Gute Tage will ich haben! - Jürgen Werth - E-Book

Gute Tage will ich haben! E-Book

Jürgen Werth

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Beschreibung

Gelassenheit in den großen Fragen des Lebens

»Es passiert nichts Neues unter der Sonne« - »Alles hat seine Zeit«, mit Sprüchen wie diesen lebt das biblische Buch Kohelet auch im Bewusstsein von Menschen, die mit der Bibel eigentlich nichts am Hut haben. Kein Wunder, denn ein Weisheitslehrer ist dieser Kohelet, der auch als Prediger Salomo oder Ecclesiasticus bekannt ist. Ein Meister der Lebensklugheit, ein Sammler tiefer Erkenntnis in das Leben, in die Zusammenhänge der Welt und in die Seele des Menschen.

Jürgen Werth zeigt hier, wie sehr es sich lohnt, ihn heute wieder zu entdecken. Er hört Kohelet zu und nimmt dessen Einsichten in die großen Fragen des Lebens mit in den Alltag des 21. Jahrhunderts. Er konfrontiert Kohelets Weisheit mit dem eigenen Suchen nach dem Wie und Warum des Daseins, mit seinen Träumen, Ängsten und Hoffnungen. Daraus entsteht ein ungewöhnliches Gespräch, in dem alte Weisheit seine Kraft im Heute entfaltet. Ein Lese- und Lebensbuch, das tröstet, ermutigt und die Tage schöner macht.

  • Lebenswissen eines alten Weisheitslehrers für heute neu entdeckt
  • Eine Anleitung zu heiterer Gelassenheit im Heute

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Der Prediger Kohelet – neu entdeckt

»Es passiert nichts Neues unter der Sonne« – »Alles hat seine Zeit«, mit diesen Sätzen hat sich das biblische Buch Kohelet seit mehr als 2000 Jahren in das Bewusstsein von Menschen eingeschrieben. Kein Wunder, denn ein Weisheitslehrer ist dieser Kohelet. Ein Meister der Lebensklugheit, ein Sammler tiefer Erkenntnis in das Leben, in die Zusammenhänge der Welt und in die Seele des Menschen.

Jürgen Werth zeigt hier, wie sehr es sich lohnt, ihn heute wieder zu entdecken. Er hört Kohelet zu und nimmt dessen Einsichten in die großen Fragen des Lebens mit in den Alltag des 21. Jahrhunderts.

Er konfrontiert Kohelets Weisheit mit dem eigenen Suchen nach dem Wie und Warum des Daseins, mit seinen Träumen, Ängsten und Hoffnungen. Daraus entsteht ein ungewöhnliches Gespräch, in dem alte Weisheit seine Kraft im Heute entfaltet.

Ein Lese- und Lebensbuch, das tröstet, ermutigt und die Tage schöner macht.

Jürgen Werth

war bis 2014 Vorstandsvorsitzender bei »ERF Medien« und ist als Liedermacher, Moderator und Autor unterwegs. Er ist ein Meister im Geschichtenerzählen und viele seiner Lieder haben sich zu Klassikern entwickelt. Er ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.

Jürgen Werth

Gute Tage will ich haben!

Uraltes Weisheitswissen für ein hoffnungsvolles Heute und Morgen

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Copyright © 2023 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81 673 München

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

Umschlagmotiv: © FrankBoston – Adobe Stock.com

ISBN 978-3-641-29335-2V001

www.gtvh.de

Inhalt

Einführung

1

Was hat der Mensch für Gewinn von all seiner Mühe, die er hat unter der Sonne?

Was ein Leben sinnvoll macht

2

Es geschieht nichts Neues unter der Sonne

Warum sich so vieles wiederholt

3

Ich sah an alles Tun, das unter der Sonne geschieht, und siehe, es war alles eitel und Haschen nach Wind

Was dem Leben Bedeutung verleiht

4

Wohlan, ich will Wohlleben und gute Tage haben!

