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Was kann eine Führungskraft von Arsène Wenger, Felix Magath, Jürgen Klopp und Co. lernen? Viel, meint Reinhard K. Sprenger und zieht spannende Parallelen zwischen dem Profifußball und dem Alltag in vielen Unternehmen. Denn Manager und Fußballtrainer haben eines gemeinsam: Sie müssen ihr Team auch nach Rückschlägen immer wieder zu Höchstleistungen anspornen. Aber nicht nur in dieser Hinsicht lässt sich vom Fußball vieles lernen. Deutschlands profiliertester Managementberater zeigt, dass die Fußballwelt perfekt dazu geeignet ist, Herausforderungen des Wirtschaftsleben deutlich zu machen und zu praktikablen Lösungen zu kommen. Ein kurzweiliges Buch, das schonungslos Fehlentwicklungen in Unternehmen aufdeckt sowie gewohnt schrfsinnig Erfolgsaussichten beschreibt.
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Seitenzahl: 266
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Information zum Buch
Was kann eine Führungskraft von Arsène Wenger, Felix Magath, Jürgen Klopp und Co. lernen? Viel, meint Reinhard K. Sprenger und zieht spannende Parallelen zwischen dem Profifußball und dem Alltag in vielen Unternehmen. Denn Manager und Fußballtrainer haben eines gemeinsam: Sie müssen ihr Team auch nach Rückschlägen immer wieder zu Höchstleistungen anspornen. Aber nicht nur in dieser Hinsicht lässt sich vom Fußball vieles lernen. Deutschlands profiliertester Managementberater zeigt, dass die Fußballwelt perfekt dazu geeignet ist, Herausforderungen des Wirtschaftsleben deutlich zu machen und zu praktikablen Lösungen zu kommen. Ein kurzweiliges Buch, das schonungslos Fehlentwicklungen in Unternehmen aufdeckt sowie gewohnt schrfsinnig Erfolgsaussichten beschreibt.
Informationen zum Autor
Dr. Reinhard K. Sprenger, promovierter Philosoph, gilt als profiliertester Managementberater und Führungsexperte Deutschlands. Zu seinen Kunden zählen nahezu alle großen DAX-Unternehmen; er lebt in Zürich und Santa Fe, New Mexico.
Sprenger ist bekannt als kritischer Denker, der nachdrücklich dazu auffordert, neues Denken und Handeln zu wagen.
Reinhard K. Sprenger
Gut aufgestellt
Fußballstrategien für Manager
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Copyright © 2010. Campus Verlag GmbH
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ISBN der Printausgabe: 978-3-593-39199-1
E-Book ISBN: 978-3-593-40831-6
Vor dem Spiel ist nach dem Spiel. Oder war es umgekehrt? Für dieses Buch gilt beides. Man könnte es endlos weiter schreiben. Der durch den Fußball geschärfte Blick auf das Management findet immer wieder neue Analogien – und es sind profunde Ähnlichkeiten, keine frivolen Oberflächenvergleiche.
Das Spannende waren die Vorträge, die ich seit der Erstauflage zum Thema »Gut aufgestellt« halten durfte. Sie waren bei aller Ernsthaftigkeit ein großer Spaß, auch für jene Zuhörer, die ihre Besonderheit gerne durch die Aussage betonen, dass sie sich nicht für Fußball interessieren. Vor allem aber ließen sich komplizierte Zusammenhänge in klare Beispiele und Bilder fassen, die unmittelbar plausibel waren, auf das Wesentliche reduzierten und vor allem wert waren, erinnert zu werden.
Wie zum Beispiel, dass es sich bei den amerikanischen Großspielen – Basketball, American Football und Baseball – um coaches games handelt – Spiele, die wesentlich durch das Eingreifen des Trainers von außen bestimmt werden. Fußball hingegen ist ein klassisches players game, ein Spiel, das weitgehend von den Spielern bestimmt wird. Die Amerikaner versuchen immer noch, Fußball als coaches game zu spielen. Dadurch entsteht große Hektik, weil permanent alle Trainer von außen auf die Spieler einreden. Bedenkt man die Tatsache, dass die wichtigsten Modelle des Managements in Amerika entwickelt wurden, dann sollten wir uns besinnen, dem eigenen Weg vertrauen, dem Fußball-Weg. Es gilt, Management als players game zu spielen.
|10|Seit der Erstausgabe 2008 hat die Konvergenz von Fußball und Management noch zugenommen. Einerseits beobachten wir die beschleunigte Verwirtschaftlichung des Fußballs: die Noten, die Tabulatoren der Leistung, die Bilanzen börsennotierter Vereine. Andererseits die Versportung der Wirtschaft: das beliebte Ranking von Vorstandsvorsitzenden, Managergehältern und Geschäftsberichten. Für beide gilt: Die beste Art der Problementsorgung sind nun einmal Tore – oder andere gute Zahlen.
Die sich manchmal nicht recht einstellen wollen: Die Strategie stimmt, die Taktik auch, ebenso die Technik, Kondition sowieso – und trotzdem rollt der Ball, wie er will, oft nicht wie wir wollen, gar an uns vorbei. Warum? Weil es ein Spiel ist! Das Licht, dass der Fußball auf das Leben wirft, ist ein spielerisches. Im Spiel wird die Lebenswirklichkeit verdichtet und bisweilen zugespitzt: Siegen und Verlieren, Plan und Zufall, Individuum und Kollektiv – das alles ergreift den Betrachter, nimmt ihn gefangen, lässt ihn bisweilen die Zeit vergessen. Aber es lässt ihm auch die Möglichkeit zur Distanz. Aber ist es nur ein Spiel? Zwar bin ich weit entfernt, den Fußball zur modernen Ersatzreligion zu machen. Aber es ist mir wichtig festzustellen: Fußball ist ein Spiel des Lebens, neben vielen anderen Spielen. Er ist nicht das Leben selbst. Das gilt auch für Management. Es ist nur ein Spiel des Lebens, nicht das Leben selbst. Für beide gilt, dass der Ball rund ist. Er lehrt, mit dem zu spielen, was mit uns spielt.
