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Wissenschaftlicher Aufsatz aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Politik - Thema: Europäische Union, , Sprache: Deutsch, Abstract: Die Grundordnung der BRD ist das Grundgesetz. Es stellt somit die höchste Rechtsordnung des Staates der Deutschen dar und ist folglich die Verfassung der Bundesrepublik. Im Zuge der vorliegenden Arbeit soll sich im Folgenden also mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen der Europäischen Integration der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auseinandergesetzt werden. Die Vermutung liegt nahe, dass das Grundgesetz als Basis des deutschen Staates sowohl den Grundpfeiler als auch den Antrieb des europäischen Engagements dieser Nation darstellte und gleichzeitig auch die Grenzen dieser Bemühungen aufzeigt. Es ist davon auszugehen, dass der Integration Deutschlands in die Europäische Union verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt sind. Um diese Grenzen auszuloten erscheint es zunächst sinnvoll, sich mit den Grundlagen und Grenzen der EU-Integration (bzw. EG-Integration) bis zum Vertrag von Maastricht zu befassen. Auf Basis des so erworbenen Wissens bestünde dann die Möglichkeit den grundgesetzlichen Rahmen der weiteren Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit zu erforschen und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. So könnte es letztendlich möglich sein, künftige Integrationsgrenzen, so vorhanden, und weitere Integrationschancen auszumachen und deren Verankerung in der deutschen Verfassung zu verstehen. Bei diesen Bemühungen soll sich in der vorliegenden Arbeit auf die wirklich wesentlichen, die EU-Integration betreffenden, Teile des Grundgesetzes beschränkt werden. Dabei handelt es sich neben der Präambel um die Artikel 23 und 24 GG. Ein Bewusstsein für die Eventualitäten der Zukunft und das Verfassungsrecht ist unerlässlich für das weitere Vorgehen der BRD in Europa und der Welt. Nur so kann mit Sicherheit fest-gestellt werden, ob sich von „Grundgesetz und Europäische Integration“ in einem Zusammenspiel sprechen lässt. Zu guter letzt mag sich somit die Frage klären, ob und inwieweit das Grundgesetz Sockel oder Schranke der Europäischen Integration ist. Nur auf diese Weise kann schlussendlich die These verifiziert werden, dass die Verfassung der BRD die Integration zwar befördert aber gleichzeitig einen grenzenlos freien Fortgang der Integration nicht zulässt, sondern stattdessen klare Grenzen bezüglich der Rechtmäßigkeit von Hoheitsrechtsübergaben generiert und somit Sockel und Schranke zugleich war und ist.
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Veröffentlichungsjahr: 2009
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Grundgesetz und Europäische UnionDas Grundgesetz als Sockel oder Schranke der Europäischen Integration?
Seit der Entstehung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) am18. April 1951, die aus dem gleichnamigen Plan des französischen Außenministers Robert Schuhman hervor ging, ist viel geschehen.1Aus einer Montanunion mit sechs Gründungsstaaten (Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande) ist die Europäische Union entstanden, die mittlerweile 25 Mitglieder aufzuweisen hat.
Betrachtet man diese in nur 54 Jahren verlaufene beispiellose Entwicklung, mag sich die Frage stellen auf welcher rechtlichen Grundlage ein souveräner Staat wie die Bundesrepublik Deutschland an solch einem multinationalen „Unternehmen“ teilgenommen hat bzw. teil nimmt. Gerade in unserer heutigen Zeit der immer weiter fortschreitenden Integration und Souveränitätsübertragung ist das Rätsel zu lösen, wo die rechtliche Legitimität dieses nie zu-vor da gewesenen Prozesses zu verorten ist.
Nicht selten sind die Bürgerinnen und Bürger verunsichert durch die nur schwer abzuschätzenden Grenzlinien der zukünftigen Entwicklung und zweifeln an der Rechtmäßigkeit des bisher auf europäischer Ebene erreichten.