Was Leben ins Leben bringt

5

Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde

Was wann dran ist

6

Denn ein jeder Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes

Was mich hier und jetzt leben lässt

7

Wiederum sah ich alle, die Unrecht leiden unter der Sonne, und siehe, da waren Tränen derer, die Unrecht litten und keinen Tröster hatten

Und die ihnen Gewalt antaten, waren so mächtig, dass sie keinen Tröster hatten

Was tröstet

8

So ist’s ja besser zu zweien als allein; denn sie haben guten Lohn für ihre Mühe

Fällt einer von ihnen, so hilft ihm sein Gesell auf

Warum wir nicht alleine leben können

9

Bewahre deinen Fuß, wenn du zum Hause Gottes gehst, und komm, dass du hörst

Warum wir die Stille brauchen

10

Sei nicht schnell mit deinem Munde und lass dein Herz nicht eilen, etwas zu reden vor Gott; denn Gott ist im Himmel und du auf Erden; darum lass deiner Worte wenig sein

Denn wo viel Worte sind, da hört man den Toren

Wann wir reden, wann wir schweigen sollten

11

Der Ausgang einer Sache ist besser als ihr Anfang

Ein Geduldiger ist besser als ein Hochmütiger

Was wesentlich ist

12

Es begegnet dasselbe Geschick dem einen wie dem andern: dem Gerechten wie dem Gottlosen, dem Guten und Reinen wie dem Unreinen

Warum Gott manchmal schweigt

13

Darum pries ich die Freude, dass der Mensch nichts Besseres hat unter der Sonne, als zu essen und zu trinken und fröhlich zu sein

Was Glück ist

14

Alles, was dir vor die Hände kommt, es zu tun mit deiner Kraft, das tu!

Warum Aufschieben nur selten angesagt ist

15

Und es fand sich darin ein armer, weiser Mann, der die Stadt rettete durch seine Weisheit; aber kein Mensch dachte an diesen armen Mann

Wer die Welt zusammenhält

16

Schon ein wenig Torheit verdirbt Weisheit und Ehre

Warum Dummheit gefährlicher ist als Bosheit

17

Durch lässige Hände tropft es im Haus

Warum man sich einmischen muss

18

Fluche dem König auch nicht in Gedanken und fluche dem Reichen nicht in deiner Schlafkammer; denn die Vögel des Himmels tragen die Stimme fort, und die Fittiche haben, sagen’s weiter

Warum Segnen gut tut dem Gesegneten und dem Segnenden

19

Lass dein Brot über das Wasser fahren; denn du wirst es finden nach langer Zeit

Warum Teilen nicht ärmer macht

20

So freue dich, Jüngling, in deiner Jugend

Wie man sich ohne Wehmut erinnern kann

21

Des vielen Büchermachens ist kein Ende, und viel Studieren macht den Leib müde

Warum man aufschreiben soll, was wichtig ist

Anmerkungen

Einführung

Dieses Buch! Seit Jahren platzt es immer wieder in meinen Alltag. Springen mir seine Sätze unverhofft und unerwartet ins Auge, ins Hirn, in die Seele:

»Es ist alles ganz eitel und ein Haschen nach Wind.«

»Es geschieht nichts Neues unter der Sonne.«

»Alles hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde.«

»Einer mag überwältigt werden, aber zwei können widerstehen, und eine dreifache Schnur reißt nicht leicht entzwei.«

»Wer Geld liebt, wird vom Geld niemals satt.«

»So geh hin und iss dein Brot mit Freuden, trink deinen Wein mit gutem Mut.«

»Weisheit ist besser als Kriegswaffen.«

»Wer eine Grube gräbt, der kann hineinfallen.«

»Der Narr macht viele Worte.«

»Des vielen Büchermachens ist kein Ende, und viel Studieren macht den Leib müde.«

