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Ein toter Hund, ein einsamer Kommissar, ein militanter Rentner und eine nackte Leiche – im Hamburger Zoo geht’s gefährlicher zu als in freier Wildbahn! »Ich setz' uns einen Espresso auf«, sagte sie und drängte ihren Vater, am Küchentisch Platz zu nehmen. Der alte Oskar zog vorher noch die Kühlschranktür auf und angelte sich eine Ritter Sport aus dem Seitenfach. »Trauben-Nuss«, maulte er. »Da geht viel unter die Prothese.« »Bitte, Vater, dann lass es.« »Schokolade ist Nervennahrung, und für deinen Hermann brauche ich welche wie Drahtseile.« Opa Oskars Schwiegersohn ist ein wahres Ekelpaket! Der Regionalchef des Privatfernsehsenders RAW vernachlässigt seine Vaterpflichten und betrügt seine Ehefrau nach Strich und Faden. Ein nicht unübliches Verhalten in der Branche, schließlich gibt es im Medienzirkus genug (Frei)Willige für einen karriereförderlichen Seitensprung. Dass auf diesen ein tödlicher Fall folgen kann, erfahren die Gäste des RAWschen Sommerfestes im Tierpark Hagenbeck auf unschöne Weise. Wie gut, dass Kriminalhauptkommissar Fedder sogleich zur Stelle ist, denn zusätzlich zum Leichenfund gibt es eine Vermisstenmeldung: Hermann Heinzes kleiner Sohn ist verschwunden ... ob Opa Oskars schokoladegestählten Nerven das aushalten? »Grüne Hölle Hagenbeck« ist der siebenundzwanzigste Band der Kurzkrimi-Reihe hey! shorties – auf zur Raubtierfütterung!
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Seitenzahl: 63
Copyright der eBook-Ausgabe © 2014 bei Hey Publishing GmbH, München
Originalausgabe © 1999 by Hamburger Abendblatt in der Reihe Schwarze Hefte erschienen, herausgegeben von Volker Albers
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Coverabbildung: FinePic®, München
Autorenfoto: © privat
ISBN: 978-3-942822-57-2
Grüne Hölle Hagenbeck ist der siebenundzwanzigste Band der Krimireihe hey! shorties. Jede Folge ist in sich abgeschlossen. Eine Auflistung der bereits erschienenen Titel befindet sich am Ende dieses eBooks (bitte hier klicken).
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Grüne Hölle Hagenbeck
Fernsehfritzen sind leider häufig genau das, was man hinter ihrer Fassade längst argwöhnt: egomane, wichtigtuerische Schwachköpfe. Kriminalhauptkommissar Jörg Fedder kann diesen Typus so gar nicht riechen...
»Entschuldigen Sie, aber dann – ich meine, Sie sind hier bei der Mordkommission.«
»Sie hat Karlchen ermordet! Diese Frau, sie hat Karlchen gepackt und ihm – es war so schrecklich. Sie hat ihm einfach das Genick gebrochen.«
Fedder schüttelte ungläubig den Kopf.
Da geht Jörg Fedder vom Morddezernat nach ewigen Zeiten, noch dazu in galanter Begleitung, einmal wieder in den Tierpark, schon kriegt er es dort mit einem verschwundenen Kind und einer Leiche zu tun. Und der Vater des Kindes verhält sich wirklich sehr, sehr merkwürdig...
»Grüne Hölle Hagenbeck« ist der siebenundzwanzigste Band der Kurzkrimi-Reihe hey! shorties
Die Frau war schmal und trug einen auf Taille geschnittenen mausgrauen Mantel. Um ihren Hals hatte sie einen in Herbstfarben gehaltenen Schal gelegt, der überaus sorgfältig zurechtgezupft war. Ihre Hände steckten in hellbraunen Handschuhen. Eine Hand umklammerte den Knauf eines knotigen Spazierstocks.