Weshalb und vor allem auf welchem Fundament kam und kommt es zu den immensen Abtretungen von Hoheitsrecht2an eine teils zwischenstaatliche-, teils supranationale Ebene und war das bisherige Vorgehen rechtskonform? Handelt es sich gar um einen grenzenlos rechtmäßigen Prozess?
Aus einer solchen Überlegung ergibt sich fast zwangsläufig auch die Frage nach möglichen Beschränkungen für ein solches Unternehmen in der Zukunft.
Allen im Folgenden angestellten Überlegungen liegt, das muss sicherlich an dieser Stelle klar gestellt werden, die Annahme zu Grunde, dass die Europäische Union nach wie vor kein Staat ist. Wäre dem so, so müsste ein anderes Überlegungsraster angelegt werden, als dies im Folgenden der Fall sein soll.3
1Siehe dazu z.B.: Gerhard Brunn, Die europäische Einigung von 1945 bis heute, Bonn: BpB, 2004.
2Hoheitsrecht ist das Recht Rechtverhältnisse innerhalb eines Gebietes mit unmittelbarer, verbindlicher Wirkung auf die dort befindlichen Menschen und Gegenstände ggf. auch durch Zwang festzulegen Siehe dazu: Stephanie Uhrig, Die Schranken des Grundgesetzes für die europäische Integration, Grenzen der Übertragung von Hoheitsrechten nach dem Grundgesetz am Beispiel des Vertrages von Maastricht, in: Thomas Bruha/ Meinhard Hilf/ Hans Peter Ipsen/ Rainer Langoni/ Gert Nicolaysen/ Stefan Oeter (Hrsg.),Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht, Band 25, Berlin: Duncker & Humbolt, 2000, S. 19ff.
3Vgl. Karl TH. Rauser, Die Übertragung von Hoheitsrechten auf ausländische Staaten, Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik des Art. 24 I GG, in: Andreas Heldrich/ Peter Lerche/ Claus Roxin (Hrsg.), Münchner Universitätschriften, Reihe der Juristischen Fakultät, Band 81, München: Beck’sche Verlagsbuchhandlung, 1991.
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Grundgesetz und Europäische UnionDas Grundgesetz als Sockel oder Schranke der Europäischen Integration?
Seit Mitte der 80er Jahre ist viel Literatur zum Thema EU und Grundgesetz verfasst worden. Die so entstanden Werke behandeln jedoch zumeist nur einen kleinen Teilaspekt der wechselseitigen Wirkung von Grundgesetz und Europäischer Integration zueinander und ermöglichen somit nur einen begrenzten Überblick. Ferner verlieren sich viele Autoren im Detail und vernachlässigen so andere für ein Gesamtverständnis wichtige Aspekte und Zusammenhänge. Diese Arbeit soll darum der Erzeugung eines allgemeinen Überblickes zum Verständnis und zur Lösung der aufgeworfenen Fragestellungen dienen, ohne dabei in eine unwissenschaftliche Oberflächlichkeit abzudriften und wichtige Teilstücke zu unterschlagen. Bei der Auseinandersetzung mit einem Thema, wie der Integration, erscheint es nunmehr nahe liegend, die innere Verfasstheit des zu erforschenden Staates näher zu betrachten. Grundlage und Ausdruck dieser Verfasstheit bietet in demokratischen Rechtsstaaten in den meisten Fällen die Verfassung.
Diese bezeichnet „die… Grundordnung eines politischen Gemeinwesens…“ und „… gilt vor und über allem anderen staatlich geschaffenem Recht,… legt die Grundstruktur des Gemeinwesens fest, regelt das Verhältnis und die Kompetenzen der (Staats-)Gewalt untereinander und enthält die (Freiheits-) und Grundrechte der Bürger und Bürgerinnen.“4Dementsprechend sollte die letztendliche Begründung für eine derart integrative Anstrengung, wie die EU eine ist, in einer solchen Grundordnung zu entdecken sein. Daraus ergibt sich freilich, dass eine Beschäftigung mit den deutschen rechtlichen Grundlagen der Europäischen Integration eine Beschäftigung mit dem bundesrepublikanischen Verfassungs- und Staatsrecht bedeutet.
