Handbuch Fundraising - Marita Haibach - E-Book

Handbuch Fundraising E-Book

Marita Haibach

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Beschreibung

Unerreicht seit über 20 Jahren Wer für die gute Sache kämpft, weiß, dass die Unterstützung aus öffentlicher Hand nie ausreicht. Wohltätigkeitsorganisationen, Vereine und gemeinnützige Initiativen sind auf Spender und Förderer angewiesen. Doch wie findet man diese? Welche ethischen und juristischen Fallstricke sind zu beachten? Und wie funktioniert Fundraising im digitalen Zeitalter? All diese Fragen beantwortet das ausführlichste Handbuch zum Thema, das erstmals mit E-Book inside ausgestattet ist für noch mehr Lesekomfort. "Das beste und ausführlichste Handbuch zum Thema Fundraising" Medienspiegel des Instituts der Deutschen Wirtschaft "Umfassendes Nachschlagewerk und praxisnahes How-to-Buch." Socialnet.de

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Marita Haibach

Handbuch Fundraising

Spenden, Sponsoring, Stiftungen in der Praxis

Campus Verlag

Frankfurt/New York

Über das Buch

Unerreicht seit über 20 Jahren Wer für die gute Sache kämpft, weiß, dass die Unterstützung aus öffentlicher Hand nie ausreicht. Wohltätigkeitsorganisationen, Vereine und gemeinnützige Initiativen sind auf Spender und Förderer angewiesen. Doch wie findet man diese? Welche ethischen und juristischen Fallstricke sind zu beachten? Und wie funktioniert Fundraising im digitalen Zeitalter? All diese Fragen beantwortet das ausführlichste Handbuch zum Thema, das erstmals mit E-Book inside ausgestattet ist für noch mehr Lesekomfort. "Das beste und ausführlichste Handbuch zum Thema Fundraising" Medienspiegel des Instituts der Deutschen Wirtschaft <p> "Umfassendes Nachschlagewerk und praxisnahes How-to-Buch." Socialnet.de

Vita

Dr. Marita Haibach ist seit 1991 als unabhängige Beraterin, Coach und Autorin auf die Förderung des privaten Engagements spezialisiert. Sie unterstützt Non-Profit-Organisationen unterschiedlicher Couleur, Wissenschafts- und Kultureinrichtungen bei der Entwicklung und erfolgreichen Umsetzung praxistauglicher Fundraising-Konzepte. Sie ist Mitinhaberin des MAJOR GIVING INSTITUTE, das auf Weiterbildungsaktivitäten im Bereich Großspenden-Fundraising spezialisiert ist. Dr. Marita Haibach wirkte in leitender Funktion beim Aufbau einer ganzen Reihe von Non-Profit-Organisationen mit, die das Fundraising sowie das Stiftungswesen in Deutschland und ganz Europa maßgeblich prägen, darunter der Deutsche Fundraising Verband (DFRV), die Fundraising Akademie, die European Fundraising Association (EFA), die Frauenstiftung Filia sowie das Pecunia Erbinnen-Netzwerk. Für ihr ehrenamtliches Engagement bei der Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements, der Philanthropie und des Fundraisings in Deutschland wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz und mit dem Deutschen Fundraising Preis ausgezeichnet.

Inhalt

Vorwort

Teil IGrundlagen und Rahmenbedingungen

1Was ist Fundraising?

1.1Marketingprinzip

1.2Beziehungs- und Freundschaftspflege

1.3Fundraising und die Freude am Spenden

1.4Ansehen und Stellenwert des Fundraisings

1.5Philanthropie, Fundraising und Staatsverständnis

1.6Zivilgesellschaft, Non-Profit-Sektor und private Förderer

1.7Fundraising und die Konkurrenz der Förderzwecke

2Ethik im Fundraising

2.1Ethikregeln der Fundraising-Verbände

2.2Persönliche Integrität

2.3Darstellung von Spendenanliegen

2.4Verwaltung und Verwendung der Mittel

2.5Umgang mit Spenderdaten

2.6Herkunft der Mittel

3Orientierung für Förderer und geprüfte Transparenz

3.1Öffentliche Rechenschaftspflicht

3.2Der Jahresbericht – ein Aushängeschild für Spendenorganisationen

3.3Spenderwächterorganisationen und Transparenzinitiativen

3.4Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI)

3.5Mündige Förderer

4Das rechtliche Umfeld des Fundraisings

4.1Rechtsformen und steuerliche Sphären

4.2Spendenabzug

4.3Unterschiede zwischen Spenden und Sponsoring

4.4Erbrecht und Erbschaftsteuerrecht

4.5Datenschutzrecht

4.6Wettbewerbsrecht

Teil IIVoraussetzungen für erfolgreiches Fundraising

5Organisationsaufgabe und vielschichtiger Managementprozess

5.1Komplexes Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren

5.2Fundraising-Management

5.3Einnahmen, Kosten und Controlling im Fundraising

6Institutional Readiness: die Bereitschaft der Organisation

6.1Überzeugender Organisationszweck und Positionierung

6.2Fundraising-Zielbild (Case for Support)

6.3Bedarf und Förderprojekte

6.4Die Stakeholder einer Organisation

6.5Kommunikationsstrategie

7Professionalisierung – ein zentraler Erfolgsfaktor im Fundraising

7.1Fundraising in den USA: Kulturtechnik und angesehenes Berufsfeld

7.2Fundraising in Deutschland: ein zunehmend gefragtes Berufsfeld

7.3Aufgabenbereiche und Positionierung in den Organisationen

7.3.1Führungsaufgabe Fundraising

7.3.2Die Rolle von freiwilligen Aktiven

7.4Beruf FundraiserIn: Qualifikationsanforderungen, Zugang, Vergütung

7.4.1Persönlichkeitskompetenz

7.4.2Sozialkompetenz

7.4.3Fachkompetenz

7.4.4Handlungskompetenz

7.4.5Qualifizierungsmöglichkeiten

7.4.6Vergütung von Fundraiserinnen und Fundraisern

7.4.7Frauen – die besseren Fundraiser?

7.5Die Zusammenarbeit mit BeraterInnen und Agenturen

7.6Fundraising für kleine Non-Profit-Organisationen: Kooperationsmodelle

8Datenbankgestütztes Fundraising – digitales Kontaktmanagement

8.1Auswahl einer Fundraising-Software

8.2Aufbau und Pflege einer Fundraising-Datenbank

8.3Database-Fundraising

8.4Zahlungsmethoden

Teil IIIPrivate Finanzquellen für Gemeinwohlanliegen

9Philanthropisches Engagement im Aufwind

9.1Der Non-Profit-Sektor in Deutschland: Zahlen und Trends

9.2Private Förderer für zivilgesellschaftliche Organisationen: Gruppen und Umfang

9.3Die spendensammelnden Organisationen

10Privatpersonen – das zentrale Segment des Spendenmarktes

10.1Spendenzwecke, Spendenzielgruppen

10.2Mehr Reichtum – mehr philanthropisches Engagement?

10.3Spendenmotive

10.4Soziodemografische Faktoren

11Stiftungen – engagierte Akteure der Zivilgesellschaft

11.1Die deutsche Stiftungswelt im Überblick

11.2Rechtsformen – Steuervorteile

11.3Stifter und Stifterinnen

11.4Kritische Diskussionen über Stiftungen als Veränderungsimpulse

12Wirtschaftsunternehmen als Förderer und Partner

12.1Corporate Social Responsibility und Corporate Citizenship

12.2Corporate Citizenship: Zahlen, Ziele, Zwecke

12.2.1Sponsoring-Arten und -Trends

12.2.2Unternehmensengagement: Motive und Nutzen

12.2.3Engagementbereiche

12.3Unternehmenskooperationen – Glaubwürdigkeitsfalle oder Einflussmöglichkeit?

Teil IVFundraising in der Praxis: Privatpersonen

13Wege zu Privatpersonen

13.1Fundraising-Grundregeln

13.2Spenderpyramide und Segmentierung der Förderer

13.3Gewinnung von neuen SpenderInnen

13.4 Spenderrecherchen, Befragungen, Marktforschung

14Fundraising-Methoden und -Instrumente

14.1Kriterien für die Auswahl

14.2Persönliche Fundraising-Gespräche

14.3Online-Fundraising

14.3.1 Luft nach oben bei der Optimierung für das Spenden online

14.3.2Instrumente und Methoden des Online-Fundraisings

14.4Spenden-Mailings (persönlich adressierte Spendenbriefe)

14.4.1Häufigkeit und Zeitpunkt

14.4.2Das Mailing-Package

14.4.3Das Anschreiben

14.4.4Planung, Texten, Produktion

14.4.5Testen von Mailings

14.4.6Fremdadressen-Mailings zur SpenderInnengewinnung

14.4.8Beschwerden nicht überbewerten

14.4.9Eine Fundraising-Methode nur für Großorganisationen?

14.5Face-to-Face-Fundraising (Straßen- und Haustürwerbung)

14.5.1 Imagewandel und Qualitätssicherung

14.5.2 Outsourcing und Inhouse

14.5.3 Ablauforganisation 

14.5.4Die Dialoger

14.5.5Finanzielle Aspekte 

14.6Großspenden-Fundraising

14.6.1Was ist eine Großspende?

14.6.2Institutional Readiness für Großspenden-Fundraising

14.6.3Systematische Großspendergewinnung: Moves-Management und Major-Donor-Zyklus

14.6.4Großspender-Mailings

14.6.5Capital Campaigns

14.7Testamentspenden-Fundraising

14.7.1 Große Potenziale – geringe Bereitschaft zu Testamentspenden

14.7.2TestamentspenderInnen gewinnen und binden

14.7.3Erbschaften abwickeln

14.8Telefon-Fundraising

14.8.1Formen und Anwendungsgebiete

14.8.2Vorbereitung und Umsetzung

14.9Fundraising-Events

14.9.1Nutzen von Events

14.9.2Planung und Organisation

14.10Fundraising in den klassischen Medien

14.11Dauerspenden, (Förder-)Mitgliedschaften, Patenschaften

14.11.1Gewinnung und Bindung von DauerspenderInnen und (Förder-)Mitgliedern

14.11.2 Patenschaften – eine populäre Förderform

14.12 Anlass-Fundraising, Online-Spendenaktionen

14.13Geldauflagenmarketing (Bußgeld-Fundraising)

14.13.1Die Vergabe von Geldauflagen im Fokus der Öffentlichkeit

14.13.2 Bußgeld-Fundraising in der Praxis

15Spenderbindung, Spenderbetreuung, Spendendank

15.1Spenderloyalität – digitale Donor Journeys

15.2Dankstrategien

15.3Regelmäßige Informationen

15.4Zufriedenheits- und Beschwerdemanagement

15.5Frauen als Spenderinnen – geschlechtsspezifische Unterschiede

Teil VFundraising in der Praxis: Stiftungen und Unternehmen

16Wege zu Stiftungen

16.1Was Stiftungen fördern

16.2Die passende Stiftung

16.3Von der Kontaktaufnahme zur Förderung

16.4Stiftungen als Fundraising-Instrument

16.4.1Errichtung und Management einer (Fundraising-)Stiftung

16.4.2Dachstiftungen, Stiftungsfonds, Treuhandstiftungen

17Wege zu Unternehmen

17.1Formen von Unternehmenskooperationen

17.1.1Spenden von Unternehmen (Corporate Giving)

17.1.2Sponsoring

17.1.3Unternehmensstiftungen

17.1.4Cause-related Marketing (CrM)

17.1.5Corporate Volunteering

17.2Partnerschaften kompetent managen

17.3Den passenden Partner finden

17.4Konzeption und Kooperationsskizze

17.5Kontaktaufnahme

17.6Kooperationsvereinbarung, Umsetzung, Reporting

Teil VIPhilanthropie und Fundraising in Österreich und der Schweiz

18Spenden im internationalen Vergleich

19Österreich

20Schweiz

Ausblick: Fundraising und eine neue Ära der Philanthropie

Anhang

Fachgespräche

Abkürzungen

Fachverbände und Netzwerke

Publikationen und Quellen

Register

Vorwort

Das Fundraising hat in Deutschland, Österreich und der Schweiz seit den 1990er-Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Hintergrund ist das Bestreben von gemeinnützigen Organisationen und auch von Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft, ihre Einnahmen aus privaten Förderquellen zu steigern. Gleichzeitig ist die wachsende Bedeutung von privatem Engagement in Gestalt von Spenden (in unterschiedlichsten Formen), Stiften und Corporate-Social-Responsibility-Aktivitäten Ausdruck einer immer aktiver werdenden Zivilgesellschaft.