»Es ging alles so furchtbar schnell«, sagte sie mit tränenerstickter Stimme. »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
»Lassen Sie sich Zeit«, meinte Fedder beruhigend, Kriminalhauptkommissar Jörg Fedder, Morddezernat, Sternzeichen Jungfrau. In knapp vier Wochen würde er seinen vierzigsten Geburtstag feiern können, wenn er ihn denn feierte. Er war noch immer unentschieden.
»Ich weiß nicht, ich weiß es wirklich nicht.« Die Frau schluckte, und Fedder registrierte, wie sie ihre schwarzlederne Handtasche aufklappte und ein Papiertaschentuch herausnestelte. Warum nur zog sie ihre Handschuhe nicht aus? Sie hatte den Stock neben sich an den Stuhl gelehnt, gleich musste er fallen.
»Einfach der Reihe nach«, sagte Fedder. Die vermutlich weit über sechzigjährige Frau betupfte ihre Augenwinkel. Der Spazierstock rutschte weg. Die Frau zuckte erschrocken zusammen.
Fedder war schon aufgestanden und bückte sich nach dem Stock. Sein Hosengürtel mit der quadratischen Silberschnalle drückte. Seit Weihnachten hatte er kontinuierlich an Gewicht zugelegt, und er wusste nur zu genau, warum. Er aß unregelmäßig und vor allem abends zu viel. Mindestens dreimal in der Woche verleitete ihn sein ehemaliger Kollege Peter, »Pit«, Gottschalk zu einem kleinen nächtlichen Kaltgetränk bei sich zu Hause, zu dem er seinem Verständnis nach »winzige Häppchen« bereitstellte. Mal waren es Platten mit Parmaschinken, Salami und vorzüglichen italienischen Käsesorten, mal gab es geräucherte Pfeffermakrelen, Schillerlocken und einen Berg Kieler Sprotten, die Gottschalk mit hauchdünnen Knoblauchscheibchen garniert hatte. Oder er servierte Holsteinischen Landschinken, ungarische Würste und Tiroler Speck zu daumendick geschnittenen Scheiben Pfister-Brot, das ihm Broszinski gelegentlich aus München mitbrachte. Jan Broszinski, auch ein Exkollege und Fedders damaliger Vorgesetzter, der seit Jahren kreuz und quer in der Welt herumreiste, um seine seinerzeit plötzlich verschwundene Lebensgefährtin Birte aufzuspüren, immer noch vergeblich. Eine tragische Geschichte.
»Danke«, sagte die Frau und umklammerte den Stock wieder. »Ich muss ja jeden Tag mit Karlchen raus – Karlchen, mein Gott! Wie kann ein Mensch nur so grausam sein? Und noch dazu eine Frau. Sie hatte so eine Lederjacke an, so eine schwarze, wie diese Motorradfahrer. Und blond war sie, ein ganz weißes Blond. Karlchen wollte ihr doch nichts.«
»Karlchen«, wiederholte Fedder. Er rückte seinen Stuhl neu zurecht und griff zu dem Notizblock, den ihm sein Versicherungsvertreter zum Jahresbeginn zugeschickt hatte: »Sie leben – wir sorgen für alles andere«.
Schön wär's. Der Slogan war farbig auf die Blätter gedruckt, in einem satten Grün. Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen, fiel Fedder jedes Mal beim Anblick dieses Schriftzugs ein, und die Melodie des Musicalsongs setzte sich auch sofort wieder bei ihm fest: »Es grünt so grün …«
»Karlchen hat noch nie jemandem etwas getan.«
»Karlchen«, sagte Fedder noch einmal. Er räusperte sich. »Karlchen ist wer?«
»Karlchen ist mein Ein und Alles. Ein Dackel, ein wirklich liebes Tier.«
»Ein Hund?« Fedder legte irritiert seinen ArtPen aus der Hand, auch ein Geschenk, allerdings von Babette, einer Redakteurin der Obdachlosen-Zeitschrift Hinz & Kunzt, der er während ihrer Scheidung hilfreich zur Seite gestanden hatte. Und mit ihr auch gern intimer geworden wäre. Er sollte sie mal wieder anrufen und, statt mit Gottschalk herumzuhängen, bei ihr, Babette, Babette Sturm, – Sturm wie der Wind, ein echt heißer Wind – einen ernsthaften Anlauf nehmen. Es war verdammt lange her, dass er eine Frau in seinen Armen gehalten hatte, eine unbekleidete zumindest. »Entschuldigen Sie, aber dann – ich meine, Sie sind hier bei der Mordkommission.«
»Sie hat Karlchen ermordet! Diese Frau, sie hat Karlchen gepackt und ihm – es war so schrecklich. Sie hat ihm einfach das Genick gebrochen.«
Fedder schüttelte ungläubig den Kopf.