Dieses Buch! Dieses Büchlein, besser gesagt. Nur ein paar Seiten. Aber prallvoll mit Lebenswissen, Lebensweisheit. Vor über 2000 Jahren gedacht, gesagt, geschrieben. Als es noch keine Bücher gab, nur Schriftrollen aus Papyrus- oder Pergamentbahnen. Von einem, der im Dunkel bleibt. Man nennt ihn den Prediger. Den Lehrer. Den Sammler. Ver-Sammler. Kohelet für die Hebräer. Ecclesiastes für die Griechen. Concionator für die Lateiner. Volksredner. War er das? Auf den alten weisen König Salomo bezieht er sich. Weshalb sein Buch auch lange »Prediger Salomo« genannt wurde. Aber es ist wohl erst entstanden, als Salomo schon viele Jahrhunderte nicht mehr auf dieser Erde weilte. Es gehört zum ersten Teil der Bibel, den Christen das »Alte Testament« nennen.

Wer bist du, Prediger? Warum berührt mich, was du schreibst? Woher kommt deine tiefe Einsicht in die Seele des Menschen, in das Leben, in die Zusammenhänge der Welt? Und was bedeutet dir Salomo? War er dein Inspirator im Hintergrund? Oder hast du vielleicht sogar alte, bis dahin unveröffentlichte Spruchweisheiten von ihm entdeckt, gesammelt, verarbeitet?

Ich weiß es nicht. Ich muss es nicht wissen. Ich muss mich nur einlassen auf deine Einsichten. Um selbst ein bisschen weise zu werden.

Weise. Das ist wohl mehr als wissend. Weisheit ist Lebensklugheit, und das möchte ich werden: lebensklug. Darum nehme ich dich einfach mit in meine Welt, Prediger, in meinen Alltag, meine Lebenswege, meine Zweifel und Fragen, meine Träume und Ängste. Ich ahne schon jetzt: Mit all dem kennst du dich aus.

1

Was hat der Mensch für Gewinn von all seiner Mühe, die er hat unter der Sonne?

Was ein Leben sinnvoll macht

Wir hatten uns lange nicht gesehen. Viel zu lange nicht. Nun saß er mit seiner Frau am Nachbartisch in der Cafeteria des Pflegeheims, in das meine 93-jährige Mutter ein paar Tage zuvor eingezogen war. Ernstheinrich Schäfer. Mit Herzklopfen ging ich auf ihn zu. »Hallo, Ernstheinrich!« Seine Frau erkannte mich sofort. Großes Hallo. »Du hier?« »Ihr hier?« Er – schaute mich freundlich an. Mit warmen, lächelnden Augen. Aber er wusste nicht, wer ich war. Sie stellte mich vor. Sein Blick veränderte sich nicht. Warm und freundlich und – leer. »Er erkennt dich nicht mehr!«, sagte sie traurig. »Die Vergangenheit ist ausgelöscht.«

87 war er inzwischen, und die Vergangenheit war schon lange nicht mehr da. Dabei war er doch immer so klug gewesen. So wach. So aufmerksam. Ich war zu ihm in die Schule gegangen. Und das gleich im mehrfachen Wortsinn. Mein Deutschlehrer war er gewesen, mein Denklehrer, Leselehrer, Schreiblehrer. Er hatte dafür gesorgt, dass ich irgendwann die Schneider-Kinderbücher gegen wirkliche Literatur austauschte. Wir hatten uns an Wolfdietrich Schnurre gewagt, an Günter Grass und Max Frisch. Er hatte meine Lust an der Sprache geweckt, meine Art zu schreiben geformt. Dass ich Journalist geworden bin, lag wohl nicht zuletzt an ihm.