Reinhard K. Sprenger, Frühjahr 2010
»Das ist doch wie bei Schalke!« Wer so redet, macht zweierlei klar: Erstens, er kommt nicht aus dem Ruhrgebiet, sonst hätte er »auf Schalke« gesagt. Zweitens, er sucht einen besonders bildhaften Vergleich – einen Vergleich, der so allgemein verständlich ist, dass man den Vereinsnamen unterschlagen kann.
Das haben auch die Unternehmensstrategen erkannt. Sie setzen an zu cleveren Werbe-Dribblings: »Setzen Sie auf Europas Spitzenspieler!«. Oder: »Werden Sie Rendite-Weltmeister!«. Eine Bausparkasse lässt Wimpel bedrucken: »Fanclub Eigenheim«. Eine Landesbank wirbt mit: »Auswärts sind wir stark. Zu Hause fast unschlagbar.«
Fußballsprache ist im Unternehmensalltag allgegenwärtig: Liegt ein Unternehmen im Wettbewerb weit vorne, dann »spielt es in einer anderen Liga«. Manche Unternehmen wollen »zurück in die erste Liga«, einige wähnen sich gar im »Abstiegskampf«, beklagen marktabschottende »Mauertaktiken«, zeigen Spielverderbern die »Rote Karte«. Und dass man ins »Abseits« geraten kann, ist ohnehin klar.
Vor allem bei den unternehmensinternen Hochämtern gibt es zuhauf sprachliche Hackentricks und rhetorische Steilpässe: »Wir sind nicht auf Ballhöhe« meint jener, der noch Entwicklungsbedarf sieht. Finanzvorstände greifen als Auftakt für den jährlichen Neustart regelmäßig zum allzeitweisen Sepp Herberger: »Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.« Ein anderer beklagt einen Wettbewerbsnachteil: »Da beginnen wir das Fußballspiel mit 0:2-Rückstand!« – bis zwei zählen kann jeder, das ist sofort plausibel.
|12|Auch sprichworthafte Wendungen wie »ein Eigentor schießen«, »den Ball flach halten« oder Otto Rehhagels erfolgreiches Rezept der »kontrollierten Offensive« sind bildhafte Prägungen, die Einzug in das Wirtschaftsleben gehalten haben. Auf jeden Fall aber sind wir »gut aufgestellt« – so das Passepartout für gute Produkte, eine schlagkräftige Mannschaft, die effiziente Organisation und Zukunftsoptimismus. Denn Fußball spricht eine Sprache, die die ganze Welt versteht.
Und diese Sprache ist ein wahres Wundermittel – anschaulich, vielseitig, unerschöpflich. Sie beschreibt, liefert Bilder, Anekdoten, Beispiele, regt die Vorstellung an. Sie ist vielleicht auch die einzige Sprache, in der sich Menschen unterschiedlicher sozialer Zugehörigkeit ungezwungen verständigen können. Jedenfalls ist der PISA-Champion Finnland bei der WM 2010 wie schon 2006 nicht dabei. Der Fußballgott hat doch einen Sinn für Gerechtigkeit.
Aber ist der Fußball lediglich eine verführerische Metapher? Liefert er nur bildhafte Vorstellungswelten ohne operativen Nutzen? Genauer gefragt: Lohnt der Vergleich von Fußball und Wirtschaft?
Nun, zunächst ist Fußball eine Eigenwelt. Fußball drückt nichts aus und ist auch nicht Ausdruck von irgendwas – außer Fußball. Er ist einfach und gänzlich er selbst. »Das Runde muss ins Eckige« – darum geht es, wie uns Trainerphilosoph Otto Rehhagel erklärte. Nicht mehr, nicht weniger.
Wenn wir aber Fußball als ein Spiel sehen, dann kann er auch ein Bei-Spiel sein. Er kann als Sprachspiel den Anspruch erheben, die Welt der Wirtschaft mit einer Parallelwelt auszustatten. Er kann uns lehren, Unstimmigkeiten in unserem Denken besser zu verstehen und dass es verschiedene Arten gibt, auf solche Unstimmigkeiten zu reagieren. Er kann somit »spielerisch« Anschauungsmaterial für kluges Managen liefern. Und genau das will dieses Buch: Die Kunst der Führung im Stadionlicht beleuchten.
Es vertritt die These, dass Fußball nicht nur eine Metapher, sondern geradezu ein Modell für modernes Management ist oder zumindest in den letzten Jahren wurde. Denn die Geschäftswelt hat sich |13|verändert. Wirtschaftsführer sind da angekommen, wo Trainer und Fußballmanager schon lange sind: bei hohem, kurzfristigen Ergebnisdruck, bei dauernder Veränderung, stetigen Wachstumsansprüchen, globalem Wettbewerb, ständiger Verbesserung, ja Neu-Erfindung. Und insbesondere bei grundsätzlicher Job-Unsicherheit – was die einen als das Ende der Unternehmens-Ethik geißeln, andere als den Beginn beruflicher Selbstverantwortung begrüßen. Es ist kein Zufall, dass die Seiten der Wirtschaftsnachrichten den Sportnachrichten verblüffend ähneln (das ist nur deshalb so lange unentdeckt geblieben, weil Fußball eben kein amerikanischer Sport ist). Auch die Rolle von Führungskräften in der modernen Organisation hat sich der des Fußballmanagers angenähert: Sie sind Koordinatoren, die die Talente und Energien von Einzelnen auf gemeinsame Ziele hin steuern.
