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Die kriminaltechnischen Untersuchungsmethoden wurden in den letzten Jahren zunehmend verfeinert. Der Sachbeweis hat damit sowohl im Ermittlungsverfahren als auch im Strafprozess in erheblichem Maße an Bedeutung gewonnen. Beweisführung und Urteilsfindung vor Gericht stützen sich mehr und mehr auf den Sachbeweis. In den Lehr- und Studienbriefen Band 16 und 17 stellen die Autoren, ausgehend von einem versuchten Sexualdelikt als Leitsachverhalt, umfassend und praxisnah den derzeit aktuellen Stand der kriminaltechnischen Möglichkeiten dar. Die wesentlichen Spurenkomplexe werden allgemein verständlich anhand dieses Sachverhaltes erläutert und durch umfangreiches farbiges Bildmaterial veranschaulicht. Der vorliegende Band "Grundlagen der Kriminaltechnik II" widmet sich u.a. DNA-Spuren, Schussspuren, Haarspuren, digitalen Spuren und Brandspuren sowie chemischen Fangmitteln. Zudem findet sich hier eine ausformulierte Lösungsskizze zu den Fragestellungen der kriminalistischen Fallanalyse des Leitsachverhaltes und zu ausgewählten Ermittlungsmaßnahmen. Der Band "Grundlagen der Kriminaltechnik I" handelt die kriminaltechnischen Begriffe, die Grundlagen der Spurensuche und der Spurensicherung ab. Dargestellt wird auch der derzeitige Stand der Fototechnik zur Dokumentation des Tatbefundes. Ausführlich werden in diesem Band die wesentlichen Formspuren erläutert, so u.a. Fingerspuren, Werkzeugspuren und Schuhabdruckspuren
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Seitenzahl: 185
Herausgegeben von
Horst Clages, Leitender Kriminaldirektor a.D.,Wolfgang Gatzke, Direktor LKA NRW a.D.
Band 17Grundlagen derKriminaltechnik II
vonChristoph FringsFrank Rabe
E-Book 2. Auflage 2016 © VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBH Buchvertrieb; Hilden/Rhld., 2016 ISBN 978-3-8011-0779-6
Buch 2. Auflage 2016 © VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBH Buchvertrieb; Hilden/Rhld., 2016 ISBN 978-3-8011-0774-1 Alle Rechte vorbehalten
www.VDPolizei.de
Mit Band 17 der Lehr- und Studienbriefe Kriminalistik/Kriminologie „Grundlagen der Kriminaltechnik II“ setzen wir die aufgrund der thematischen Fülle und des umfangreichen Bildmaterials auf zwei Bände angelegte Darstellung fort.
Dieses Buch richtet sich in erster Linie an Studierende der Polizeifachhochschulen des Bundes und der Länder sowie an Beamtinnen und Beamte des Wach- und Wechseldienstes und der kriminalpolizeilichen Ermittlungspraxis und deckt dabei das notwendige Fachwissen für das Fach Kriminaltechnik ab.
Zum besseren Verständnis haben wir die verwendeten Fachbegriffe durch griffige Beispiele erläutert. Vorangestellt wurde hierzu ein Leitsachverhalt. Am Ende dieses Bandes „Grundlagen der Kriminaltechnik II“ finden Sie eine Komplettlösung zur Aufgabenstellung. In den jeweiligen Fachkapiteln wird zur Erläuterung der jeweiligen Beispiele (kursiv geschrieben) immer Bezug auf den Leitsachverhalt genommen.
Als Autoren haben wir uns am fachlichen Sprachgebrauch der „Anleitung Tatortarbeit – Spuren“ (ATOS) orientiert, die durch das Bundeskriminalamt herausgegeben wurde.
Bei den Organisations- und Ablaufstrukturen sind die Gegebenheiten in Nordrhein-Westfalen zugrunde gelegt. Diese können sich im Hinblick auf andere Bundesländer unterscheiden.
Frank Rabe
Christoph Frings
Im vorhergehenden Band Grundlagen der Kriminaltechnik I sind abgedruckt:
Im vorliegenden Band Grundlagen der Kriminaltechnik II sind abgedruckt:
Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Münster gibt es derzeit keine Sexualdelikte mit einem auffälligen Modus Operandi. Sexuelle Gewaltdelikte werden im Kriminalkommissariat 12 der Direktion Kriminalitätsbekämpfung bearbeitet.