Als 1996 mein erstes Fundraising-Buch im Campus Verlag erschien, betraten wir Neuland. Es gab im deutschsprachigen Raum noch keine Bücher zu dieser Thematik, das neue Berufsfeld des Fundraisings war gerade erst dabei, Fuß zu fassen. Das Thema des Spendensammeln hatte ein etwas anstößiges Image. Fundraiserinnen und Fundraiser wurden gelegentlich sogar als Bettler und Klinkenputzer bezeichnet. Doch bald schon zeichnete es sich ab, dass das Interesse der Non-Profit-Welt an der Fundraising-Thematik groß war und ein neues Berufsfeld Gestalt annahm. Viele langjährige Fundraiserinnen und Fundraiser kommen noch heute auf mich zu, um mir mitzuteilen: »Dein Buch hat mich zum Fundraising gebracht.« 1998 erschien die erste Auflage dieses Handbuchs Fundraising. Inzwischen folgten drei weitere Auflagen (2002, 2006 und 2012).

Bei der Erstellung der nun vorliegenden 5. Auflage wurde mir einmal mehr klar, dass es sich beim Fundraising um ein dynamisches und zugleich immer komplexer werdendes Themenfeld handelt. Dies ist etwa auf die rasanten Veränderungen im gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Umfeld zurückzuführen. Wichtige Stichworte sind hier Digitalisierung, die Vielzahl der Möglichkeiten, über das Internet zu kommunizieren, die Globalisierung und das Erstarken des Rechtspopulismus. Bei den privaten Förderern, ihren kommunikativen Gepflogenheiten sowie ihren inhaltlichen Präferenzen zeichnen sich ständig neue Entwicklungen ab, denen Fundraiserinnen und Fundraiser Rechnung tragen müssen. Ein Beispiel, das Veränderungen widerspiegelt, sind postalische Spenden-Mailings. Diese bildeten lange Zeit für viele Organisationen das zentrale Standbein bei der Gewinnung von neuen SpenderInnen. Auch wenn dieses Instrument nach wie vor eine wichtige Rolle bei der Spenderbindung spielt und einige Organisationen es weiterhin mit Erfolg bei der Neuspendergewinnung einsetzen, so bauen viele große Spendenorganisationen inzwischen dabei auf Standwerbung oder das Internet.

Die aktuellen Entwicklungen, Trends und Techniken von der zunehmenden Digitalisierung auch im Fundraising, die immer größer werdenden Möglichkeiten des Online-Fundraisings über das Face-to-face-Fundraising bis hin zur wachsenden Bedeutung des Großspenden-Fundraisings und des Testamentspenden-Fundraisings haben in die nun vorliegende Neuauflage Eingang gefunden.

In den 1990er-Jahren war der Begriff Fundraising lediglich bei Insidern bekannt, doch nun ist seine gewachsene Bedeutung sogar durch die Aufnahme in den Duden belegt. Abgesehen von den Fundraising-Profis in den großen Spendenorganisationen gab es seinerzeit nur da und dort Organisationen und Menschen, die sich dafür interessierten, welche Chancen in der Erschließung privater Finanzquellen für ihre Arbeit liegen. Oft gab es ideologische Einwände und Diskussionen, besonders über den Zusammenhang zwischen Fundraising und dem Abbau des Sozialstaats und über den Einfluss der Wirtschaft auf gemeinnützige Vereine. Das Interesse an der Thematik und die neu gewonnenen Erkenntnisse führten allerdings in vielen Fällen nicht zum Handeln und zu großen Veränderungen in der Alltagsarbeit. Staatliche Geldgeber waren und sind noch immer die »Wunschpartner« vieler Non-Profit-Organisationen.

Die »Phase der Neugier« in Sachen Fundraising (so würde ich die 1990er-Jahre charakterisieren) ist nun einer Phase gewichen, in der das Machen mehr und mehr zur Normalität geworden ist (ab den 2000er-Jahren). Die Erkenntnis, dass Spenden und andere private Fördermittel nicht von alleine »ins Haus kommen«, gehört heute zu den Binsenweisheiten in der Non-Profit-Welt. Der Begriff Fundraising ist in aller Munde. Immer mehr Vereine, Stiftungen, Institutionen (darunter Hochschulen und Kultureinrichtungen) und Individuen sind aktiv geworden. Das gewachsene Interesse zeigt sich auch am Interesse an Weiterbildungsangeboten und Tagungen auf diesem Gebiet. Qualifizierte Fundraiser und Fundraiserinnen sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt, zumal sich immer mehr Fundraiserinnen und Fundraiser aus der Gründergeneration inzwischen aus dem aktiven Berufsleben zurückziehen und in den Ruhestand gehen. Selbst bei den Medien, die der professionellen Einwerbung von Spenden und Sponsoring-Mitteln lange Zeit eher sehr kritisch gegenüberstanden und alles, was mit Fundraising zu hat, mit Begriffen wie Betrug und Missbrauch in Verbindung brachten, ist – trotz gelegentlicher Rückfälle – eine differenziertere Sichtweise und Berichterstattung festzustellen.

Die Fundraising-Branche hierzulande und das Fundraising insgesamt befinden sich in einem Entwicklungsprozess, der nie haltmacht. Vielmehr gilt es immer wieder aufs Neue, auf Veränderungen im gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Umfeld zu reagieren. Ein wesentliches Ziel dieses Buches ist es, über den aktuellen Stand der Entwicklungen und Diskussionen zu informieren. Mein Hauptanliegen aber ist, Fundraising-Interessierten ein »How-to-Buch« an die Hand zu geben. Alle, die »Fundraising-Profis« werden wollen, sei es hauptberuflich oder ehrenamtlich, können sich hier einen Überblick über den Fundraising-Markt und die breite Palette der Fundraising-Techniken verschaffen. Dies gilt auch für BeraterInnen und TrainerInnen, die sich ein neues Betätigungsfeld in diesem Bereich aufbauen wollen. Vorständen und Geschäftsleitungen von Non-Profit-Organisationen bietet das Handbuch Fundraising notwendige Grundlagen für die Beurteilung ihrer eigenen Rolle beim Fundraising sowie der Kriterien, die bei der Einstellung von FundraiserInnen zu berücksichtigen sind. Das Buch ist aber auch von Interesse für PolitikerInnen und MitarbeiterInnen der öffentlichen Verwaltung, denen die Voraussetzungen und Grenzen des Fundraisings erläutert werden. Schließlich enthält das Buch viele Hinweise auch für die Geldgeberseite, Privatpersonen sowie Menschen, die in Stiftungen beziehungsweise in Wirtschaftsunternehmen tätig sind.

In diesem Buch werden alle gängigen Fundraising-Methoden und -Instrumente erläutert. Anhand von zahlreichen Beispielen wird die Praxis des Fundraisings erklärt und dargelegt, wie Privatpersonen, Stiftungen und Unternehmen als Förderer gewonnen werden können.

Im Zentrum von Teil I steht die Darlegung der Grundlagen und Rahmenbedingungen: Was ist Fundraising, warum ist Fundraising wichtig, wo liegen die ethischen Grenzen? Eingegangen wird auch auf die Barrieren, die dem Fundraising oft im Weg stehen, und den gesellschaftspolitischen Kontext, nämlich Fundraising und Philanthropie als Antriebskräfte einer aktiven Zivilgesellschaft. Dann wird der Frage nachgegangen, welche Orientierungshilfen Förderern zur Verfügung stehen, die oft Probleme haben, sich angesichts Tausender von spendensammelnden Organisationen zurechtzufinden. Abschließend wird das rechtliche Umfeld des Fundraisings skizziert.

In Teil II wird deutlich gemacht, dass sich Fundraising-Erfolge nur dann einstellen, wenn Fundraising als professionelle Management- und Organisationsaufgabe angesehen wird. Nach einem Überblick über die Fundraising-Branchen in den USA und Deutschland wird dargelegt, wie das Fundraising konkret organisiert werden kann und welche Qualifikationen FundraiserInnen besitzen sollten. Es folgt die Beschreibung der Grundschritte einer Fundraising-Konzeption. Zudem wird die Thematik des datenbankgestützten Fundraisings und des digitalen Kontaktmanagements eingehend beleuchtet.

In Teil III wird zunächst mittels Fakten und Zahlen erläutert, wie die Institution Philanthropie in Deutschland aussieht. Im Mittelpunkt dieses Teils stehen die einzelnen privaten Finanzquellen – Privatpersonen, Stiftungen, Unternehmen –, die im Hinblick auf ihr Förderverhalten analysiert werden.

Im Zentrum von Teil IV stehen die Fundraising-Methoden und -Instrumente (persönliche Fundraising-Gespräche, Online-Fundraising, Spenden-Mailings, Face-to-Face-Fundraising, Großspenden-Fundraising, Testamentspenden-Fundraising, Telefon-Fundraising, Fundraising-Events, Anlass-Fundraising und andere mehr), mit denen Privatpersonen als SpenderInnen gewonnen werden können. Behandelt wird auch, welche der Instrumente sich am besten zur Gewinnung von Neuspendern und von Dauerförderern (einschließlich Patenschaften) eignen. Auch dem Thema Spenderbindung und Spendendank ist ein Kapitel gewidmet. Zu Anfang werden die grundlegenden Prinzipien des Fundraisings erläutert.

In Teil V werden Wege vorgestellt, wie sich Stiftungen und Unternehmen als Förderer gewinnen lassen: Anträge an Stiftungen und Schritte zur Einwerbung von Fördermitteln von Unternehmen. Auch die Voraussetzungen für die Nutzung von Stiftungen als Fundraising-Instrument werden dargestellt.

In Teil VI erfolgt ein Überblick über Philanthropie und Fundraising in Österreich und der Schweiz.