Und nichts ist so spannend wie Wirtschaft – außer Fußball. Man könnte den Satz auch umdrehen. Hier wie dort trifft man auf die alltagspraktische Trivialität, dass man nicht weiß, wie die Dinge ausgehen. Lernen kann man bei beiden: Mit Würde verlieren, mit Würde gewinnen. Aber auch, dass man in der Unterzahl nicht chancenlos ist. Teamgeist ist gefragt, Entschlossenheit und Zielstrebigkeit. Hier wie dort herrscht die Spannung zwischen Plan und Zufall, zwischen Scheitern und Erfolg, zwischen Standard und Ausnahme. Vor allem aber ist das Wechselspiel von individuellem Können und mannschaftlicher Geschlossenheit geradezu ein Musterbeispiel für beide Lebensbereiche – ja, für unser ganzes Leben überhaupt. Man kann den Ball wegdenken und ihn durch ein Produkt ersetzen. Man kann sich die gegnerische Mannschaft als Wettbewerber vorstellen. Man kann sich die Fans als Kunden vorstellen. Man kann sich die Spieler als Mitarbeiter vorstellen und den Trainer als Führungskraft. Der Doppelpass kann als soziales System verstanden werden, die Flanke als Kooperationsangebot. Hier wie dort geht es um Sieg, Kampf und Macht, Mut und Leidenschaft. Strategie, Taktik und Zufall sind dabei, Gefühle und Tragisches. Es gibt hier wie dort Helden, Schurken und Mitläufer, Besetzungen und Fehlbesetzungen. Letztere vor allem.
|14|Fußball und Wirtschaft können sich also in vieler Hinsicht austauschen: Dabei kann man sehen, wie sich kommerzielle und authentische Erfahrungen verschränken, wie sie sich im Big Business globalisieren und doch im Graswurzeldenken lokalisieren, wie sie sich ernüchtern und gleichzeitig visionär aufladen, wie sie in Austauschbarkeit verflachen und gleichzeitig unverwechselbar sein sollen, wie sich kurzfristige Interessen mit langfristigen Traditionsbindungen verknüpfen.
Wohlgemerkt: Dieses Buch vergleicht zwei Lebensbereiche – aber es setzt sie nicht gleich. Es gibt wichtige Unterschiede, die unangetastet bleiben.
»Flachhalten den Ball … ja, jetzt! … und stören, stören … Mann, zieh mal ab! Doch nicht soooo! Nun geh doch mal, Burgsmüller, geh doch mal … und nun schieß doch, ja, ja, jetzt! Mann-O-Mann.« Meinen Vater so begeistert zu sehen, das war schon eine Sache für sich. Gespannt saß er da auf seinem Dauerkartenplatz, wieder und wieder beugte er sich vor, lehnte sich zurück, stand auf, setzte sich wieder hin. Wo? Im Essener Georg-Melches-Stadion, wo seit 1956 die erste Flutlichtanlage Deutschlands steht. Rot-Weiss Essen war sein Verein, sein Held Willi Lippens.
Ich selbst ging als Kind nur selten mit ihm ins Stadion (»Papa, wie lang sind 90 Minuten?«). Aber natürlich liebte ich Fußballbilder. Jeden verfügbaren Groschen tauschte ich »anne Bude« gegen die kleinen Tütchen, in denen sich – hoffentlich! – der ersehnte Eusebio, der noch fehlende Puskas oder der äußerst seltene DiStefano befanden.
Bei einem Kinderheimaufenthalt war ich der »Pöler aussem Pott«. Ich beeindruckte offenbar durch wuchtiges Nachvornestürmen, weniger durch filigrane Technik. Gleichwohl erinnere ich mich noch an ein elegantes Freistoßtor oben links in den Winkel, das mir gegen die hochnäsige Mannschaft des Gymnasiums Essen-Bredeney gelang. Aus Prestigegründen war es mir ungeheuer wichtig, Mitglied meiner Klassenmannschaft zu sein (was mir nicht durchgängig |15|gelang). Zu den Auserwählten der Schulmannschaft gehörte ich nie.
Meine Fußball-Begeisterung reichte aber immerhin aus, um unter anderem Sportwissenschaft zu studieren. Das Studium bestand entgegen meiner Erwartung weitgehend aus Sport-Theorie und nur zu einem geringeren Teil aus Spielen, Schwimmen und Geräteturnen. Wo mir doch meine Eltern aufgegeben hatten, immer gut für meinen Körper zu sorgen, vor allem mit Frühsport und Waldlauf (so nannte man damals das Joggen).
Von den großen Ballspielen wählte ich … na was wohl? Ich erinnere mich, dass unser Dozent an der Ruhr-Universität Bochum zu uns Studenten sagte: »Alles, was man zum Leben braucht, kann man vom Fußball lernen.« Der Satz fiel fast beiläufig, aber er hat mich beeindruckt. Ich wusste damals noch nicht, dass mein Fußballlehrer mit dieser Bemerkung auf den Schultern von Riesen stand: Albert Camus behauptete, das Wesen der Moral ließe sich über Fußball erschließen – der große Literat war einst Torwart in seinem Heimatland Algerien. Und Martin Heidegger hat den Bauern von Todtnauberg das »Wesen des Wesens« und das »Sosein des Daseins« am Beispiel des Fußballs erklärt. (Ob sie wussten, was er meinte? Ob er wusste, was er meinte?) Jedenfalls wurde mir bald klar, dass man mit Fußball anders denkt über Siegen und Verlieren, Plan und Glück, Foul und Regeln.