Die Grundordnung der BRD ist das Grundgesetz. Es stellt somit die höchste Rechtsordnung des Staates der Deutschen dar und ist folglich die Verfassung der Bundesrepublik. Im Zuge der vorliegenden Arbeit soll sich im Folgenden also mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen der Europäischen Integration der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ausei-nandergesetzt werden.
Die Vermutung liegt nahe, dass das Grundgesetz als Basis des deutschen Staates sowohl den Grundpfeiler als auch den Antrieb des europäischen Engagements dieser Nation darstellte und gleichzeitig auch die Grenzen dieser Bemühungen aufzeigt. Es ist davon auszugehen, dass der Integration Deutschlands in die Europäische Union verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt sind.
Um diese Grenzen auszuloten erscheint es zunächst sinnvoll, sich mit den Grundlagen und Grenzen der EU-Integration (bzw. EG-Integration) bis zum Vertrag von Maastricht zu befas-4KlausSchubert/ Martina Klein, Das Politiklexikon, 3. aktualisierte Auflage, Bonn: Dietz, 2003, S.301-302
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Grundgesetz und Europäische UnionDas Grundgesetz als Sockel oder Schranke der Europäischen Integration?
sen. Auf Basis des so erworbenen Wissens bestünde dann die Möglichkeit den grundgesetzlichen Rahmen der weiteren Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit zu erforschen und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. So könnte es letztendlich möglich sein, künftige Integrationsgrenzen, so vorhanden, und weitere Integrationschancen auszumachen und deren Verankerung in der deutschen Verfassung zu verstehen. Bei diesen Bemühungen soll sich in der vorliegenden Arbeit auf die wirklich wesentlichen, die EU-Integration betreffenden, Teile des Grundgesetzes beschränkt werden. Dabei handelt es sich neben der Präambel um die Artikel 23 und 24 GG.
Ein Bewusstsein für die Eventualitäten der Zukunft und das Verfassungsrecht ist unerlässlich für das weitere Vorgehen der BRD in Europa und der Welt. Nur so kann mit Sicherheit festgestellt werden, ob sich von „Grundgesetz und Europäische Integration“ in einem Zusammenspiel sprechen lässt.
Zu guter letzt mag sich somit die Frage klären, ob und inwieweit das Grundgesetz Sockel oder Schranke der Europäischen Integration ist. Nur auf diese Weise kann schlussendlich die These verifiziert werden, dass die Verfassung der BRD die Integration zwar befördert aber gleichzeitig einen grenzenlos freien Fortgang der Integration nicht zulässt, sondern stattdessen klare Grenzen bezüglich der Rechtmäßigkeit von Hoheitsrechtsübergaben generiert und somit Sockel und Schranke zugleich war und ist.
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Grundgesetz und Europäische UnionDas Grundgesetz als Sockel oder Schranke der Europäischen Integration?
Die Grundlagen der deutschen Integrationsbemühungen bis zum Vertrag von Maastricht: ein lückenhaftes Konstrukt?
Schon vor den Verfassungsänderungen 1992, die durch den Vertrag von Maastricht5bzw. dessen Ratifizierung (Maastrichter-Novelle)6bedingt wurden, gab es eine Verankerung der integrativen Idee innerhalb des Grundgesetzes.7
Zahlreiche Grundgesetzartikel betreffen das deutsche Verhältnis zu anderen Staaten sowie die deutsche Einordnung in die internationale Gemeinschaft.8Diese wurden durch die Änderungen seit 1992 zwar betroffen, aber nicht im Wesentlichen verändert.9Somit ist die Betrachtung der zuvor genannten Artikel immer noch relevant zum Verständnis der heutigen Integration.
Darüber hinaus lassen sich die heutigen integratorischen Schritte Deutschlands nur umfassend begreifen, wenn man deren Vorläufer (also die Geschichte) kennt. Die verfassungsmäßige Grundlage und die Rechtmäßigkeit der EU-Beteiligung der Bundesrepublik vor dem Maastrichter Vertrag entscheiden zwangsläufig auch über die Verfassungsmäßigkeit der heutigen Situation mit.