Er war anders als die anderen. Jünger. Moderner. Ambitionierter. Er sah anders aus, trug eine kecke Meckifrisur und hatte das augenzwinkernd mit Goethe begründet: »Eines schickt sich nicht für alle …« Später war er Schulleiter geworden, natürlich. Und wir waren uns immer wieder begegnet. Als ich in den Ruhestand ging und in der Wetzlarer Stadthalle ein großes Abschiedskonzert gab für die Hörer und Zuschauer des »Evangeliums-Rundfunk« (ERF), den ich viele Jahre geleitet hatte, war er da. Ich hatte es gewusst und ein Buch mitgebracht, das er mir knapp 50 Jahre zuvor feierlich überreicht hatte. Er war Vertrauenslehrer gewesen, ich Schulsprecher. Das Buch war sein Dankeschön für unsere Zusammenarbeit gewesen.

Und nun? War ich längst im Ruhestand. Und er – wusste nicht mehr, wer ich war. Er las nicht mehr. Er erkannte nichts mehr. »Von der Schule weiß er gar nichts mehr«, flüsterte seine Frau. Es gab kein Gestern mehr für ihn, nur noch heute, nur noch jetzt. Nur noch den Kaffee und die Torte auf dem Tisch, nur noch die Frau an seiner Seite, nur noch diesen älteren unbekannten Herrn, der ihn so freundlich begrüßte und von dem er nicht wusste, wer das war.

Es war unsere letzte Begegnung.

Als er gestorben war, lud mich seine Tochter ein, bei der Trauerfeier eines meiner Lieder zu singen. Ich bin früh losgefahren, denn ich ging davon aus, dass die Trauerhalle überfüllt sein würde. Doch sie war beinahe leer. Die Familie, eine Handvoll ehemaliger Weggefährten.

»Was ist der Mensch!« Vergänglich wie Gras. Ein Windhauch. Und was ist das, was er schafft! Was bleibt? Von ihm, von seinem Leben, von seinen Mühen, von seinen Erfolgen?

Das Leben ist flüchtig. Der Mensch ist flüchtig. Das Glück ist flüchtig. Der Erfolg ist flüchtig.

In meinem Kopf singt Frank Sinatra:

»That’s Life! That’s what all the people say. You’re riding high in April, shot down in May.« – »So ist das Leben, das sagt man eben so. Im April bist du ganz oben, und im Mai im Nirgendwo.« Und weiter: »Aber für mich wird es anders sein! Im Juni steig ich ganz neu ein!«

Kein Lied für ihn. Kein Lied für Ernstheinrich Schäfer. Und wohl auch kein Lied für mich. Irgendwann ist Mai. Irgendwann bleibt es Mai.

Ich schlage dein Buch auf, Prediger.

Es ist alles ganz eitel, sprach der Prediger, es ist alles ganz eitel. Was hat der Mensch für Gewinn von all seiner Mühe, die er hat unter der Sonne?

Aus Prediger 1

Eitel. Und wieder singt ein Lied in meinem Kopf, das schlichte Mondlied von Matthias Claudius: »Gott, lass uns dein Heil schauen. Auf nichts Vergänglichs trauen. Nicht Eitelkeit uns freun.« Eitelkeit? Ich schlage nach: »Eitel« stand zu seiner Zeit für »vergänglich, vergeblich, flüchtig«.

Ich sehe Menschen vor den Trümmern ihres Lebens. Flutopfer, Brandopfer, Tsunamiopfer, Erdbebenopfer, Kriegsopfer. Im Fernsehen zeigt einer bitter auf das, was von seinem Haus übrig geblieben ist: »Dafür haben wir 40 Jahre lang gearbeitet! Gelebt!«

Es ist alles ganz eitel. Sitzt auch du vor den Trümmern deines Lebens, als du das aufschreibst, Prediger? Bist du verbittert? Sehe ich dein Gesicht gramzerfurcht? Man hat dir das zuweilen unterstellt. Resignativ seien deine Gedanken. Eine bittere Bilanz am Ende des Lebens.