Wenn ich mich jetzt wieder dem Sport, dem Fußball zuwende, dann schließt sich für mich ein Kreis. Wobei hier – das sei klar gesagt – der Fußball dazu dienen soll, Management zu beraten. Nicht umgekehrt. Also keine Doppelpässe. Deshalb will ich mich auch weder ironisch noch kulturkritisch über den Fußball äußern. Nicht, dass ich dem Fußball nicht alles Gute und Schöne wünsche. Mehr noch aber wünsche ich mir kluges Handeln in der Wirtschaft.
Einige Jahre habe ich gesammelt und geforscht, in Seminaren, in Stadien, in Sport- und Tageszeitungen, Büchern sowie Radio- und Fernsehberichten – angeregt durch eben jenes »Das ist doch wie bei |16|Schalke!« Je mehr ich mich mit dem Thema befasste, desto mehr wucherte es ins Uferlose. Es hat mich nicht entmutigt. Im Gegenteil: Ich will die gesamte Breite des Spielfeldes nutzen, um das Führungshandeln mit Analogien aus dem Fußball zu modellieren.
Ich habe mich dabei auf jene Aspekte beschränkt, die im gegenwärtigen Führungsalltag, so wie ich ihn erlebe, besonders aussagestark erschienen. Dabei erwarte ich nicht, dass Sie mit allen Steilpässen einverstanden sind. Manchen werde ich wohl »vor den Kopf stoßen« oder »gegen das Schienbein treten«. Oder vielleicht kennen Sie auch ein Gegenbeispiel. Aber ich fände es schön, wenn Sie die eine oder andere Idee »spielerisch« ausprobierten. Dass Sie nicht nur auf dem Tribünensitz hin und her rutschen, sondern aufstehen und etwas tun.
Und »spielerisch« sollte auch Ihr Umgang mit der Lektüre sein. Das Buch muss nicht am Stück gelesen werden, die Kapitel folgen keiner besonderen Ordnung, noch sind die ersten wichtiger als die letzten. Folgen Sie Ihrem Interesse. Nun aber, ohne weitere Spielverzögerung – Anpfiff!
Warum stehen Sie als Führungskraft auf der Gehaltsliste eines Unternehmens? Weil Sie dem Unternehmen etwas verkaufen. Was verkaufen Sie? Das scheint eigentlich klar, wird aber griffiger, wenn wir uns anschauen, was Sie dem Unternehmen nicht verkaufen. Zum Beispiel Arbeitszeit. Der Verkauf von Arbeitszeit dominiert zwar noch in alten Schornstein-Industrien, aber ein rein quantitativer Arbeitsbegriff gehört ins Archiv. Wir vergessen das oft, wenn wir mechanisch morgens zur Arbeit gehen, angestellt sind und einen »festen Arbeitsvertrag« haben – was immer heute »fest« bedeutet.
Sie verkaufen auch keine Motivation. Mit Motivation allein ist noch nichts gewonnen. Und was ist mit guten Absichten? Was ist mit Bemühungen? Natürlich, die Aufregung auf der Tribüne, wenn ein Spieler aufs Tor schießt. Aber Absichten führen nicht weiter, seien sie noch so zählbar: »Diese berühmten Torschuss-Statistiken sind der Wahnsinn schlechthin. Es gibt Mannschaften, die haben 16- oder 24-mal aufs Tor geschossen, das wird als Superwert genommen. Wahrscheinlich waren von 24 Torschüssen aber 18 die schlechteste Lösung. Dass andere Leute frei waren, dass man weiter hätte kombinieren müssen, das wird nicht gesehen.« (Volker Finke) Also, auch viele Versuche (wie zum Beispiel Kundenbesuche), mögen sie auch zählbar sein, zählen nicht.
Verkaufen Sie denn Leistung? Jetzt wird es kompliziert. Leistung ist einer der Begriffe, die enorme Bedeutungslasten bündeln und einfache Entscheidungen nicht zulassen. Der Rückgriff auf die Physik – Leistung ist Arbeit pro Zeit – führt in sozialen Zusammenhängen |20|nicht weit. Da ist zum Beispiel ein Mitarbeiter, der jedes Jahr 100 Prozent irgendeiner Messgröße abliefert – dann gibt es einen anderen Mitarbeiter, der sich jedes Jahr um 10 Prozent steigert: von 50 auf 60 Prozent, von 60 auf 70. Wessen Leistung ist höher zu bewerten?
Die Offenheit des Leistungsbegriffs wird noch deutlicher in Diskussionen über die »leistungsstärkste« Mannschaft einer Liga. Ist das die, die am Ende der Saison oben steht? Ja, sicher, wenn der Punktabstand gegenüber dem Zweitplatzierten groß ist. Ist er nur gering, dann kann man die Frage nur vorbehaltlos bejahen, wenn man den Zufall ausblendet und qualitative Aspekte keine Rolle spielen. Nehmen wir Bayern München als Beispiel. Trotz oft großer Punktdifferenzen und Titelgewinn ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie nicht die Besten waren. Das liegt darin begründet, dass etliche Spiele der Bayern sehr knapp gewonnen wurden. Oft reichte ein Tor, um aus einer Niederlage ein Unentschieden oder aus einem Unentschieden einen Sieg zu machen.