Im Mittelpunkt des Ausblicks steht das Nachdenken über die Zukunft von Fundraising und Philanthropie. Im Anhang enthalten ist eine Übersicht von Fachverbänden und Netzwerken, die für das Fundraising relevant sind.

Ausgangspunkt meiner Beschäftigung mit der Fundraising-Thematik war die Arbeit an meiner Dissertation Frauenbewegung in der Philanthropie: Frauen verändern die Stiftungswelt in den USA (München 1997). Während eines zweijährigen Forschungsaufenthaltes in den USA (1988–1990) konnte ich mir durch zahlreiche Interviews mit Expertinnen und Experten aus der Fundraising-Branche und der Stiftungswelt, mit Mitarbeiterinnen von Frauenorganisationen und Wirtschaftsunternehmen, mit reichen Erbinnen und prominenten Feministinnen wie Gloria Steinem ein umfassendes Bild über die Vergangenheit und Gegenwart der Institution Philanthropie in Amerika machen. Zwischenzeitlich habe ich meine zahlreichen Besuche und weiterführenden Gespräche mit Experten in diesem »Mutterland« des Fundraisings dazu genutzt, mein Wissen und meine Erfahrungen zu erweitern. Von ganz besonderem Nutzen war meine Teilnahme am Grundkurs Principles and Techniques of Fundraising der an der Indiana University angesiedelten Fund Raising School.

Meine Erfahrungen in den USA und die Kenntnis der dortigen Verhältnisse waren der Ausgangspunkt für meine Beschäftigung mit der Frage, wie Fundraising und Philanthropie auch in Deutschland und in ganz Europa vorangetrieben und private Finanzquellen für gemeinnützige Zwecke besser erschlossen werden können. Es war mir jedoch von Anfang an klar, dass den verschiedenartigen gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten, auch hinsichtlich der Fundraising-Methoden und der unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben, Rechnung getragen werden muss. Es ist mir zudem ein großes Anliegen, parallel zur Entwicklung des Fundraisings auch zur Weiterentwicklung der Geberseite beizutragen. Es macht keinen Sinn, wenn dem vermehrten Fundraising ein immer gleichbleibendes Philanthropievolumen gegenübersteht. Mit meinem Engagement als eine der Initiatorinnen des Pecunia Erbinnen-Netzwerks in Deutschland und als Mitbegründerin der Stiftung Filia sowie der Veröffentlichung meines Buches Frauen erben anders. Mutig mit Vermögen umgehen (Königstein 2001) habe ich mich mit Erfolg bemüht, meinen Beitrag zu einer Steigerung des philanthropischen Engagements von vermögenden Frauen zu leisten.

Die Inhalte dieses Buches beruhen in erster Linie auf der Praxis des Fundraisings in Deutschland, berücksichtigt sind aber auch Erfahrungen aus Österreich und der Schweiz sowie einige US-Beispiele. Viele Fundraising-Praktiker und -Praktikerinnen haben mir in großzügiger Weise Einblick in ihren Alltag gewährt und mich an ihrem Fachwissen teilhaben lassen. Bei den Aussagen von Fundraising-ExpertInnen, die nicht mit einer Quellenangabe versehen sind, handelt es sich um Zitate aus meinen mit ihnen geführten Fachgesprächen. Auch meine zahlreichen Fundraising-Beratungsprojekte ebenso wie meine Seminare und meine Tätigkeit als Vorstandsmitglied und ehrenamtliche Fundraiserin beim Aufbau von gemeinnützigen Organisationen haben mir viele Einsichten in die Chancen und Barrieren des Fundraisings hierzulande ermöglicht. Zudem habe ich eine Vielfalt von Veröffentlichungen und Informationen ausgewertet.

Allen, die mich im Verlaufe dieses Buchprojektes unterstützt haben, danke ich herzlich, ganz besonders denjenigen, die mir für ein Fachgespräch zur Verfügung standen und mir Materialien ihrer Organisation für die Aufnahme in mein Buch zur Verfügung gestellt haben. Dank gebührt auch meinem Ehepartner Juan Carlos Núñez Hinojosa, der mit viel Geduld und Verständnis akzeptierte, dass ich wochenlang »hinter dem Computer verschwand« und nichts als Fundraising im Kopf hatte.

Ich bin eine langjährige Verfechterin einer inklusiven Sprache, die Frauen sichtbar macht. Daher wird in diesem Buch des Öfteren das »Binnen-I« verwendet, wenn mit einem Begriff Frauen und Männer bezeichnet werden sollen. An Stellen, wo dadurch ein Wort entstanden wäre, das in unserem Sprachgebrauch nicht existiert oder holprig klingt, habe ich jedoch darauf verzichtet und je nach Textzusammenhang nur die weibliche beziehungsweise nur die männliche Form oder aber beide Formen gebraucht.

Dr. Marita Haibach

Wiesbaden, im Mai 2019

Teil I

Grundlagen und Rahmenbedingungen

1Was ist Fundraising?

Der Begriff Fundraising1 kommt aus den USA. Er setzt sich zusammen aus dem Substantiv fund und dem Verb to raise. Fund bedeutet Geld, Kapital; to raise heißt etwas aufbringen (zum Beispiel Geld). Fundraising bedeutet demnach wörtlich Kapitalbeschaffung.

Fundraising wird verstanden als die umfassende Mittelbeschaffung einer nicht kommerziellen Organisation. Dies umfasst Finanz- und Sachmittel, Rechte und Informationen, Arbeits- und Dienstleistungen, wobei der Schwerpunkt auf der Einwerbung finanzieller Mittel liegt. Beim Fundraising geht es um die Erstellung einer Kommunikationsstrategie für die Beschaffung von Finanzmitteln. In der Regel handelt es sich dabei um Mittel, die nicht regelmäßig fließen und deren Vergabe im Ermessen der Geberseite liegt.

Für den Begriff Fundraising gibt es kein treffendes Wort im Deutschen, Begriffe wie Finanzmittelakquisition oder Geldbeschaffung greifen zu kurz. Aus diesem Grunde wird im deutschen Sprachgebrauch meist der Begriff aus dem Englischen verwendet, zumal auch bei uns Methoden und Verhaltensweisen eingesetzt werden, die sich an Vorbildern in den USA orientieren. Im Jahr 2004 wurde der Ausdruck Fundraising sogar in den Duden aufgenommen. Die Erläuterung »Spendensammeln für wohltätige Zwecke« greift allerdings zu kurz, denn zu den Fundraising-Methoden gehören beispielsweise auch Anträge an Stiftungen sowie die Gewinnung von Sponsoren.

Fundraising richtet sich an private und öffentliche Geldgeber, um die Förderung unterschiedlicher Zwecke zu erreichen. Es kann ehrenamtlich und hauptberuflich ausgeübt werden. Fundraising betreiben können Einzelpersonen (wie beispielsweise KünstlerInnen) oder auch PolitikerInnen. In den USA ist das Fundraising in der Politik ein eigenständiger Zweig der Branche. Von besonderer Bedeutung aber ist das Fundraising für gemeinnützige Zwecke, denn Non-Profit-Organisationen sind in der Regel finanziell nicht autark, es sei denn, es handelt sich um Stiftungen (doch selbst diese müssen oft Fundraising betreiben). Die benötigten Finanzmittel müssen aus externen Quellen beschafft werden. Und dies funktioniert am besten, wenn sich Personen gezielt und kompetent darum kümmern. Mittlerweile betreiben aber auch öffentliche Einrichtungen, zum Beispiel Schulen, Hochschulen oder Museen, Fundraising. Im Zentrum dieses Buches steht das Fundraising für Non-Profit-Organisationen, doch die beschriebenen Grundsätze und Techniken lassen sich auch von anderen Geldsuchenden, ob Einzelpersonen oder staatliche Stellen, anwenden.

Wenn es um private Förderer geht, wird oft auch der Begriff »Sponsoring« verwandt. Fundraising und Sponsoring sind allerdings nicht identisch, obwohl die Worte aus der Begriffsfamilie Sponsor in der Umgangssprache oft undifferenziert für jegliche Form der privaten Förderung verwendet werden.

Das Wort Sponsor kommt aus dem Englischen und bedeutet Förderer, Gönner, Schirmherr, Geldgeber. Das daraus abgeleitete Wort Sponsoring bedeutet Förderung, etwas als Sponsor finanzieren oder veranstalten. Das Sponsoring ist eines von unterschiedlichen Fundraising-Instrumenten, wenn auch ein ganz besonderes, da – anders als bei den anderen Methoden – der Gesponserte eine Gegenleistung erbringen muss.

In der Praxis sind die MitarbeiterInnen im Fundraising meist sowohl für Spenden als auch für Sponsoring zuständig. Aus Fundraising-Sicht ist es notwendig, alle möglichen Unterstützungsformen – ob Spende, Sponsoring, Stiftungsförderung und andere mehr – im Blick zu haben und je nach Projekt zu klären, welche am besten passt.

1.1Marketingprinzip

Fundraising is the principle of asking, asking again and asking for more.

Kim Klein

»Fundraising ist das Prinzip, zu bitten2, wiederholt zu bitten und um mehr zu bitten.« Dieser Satz von Kim Klein, einer erfolgreichen Fundraiserin und Buchautorin in den USA, bringt den zentralen Aspekt von Fundraising auf den Punkt.

Fundraising ist eine Art von Marketing. Die eigene Leistung beziehungsweise das Produkt muss immer wieder gegenwärtigen und potenziellen Kunden (= Förderern) nahegebracht werden, und zwar auf eine Weise, die diese verstehen.

Ziel ist, diese zu wiederholter Unterstützung zu bewegen und sie außerdem zu motivieren, ihren Spendenbetrag zu erhöhen.

Schätzungen zufolge ist ein Mensch pro Tag zwischen 560 und 1800 Kommunikationsbotschaften ausgesetzt. Informationen müssen drei- bis zehnmal wiederholt und bestärkt werden, bevor sie zu einer Handlung führen. Um eine Zielgruppe zu erreichen, muss in einer Botschaft zum Ausdruck kommen, worin die Vorteile für den Empfänger beziehungsweise die Empfängerin liegen. Sie muss in einer Sprache formuliert sein, die diese/r erfassen kann beziehungsweise in der er/sie seine/ihre Interessen und Gefühle wiedererkennt. Hilfreich dabei sind auch Bilder oder bildhafte Beschreibungen. Die Information muss außerdem über Wege transportiert werden, welche die Zielgruppe nutzt. Schließlich ist es wichtig, dass die Kommunikation die Wertorientierung einer Organisation widerspiegelt.

Selbst wenn genügend Menschen gefragt werden, lautet eine häufige Antwort im Fundraising »Nein«. Dies ist normal. Leider reagieren viele gemeinnützige Organisationen falsch: Sie geben ihre Bemühungen um private UnterstützerInnen auf oder setzen diese nur auf Sparflamme fort. Die Aktiven empfinden ablehnende Reaktionen als persönliche Kränkung und sehen sich in ihrer Einschätzung bestätigt, dass sie wenige Chancen auf dem privaten Fundraising-Markt besitzen.