Am 21.12.2014 geht gegen 18.30 Uhr auf der Leitstelle MORITZ der Notruf des
Herrn
Egon Müller
Münster-Hiltrup, Marktallee 15f 1
ein. In diesem Notruf berichtet er, dass versucht worden sei, eine junge Hausbewohnerin zu vergewaltigen. Er habe den Täter jedoch verscheucht.
Die erste Funkstreifenwagenbesatzung trifft gegen 18.35 Uhr am Tatort ein. Durch die eingetroffenen Kräfte werden folgende Feststellungen getroffen:
Vor Ort hat offensichtlich ein versuchtes Sexualdelikt stattgefunden. Geschädigt ist die
Jale Peksoy
Geb. 02.11.1995/Sarkoy (Türkei)
Münster-Hiltrup, Marktallee 15f
Bankkauffrau
Das Wohn-/Geschäftshaus Marktallee 15f liegt an der Geschäftsstraße des Ortes Münster-Hiltrup. Es handelt sich hierbei um ein 5-geschossiges Wohn-/ Geschäftshaus. Das Gebäude macht einen gepflegten Gesamteindruck. Es liegt direkt an der Straße Marktallee, durch eine Hofdurchfahrt gelangt man zu Fuß oder mit dem Pkw auf einen hinter dem Haus gelegenen, gepflasterten Parkplatz (Größe für ca. 40 Pkw, Gelände ohne höhere Bepflanzung).
Sowohl von der Gebäudevorderseite als auch dem Parkplatz gelangt man in den Hausflur. In der Zeit von 7 – 19 Uhr ist die Haustüre nicht verschlossen. Das Ladenlokal im Erdgeschoss verfügt über einen separaten Eingang.
In dem Gebäude befinden sich in jeder Etage insgesamt zwei Wohnungen. Die Wohnung der Geschädigten und ihrer Eltern liegt in der obersten Etage. Im Treppenhaus der jeweiligen Etage befinden sich die Sicherungskästen für die Stromversorgung. Diese sind in Stahlblechausführung gefertigt und mittels eines kleinen Rundzylinderschlosses gesichert. Die Wohnungseingangstüren sind Standardware mit Türspion und Sicherheitsbeschlägen.
Bei der Wohnung der Geschädigten und ihrer Eltern handelt es sich um eine ca. 90 m2 große Vierzimmerwohnung mit Küche, Diele, Bad und separatem WC.
Die Geschädigte gibt in einer ersten Befragung gegenüber der Streifenwagenbesatzung an, dass sie gegen 18.20 Uhr plötzlich bemerkt habe, wie in der Wohnung das Licht ausgegangen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe sie sich in ihrem Zimmer aufgehalten. Sie habe dann zunächst probiert, ob eventuell nur die Lampe defekt sei. Da in der Wohnung aber kein Licht mehr funktionierte, habe sie die Wohnungstüre geöffnet, um nach den Sicherungen zu schauen. Im Hausflur habe zu dieser Zeit kein Licht gebrannt.
Urplötzlich habe sie dann ein dunkel gekleideter Mann gepackt und in die Wohnung zurückgedrückt. Das Gesicht habe sie nicht erkennen können, da er mit einer schwarzen Skimaske mit Gesichtsausschnitt maskiert gewesen sei. Der Mann habe ihr dann ein Messer vors Gesicht gehalten und sie mit der anderen Hand vorne am Hals gepackt und ihr die Luft abgedrückt, sodas sie nicht schreien konnte. Er habe sie dann mit vorgehaltenem Messer in das erste Zimmer hinter der Wohnungstüre geschoben. Dies sei eigentlich das Zimmer ihres 11-jährigen Bruders.
Dort habe er sie auf die Jugendliege gedrückt und im gebrochenen Deutsch gefordert: „Ich will jetzt Sex mit dir, wenn du weiterleben willst, hältst du die Klappe!“ Anschließend habe er ihr den Rock hochgeschoben und den Slip heruntergerissen.
Bevor der Täter die Hand von ihrem Hals genommen habe, habe er gedroht: „Ich nehme jetzt die Hand von deinem Hals, wenn du schreist bist du tot.“ Danach habe der Täter die Hand von ihrem Hals genommen. Im Wohnungsflur habe sie dann einen Lichtschein bemerkt. Sie habe im Treppenhaus gehört, dass ihr Nachbar, Herr Müller, aus seiner Wohnung ins Treppenhaus getreten sei. Sie habe die Chance genutzt, laut um Hilfe geschrien und mit den beschuhten Füßen nach dem Täter getreten. Daraufhin habe der Täter die Flucht ergriffen.