Oder, noch näher an der Unternehmenswirklichkeit: Bis zum WM-Jahr 2006 hielt Jürgen Klinsmann an der Formulierung fest, bei der Nominierung für die WM werde allein nach »Leistung« entschieden. Zudem würden nur Stammspieler der Vereine eingeladen. Im Fall von Christian Wörns und Christoph Metzelder zeigte sich, wie wenig das durchzuhalten war: Wörns bekam als Stammspieler in Dortmund Bestnoten, aber Ersatzmann Metzelder wurde nominiert. Offenbar zählen auch noch andere Dinge zur »Leistung«: angepasstes Verhalten etwa, oder die berühmte Spielphilosophie, dem der eine entspricht und der andere eben nicht. Was wir auch von Unternehmen kennen – dort wird auch nur soziale Ähnlichkeit befördert.
Wenn Sie nunmehr noch die drei Dimensionen von Leistung anschauen – die Bereitschaft, die Fähigkeit und die Leistungsmöglichkeit –, dann können Sie sicher sagen, dass Sie für die ersten beiden verantwortlich sind. Die Leistungsmöglichkeit hingegen ist oft Ihrem Einfluss entzogen. So wie im Fußball Zufall und Willkür mitspielen, die Rasenqualität, die Windverhältnisse, die Stärke des Flutlichts, |21|dubiose Schiedsrichterentscheidungen, kurzum Glück. Nicht alles haben Sie im Griff!
Fragen Sie sich ein letztes Mal: Verkaufen Sie denn Ergebnisse? Geht es um »Resultate«, wie man so oft hören kann? Der Fußball zeigt uns: Auch das greift zu kurz. Denn Daten und Fakten bedeuten zunächst einmal … gar nichts. Sie sind aussagelos. Erst, wenn sie mit Erwartungen verglichen werden, fangen sie an zu sprechen. Wenn man zum Beispiel nur »die Klasse halten« will, dann ist ein Platz im Mittelfeld ein hervorragendes Ergebnis. Hat man ein Abonnement auf den Meistertitel und landet im Mittelfeld, dann ist es ein Desaster. Unschwer zu erkennen: Leistung ist ein weiträumiger, nicht objektivierbarer, nicht messbarer Begriff. Er ist mehrdimensional, erwartungsabhängig und bewertungsoffen.
Die Flucht aus dieser Komplexität nennt man Erfolg. Erfolg ist sozial anerkannte Leistung. Man hat sich halt vereinbart über das, was wichtig ist. Man vergleicht Ergebnisse mit dieser Vereinbarung, und wenn der Vergleich für Sie positiv ausfällt, dann dürfen Sie weiterspielen. Erfolg hebt also Leistung heraus, macht sie erkennbar, grenzt sie ab. Was immer das sei: Für ein Familienunternehmen kann eine hohe Eigenkapitalrendite ein Erfolg sein, für den Manager die Entwicklung des Aktienkurses, für den Mitarbeiter die Lohnerhöhung oder die Karriere. Was Sie aber nachdenklich machen sollte: Versuchen Sie einmal, Ihren beruflichen Erfolg Ihrem 80-jährigen Vater zu erläutern. Und dann dasselbe Ihrer 8-jährigen Tochter. Sie werden mindestens eines merken: Man mag Erfolg beschreiben, bewerten, in gewissen Fällen gar messen können – objektiv ist er nicht. Er gilt nicht alles, nicht für alle und nicht für alle in gleichem Maße. Glücklicherweise.
Unsere Überlegungen lassen es nunmehr auch zu, zwischen Leistungsziel und Erfolgsziel zu unterscheiden. Ein Leistungsziel etwa lautet: »Treffe eine Entscheidung, bevor du den Ball schießt. Beim Pfiff des Schiedsrichters ziehe deine Entscheidung konsequent durch.« Ein Erfolgsziel lautet: »Wir verwandeln alle Elfmeter!« Bei Letzterem kann man eindeutig feststellen, ob es erreicht wurde.
|22|Das also ist der wesentliche Unterschied: Erfolg verengt den Leistungsbegriff auf ein digitales hopp oder topp, Sekt oder Selters. Absichten, Strategien und Pläne interessieren niemanden. Niemand beobachtet und bewertet das Training. Welche Taktik Sie gewählt haben – egal! Ballbesitz spielt keine Rolle! Nicht mal Tore sind wichtig, wenn es nicht zum Sieg reicht. Erfolg – darum geht es.
Leistung ist planbar, Erfolg nicht.
Das Anforderungsprofil eines Trainers bemisst sich daher nicht nach Intelligenz und Fachwissen, sondern nach Daten, Fakten und Zahlen, die in diesem Geschäft besonders »nackt« sind: Man kann sie in der Tabelle täglich ablesen. Außer ein paar Vereinspräsidenten, die an ihren Trainern aus Überzeugung und langfristiger Planung festhalten, sind sämtliche Übungsleiter vom Erfolg abhängig. Ottmar Hitzfeld, mit 20 Titeln hinter Alex Ferguson und Jock Stein der erfolgreichste Trainer der Fußballgeschichte, drückt das so aus: »Allein der Erfolg rettet mich. Nicht mein Fleiß, mein psychologisches Geschick und meine taktische Raffinesse. Ich habe nur Argumente, wenn ich gewinne.«
Manager in Unternehmen kommen nicht nur in dieser Hinsicht dem Fußball immer näher. Das ist bisweilen ungerecht, bedauerlich oder »unterkomplex«, wie die Soziologen sagen würden. Aber wer das beklagt, sollte überlegen, wie viele erfolglose Manager über Jahre ihr Unwesen treiben durften, weil Seilschaften – wie zum Beispiel die »Deutschland-AG« – sie im Sattel hielten.