In einer Eppendorfer Altbauwohnung am Marktplatz, dritter Stock, fand zur gleichen Zeit ein verbaler Schlagabtausch zwischen Hermann Heinze und seiner Noch-Ehefrau Tatjana statt. Heinze, ein sehr kleiner Mann mit einem allerdings wuchtigen Schädel und einem Gesicht, das ein affig wirkender Dreitagebart zierte, war der Regionalchef des Privatfernsehsenders RAW (Round About the World), der auch im zehnten Jahr seines Bestehens nach wie vor »der Tittensender« genannt wurde – alternierend mit »der Schweinesender«. Tatjana war vor ihrer Heirat mit Heinze eine jener Spielshow-Moderatorinnen gewesen, die zumindest eine der abfälligen Bezeichnungen wesentlich mitgeprägt hatten. Sie war gut zehn Zentimeter größer als ihr Mann und hatte einen stark entwickelten Busen, den sie schon immer aufreizend präsentiert hatte. Mittlerweile aber hatte auch ihr Hintern beträchtliche Ausmaße angenommen. Seit sie vor fünf Jahren Mutter geworden war, hatte sie sich in Hermann Heinzes Augen mit einer schlichtweg beängstigenden Rasanz zu einer »fetten Schnecke« entwickelt. Aber erst seit gut zwei Jahren schlief er nicht mehr mit ihr, und vor genau sechs Monaten hatte er ihr mitgeteilt, dass es zwischen ihnen irgendwie so gut wie aus sei. »Irgendwie« und »so gut wie« waren seine Lieblingsworte. Er gebrauchte sie auch jetzt.
»Du musst dich mal irgendwie entscheiden«, sagte er. »Von selbst abgenommen wird dir so gut wie nichts, nie im Leben, auch keine überflüssigen Pfunde.«
»Verzieh dich«, fauchte sie zurück. »Du kannst mich mal.«
»Nein, o nein. Ich kann das von dir verlangen, das kann ich. Du bist nämlich trotz allem immer noch meine Frau.«
Statt einer Antwort lachte sie höhnisch. Sie goss sich Kaffee nach und gab vier gehäufte Löffel Zucker dazu. Hermann entschloss sich, einen Zigarillo zu entzünden. Mit voller Absicht ließ er das noch brennende Streichholz auf den gekachelten Küchenboden fallen. Tatjana sah ihn kalt an.
»Ja«, fuhr er fort. »Das bist du. Und solange du das irgendwie bist, habe ich gewisse Rechte –«
»Hast du nicht gehört? Du sollst verschwinden. Du hast hier nichts mehr zu suchen.«
»Ich habe das Recht«, wiederholte er, »zu einem solchen Anlass von dir begleitet zu werden. Es sei denn, wir wären geschieden. Aber da wir das so gut wie noch nicht sind …«
»Das hättest du wohl gern?! Womöglich soll ich auch noch die Schuld auf mich nehmen.«
»Es geht um den Fakt.«
»Wer verweigert sich denn?«
»Ach Gottchen«, stöhnte er theatralisch. »Jeder Mensch hat nun mal irgendwie seine Schmerzgrenze.«