Beim Fundraising handelt es sich um eine besondere Variante des Beschaffungsmarketings: Um auf dem Absatzmarkt Leistungen ohne beziehungsweise ohne kostendeckendes Entgelt anbieten zu können, müssen Non-Profit-Organisationen Förderer (= Kunden) finden, die bereit und in der Lage sind, ihre Arbeit zu unterstützen. Bei Wirtschaftsunternehmen kommt das Geld in der Regel dadurch ins Haus, dass Kunden für die Produkte bezahlen. Bei Non-Profit-Organisationen hingegen sind die Geldgeber (= Kunden) selten identisch mit den Nutznießern (= Klienten) der Leistungen. Das Auseinanderfallen von Kunden und Klienten bedeutet, dass versucht werden muss, die Bedürfnisse dieser unterschiedlichen Zielmärkte auf differenzierte Art und Weise zu befriedigen.

Alle potenziellen Geldgeber von Non-Profit-Organisationen – ob öffentlich oder privat – stellen Märkte dar, auf denen eine Vielfalt von Ideen und Anliegen um Fördermittel konkurrieren. Private Förderer können Unterstützung leisten, sind allerdings weder durch Gesetze dazu verpflichtet, noch müssen sie Prinzipien der Gleichbehandlung einhalten. Damit sind wir wieder beim Begriff Marketing. Der Zweck von Marketing besteht in der Herbeiführung von Austauschvorgängen auf freiwilliger Basis. Privatpersonen, Unternehmen oder Stiftungen stellen gemeinnützigen Organisationen ihre Leistungen freiwillig zur Verfügung. Sie sind im Austausch für ihre Leistung jedoch nicht Nutznießer der eigentlichen Produkte, vielmehr besteht der Austauschprozess darin, dass sie durch ihre Spende an eine Non-Profit-Organisation dazu beitragen, Menschen in Not zu helfen, Zukunft in ihrem Sinne zu gestalten oder durch Sponsoring ihr eigenes Image zu verbessern. Fundraising verlangt konkret das Erstellen einer Marketingkonzeption für die Einwerbung von Fördermitteln. Es geht darum, das Konzept der Kundenorientierung auf die Förderer anzuwenden, spenderorientiert zu arbeiten und sich zu bemühen, deren Fördermotive und Kommunikationswünsche zu ermitteln und diese wirksamer als die Wettbewerber (= andere gemeinnützige Organisationen beziehungsweise im Falle von Privatpersonen auch Konsum- oder Investitionsangebote) zu befriedigen.

Fundraising erfordert Spenderorientierung. Es gilt, die Motive und Erwartungen der Förderer herauszufinden und möglichst individualisierte Kommunikationspläne zu entwickeln.

Erfolgreiches Fundraising setzt die Erstellung einer langfristig angelegten Kommunikationsstrategie (drei bis fünf Jahre) für die Beschaffung von Ressourcen voraus. Die wesentlichen Bestandteile einer Fundraising-Strategie sind: Organisationsanalyse, Marktanalyse, Maßnahmenplanung (insbesondere Profilentwicklung und zielgruppenspezifische Vorgehensweise). Fundraising ist eine Investition in die Zukunft einer gemeinnützigen Organisation und erfordert, wie alle Investitionen, den Einsatz von Ressourcen (Geld, Zeit).

1.2Beziehungs- und Freundschaftspflege

Relationship Fundraising is where people matter most.

Ken Burnett

»Man kann dann von relationship fundraising sprechen«, so der britische Fundraising-Experte und Autor Ken Burnett (2002), »wenn es Menschen sind, die am meisten zählen.« Fundraising als Marketingprinzip darf nicht in der Weise missverstanden werden, dass es darum geht, Förderern etwas zu »verkaufen«. Zwischen Geschäften in der Wirtschaft und »Fundraising-Geschäften« besteht ein wesentlicher Unterschied. Wenn jemand sich mit einer Spende für ein Anliegen engagiert, so geschieht dies auf der Grundlage von ganz persönlichen Wertvorstellungen und Überzeugungen. Wenn jemand beispielsweise 100 Euro für ein Frauenhaus spendet, werden ganz andere Schichten der Persönlichkeit angesprochen, als wenn sie oder er diese 100 Euro für ein Kleidungsstück ausgibt. Jede Fundraising-Aktivität sollte, so die amerikanische Fundraising-Expertin Joan Flanagan, value-based sein, auf Werten beruhen, für die eine Organisation und allen voran deren Führungskräfte eintreten (Flanagan 1996, 4). Dies sieht auch einer der Pioniere des relationship fundraising in Deutschland, Lothar Schulz, langjähriger Fundraiser der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, so: »Aus dem Fundraising muss hervorgehen, mit welchen Wertvorstellungen die Einrichtung sich in die Öffentlichkeit begibt. Das hat etwas damit zu tun, wo Menschen dann ihre Prioritäten setzen. Ich will sie nicht über eine Mitleidsschiene oder mit meinen Briefen überrumpeln. Ich möchte, dass die Menschen aus vollem Herzen geben.«

FundraiserInnen können zwar viel von kommerziellen Marketingtechniken lernen, doch gleichzeitig ist es wichtig, die Spezifika des privaten Förderengagements zu berücksichtigten. Alle Aktivitäten sollten darauf abzielen, dass sich Förderer wichtig, geschätzt und beachtet fühlen.

Ken Burnett, der den Begriff des relationship fundraising prägte, rät, kommerzielle Marketingmethoden zu adaptieren, nicht zu adoptieren. Seine Definition lautet: »Relationship fundraising ist ein Ansatz für das Marketing eines Anliegens, in dessen Mittelpunkt nicht das bloße Auftreiben von Geld steht, sondern die Entwicklung des vollen Potenzials einer speziellen Beziehung, die zwischen einer gemeinnützigen Organisation und ihrem Unterstützer besteht. Welche Strategien und Techniken auch immer eingesetzt werden, um die Einnahmen zu steigern, die entscheidende Grundüberlegung beim relationship fundraising ist, diese besondere Bindung zu pflegen und zu entwickeln und nichts zu tun, was diese in Gefahr bringt. Auf diese Weise sorgt relationship fundraising auf lange Sicht für mehr Einnahmen pro Spender.« (Burnett 2002, Übersetzung MH)

Die Erkenntnis, dass Kundenzufriedenheit eine wesentliche Voraussetzung für Kundenbindung ist, gilt in der Privatwirtschaft als Selbstverständlichkeit. Kunden sind meist dann zufrieden, wenn sie gut behandelt, ihre Bedürfnisse befriedigt und ihre Erwartungen erfüllt werden. Im Mittelpunkt des Konzepts der Kundenorientierung steht nicht das Unternehmen, sondern der Kunde. Ziel ist es, auf den systematischen Aufbau einer Verbindung mit dem Kunden durch Beziehungsnetzwerke und persönliche sowie elektronische Informationsnetzwerke hinzuarbeiten. Von diesen Konzepten aus der Privatwirtschaft können Spendenorganisationen einiges lernen.

Lothar Schulz macht deutlich: »Wir müssen uns auf die Freundschaftsarbeit konzentrieren. Der Spender steht im Mittelpunkt für mich, nicht die Spende. Das ist ein Paradigmenwechsel. Früher stand die Spende im Vordergrund und die Einrichtungen wollten immer Geld haben. Der Spender möchte etwas tun. Ich muss herausfinden, welche Träume er hat.«

1.3Fundraising und die Freude am Spenden

Fundraising is the gentle art of teaching the joy of giving.

Henry A. Rosso

»Fundraising ist die sanfte Kunst, die Freude am Spenden zu lehren.« Dieser Satz von Henry A. Rosso, dem Gründer der Fund Raising School, der renommierten Fundraising-Fortbildungseinrichtung in den USA, macht deutlich, wie eng Fundraising und Philanthropie zusammenhängen.

Philanthropisches Engagement kann dem eigenen Leben einen neuen Sinn geben und wirkt identitätsstiftend – und dies kann eine große persönliche Bereicherung bedeuten. Fundraising kommt eine Schlüsselfunktion zu bei der Aktivierung der Freude am Spenden. Es leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Vergrößerung des Philanthropievolumens.

Karl Ludwig Schweisfurth, der Stifter der Schweisfurth-Stiftung in München (Förderung einer zukunftsfähigen Landwirtschaft), brachte dies auf einem Stiftungssymposium der Bertelsmann Stiftung zum Ausdruck, als er über die Anregungen, das Vergnügen und den Stolz, die er aus der Errichtung der Stiftung bezieht, berichtete: »Wie kann ich das nur den vielen Menschen in Deutschland und überall auf der Welt, die unendlich viel Geld haben und die gar nicht wissen, was sie damit machen sollen, plausibel machen, wie persönlich bereichernd, wie beglückend und wunderbar das ist, wenn man etwas für einen guten Zweck gibt, wenn man das als sinnvoll empfindet und man das Glück hat, etwas bewirken zu können?« (Bertelsmann 1997, 101) Nur wenige Menschen sind so wohlhabend wie Karl Ludwig Schweisfurth, doch das Beispiel vieler Non-Profit-Organisationen zeigt, dass auch viele kleine Spenden eine große Wirkung haben können.

Apart from the ballot box, philanthropy presents the one opportunity the individual has to express his meaningful choice over the direction in which society will progress.

George Kirstein

»Abgesehen von der Wahlurne bietet Philanthropie die einzige Möglichkeit, die das Individuum hat, um zum Ausdruck zu bringen, in welcher Richtung sich die Gesellschaft entwickeln soll.« Dieses Zitat von George Kirstein, dem 1986 verstorbenen Herausgeber der renommierten US-Wochenzeitschrift The Nation, bringt etwas Grundlegendes zum Ausdruck:

Philanthropie stellt eine wichtige Möglichkeit für die einzelnen Menschen dar, die Entwicklung der Gesellschaft zu beeinflussen.

Bedürftigkeit und Bedürfnisse manifestieren sich heutzutage in einer verwirrenden Vielfalt unterschiedlicher Problembereiche und gemeinnütziger Organisationen, die oft sogar in Konkurrenz zueinander stehen. Es ist eine zentrale Herausforderung für Non-Profit-Organisationen, ihre Anliegen potenziellen Förderern gegenüber erfolgreich zu veranschaulichen, was angesichts der Kommunikationsflut, der wir alle ausgesetzt sind, ein schwieriges Unterfangen ist.

Potenzielle SpenderInnen haben die Qual der Wahl und sind oft – bewusst oder unbewusst – auf der Suche nach Möglichkeiten zur Befriedigung ihrer individuellen philanthropischen Neigungen. Dem Fundraising kommt eine zentrale Mittlerfunktion zwischen Gemeinwohlanliegen auf der einen und Förderern auf der anderen Seite zu.

In Deutschland gibt es viele Menschen, die sich als SpenderInnen engagieren. Gleichzeitig aber ist der Anteil derjenigen, die nicht spenden, hoch. Bislang engagiert sich die Hälfte der Bevölkerung hierzulande nicht mit Geldspenden (beziehungsweise ein noch geringerer Anteil, je nachdem, welche Untersuchung zugrunde gelegt wird). Die Unterstützung von Spendenorganisation als Testimonial, als öffentlicher Fürsprecher, gehört zwar besonders bei Prominenten aus dem Kultur- und Sportbereich heutzutage zum guten Ton. Auch im Rahmen von öffentlichen Spendenaktionen, ob in Fernsehen, Online- oder Print-Medien, oder bei Benefiz-Events, zeigen sich Menschen gerne mit ihrem Engagement. Doch meist ist es bei uns selbst im persönlichen Umfeld nicht üblich, über das eigene Spendenengagement zu sprechen. Die jährlich veröffentlichen Spendenerhebungen belegen immer wieder aufs Neue: Beim Anteil der Menschen, die spenden, gibt es noch viel Luft nach oben. Viele Menschen kennen die Freude am Spenden aus eigener Erfahrung (noch) nicht.