Um unser Gerechtigkeitsgefühl zu besänftigen, sprechen wir beim Erfolg manchmal von »verdient« oder »unverdient« – womit wir versuchen, den Erfolg gegen die Leistung auszuspielen. Aber Erfolg ist immer ein Stück unverdient. Jedenfalls wäre es ein Irrglauben, dass Fleiß und Talent allein zum Erfolg führen. Die angesprochenen Leistungsmöglichkeiten müssen auch gegeben sein. Das Problem dabei ist: Da Erfolg für viele mach- und planbar scheint, betrachten sie jeden Misserfolg als persönliches Versagen. Ehrgeizige Mitarbeiter und Fußballer sind die besten Beispiele für diese Falle. Wie hoffentlich gezeigt, ist das ein Missverständnis: Leistung ist planbar, Erfolg |23|nicht. Manchmal ist es klug, nicht mehr nur zu strampeln und auf Hochtouren auszubrennen, sondern loszulassen und abzuschalten. Vielleicht kommt der Erfolg dann auf leisen Sohlen. Ganz plötzlich.
Was bleibt? Es hilft nichts, Trost spendende Relativierungen sind vergeblich: Letztlich verkaufen wir Erfolg. Er ist die Gegenleistung für das Geld, das wir verdienen. Und insofern waren die Bayern oft doch die Besten: meistens Meister.
Gott. Im Mittelalter war er die Universalerklärung für alles Unverständliche. Wenn die Ernte ausblieb – Gott will uns strafen. Starb jemand zu früh – Gottes Wille. Heute heißt die Universalerklärung für schwache Leistung: Motivation. »Wenn die nur mal richtig rennen würden!« Ein legendärer Bezirksligatrainer aus dem Ruhrgebiet war bekannt für den Spruch: »Männer, denkt an die drei großen A’s: Abwehr, Angriff, Angagement!« Manche Spieler stehen eben nur auf dem Spielberichtsbogen. Und manche Mitarbeiter kennen Schweiß nur in Verbindung mit der Angst vor dem Chef.
Wenn also hohe Leistung resultieren soll, dann muss die Leistungsbereitschaft hoch sein: Wille, Einsatz, Leidenschaft – Motivation im engeren Sinne. Aber ist es mit dem Nur-richtig-Wollen getan? Ist Leistung eine Frage der Mentalität? Dazu Argentiniens Trainer José Pekerman: »Was heißt hier Mentalität? Wenn sie der Nummer 9 der Deutschen freie Schussbahn lassen, dann ist das ein Fehler der Verteidigung und nicht der Mentalität.«
Allein das Wollen garantiert also noch keine Leistung. Es muss die Leistungsfähigkeit hinzukommen: das Können, Erfahrung, Talent, ein »Händchen« für das Spiel. Wenn sich also zum Wollen das Können addiert, resultiert dann hohe Leistung?
Es muss noch etwas Drittes vorhanden sein: die Leistungsmöglichkeit. Damit sind die Bedingungen angesprochen, unter denen eine Leistung erbracht werden soll. Ein Mensch muss eine realistische Chance haben, sein Wollen und Können auch zu entfalten. Dabei spielt das soziale Dürfen eine große Rolle, die Spielregeln, die Freiräume, |25|die Institutionen. Im Unternehmen kommt noch mehr hinzu: Der Beitrag der Führung, der Kollegen, die Strategie – alles das spielt in den Leistungsbegriff hinein. Aber auch Umstände wie der Wettbewerb oder interne Organisationsstrukturen beeinflussen, ob Sie Ihre Möglichkeiten entfalten können. Das ist im Kern das, was Spieler meinen, wenn sie sagen: »Wir konnten unsere Leistung nicht abrufen.« Was immer so klingt, als müssten sie nur irgendwo anrufen, um ihre Leistung zu erbringen, aber das Fräulein vom Amt hätte sie falsch verbunden. Und es verweist auch auf einen Umstand, den schon Sartre mit abgrundtiefer Philosophenweisheit erkannte: »Die Anwesenheit des Gegners kompliziert alles.«
Leistungsbereitschaft ist Sache des einzelnen Mitarbeiters.
Leistung ergibt sich immer aus dem Zusammenspiel dieser drei Dimensionen, das heißt sie sind wechselwirksam. Wenn zum Beispiel die Leistungsmöglichkeiten beschränkt sind, sterben langsam das Wollen und später auch das Können. Wer andererseits etwas mit ganzem Herzen will, wird in der Regel auch die Fähigkeiten erwerben, sein Ziel zu erreichen. Und wer etwas gut kann, wird es in der Regel auch gerne tun. Hohe Bereitschaft kann geringe Fähigkeit hingegen nur begrenzt ausgleichen. Aufs Ganze gesehen: Tendiert eine der drei Variablen gegen Null, geht die Leistung ebenfalls gegen Null. Deshalb gilt: »Man wird nicht nur mit spielerischen Mitteln Meister.« (Ottmar Hitzfeld)
Der Mensch muss also wollen, können und die Chance haben, wenn Leistung aus seinem Handeln resultieren soll. Verteilen wir diese Dimensionen auf die Verantwortung des Mitarbeiters und auf die Verantwortung der Führungskraft, so sagt die Verhaltensforschung unmissverständlich: Leistungsbereitschaft ist Sache des einzelnen Mitarbeiters. Natürlich nimmt auch die Führungskraft Einfluss auf die Leistungsbereitschaft des Mitarbeiters (leider eher negativ, wie noch zu zeigen sein wird), aber ein direkter Einfluss ist ihr versagt. Der Mensch ist zwar beeinflussbar, aber nicht steuerbar. Er ist keine triviale Maschine, die auf Knopfdruck erwartbares Verhalten mechanisch erzeugt.