Als Folge der nationalsozialistischen Erfahrungen wurde in das Grundgesetz eine in solch einem Ausmaß einzigartige Regelung der internationalen Zusammenarbeit und der Übertragung von Hoheitsrechten integriert.10Daraus lässt sich die Neuorientierung des Wesens Deutschlands erkennen, welche eine Abkehr von der Geschlossenheit des Staates nach innen und außen vorsah und im Zuge dessen eine Öffnung der Staatlichkeit der BRD bewirkte.11
5Vgl. Europa-reden,http://www.europa-reden.de/info/geschichte02.htm,(Aufgerufen am: 04.09.2005)
6Maximilian Steinbeis/ Florian von Brunn, Grundgesetz 1949-1999, Stationen der Verfassungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, in: Stephan Detje (Hrsg.), In bester Verfassung?! 50 Jahre Grundgesetz, Köln: OVS, 1999, S. 141
7von Simson/ Schwarze, Europäische Integration und Grundgesetz, Maastricht und die Folgen für das deutsche Verfassungsrecht, Berlin/New York: Walter De Gruyter, 1992, S. 19ff.
8Uhrig, Die Schranken des Grundgesetzes für die europäische Integration, S.46ff.
9Alexander Schmitt Glaeser, Grundgesetz und Europarecht als Elemente Europäischen Verfassungsrechts, in: Siegfried Magiera/ Detlef Merten (Hrsg.), Schriften zum Europäischen Recht, Band 30, Berlin: Duncker & Humbolt, 1996, S. 58ff.
10Uhrig, Die Schranken des Grundgesetzes für die europäische Integration, S.46.
11Günther, Die Mitwirkung des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union nach Art. 23 GG, Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde einer Hohen Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln, Köln: Copy-Star, 1998, S 3.
Siehe auch: Karl Heinrich Friauf/ Rupert Scholz, Europarecht und Grundgesetz, Betrachtungen zu matriell- und formalrechtlichen Problemen bei Schaffung und Umsetzung sekundären Gemeinschaftsrechts, in: Siegfried Magiera/ Detlef Merten (Hrsg.), Schriften zum Europäischen Recht, Band 1, Berlin: Duncker & Humbolt, 1990, S 17ff.
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Grundgesetz und Europäische UnionDas Grundgesetz als Sockel oder Schranke der Europäischen Integration?
Für das Verhältnis zur Europäischen Union bzw. deren Vorläufern erwiesen sich insbesondere die Präambel und der Artikel 24 des Grundgesetzes als bedeutsam.12Dementsprechend wird sich im folgenden Kapitel auf die Analyse dieser beiden Bestandteile des GG unter Auslassung der für die Europäische Integration nur indirekt relevanten Artikel beschränkt.
2.1 Die Staatszielbestimmung der Präambel:
Eine „moderne Präambel“ dient „der Darstellung von Motiven, Absichten, Zwecken durch ihre Urheber … und“ gibt „den jeweiligen "Basiskonsens"“ wieder.13Sie ist damit Grundlage des Staates und dient unter anderem der Staatszielbestimmung.14Darüber hinaus verleiht ihr ihre exponierte Stellung ein starkes Gewicht.15
Daraus ergibt sich, dass es zunächst einmal angeraten ist, sich mit der Präambel des Grundgesetzes zu befassen, um die sich daraus ableitbaren Staatsziele der Bundesrepublik zu erfassen. Solche Staatsziele könnten eine erste Rechtsgrundlage der deutschen Bemühungen in Zusammenhang mit der EU enthalten.
Durch den Einigungsvertrag von 1990 ist die Präambel des Grundgesetzes neu gefasst worden.16Das bis dahin wichtigste Staatsziel der Bundesrepublik Deutschland, die Wiedervereinigung, war erfüllt worden und wurde somit hinfällig.