Bürgerschaftlichen Engagements ist mittlerweile in aller Munde. Dies ist eine positive Entwicklung, denn engagierte Bürgerinnen und Bürger leisten wichtige Beiträge zum Gemeinwohl und zur Lösung gesellschaftlicher Probleme. Es ist an der Zeit, dass auch das finanzielle Engagement von SpenderInnen und StifterInnen für Gemeinwohlanlagen und die Notwendigkeit, dieses auch auszuweiten, bei den öffentlichen Diskussionen über die Bürgergesellschaft an Bedeutung gewinnt.

If you want money, you have to ask for it. If you ask enough people, you will get your money.

Kim Klein

»Wenn du Geld haben willst, musst du darum bitten. Wenn du eine ausreichende Zahl von Menschen bittest, wirst du dein Geld bekommen.« Dieser Satz von Kim Klein mag wie eine Binsenweisheit klingen. Doch die Erfahrungen aus den USA belegen:

Eine wichtige Voraussetzung für die Vergrößerung des Philanthropie-Volumens ist das kontinuierliche Bitten um Unterstützung, was meist nur möglich ist, wenn das Fundraising professionalisiert wird.

Mit dem Wachsen der Fundraising-Branche in den USA ging eine kontinuierliche Steigerung des Spendenaufkommens einher – und dies Jahr für Jahr. Dass Menschen nicht spenden, liegt häufig daran, so die dortigen Erfahrungen, dass sie nicht darum gebeten werden. Dies belegen die Untersuchungen von Independent Sector (1999). Auf die Frage, warum sie nicht spendeten, antwortete ein Viertel der Befragten: »Niemand, den ich kenne, hat mich um eine Spende gebeten.« Eine wissenschaftliche Studie von Virginia Hodgkinson und Murray Weitzman bereits im Jahre 1992 ergab: Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand spendet, ist doppelt so hoch, wenn er oder sie darum gebeten wird. Diese Ergebnisse werden auch wieder und wieder von US-FundraiserInnen für die Gegenwart bestätigt.

1.4Ansehen und Stellenwert des Fundraisings

Fundraisers are the heroes, in America and all around the world, because we challenge, without apology, people to give more and to risk more. We fund organizations that save lives and transform communities.

Joan Flanagan

»Fundraiser sind die Helden, in Amerika und auf der ganzen Welt, weil wir, ohne uns dafür zu entschuldigen, Menschen auffordern, mehr zu spenden und mehr zu riskieren. Wir finanzieren Organisationen, die Leben retten und Veränderungen in der Gemeinschaft bewirken.« Die Feststellung von Joan Flanagan, einer amerikanischen Fundraiserin und Buchautorin (1996, 3), dass Fundraiser Helden sind, teilen hierzulande auch nach über drei Jahrzehnten der Professionalisierung des Fundraisings nur wenige Menschen. In den 1990er-Jahren besaß das professionelle Spendensammeln den Makel des Anrüchigen, den Touch des Bettelns. Spenden, so das Idealbild, das zum Teil bis heute noch in den Köpfen vieler Menschen herumgeistert, sollten am besten möglichst spontan als direkte Reaktion auf die Hilfsbedürftigkeit anderer erfolgen, und vor allen Dingen sollte Fundraising keine Kosten verursachen.

Selbst innerhalb vieler spendensammelnder Organisationen hatten FundraiserInnen, sofern überhaupt welche vorhanden waren, lange zu kämpfen. Für viele trifft dies bis heute zu. In vielen Non-Profit-Organisationen gilt nach wie vor der Grundsatz: Die inhaltliche Arbeit ist die eigentliche Arbeit, Organisations- und Managementfragen werden als unangenehme Nebensächlichkeiten betrachtet. Insbesondere die Beschaffung von Geld gilt als lästig. Gemeinnützige Organisationen benötigen jedoch finanzielle Mittel für ihre Arbeit.

Dass Fundraising ein wesentlicher Bestandteil der alltäglichen Arbeit ist, kann Gerhard Wallmeyer, lange Jahre Leiter der Fundraising-Abteilung von Greenpeace, aus seiner eigenen Erfahrung bestätigen: »Das Entscheidende für eine Organisation ist, dass eine Person da ist, die sagt: Ich kümmere mich nicht nur um das Problemfeld der Organisation, im Greenpeace-Fall also Umweltfragen, sondern ich kümmere mich vornehmlich darum, dass die Organisation zu Geld kommt. Häufig wird der Fehler begangen, dass eine Person nebenbei Fundraising machen soll, die sich sehr stark für die Problemfelder interessiert, aber sich nie anstrengt, richtig Fundraising zu machen.« Wallmeyer gehörte zu den Personen der ersten Stunde bei Greenpeace Deutschland und war zu Anfang, bevor er sich auf das Fundraising konzentrierte, auch für inhaltliche Aufgaben zuständig.

We fundraisers know it is much more difficult to raise the money than to do the program.

Joan Flanagan

»Wir Fundraiser und Fundraiserinnen wissen, dass die Einwerbung des Geldes sehr viel schwieriger ist als die Durchführung des Programms.« (Flanagan 1996, 1) Diesen Satz untermauerte Joan Flanagan anlässlich ihres Vortrages im niederländischen Noordwijkerhout auf der großen internationalen Fundraising-Konferenz, dem International Fund Raising Congress, mit folgendem Beispiel: Für sie ist Christoph Kolumbus der Vater des Fundraisings. Bevor ihm die spanische Königin Isabella die Mittel für die Reise nach »Indien« gab, musste er die Ablehnung zweier anderer Könige einstecken. Selbst Isabella schlug seine Bitte siebenmal ab. Aber er blieb hartnäckig, bis er die Zusage erhielt. Kolumbus brauchte acht Jahre, um das Geld aufzutreiben. Die eigentliche Reise, bei der er die »Neue Welt« entdeckte, nahm weniger als drei Monate in Anspruch.

Joan Flanagan hat recht. Es gibt viele gute Ideen und Pläne, doch sie können nur dann realisiert werden, wenn es gelingt, andere davon zu überzeugen und sie zu motivieren, mitzumachen, indem sie sich mit ihrer Zeit und/oder ihren finanziellen Ressourcen dafür einsetzen. Voraussetzung ist oft ein langer Atem. Vor allen Dingen aber muss man selbst an die Sache glauben.

Ohne Fundraising lässt sich die Existenz vieler gemeinnütziger Organisationen nicht langfristig sicherstellen, und es fehlen die Ressourcen für viele wichtige gesellschaftliche Aufgaben.

Inzwischen ist das Fundraising in vielen Non-Profit-Organisationen hierzulande etabliert. »Es ist für alle klar«, so Kai Dörfner, Leiter Kommunikation und Fundraising der Evangelischen Gesellschaft (eva) in Stuttgart, »dass Fundraising notwendig ist. Fundraising besitzt mittlerweile den Stellenwert einer Organisationsaufgabe wie Buchhaltung oder Qualitätsmanagement.« Dies sieht auch Lasse Künzer, der Leiter des Fundraisings von Greenpeace, so: »Das Fundraising ist in vielen Organisationen angekommen, sitzt mit am Tisch und wird mitbedacht.« Doch nach wie vor ist viel Aufklärungsarbeit notwendig. Vielen MitarbeiterInnen in den Organisationen und zum Teil auch Führungskräften ist nicht klar, was die FundraiserInnen in ihrer Organisation konkret machen, wie deren Tätigkeit praktisch aussieht und worin der Nutzen besteht. »Eine wichtige Aufgabe von Fundraiserinnen und Fundraisern«, so Kai Dörfner, »ist die interne Öffentlichkeitsarbeit für das Fundraising. Es ist notwendig, in die verschiedenen Ebenen hinzutragen, ob Vorstand, die Fachkollegen oder Querschnittsbereiche, was wir konkret machen.« In der Evangelischen Gesellschaft (eva), Stuttgart, bietet das Fundraising-Referat regelmäßig Einführungsveranstaltungen für die neuen Mitarbeiter an. Zur internen Öffentlichkeitsarbeit für das Fundraising gehört es aber auch, über den internen Verteiler zu informieren, wenn Spendenbriefe verschickt werden. »Dann wissen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Bescheid, falls sich ein Nachbar bei ihnen beschwert und nachfragt, woher die eva denn seine Adresse habe«, erklärt Kai Dörfner.

Allerdings wird das Fundraising hierzulande in der breiten Öffentlichkeit längst noch nicht als Normalität gesehen. SpenderInnen wünschen sich zwar eine gute Betreuung seitens der Organisationen, für die sie sich engagieren. Gleichzeitig aber kommt es nach wie vor gut bei vielen SpenderInnen an, wenn Organisationen damit werben, dass 100 Prozent der Spenden an sie dem guten Zweck zugutekommen.

1.5Philanthropie, Fundraising und Staatsverständnis

Das Wort Philanthropie kommt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich Menschenliebe.

Unter Philanthropie wird das freiwillige, nicht gewinnorientierte Geben von Zeit oder Wertgegenständen (Geld, Wertpapiere, Sachgüter) für öffentliche Zwecke verstanden.

Philanthropie beinhaltet die Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung und wird meist mit finanziellem Engagement verknüpft. Die freiwillige Ausübung eines nicht auf Gewinn ausgerichteten gemeinwohlorientierten zeitlichen Engagements hingegen wird als bürgerschaftliches Engagement bezeichnet. Beide schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern nehmen verschiedene Perspektiven ein. Der Begriff gesellschaftliches Engagement umfasst sowohl die Übernahme finanzieller Verantwortung als auch zeitliches Engagement (vgl. Ströing 2015, 37).