|26|Die Erhaltung und Förderung der Leistungsfähigkeit, das Lernen, ist von Chef und Mitarbeiter gemeinsam zu verantworten. Der Chef kann hier anregen und fördern, aber der Mitarbeiter muss auch lernen wollen und können. Die Bereitstellung von Leistungsmöglichkeiten ist so, wie die Dinge nun mal hierarchisch liegen, vorrangig Aufgabe der Führung.
Wenn eine Leistungserwartung enttäuscht wird, wenn also das Ergebnis eines Mitarbeiters nicht den Wünschen des Vorgesetzten entspricht, werden die Ursachen häufig unterschiedlich eingeschätzt: Der Mitarbeiter erzählt eine Opfer-Geschichte, verweist auf mangelnde Leistungsmöglichkeiten, ist in der Regel noch bereit, Defizite seiner Leistungsfähigkeit zuzugestehen, hält sich aber meistens für leistungsbereit. Die Führungskraft sieht – umgekehrt – die Ursachen selten in Einschränkungen der Leistungsmöglichkeit, stimmt allenfalls Defiziten bei der Leistungsfähigkeit zu, beklagt hingegen vor allem mangelnde Leistungsbereitschaft.
Lassen Sie mich deshalb noch einmal festhalten: Leistung ist mehrdimensional und das Ansetzen an der Leistungsbereitschaft ein entsprechend kurzer Hebel. Wenn die Leistungsmöglichkeiten beschränkt sind und es an der Leistungsfähigkeit fehlt, dann können Sie in die Motivation Ihrer Mitarbeiter investieren, so viel Sie wollen – Sie werden immer nur mittelmäßige Ergebnisse erzielen. Wie auch immer, eine der bedeutendsten Einsichten, die der Fußball der Wirtschaft zur Verfügung stellen kann, stammt von Giovanni Trapattoni: »Ein guter Trainer kann ein Team höchstens 10 Prozent besser machen. Aber ein schlechter Trainer macht ein Team 50 Prozent schlechter.«
89. Minute, immer noch Null zu Null, der Platz ist regenschwer, alle Knochen tun weh, die Spieler sind fertig. Wollen Sie wirklich noch einmal die Zähne zusammenbeißen? Noch einmal anrennen, noch ein letztes Mal alles geben? Sie holen sich den Ball tief in der eigenen Hälfte, treiben ihn nach vorne, die Gegenspieler bleiben fast stehen, der Verteidiger kommt wieder angerauscht, Sie überlupfen den Ball, überspringen den Gegner, sind im Strafraum, sehen im Augenwinkel einen Mannschaftskollegen, der fast schon verzweifelt mitgelaufen ist, Sie legen auf – der Mitgelaufene drückt trocken ein. Eins zu Null. Sieg.
Nicht aufstecken, wenn die Niederlage droht, sondern sich noch einmal anstrengen: Das kann man Siegeswillen nennen, oder Entschlossenheit (neudeutsch commitment). Das vielleicht berühmteste Beispiel dafür ist das letzte Saisonspiel der Meisterschaft 2000/2001, FC Schalke 04 und Bayern München liegen Kopf an Kopf. Schalke kommt gegen Unterhaching erst nach zwei Gegentoren in Schwung und gewinnt noch verdient. Beim Schlusspfiff wähnen sie sich Deutscher Meister, da die Bayern in Hamburg zu diesem Zeitpunkt mit 0:1 zurück liegen. Angetrieben von Stefan Effenberg stürmen die Bayern in verzweifelter Hoffnung, gleichen in der 94. Minute aus … und retten den Titel. Dramatischer hätte man es kaum inszenieren können. Eines jener Spiele, die uns in besonderer Erinnerung bleiben, weil die Mannschaft durch ein Gegentor geweckt wurde und das Spiel noch umgedreht hat.
Siegenwollen ist eine biologische Besonderheit des Menschen. |28|Eine der beglückendsten Erfahrungen ist der Moment, in dem man gekämpft hat und nun ausgepumpt, aber siegreich, auf dem Spielfeld liegt. Wer das selbst erlebt hat, weiß, wovon ich spreche. Und dieses Siegenwollen ist zuallererst eine Frage der inneren Einstellung. Es ist Kopfsache – Spiele werden im Kopf gewonnen. Die Sportpsychologie kann schlüssig demonstrieren, dass Sportler auch körperlich erst dann aufgeben, wenn der Kopf sagt: »Jetzt ist Schluss«.