Abb. 1: Verwendete Tatwaffe mit blutsuspekten Anhaftungen an Klinge und Messergriff
Bei einer ersten Inaugenscheinnahme des Tatortes durch die Beamten des Streifendienstes wird auf dem Fußboden des Tatzimmers ein sog. Ausbeinmesser (Küchenmesser mit ca. 15 cm langer Klinge/Standardware) gefunden. An dem Messer sind Blutanhaftungen feststellbar, obwohl die Geschädigte keine blutende Verletzung davongetragen hat. Vor der Jugendliege wird weiterhin ein Damenslip gefunden, der am rechten Beinausschnitt eingerissen ist. Weiter liegt vor der Jugendliege ein Päckchen original verpackter Präservative, die offenbar nicht der Geschädigten oder ihrem Bruder gehören. Erkennbar ist der Preisaufkleber der Kanal-Apotheke. Diese befindet sich ca. 500 m vom Tatort entfernt. Unter der Jugendliege findet sich ein schwarzes Smartphone der Marke HTC. Das Handy befindet sich offenbar im eingeschalteten Zustand. Die Geschädigte gibt an, dass es sich weder um ihr Handy, noch um das ihres Bruders handelt.
Am Hals der Geschädigten ist im Kehlkopfbereich eine deutliche, ca. 10 x 15 cm große, ovale, ausgeprägte Hautrötung mit Unterblutungen erkennbar.
Die Blechtüre des Sicherungskastens für die Tatwohnung steht offen. Sowohl an der Seitenwand des Sicherungskastens als auch an dessen Blechtüre befinden sich mehrere, ca. 10 mm breite, Hebelmarken eines flachen Werkzeuges. Zurzeit befindet sich die Geschädigte in der Wohnung des Zeugen Müller. Die Wohnung selbst und mögliche Spuren am Sicherungskasten werden durch eine Streifenwagenbesatzung abgesichert. Die Geschädigte war zum Tatzeitpunkt alleine in der Wohnung, ihre Eltern und ihr 11-jähriger Bruder waren für drei Wochen in die Türkei gereist.
Die Arbeitsstelle der Geschädigten befindet sich im Gebäude Marktallee 115 (Entfernung zur Wohnung ca. 1.000 m).
Im Rahmen der weiteren Ermittlungen kann durch das Kriminalkommissariat 12 der bereits wegen bewaffneten Raubes auf Tankstelle und wegen sexueller Nötigung in Erscheinung getretene
Horst Seemann
* 01.02.1961/Meerstadt
A-Stadt, Weseler Straße 363a
ermittelt werden.
Im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung wird bei dem Beschuldigten keine Tatbekleidung gefunden. In der oberen Schublade der Flurkommode kann durch die Durchsuchungskräfte eine halbautomatische Selbstladepistole
Walther PPK, Kaliber 7,65 mm,
Waffennummer 675 876
aufgefunden werden. Das Magazin der Waffe ist mit sieben Schuss gefüllt. Eine entsprechende Erlaubnis zum Besitz der Waffe hat Seemann nicht, daher werden die Schusswaffe und die Munition durch die Beamten beschlagnahmt.
Weiter werden in der Schublade eine schwarze Skimaske, mehrere Schraubendreher von unterschiedlicher Breite und eine Polygripzange gefunden.
Neben den in Band I bereits erläuterten Schuh- und Reifenspuren bieten sich generell alle Arten von Formspuren für kriminaltechnische Untersuchungen an. Die Voraussetzungen unterscheiden sich in keiner Weise von den bekannten Ausführungen in Kapitel 4.2.1 und 4.2.2. Entscheidend für eine Identifizierung sind die Abbildung und Herausarbeitung von Individualmerkmalen, entweder fertigungsbedingt oder durch Gebrauch verursacht. Kriminalistisch bedeutsam sind diesbezüglich beispielsweise Handschuhspuren, Abdrücke von Stoff (z.B. Jeans), Faltenwurf von Kleidungsstücken oder Passstücke, bei denen der Nachweis erbracht werden soll, dass zwei oder mehrere Teile ursprünglich zusammengehörten.
Allgemeine Beweiskraft Handschuhspuren
Abb. 2: Handschuhspur
Handschuhspuren am Tatort geben grundsätzlich Hinweise über die Anzahl der Täter (→ Situationsspur) und ermöglichen eine Gruppenbestimmung hinsichtlich der Handschuhart. zeigt einen Haushaltsgummihandschuh und eine typische Spur dieser Handschuhart. Leder-, Einweghandschuhe oder genoppte Handschuhe verursachen ebenfalls spezifische Spurenbilder.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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