Philanthropie ist eine Grundhaltung, eine Tradition und eine Institution in den USA. In der Praxis bedeutet dies: Alle, ob arm oder reich, ob Individuum, Stiftung oder Unternehmen, verstehen es als soziale Verpflichtung, ihren freiwilligen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten, ob in Form von Spenden oder ehrenamtlicher Arbeit. Philanthropie steht in Amerika für Werte wie Eigenverantwortlichkeit, Solidarität, Selbsthilfe und stärkt die zivile Gesellschaft quasi von unten her. Dies bedeutet allerdings auch, dass das Netz des Sozialstaates nicht so umfassend ist wie bei uns. Ehrenamtliche Arbeit und Spenden gerieten hierzulande in der Vergangenheit oft in Verruf, denn es galt der Grundsatz: »Eigentlich müsste ja der Staat …« Bürgerschaftliches Engagement wird nun meist positiv bewertet. Der Begriff Philanthropie war in Deutschland noch bis zu Beginn der 2000er-Jahre weitgehend unbekannt, doch inzwischen findet er zumindest in der Fachwelt vermehrt Verwendung

Die Rolle der Philanthropie in einer Gesellschaft hängt eng mit dem jeweils vorherrschenden Staatsverständnis zusammen. Fundraising ist in den USA eine »Kulturtechnik« ohne jeden Makel. In Europa wird die Verantwortung für das Gemeinwohl in starkem Maße an den Staat delegiert, sind die Erwartungen an den Staat hoch. In Amerika hingegen wird dem Prinzip des freiwilligen Handelns für das Gemeinwohl Vorrang eingeräumt gegenüber staatlicher Tätigkeit. Die Erwartungen an den Staat sind geringer. Staatsferne sowie die Begrenzung und Kontrolle staatlicher Macht sind Grundwerte; die zivile Verantwortung der BürgerInnen für das Gemeinwohl hat einen hohen Stellenwert. Das andere Staatsverständnis in den USA findet seinen Ausdruck auch in der Tatsache, dass dort Philanthropie ein positiver Wert ist und hohes Ansehen genießt.

Die Aussage von George Kirstein macht deutlich, dass die Bürger und Bürgerinnen neben der Abstimmung in Wahlen mittels Philanthropie die Möglichkeit haben, Einfluss auf die Entwicklung der Gesellschaft zu nehmen. Dies belegen auch die Erfahrungen von Greenpeace, einer Organisation, die zweifelsohne eine große Wirkung auf die Entwicklung des Umweltbewusstseins ausgeübt hat und weiter ausübt. Die Arbeit der Organisation ist nur möglich, weil viele Tausende von Einzelpersonen diese mit Spenden unterstützen. »Der Scheck fungiert«, so Gerhard Wallmeyer, langjähriger Leiter der Fundraising-Abteilung von Greenpeace, »quasi als Stimmzettel.«

Seit den 1990er-Jahren zeichnet sich in Deutschland ein Einstellungswandel ab. Stichworte wie aktive Bürgergesellschaft, Revitalisierung der Demokratie, Zivilgesellschaft, bürgerschaftliche Partizipation und Gemeinsinn machen die Runde. Ehrenamtliche Tätigkeit, inzwischen auch als Freiwilligenarbeit bezeichnet, gilt längst nicht mehr als eine Domäne der unbezahlten Frauenarbeit. Freiwilliges Engagement wird in immer mehr Bereichen der Gesellschaft sichtbar. Neben die traditionellen Motive wie Pflichterfüllung und Helfen sind die neueren wie Gestaltungswille und Selbstverwirklichung getreten. Das Stiftungswesen hat an Bedeutung und Ansehen gewonnen. Dies belegt nicht nur die gewachsene Zahl der Neugründungen. Besonders der Trend zur Errichtung von lokalen Bürgerstiftungen zeigt: Es gibt ein starkes Bedürfnis der Menschen, sich für das Gemeinwohl zu engagieren, sofern sich Möglichkeiten auftun, die ihr Interesse wecken.

Auch die Politik hat sich mittlerweile der Neubestimmung des Verhältnisses zwischen BürgerInnen und Staat angenommen. Ausgehend vom Engagement der früheren Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer für die Reform des Stiftungsrechts Mitte 1990er-Jahre besitzt die Thematik des bürgerschaftlichen Engagements und der Wiederbelebung des Stiftungswesens inzwischen in Bundesregierung und Bundestag einen Stammplatz. Ein Meilenstein auf diesem Weg war die Enquête-Kommission zur Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements, die der Deutsche Bundestag 1999 einsetzte und die 2002 ihren Abschlussbericht vorlegte. Im Deutschen Bundestag gibt es mittlerweile bereits seit mehreren Legislaturperioden einen Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement. Innerhalb der Bundesregierung ist die Thematik Bürgerschaftliches Engagement inzwischen in einem Referat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) verankert. Das Ministerium versteht sich als Partner der Zivilgesellschaft »auf Augenhöhe mit Millionen von freiwillig engagierten Bürgerinnen und Bürgern, Vereinen, Verbänden, Unternehmen und Stiftungen«. Aufgabe des Bundesfamilienministeriums sei es, wie auf dessen Webseite zu lesen ist, die richtigen Rahmenbedingungen für Engagement zu setzen und eine Kultur der Anerkennung zu schaffen. Wichtige Bausteine sind dabei die Engagement-Berichterstattung, Freiwilligen-Surveys sowie finanzielle Unterstützung von Projekten von Partnern (wie das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE), die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen (bagfa) und das Unternehmensnetzwerk Unternehmen: Partner der Jugend e.V. (UPJ), (www.bmsfj.de → Engagement und Gesellschaft, https://bit.ly/2V5OvfS, Stand 20.03.2019).

Trotz der positiven Effekte der Engagementpolitik darf nicht aus den Augen verloren werden: Bürgerschaftliches Engagement, ob in Form von ehrenamtlicher Arbeit, Spenden oder Stiften, lässt sich nicht durch Gesetze oder Aktionsprogramme verordnen. Parlamente, Regierungen und öffentlichen Verwaltungen sollten sich darauf fokussieren, förderliche Rahmenbedingen bereitzustellen, Hindernisse zu beseitigen und da, wo es notwendig ist, handhabbare Regelungen zu schaffen.

1.6Zivilgesellschaft, Non-Profit-Sektor und private Förderer

Seit den 1980er-Jahren haben zunehmend weitere Begriff im Umfeld des Fundraisings im deutschsprachigen Raum Verwendung gefunden: Dritter Sektor (Third Sector), Non-Profit-Organisationen (NPOs) und Non-Profit-Sektor, Non-Governmental Organizations (NGOs) beziehungsweise Nichtregierungsorganisationen (NROs). Seit etwa dem Jahr 2000 wird Zivilgesellschaft (Civil Society) zunehmend als Oberbegriff verwendet.

Der Begriff Zivilgesellschaft bezeichnet den öffentlichen Raum innerhalb einer Gesellschaft, der zwischen wirtschaftlicher, staatlicher und privater Sphäre entstanden ist. Der Begriff Non-Profit-Sektor (auch Dritter Sektor) dient als Sammelbezeichnung für diejenigen Organisationen, die sich dort angesiedelt haben und die weder den Bereichen Privatwirtschaft oder Staat noch der informellen Privatsphäre zugeordnet werden können.

Nach der Definition der Initiatoren eines groß angelegten, an der Johns Hopkins University in Baltimore, USA, angesiedelten internationalen vergleichenden Forschungsprojektes zum Non-Profit-Sektor, Lester M. Salamon und Helmut Anheier (1999), sind zum Non-Profit-Sektor alle diejenigen Organisationen zu rechnen, die formell strukturiert, organisatorisch vom Staat unabhängig und nicht gewinnorientiert sind, die eigenständig verwaltet sowie zu einem gewissen Grad von freiwilligen Beiträgen getragen werden und keine Zwangsverbände darstellen.

Abb. 1: Der Non-Profit-Sektor zwischen Wirtschaft, Staat und Privatbereich

Der Zweck von NPOs ist nicht das Erzielen von Gewinnen; sie dienen dem Wohl der Allgemeinheit beziehungsweise Teilen derselben. Es gibt unterschiedliche Formen von Non-Profit-Organisationen: Vereine, Verbände, Stiftungen, Genossenschaften. Ein wesentliches Merkmal des Non-Profit-Sektors ist seine heterogene Zusammensetzung. Das inhaltliche Spektrum umfasst unter anderem die Bereiche Soziales, Gesundheit, Bildung, Kultur, Umwelt, Tierschutz, Sport. Charakteristisch für den Non-Profit-Sektor in Deutschland ist die Dominanz großer, etablierter Wohlfahrtsverbände (Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Diakonisches Werk, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Deutsches Rotes Kreuz). Seit den 1970er-Jahren sind vor dem Hintergrund der sozialen Bewegungen (allen voran die Frauenbewegung und die Umweltbewegung) neue, kleinere Vereine entstanden, deren Arbeit Themenbereichen gewidmet ist, die bislang vernachlässigt wurden oder aber noch keine Anerkennung als öffentliche Anliegen besaßen (zum Beispiel Abrüstung, Frauendiskriminierung, Rassismus, Umwelt, Probleme der Entwicklungsländer). Nach der deutschen Vereinigung entstand auch in den neuen Bundesländern ein Non-Profit-Sektor, der in seinen Grundstrukturen stark seinem westdeutschen Pendant ähnelt.

Die Begriffe Non-Governmental Organization (NGO) beziehungsweise dessen deutsches Pendant Nichtregierungsorganisation (NRO) werden in der Umgangssprache oft in gleicher Weise verwandt wie der Begriff Non-Profit-Organisation. Am häufigsten findet der Begriff Verwendung im Kontext von international tätigen Organisationen.

Da Non-Profit-Organisationen in der Regel nicht von den Einnahmen leben können, die sie für ihre Leistungen erhalten, sind sie darauf angewiesen, Finanzmittel aus externen Quellen zu beschaffen. Wesentliche Bereiche von Finanzierungsmöglichkeiten sind:

Öffentliche Förderung (Kommune, Land, Bund, Europäische Union)

Spenden (Privatpersonen, Firmen)

»Bußgelder« (Geldauflagen) und öffentliche »Spenden«

Fördermittel aus Lotterien

Stiftungen

Förderung über Kooperation mit Verbänden und Institutionen (zum Beispiel Kirchen, Gewerkschaften, Parteien)

Selbst erwirtschaftete Mittel (Leistungsentgelte, unter anderem Sponsoring)

Aus der Philanthropietradition leitet sich ab, dass in den USA, im Unterschied zur Bundesrepublik und zu anderen europäischen Ländern, private Förderer (Individuen, Stiftungen, Unternehmen) eine größere Bedeutung bei der Finanzierung von Non-Profit-Organisationen haben. Dies hat mit der Entstehungsgeschichte des dortigen Non-Profit-Sektors zu tun. Die frühen Gemeinwesen in Amerika waren auf freiwilliger Basis organisiert. Der Staat trat erst viel später in Aktion. Er füllte traditionell nur Lücken, welche die Philanthropie ließ. Wohltätigkeit ist in den USA eine öffentliche Tugend. In Deutschland und Europa hingegen ist Philanthropie eine private Tugend, die, historisch gesehen, nur die Lücken füllt, die der Staat lässt.

Die Staatsorientierung bei der Finanzierung von Non-Profit-Organisationen in Deutschland hat dazu geführt, dass der gemeinnützige Sektor lange nicht als eigenständige gesellschaftliche Kraft wahrgenommen worden ist.

Im Unterschied zu den USA, aber auch zu anderen Ländern wie etwa Großbritannien, spielen private Fördermittel, aber auch Leistungsentgelte von Nutzern eine geringere Rolle. Inzwischen aber begeben sich auch hierzulande Non-Profit-Organisationen vermehrt auf die Suche nach staatsunabhängigen Finanziers. Auslöser waren anfangs und sind zum Teil bis in die Gegenwart Kürzungen der öffentlichen Finanzmittel.

Die begrenzten öffentlichen Haushaltsmittel eröffnen, so negativ sie sich im Einzelfall auswirken mögen, neue Entwicklungschancen für Non-Profit-Organisationen und Zivilgesellschaft.