Für mich klingen sie anders. Wissend. Weise. Lebensklug. Entspannt. Gelassen. Ein bisschen trotzig. Vielleicht sogar heiter. Du hast viel erlebt und erlitten, hast vieles und viele kommen und wieder gehen sehen. Du warst ganz oben und ganz unten, wurdest gefeiert und vielleicht auch gefeuert. Du hast Sicherheiten zerbröckeln sehen, Schätze verrosten, Erfolge vergilben. Du bist alt geworden. Ja, du musst alt sein. Wenn man jung ist, denkt man solche Gedanken nicht. Aber du möchtest wohl, dass die, die noch nicht so weit sind, dir nachdenken. Damit sie nicht enttäuscht werden. Vom Leben nicht. Von sich selbst nicht. Und nicht von Gott. Wer weiß, dass er end-lich lebt, sollte endlich anfangen zu leben.

Hättest du sie schon gekannt, hättest du wohl die Geschichte vom niederländischen Herrn Kannitverstan erzählt. Johann Peter Hebel ist sie eingefallen, viele Jahrhunderte später. Zum ersten Mal habe ich sie wohl bei Ernstheinrich Schäfer gelesen.

Ein junger Handwerker aus Schwaben ist zum ersten Mal in Amsterdam. Vor einem prächtigen Haus bleibt er stehen und fragt, wem es gehöre. Er fragt auf schwäbisch, er kann keine andere Sprache. Die Holländer verstehen ihn nicht und antworten: »Kan nit verstan!« »Ich verstehe nicht.« Das aber hält er für den Namen des reichen Mannes. Herr Kannitverstan. Aha. Der wird ihm dann wieder genannt, als er sieht, wie aus einem großen Schiff prächtige Waren geladen werden. »Wem gehört das?« »Kan nit verstan.« Und er fängt an, den reichen Herrn Kannitverstan zu beneiden. Bis er einem langen Trauerzug begegnet. Auf seine Frage, wer denn hier zu Grabe getragen wird, antwortet einer der Trauernden wie die Befragten zuvor: »Kan nit verstan!« Was ihn erschüttert und beruhigt: Auch die unermesslich Reichen müssen sterben.

Das war immer so. Das wird immer so sein. Das letzte Hemd hat keine Taschen. Auch wenn man in alten Kulturen reichen Verstorbenen ins Grab legte, was ihnen im Leben etwas bedeutet hatte.

Alles ist eitel. Vergänglich, vergeblich, flüchtig.

Wer Geld liebt, wird vom Geld niemals satt, und wer Reichtum liebt, wird keinen Nutzen davon haben. Das ist auch eitel. Mehrt sich das Gut, so mehren sich, die es verzehren; und was hat sein Besitzer davon als das Nachsehen? Wer arbeitet, dem ist der Schlaf süß, er habe wenig oder viel gegessen; aber die Fülle lässt den Reichen nicht schlafen. Es ist ein böses Übel, das ich sah unter der Sonne: Reichtum, wohl verwahrt, wird zum Schaden dem, der ihn hat. Denn dieser Reichtum geht durch ein böses Geschick verloren. Und wer einen Sohn gezeugt hat, dem bleibt nichts in der Hand. Wie einer nackt von seiner Mutter Leib gekommen ist, so fährt er wieder dahin, wie er gekommen ist, und nichts behält er von seiner Arbeit, das er mit sich nähme. Das ist ein böses Übel, dass er dahinfährt, wie er gekommen ist. Und was gewinnt er dadurch, dass er in den Wind gearbeitet hat? Sein Leben lang hat er im Finstern gegessen, in großem Grämen und Krankheit und Verdruss.

