsah, hatte sie Gertrud aus den Augen verloren. Dafür entdeckte sie Metha Bär gleich neben dem Eingang zum Lichtspieltheater. Mit ihren Vorwürfen hatte Gertrud Karolinas Vorfreude getrübt. Sie wusste, wie sehr sich Karolina diesen Tag herbeigesehnt hatte. Ihre Knie zitterten. Karolina wäre am liebsten im Erdboden versunken. »Ganz Köln zerreißt sich über ihn den Mund«, hatte sie gesagt. Hier vor dem Lichtspieltheater wimmelte es von Kölnern. Sie durfte sich nichts anmerken lassen, wollte sich keine Blöße geben. Konnte sie überhaupt Gertruds Worten Glauben schenken oder hatte sie alles nur erfunden, um … Ja, warum? Der Frage nach dem Grund für Gertruds Wutausbruch konnte sie jetzt nicht nachgehen.

Metha Bär, die gute Freundin ihrer verstorbenen Mutter, winkte aufgeregt in ihre Richtung. »Ach, Karolina, da bist du ja. Sei froh, dass du nicht geflogen bist. Es war doch recht holprig dieses Mal. Zunächst dachten wir, wir könnten gar nicht fliegen, weil es ja gestern dieses schlimme Unwetter gab. Aber nun sind wir ja hier.« Sie zog ihren Mann, den Kaufhausbesitzer Jakob Bär, zu sich heran, der beinahe ein wenig schüchtern neben ihr gestanden hatte. Er wirkte eigenartig verloren. Dabei war er es doch gewohnt, sich auf gesellschaftlichem Parkett zu bewegen. Als er jedoch einen anderen, gut gekleideten Mann erspähte, hellte sich sein Gesichtsausdruck deutlich auf.

»Werte Metha, da ist ja endlich mein Kollege aus Berlin, entschuldigt mich bitte.« Er lupfte seinen Hut und verschwand durch einen der drei Bögen des Gebäudes hindurch ins Foyer.

»Lass dich anschauen, Kind«, sagte Metha und betrachtete Karolina von allen Seiten. Karolina wiederum starrte auf die Fellstola, die Metha umgelegt hatte. Sie mochte keinen Pelz. Nicht im Winter und erst recht nicht im Sommer, obwohl die Temperaturen alles andere als sommerlich waren.

»Was hast du mit deinen Haaren gemacht? Sie sind ja hinten ganz kurz«, entfuhr es der Kaufhausbesitzerin. In Metha Bärs Gesicht zeigte sich keineswegs nur Überraschung. Sie konnte eine gewisse Abneigung nicht verhehlen. Doch Karolina hatte nicht vor, sich zu rechtfertigen. Sie fühlte sich mit ihrer neuen Frisur erwachsener.

»Gefällt es dir?«, fragte sie selbstbewusst, auch wenn sie gerade nicht ihrer selbst bewusst war. Das Zittern ihrer Beine führte ihr vor Augen, dass Gertrud den wunden Punkt in ihrem Leben getroffen hatte. Ihre Worte hatten sich in ihren Gedanken festgesetzt und erreichten offensichtlich gerade ihren beabsichtigten Zweck: Sie verletzten Karolina zutiefst. Aber warum verhielt sich Gertrud so illoyal ihr gegenüber? Auch wenn Karolina ihren Vater nicht wirklich verstand und die Distanz zwischen Vater und Tochter sich nicht verringert hatte, so war sie der Ansicht, dass er es nicht verdient hatte, dass man schlecht von ihm redete.

»Karolina, wo bist du mit deinen Gedanken?«, fragte Metha Bär, während sie Karolina sanft am Ärmel zupfte. »Habe ich dich gekränkt?«

»Nein, Metha, das ist es nicht, mich beschäftigt etwas anderes. Weißt du, Gertrud …«

»Kind, diese Gertrud ist eine unmögliche Person, ich habe es von Käte gehört. Mach dir keine Gedanken über sie, nicht heute.« Metha hatte recht, wie so oft. Also wischte Karolina die bedrückenden Gedanken beiseite.

»Metha, ich würde noch gerne einige Tage länger in Berlin bleiben, weil ich am Montag ein Vorsprechen habe und morgen mit Rudolf verabredet bin.« Das mit Rudolf war ihr rausgerutscht.

»Oh, mit Rudolf Thelen?«, murmelte Metha, während sie mit einem Auge die Vorgänge auf der Straße beobachtete.

»Ich bezahle das Hotelzimmer selbstverständlich selbst. Vater hat mir ein Taschengeld mitgegeben.«

»Ja gut«, sagte Metha Bär beiläufig.

Insgeheim hatte Karolina gehofft, die mütterliche Freundin würde vielleicht doch für den weiteren Aufenthalt aufkommen. Da fiel ihr ein, dass sie sich noch gar nicht danach erkundigt hatte, ob eine Verlängerung überhaupt möglich war.

Gerade war ein Wagen vorgefahren, dem Hanni Weisse in einer atemberaubenden cremefarbenen Robe entstieg. Die Schauspielerin, die Karolina im vergangenen Oktober bei den Dreharbeiten im Kölner Hotel Excelsior hatte beobachten können, hatte kaum ihre Füße auf das Trottoir gesetzt, da liefen bereits einige junge Frauen auf sie zu, um ihr ein Autogramm zu entlocken. Bereitwillig unterschrieb Hanni Weisse auf den Karten, die man ihr entgegenhielt. Plötzlich flammte ein Blitz auf, dann noch einer. Und schon rief einer der Fotografen: »Fräulein Weisse, bitte lächeln. Hier!« Wieder blitzte es.

»Ist denn schon ein anderer Schauspieler im Lichtspielhaus?«, wollte Karolina wissen.