Die im Vergleich zu den öffentlichen Mitteln doch eher geringen privaten Fördergelder haben insbesondere in denjenigen Bereichen große Wirkung, in denen keinerlei öffentliche Mittel fließen oder die bestimmte Erfordernisse nicht abdecken. Doch auch in mischfinanzierten Organisationen ermöglichen sie vieles, was durch die öffentliche Grundfinanzierung nicht leistbar ist.

Mittlerweile hat die Thematik der Wirkungsorientierung Einzug in den Non-Profit-Sektor gehalten. Allerdings, so unterstreicht das gemeinnützige Analyse- und Beratungshaus PHINEO, lässt sich die soziale Wirkung von gemeinnütziger Arbeit nicht ohne Weiteres messen. Auch hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Arbeit unterschiedlicher Organisationen ist es nicht möglich, ein einheitliches Raster anzulegen. Daher orientiert sich PHINEO bei seiner Analyse des Wirkungspotenzials von gemeinnütziger Arbeit an unterschiedlichen Kriterien, die von Klarheit der Ziele und Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Zielgruppen, laufender Qualitätsentwicklung, Eignung der Handlungsschritte, Erreichen langfristiger Ziele, klaren Verantwortlichkeiten, angemessenen Aufsichts- und Kontrollmechanismen, Finanzen und Controlling bis zu Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit reichen. Diese Kriterien sind im Kursbuch Wirkung (Berlin, 2018) umfassend erläutert. Sie sind zudem in www.wirkung-lernen.de (Stand 22.04.2019) online für die Praxisumsetzung aufbereitet.

Lediglich ein kleiner Teil der sozialen Dienstleistungsorganisationen in Deutschland, so eine Untersuchung von PHINEO (2013, 9), kann als stark wirkungsbezeichnet werden. Dabei, so die mehrheitliche Einschätzung der in dieser Studie Befragten, wirke sich eine stärkere Wirkungsorientierung positiv auf die Qualität der Arbeit aus und bringe auch Vorteile beim Fundraising mit sich. PHINEO (2018) tritt dafür ein, dass ein Bewusstseinswandel hin zur Wirkungsorientierung sowohl bei Organisationsverantwortlichen als auch bei den Mittelgebern stärker gefördert werden müsse.

Gerade wenn Non-Profit-Organisationen stärker auf private Fördergeber setzen wollen, werden sie zunehmend mit der Frage konfrontiert, was die von ihnen angebotenen Leistungen tatsächlich bewirken, ob die Kosten in einem angemessenen Verhältnis zum Ergebnis stehen und ob die Leistungen tatsächlich noch zeitgemäß sind.

Sie müssen für ihre Aktivitäten und deren Finanzierung Marketing betreiben, denn auf dem Markt der Gemeinnützigkeit konkurrieren viele Wettbewerber. Sie kommen nicht umhin, kontinuierlich öffentlich Rechenschaft über ihre Arbeit abzulegen, diese für die Gesellschaft transparent zu machen und deren Notwendigkeit zu begründen. Sie müssen die eigene Leistung gegenüber der Leistung anderer, die ebenfalls um die Ressourcen konkurrieren, profilieren.

Ein häufiger Einwand gegen die Erschließung privater Spenden und das Gewinnen von Sponsoren lautet, dass damit dem Rückzug des Staates aus der Verantwortung für das Gemeinwohl Vorschub geleistet würde. Doch es geht nicht darum, dem Abbau sozialstaatlicher Errungenschaften das Wort zu reden und das »Modell USA« insgesamt als Vorbild darzustellen. Die Grenzen der staatlichen Finanzierungsmöglichkeiten sind Tatsachen, vor denen niemand die Augen verschließen kann. Fundraising und Philanthropie bieten neue Chancen und Möglichkeiten.

Es ist notwendig, dass Philanthropie hierzulande eine größere und öffentlichere Rolle spielt. Es geht um die Verankerung des Non-Profit-Sektors nicht nur im staatlichen, sondern auch im zivilgesellschaftlichen Raum.

Zudem lassen sich auch eine ganze Reihe von Nachteilen auflisten, welche die öffentliche Förderung mit sich bringt: Die tatsächlichen Gegebenheiten in Non-Profit-Organisationen sind oft nur schwer mit den bürokratischen Zwängen staatlicher Haushaltsordnungen in Einklang zu bringen. Öffentliche Mittel können entpolitisierend wirken, denn wer seine Geldgeber zu lautstark kritisiert, begibt sich in die Gefahr, diese zu verlieren. Die Realisierung von neuen, kontroversen Projektideen ist meist abhängig von den politischen Mehrheitsverhältnissen. Freiwillige Aktive neigen dazu, sich zurückzuziehen, wenn mittels staatlicher Förderung bezahlte Stellen geschaffen werden. Organisationen mit einer größeren Vielfalt an Geldgebern haben nicht nur die besseren Überlebenschancen, sie besitzen auch bezüglich ihrer inhaltlichen Arbeit eine größere Manövrierfähigkeit als Organisationen, die sich auf nur einen oder wenige Förderer verlassen.

Die Demokratie lebt vom Willen und von der Kraft ihrer Bürgerinnen und Bürger zur persönlichen Mitverantwortung. Philanthropie ist Ausdruck der Mitverantwortung von privaten Geldgebern für das Gemeinwohl. Sie sollte in Deutschland, Österreich und der Schweiz nicht lediglich die Rolle des Notbehelfs beim Schließen von Lücken staatlichen Handelns zugeschoben bekommen, sondern als positiver Wert begriffen werden.

Es geht allerdings nicht darum, den Staat aus der Verantwortung für das Gemeinwohl zu entlassen. Private Förderer bieten sich als zusätzliche Standbeine bei der Finanzierung des Non-Profit-Sektors an, doch selbst in den USA ist der Anteil der staatlichen Zuschüsse an der Non-Profit-Finanzierung größer als derjenige der privaten Spenden. Weder Privatpersonen noch Unternehmen oder Stiftungen sind, was das Volumen der Fördermöglichkeiten angeht, in der Lage, die soziale Grundversorgung einer Gesellschaft sicherzustellen.

1.7Fundraising und die Konkurrenz der Förderzwecke

Fundraising kann für unterschiedliche Zwecke erfolgen. Für die steuerliche Abzugsfähigkeit einer Spende ist es allerdings notwendig, dass es sich um einen als gemeinnützig anerkannten Zweck handelt.

Die Thematik der Gemeinnützigkeit ist gegenwärtig Gegenstand politischer Diskussionen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hob am 26.02.2019 das Urteil des Hessischen Finanzgerichts auf, das 2016 die Gemeinnützigkeit des globalisierungskritischen Netzwerks Attac bestätigt hatte. In der Erstinstanz folgt nun erneut ein Verfahren – unter den Bedingungen des BFH. Der BFH urteilte nicht darüber, ob Attac gemeinnützig ist, sondern über die mit der Beurteilung zusammenhängenden rechtlichen Fragen. Die Einwirkung von Attac auf die politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung sei nicht durch den gemeinnützigen Zweck »Volkswohl« abgedeckt. Zwecke wie soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte fehlen bislang in der Abgabenordnung. Zahlreiche Stiftungen und Vereine hierzulande beunruhigt nun die Frage, welche Auswirkungen das Attac-Urteil auf ihre Arbeit haben wird (www.attac.de; http://bit.ly/2vwmnTN, Stand 28.05.2019).

Jedes Anliegen und jede Organisation steht in Konkurrenz zu vielen anderen Anliegen und Organisationen. Fundraising per se dient keiner gesellschaftspolitischen Richtung.

Konservative Organisationen können ebenso Fundraising betreiben wie gesellschaftskritische Organisationen. Die Entscheidung, wohin eine Spende fließt, liegt einzig und allein bei den SpenderInnen. Dies ist zu respektieren, gleichzeitig aber ist es notwendig, darüber nachzudenken, für welche konkreten Ziele die privaten Fördermittel am sinnvollsten eingesetzt werden sollten, denn die Organisationen und FundraiserInnen müssen den potenziellen Förderern Projekte anbieten, die diese für überzeugend halten.

Ohne aktives, gezieltes und kontinuierliches Fundraising fließen weder private Spenden noch Fördermittel von Unternehmen oder Stiftungen. Organisationen können nur dann langfristig existieren, wenn es ihnen gelingt, öffentliches Ansehen zu erwerben und eine tragende gesellschaftliche Basis für ihre Arbeit zu entwickeln. Nur wer die Flexibilität besitzt, sich und seine Tätigkeit immer wieder neu zu definieren, wird langfristig überleben können. Neben Faktoren grundsätzlicher Art hat eine ganze Reihe weiterer Aspekte Einfluss auf die Chancen einer Organisation beziehungsweise eines Anliegens auf dem Fundraising-Markt, wobei meist eine Kombination mehrerer Punkte zum Tragen kommt: die Größe, das Einzugsgebiet, der Rechtsträger, der Ort, der Zweck, die Spenden- und Spenderzielgruppen. Große, überregional wirkende Organisationen haben ein größeres Einzugsgebiet und meist auch mehr Ressourcen für die Umsetzung ihrer Fundraising-Aktivitäten. Auch ihr Bekanntheitsgrad kann hilfreich sein. Gleichzeitig aber haben sie die Herausforderung, dass persönliche Berührungspunkte und Kontakte mit den SpenderInnen schwerer herzustellen sind als bei kleinen, lokalen Organisationen und dass ihnen vielfach mit Misstrauen begegnet wird. Kleine Organisationen haben, sofern sie eine überzeugende Mission haben und systematisches Fundraising betreiben, gute Chancen auf dem Fundraising-Markt.

Organisationen auf dem Lande haben es keineswegs grundsätzlich schwerer als Organisationen in größeren Städten, wo sowohl die Bevölkerungszahl als auch das Spektrum und die Größenordnung von Unternehmen andere Dimensionen haben. In der Stadt sind Vielfalt und Zahl der gemeinnützigen Organisationen größer und somit auch die Konkurrenz. Günstig auf dem Lande ist im Übrigen, dass sich die Menschen meist untereinander kennen. Allerdings scheuen viele Individuen die persönliche Ansprache, obwohl sich damit die besten Fundraising-Erfolge erzielen lassen.

Ein Aspekt, der Einfluss auf das Fundraising hat, ist das wirtschaftliche Gefälle zwischen dem Osten und dem Westen Deutschlands. Die BesitzerInnen der großen Vermögenswerte sitzen größtenteils im Westen. Noch ist der Anteil derjenigen, die spenden, im Osten niedriger als in Westdeutschland; das gilt auch für die durchschnittliche Jahresspendensumme. Die Grundeinstellung zu Solidarität und Gemeinschaft ist allerdings gerade im Osten stark ausgeprägt. Organisationen, die Fundraising betreiben, verzeichnen auch in Ostdeutschland nachhaltige Fundraising-Erfolge.