Aus Prediger 5

Ich lese deine Gedanken, Prediger, in der Übersetzung zweier Männer, die dir nähergestanden haben als ich. Deinem Glauben, deiner Zeit, deiner Sprache. Zwei jüdische Gelehrte: Martin Buber und Franz Rosenzweig. In den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts hatten sie gemeinsam begonnen, die Hebräische Bibel, das Alte Testament in der christlichen Heiligen Schrift, neu zu übersetzen. Möglichst nah am hebräischen Original. Franz Rosenzweig starb 1929, Martin Buber machte alleine weiter. Durch die dunkle Zeit des Nationalsozialismus hindurch bis in die Sechzigerjahre hinein. Der Anfang deines Buches liest sich bei ihnen so:

»Dunst der Dünste, spricht Versammler, Dunst der Dünste, alles ist Dunst.«

Alles Dunst. Die Goldenen Zwanziger, der Börsencrash von 1929, die Nazidiktatur, der Holocaust, der neue Staat Israel, das Wirtschaftswunder in Deutschland … Dunst, weil nicht beständig.

Wer viele Zeiten hat kommen und gehen sehen, lässt sich nicht mehr so leicht blenden und wohl auch nicht so schnell erschüttern.

Dein Buch ist ein zutiefst jüdisches Buch, Prediger. Auch wenn du nicht ahnen konntest, was deinem Volk widerfahren würde in den Jahrtausenden nach dir. Spätestens nach der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 immer auf der Flucht. Die vierzig Jahre Wüstenwanderung auf Jahrhunderte gedehnt. Heimatlos. Schutzlos. Und oft genug auch besitzlos. Es lohnte sich nicht, feste Häuser zu bauen, weil sie ja doch immer wieder niedergebrannt wurden. Heinrich Heine schrieb einmal, die Juden hätten nur eine »portative Heimat«. Eine Heimat zum Mitnehmen. Ihren Glauben. Ihre Traditionen. Vielleicht noch die Torarolle. Alles andere: Dunst der Dünste. Vergänglich.

Und doch leben sie bis heute. Was ein Wunder ist. Der Philosoph Voltaire soll einmal von Friedrich dem Großen gefragt worden sein, ob er ihm einen Gottesbeweis liefern könne. Voltaire habe nach kurzem Nachdenken, geantwortet: »Die Juden, Sire!«

Ob leichter überlebt, wer gelernt hat, dass alles Dunst ist, und sich darum darin gar nicht erst häuslich niederlässt? Wer immer wieder verlassen muss, woran er sein Herz hängen könnte, verlässt sich nicht mehr auf Vergängliches.

Jochen Klepper konnte ein Lied davon singen. Als junger Journalist in der Nazizeit, Schriftsteller auch, der mit einer Jüdin verheiratet war und der Deportation ins Konzentrationslager nur dadurch zu entgehen wusste, dass er sich am 11. Dezember 1942 mit seiner Frau Hanni und der Tochter Renate das Leben nahm.

In einem Gedicht betete er schon 1937:

Da alles, was der Mensch beginnt,

vor seinen Augen noch zerrinnt,

sei du selbst der Vollender.

Die Jahre, die du uns geschenkt,

wenn deine Güte uns nicht lenkt,

veralten wie Gewänder.

Wer ist hier, der vor dir besteht?

Der Mensch, sein Tag, sein Werk vergeht:

nur du allein wirst bleiben.

Nur Gottes Jahr währt für und für,

drum kehre jeden Tag zu dir,

weil wir im Winde treiben.

Jochen Klepper

Seine letzten Worte waren: »Wir sterben nun – ach, auch das steht bei Gott – Wir gehen heute Nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des Segnenden Christus, der um uns ringt.«

Wir treiben im Winde. Wir sind Wind. Das Leben ist Wind. Die Zeit ist Wind. Ja, das würde bitter klingen und resignativ – wenn da nicht die Hoffnung wäre! Der Blick auf eine andere Wirklichkeit, unverwehbar und unvergänglich. Für den Prediger ist es Gott. Für Klepper auch. Für ihn aber vor allem der segnende Christus, in dem Gott sich aus der Unvergänglichkeit in die menschliche Vergänglichkeit begeben hat.