Auch Fußball ist zunächst Kopfsache. Der Trainer Jürgen Klopp meint dazu: »Beim Fußballer beeinflussen viele Faktoren die Leistung. Beim Fußballer ist weniger wichtig, wie er trainiert hat, sondern wie er denkt, dass er trainiert hat. Dann fühlt sich ein Fußballer gut und selbstbewusst.«
Und wenn der Gegner übermächtig scheint? Viele wirken nur deshalb groß, weil andere sich ducken. Man kann jeden Gegner schlagen, wenn man an sich glaubt, wenn man sich selbst nicht verfrüht geschlagen gibt. Mag es auch unwahrscheinlich sein – es ist doch möglich. Ernst Happel, der grantige Narziss aus Wien, hinterließ seinen Spielern ein handgeschriebenes Vermächtnis: »Jede Mannschaft ist in einem bestimmten Moment zu schlagen. Wie? Keine Hochachtung vor dem Gegner. Frechen, aggressiven, offensiven Fußball spielen. Es geht um die richtige Einstellung. Ich muss mit Herz zur Sache gehen.« Eine Botschaft, mit der man nicht nur ein paar Spiele gewinnen kann.
Der Glaube an den eigenen Erfolg ist mithin das Zünglein an der Waage: Wie oft haben schon Glaube und Erfolgswille das große Talent geschlagen! Und die bare Möglichkeit reicht völlig aus, es jedes Mal wieder zu versuchen. Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.
Ob der Wille zum Sieg da ist, spürt man schon, wenn die Spieler auf den Platz kommen. Wie jemand den Ball führt, ob er den Kopf oben hat, wie souverän er mit dem Körper abschirmt – man spürt wechselseitig sofort, wie selbstbewusst der Gegenspieler ist, ob er von sich überzeugt ist, ob er gewinnen oder nur möglichst ungeschoren davon kommen will. Darum muss es also gehen: Das Spiel bestimmen – es sich nicht aufzwingen lassen. Die wichtigste |29|Botschaft von Jürgen Klinsmann und Joachim Löw an den deutschen Fußball ist in der Diskussion über amerikanische Fitnesstrainer und neue Trainingsmethoden fast untergegangen: »Wir wollen nicht abwarten, sondern das Spiel bestimmen.« Die Trainerin der deutschen Frauennationalmannschaft, Silvia Neid, vor der WM 2007: »Wir wollen an der WM nichts verteidigen, sondern etwas gewinnen. Denn verteidigen hat mit Angst zu tun.« Die deutschen Frauen wurden wieder Weltmeister.
Jede Mannschaft ist in einem bestimmten Moment zu schlagen.
Nicht verlieren wollen, ist nicht genug – das habe ich in Unternehmen immer wieder bei Verkäufern beobachten können. Kunden müssen spüren, dass ein Verkäufer wirklich alles tut, um ihn zu gewinnen. Der Kunde muss gleichsam elektrisiert sein – von der Art, wie ein Verkäufer mit ihm arbeitet, wie er sich mit ihm beschäftigt, seine Fragen beantwortet und ihm die Sicherheit gibt, gut aufgehoben zu sein. Das kann man das »Bayern-Gen« nennen, jene Mischung aus grenzenlosem Selbstvertrauen und dem Gefühl der Unbesiegbarkeit, das sie zu ihren besten Zeiten ausstrahlen.
Im krassen Gegensatz dazu stehen jene, die aus Angst vor dem Nein des Kunden ein Gespräch nach dem andern führen, sich immer wieder vertrösten lassen, dabei unendlich viel Zeit verplempern und ihr eigenes Selbstwertgefühl verschleißen – statt einmal klar und entschieden den Kunden zum Handeln aufzufordern: »Was tun Sie nach unserem Gespräch?« und sich nur mit einem klaren Ja (schlimmstenfalls eben Nein) zufriedenzugeben.
Wieder andere, die lediglich nicht verlieren wollen, versuchen erst gar nicht, selbstbewusst ihren Preis durchzusetzen, sondern signalisieren von vorne herein Preisnachlass. So kann man vielleicht nicht verlieren – aber auch sicher nicht gewinnen. Oder der Mitarbeiter, der mit der Haltung »Das wird ein äußerst schwieriges Gespräch« zum Kunden geht. Er wird vor allem Signale der Distanz, der Skepsis, der Ablehnung wahrnehmen. Er geht aus dem Gespräch mit der Erkenntnis »Das habe ich schon vorher gewusst.«
|30|Solche und ähnliche Einstellungen kann man seit Jahren bei der spanischen Nationalmannschaft beobachten, die sich aus einer der stärksten Fußball-Ligen der Welt speist. Dennoch gelingen ihr bei großen Turnieren keine Erfolge, was der spanische Schriftsteller Javier Marías so begründet: »Den meisten unserer Spieler fehlen Ehrgeiz und Siegermentalität.«
Siegermentalität in der Wirtschaft ist nicht nur für den Einzelnen wichtig, sie hat auch Wirkung auf die Kollegen: Nicht aufstecken, sondern die andern anstecken. In Deutschland stehen Jürgen Klinsmann (vor allem bei der WM 1990) und Oliver Kahn für unbändigen Siegeswillen, der eine ganze Mannschaft mitreißt. Klinsmann kam zwar über Plakatpsychologie nie hinaus, aber war dennoch höchst erfolgreich: »Sei konzentriert bis in die Haarspitzen! Sei voll da! Das ist das wichtigste Spiel deines Lebens! Jetzt!« Und Kahn nennt als Beispiel das Schuhputzen vor dem Spiel. Schon im Jugendfußball sei die Regel hilfreich: Wer seine Fußballschuhe nicht selbst geputzt hat, spielt nicht. Das Schuhputzen steht symbolisch für aufgeräumt sein, vorbereitet sein, konzentriert sein, seine Energie ausgerichtet haben. Und so ins Spiel gehen. Der VfB Stuttgart wurde in der Saison 2006/2007 nicht zuletzt dank des Gefühls Meister, mit Willensstärke ein Spiel noch umbiegen zu können.