Ein wichtiger Faktor bei der Wahrnehmung von Chancen auf dem Fundraising-Markt ist auch der Hintergrund und die Einbettung der jeweiligen Organisation. Hilfsorganisationen im kirchlichen Umfeld, deren Hauptschwerpunkte in der Auslandshilfe liegt, besitzen nach wie vor eine starke Stellung. Allerdings hat der Stellenwert renommierter internationaler Hilfsorganisationen ohne kirchlichen Hintergrund wie Ärzte ohne Grenzen oder Plan International stark zugenommen. Seit den 2000er-Jahren haben Bistümer im katholischen Bereich ebenso wie evangelische Landeskirchen, regionale und lokale Gliederungen der kirchlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonisches Werk und sogar lokale Kirchengemeinden zunehmend FundraiserInnen beziehungsweise Fundraising-Beauftragte in ihren Organisationen installiert. Sie haben die Notwendigkeit erkannt, sich den Zeichen der Zeit zu stellen, das heißt: aktiv für die eigene Arbeit zu werben, am Profil der Einrichtung, der Kirchengemeinde beziehungsweise des Dachverbandes zu arbeiten und Strategien für die Mitgliederbindung sowie die Modernisierung ihres Images zu entwickeln.

Die besonderen Herausforderungen der in den vergangenen Jahrzehnten entstandenen vielen neuen Vereine und Verbände beim Start ins Fundraising liegen darin, dass sie sich mehr als bekannte Großorganisationen darum bemühen müssen, überhaupt wahrgenommen zu werden. Doch selbst bei Organisationen mit einem großen Renommee und einem hohen Bekanntheitsgrad kommen die Spenden keineswegs von selbst ins Haus. Alle Non-Profit-Organisationen, unabhängig von ihrer organisatorischen Einbettung und ihrer Geschichte, müssen sich künftig wesentlich intensiver als in der Vergangenheit um ihre Basis, besonders in Form von Förderern, bemühen. Auf dem Fundraising-Markt nimmt die Zahl der Konkurrenten aus dem Non-Profit-Bereich weiterhin zu; auch Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft, ob Museen, Schulen, Hochschulen, Krankenhäuser oder Zoos, treten mittlerweile verstärkt als Wettbewerber auf dem Fundraising-Markt auf – und zwar mit durchaus guten Chancen.

Als Teile von Notre Dame in Paris im April 2019 Opfer von Flammen wurden, kamen innerhalb weniger Stunden fast eine Milliarde Euro an Spendenzusagen zusammen. Mehrere französische Milliardäre bekundeten spontan öffentlich, dass sie mit dreistelligen Millionenbeträgen den Wiederaufbau der weltberühmten Kathedrale unterstützen wollen. Daraufhin meldeten sich hierzulande kritische Stimmen zu Wort, die monierten, dass für ein zerstörtes Monument so viel Geld fließe, während humanitäre Hilfsorganisationen, die Menschenleben retten, immer wieder um Spenden für Notleidende kämpfen müssen. Der Einwand ist nachvollziehbar, dennoch ist die Hilfsbereitschaft für Notre Dame richtig, zumal es sich keineswegs lediglich um Megaspenden handelt. Zahlreiche kleinere Spenden sind ebenfalls darunter, auch aus Deutschland. Tatsache ist, dass der größte Teil der Spendenmilliarden in Deutschland (und auch anderswo) für humanitäre Zwecke fließt. Der Anteil von Spenden für den Erhalt von Kulturdenkmälern ist relativ gering. Zudem ist der Vergleich von Spendenzwecken eine gefährliche Gratwanderung. Der Journalist Dr. Knut Krohn (2019), Stuttgarter Zeitung, bringt dies auf pointierte Weise auf den Punkt: »Wenn jemand für notleidende Kinder in Afrika Geld gibt, könnte gefragt werden, weshalb er sich nicht für die armen Kinder in Osteuropa einsetzt oder für jene in Deutschland. Und ist eine Spende für Syrien besser als eine Spende für den Irak? Und was ist mit den Spenden für den Tierschutz? Wäre das Geld nicht bei den Menschen besser aufgehoben? Auf diese Weise kann jede Spende hinterfragt werden. Doch wohin führt das? Am Ende sind jene die Dummen, die helfen, und jener ist der Gute, der nichts tut.«

2Ethik im Fundraising

Fundraising ist ein sensibles Tätigkeitsfeld, denn nicht alles, was machbar ist und vielleicht sogar besonders »profitabel«, ist auch ethisch vertretbar. Es ist die Aufgabe von Fundraisern und Fundraiserinnen, zwischen den SpenderInnen und der Organisation, für die um Spenden geworben werden soll, Vertrauen herzustellen. Dies ist oft eine Gratwanderung, denn beide haben berechtigte Ansprüche. FundraiserInnen müssen der Organisation und den einzelnen SpenderInnen gegenüber loyal und ehrlich sein, zu ihrem Wort stehen und beide Seiten respektieren.

Alle FundraiserInnen sind gefordert, sich damit auseinanderzusetzen, wo die ethischen Grenzen ihrer Arbeit liegen und wo ethische Spannungen oder Interessenkonflikte bestehen. Sie müssen die Fähigkeit entwickeln, ethische Entscheidungen zu treffen und mit ethischen Dilemmas umzugehen.

2.1Ethikregeln der Fundraising-Verbände

In den USA bewegt das Thema Fundraising und Ethik bereits seit vielen Jahrzehnten die Fachöffentlichkeit. Alle Fundraising-Verbände, sei es die Association of Fundraising Professionals (AFP), das Giving Institute, die Association for Healthcare Philanthropy (AHP), CASE (Council for Advancement and Support of Education) und andere mehr, haben sich einen »Code of Ethical Principles and Standards of Professional Practice« (Kodex über ethische Prinzipien und professionelle Verhaltensstandards) gegeben. Mitglied werden kann nur, wer schriftlich zusichert, sich an die Regeln zu halten. Bei Zuwiderhandlungen droht ein Ausschlussverfahren. Außerdem haben die Verbände Grundsätze entwickelt, in denen die Grundrechte von SpenderInnen formuliert sind, »A Donor Bill of Rights«. Zur Erläuterung der relativ kurz und prägnant formulierten Grundprinzipien gibt es ein Kompendium mit Richtlinien für die Umsetzung anhand von Praxisbeispielen. Auch in Großbritannien hat sich das 1983 gegründete Institute of Fundraising, der dortige Fundraising-Verband, umfassende »Codes of Fundraising Practice« gegeben. Neben allgemeinen Verhaltensgrundsätzen für FundraiserInnen und einer »Donor Charter« gibt es zahlreiche Einzelregelwerke für Spezialgebiete, ob Datenschutz, Großspenden-Fundraising, Testamentspenden, Telefon-Fundraising und anderes mehr.

Auch die Mitglieder der Fundraising-Verbände in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben sich und ihre Mitglieder auf ethische Grundsätze verpflichtet, deren Texte online zur Verfügung stehen. Der Deutsche Fundraising Verband hat zudem eine Charta der Spenderrechte entwickelt. Über die Selbstverpflichtung der Fundraising-Verbände hinaus gibt es Kontrollinstanzen beziehungsweise Kontrollformen, die der Qualitätsüberwachung im Spendenwesen dienen und von Fördernden als Orientierungshilfen genutzt werden können.

Deutscher Fundraising Verband (DFRV)

Grundregeln für eine gute ethische Fundraising-Praxis

(differenziert nach Einzelmitgliedern, Dienstleistern, Organisationen)

Fundraising Verband Austria (FVA)

Ehrenkodex des FVA

Swissfundraising

Ethische Richtlinien

Tab. 1: Ethikkodizes der Fundraising-Verbände im deutschsprachigen Raum

Der Deutsche Fundraising hat 2015 ein Ethiksignet eingeführt, um die Glaubwürdigkeit und das Image spendensammelnder Organisationen sowie von in diesem Bereich tätigen Menschen öffentlich zu unterstreichen. Damit soll dem Thema SpenderInnen und Interessierten gegenüber ein höherer Stellenwert verliehen werden. Tragen dürfen das Ethiksignet alle Organisations- und Dienstleistermitglieder des DFRV.

Verstöße gegen die Ethikgrundsätze können an gemäß den jeweiligen Satzungen berufene Schiedskommissionen gemeldet werden, die dann entscheiden, wie damit umgegangen werden soll.

Fundraiser arbeiten in unterschiedlichen Bereichen, Ländern und unter mannigfaltigen Umständen, doch sie teilen grundlegende Werte und Vorgehensweisen. Auf mehreren International Fundraising Summits (internationalen Fundraising-Gipfeltreffen) erfolgte die Entwicklung eines International Statement of Ethical Principles in Fundraising. Im Anschluss an die Verabschiedung auf dem International Fundraising Summit im niederländischen Noordwijkerhout im Oktober 2006 haben mittlerweile viele Fundraising-Verbände in aller Welt diese Ethikgrundsätze ratifiziert.

Im Zentrum der »Internationalen Erklärung zu ethischen Prinzipien im Fundraising« stehen fünf universale Prinzipien für das Handeln eines jeden Fundraisers und einer jeden Fundraiserin:

Ehrlichkeit

Fundraiser handeln zu allen Zeiten ehrlich und wahrhaftig, sodass öffentliches Vertrauen geschützt und Unterstützer wie Unterstützte nicht irregeführt werden.

Respekt/Würde

Fundraiser gehen zu allen Zeiten respektvoll mit ihrer Profession, ihrer eigenen Organisation und der Würde von Unterstützern und Unterstützten um.

Integrität

Fundraiser handeln offen und sind sich ihrer Verantwortung für öffentliches Vertrauen bewusst. Sie decken aktuelle oder potenzielle Interessenkonflikte auf und vermeiden persönliche oder professionelle Verfehlungen.

Empathie

Fundraiser arbeiten ihren Zielen entsprechend und ermutigen andere, dieselben professionellen Standards und entsprechendes Engagement zu übernehmen. Sie respektieren die Privatsphäre des Einzelnen, die Freiheit der Wahl und die Unterschiedlichkeit.

Transparenz

Fundraiser fördern die Erstellung klarer, genauer und verständlicher Berichte über ihre Arbeit und den Weg, den Spenden bis zur Verwendung nehmen, sowie über Kosten und Ausgaben.

Tab. 2: Universale ethische Prinzipien im Fundraising

Quelle: DFRV (www.dfrv.de, Stand 27.03.2019)

Die internationale Erklärung zu den Ethikprinzipien im Fundraising enthält zudem Standards für die Umsetzung der Prinzipien in die Praxis in sechs Bereichen:

Verantwortlicher Umgang mit den Spenden

Beziehungen zu den Interessierten (Stakeholders)

Verantwortung für Kommunikation, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit

Management von Berichten, Finanzmitteln und Kosten

Zahlungen und finanzielle Leistungen

Befolgung nationaler Gesetze

Grundsätzlich zeigte sich im internationalen Vergleich: Je differenzierter die Formulierungen in den jeweiligen Ländern, desto ausgeprägter ist die Relevanz der Regeln für den Alltag von Fundraisern, und desto mehr wird auf diese rekurriert. Der Vergleich der Ethikprinzipien machte deutlich, dass insbesondere in den USA, Kanada und Großbritannien, also in Ländern, in denen das Berufsfeld des Fundraisings auf eine längere Geschichte als anderswo zurückblicken kann, die Ethikprinzipien sehr viel präziser ausgeführt sind und zugleich strikter gehandhabt werden.