Wer solch eine andere Dimension denken und glauben kann, nimmt das Jetzt und Hier nicht ernster, als es das verdient hat, er geht immer wieder auf Distanz und gewinnt so Gelassenheit. Heitere Gelassenheit vielleicht sogar.

2

Es geschieht nichts Neues unter der Sonne

Warum sich so vieles wiederholt

Sie hatte sich befreit. Von dem narzisstischen Despoten, der sie einmal verzaubert hatte. Der sie auf Händen getragen hatte. Aber nur, damit sie ihn bewunderte. Überhaupt war es wohl das, was er immer und überall und von jedem einforderte: Bewunderung. Als ihre Bewunderung kleiner geworden war, weil mehr und mehr die dunklen Seiten seiner Persönlichkeit zum Vorschein gekommen waren, hatte er sie mit denselben Händen, mit denen er sie früher getragen hatte, geschlagen. Endlich hat sie sich befreit. Oder besser: Hat sie sich befreien lassen. Denn alleine kommt man aus einem solchen Gefängnis nur selten wieder raus. Sie hatte menschliche Hilfe. Weise Berater. Beherzte Freunde. Und sie hatte Gott. Den Befreier.

Dann hatte sie ihn getroffen. Der war so, wie der, von dem sie sich befreit hatte, auch gewesen war in den ersten Monaten ihrer Beziehung. Charmant. Gewinnend. Verführerisch. Er hatte sie auf Händen getragen. Bis – sie eines Tages merkte, dass sie auf dasselbe böse Spiel hereingefallen war. Sie hatte das eine Gefängnis verlassen, um in einem anderen zu landen.

So geht das oft, und so geht es leider immer wieder. Weil die alten Muster sich tief in unsere Seele eingebrannt haben und wir meist gar nicht anders können, als uns nach ihnen zu richten in unseren kleinen und großen Entscheidungen. Sind wir frei? Wollen wir überhaupt frei sein? Können wir es sein? Darüber streiten die Gelehrten seit Jahrhunderten. Die Bibel sagt: Nein, wir sind es nicht. Es gibt kein Paradies der Freiheit, jenseits von Eden sind wir versklavt an tausend Herren, nicht zuletzt an uns selbst.

Augustinus hat einmal nüchtern festgestellt, unsere angebliche Freiheit sei nichts weiter als ein Rasseln mit unseren Ketten. Was wir jeden Tag erleben können. Der amerikanische Theologe William Willimond schreibt: »Im Supermarkt des Verlangens ist es unser Schicksal, endlos zu konsumieren und nie wirklich zufrieden zu sein.«

Nicht zufrieden und nicht frei. Ist das unser Schicksal? Bleibt es das, solange wir leben? Kommen wir nie ans Ziel unserer Mühen und Bemühungen? Können wir nie etwas wirklich Neues erleben? Oder uns wenigstens vorstellen? Denken? Erleben und erleiden und denken wir nur wieder und wieder, was wir schon immer erlebt, erlitten und gedacht haben? Wir und Generationen vor uns und nach uns? Träumen wir dieselben Träume? Spüren wir dieselben Ängste? Fühlen wir dieselben Schmerzen? Machen wir dieselben Fehler? Immer und immer wieder?

Wir reiben uns seit Jahrtausenden an denselben Fragen. Und die Geschichte scheint sich beständig zu wiederholen. Die Weltgeschichte und unsere Lebensgeschichten auch.

Das jedenfalls könnte erklären, warum dieses denkwürdige Buch von Kohelet so zeitlos aktuell ist.

Ein Geschlecht vergeht, das andere kommt; die Erde aber bleibt immer bestehen. Die Sonne geht auf und geht unter und läuft an ihren Ort, dass sie dort wieder aufgehe. Der Wind geht nach Süden und dreht sich nach Norden und wieder herum an den Ort, wo er anfing. Alle Wasser laufen ins Meer, doch wird das Meer nicht voller; an den Ort, dahin sie fließen, fließen sie immer wieder.