Handbuch Qualitätsmanagement im Krankenhaus - Heidemarie Haeske-Seeberg - E-Book

Handbuch Qualitätsmanagement im Krankenhaus E-Book

Heidemarie Haeske-Seeberg

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Beschreibung

Die 3., erweiterte und überarbeitete Auflage des Handbuches Qualitätsmanagement spannt einen weiten Bogen über die Themenfelder der Qualitätssicherung sowie des Qualitäts- und klinischen Risikomanagements im Krankenhaus. Dabei werden Pioniere des Qualitätsmanagements und ihre Innovationen beleuchtet und einschlägige Normen wie die DIN EN ISO 9001 oder die ISO 31000 ebenso besprochen wie KTQ und das aktuelle EFQM-Modell. Basierend auf den umfänglichen gesetzlichen Grundlagen werden die insbesondere in den letzten Jahren zahlreich erfolgten Übersetzungen in Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) aufgezeigt. Auch werden Zusammenhänge zu medizinischen Leitlinien und Evidenzbasierter Medizin und die Verknüpfungen zu modernen Governancesystemen hergestellt. Orientiert an der Qualitätsmanagement-Richtlinie des G-BA werden die für alle deutschen Krankenhäuser verbindlichen Instrumente vorgestellt und konkrete Arbeitshilfen und Umsetzungsbeispiele angeboten.

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Die Autorin

Frau Dr. med. Heidemarie Haeske-Seeberg wurde 1957 geboren, ist seit 1987 nach einem Studium der Humanmedizin in Münster als Ärztin approbiert, hat 1987 in Münster promoviert, war von 1988–1996 bei der Ärztekammer Westfalen-Lippe als Abteilungsleiterin Qualitätssicherung tätig. Sie ist Gründungsmitglied und war langjährig Geschäftsführerin der Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Gesundheitsversorgung e. V. sowie Beirats- und Vorstandsmitglied des Aktionsbündnisses Patientensicherheit. Sie war von 1996–2000 wissenschaftliche Mitarbeiterin des Deutschen Krankenhausinstitutes, wo sie die Servicestelle Qualitätssicherung leitete. Anschließend war sie als leitende Auditorin bei Lloyds Register Quality Assurance, Köln/Hamburg, und Geschäftsführerin des Instituts für Ausbildung, Beratung und Unternehmensentwicklung in der Gesundheitsversorgung in Hamburg tätig. Seit 2001 ist sie Bereichsleiterin Qualitätsmanagement und klinisches Risikomanagement bei der Sana Kliniken AG in Ismaning bei München. Als Mitautorin des Qualitätsportals Qualitätskliniken.de und Mitglied des wissenschaftlichen Beirates und verschiedener Arbeitsgruppen der Initiative Qualitätsmedizin e. V. engagiert sie sich für die Weiterentwicklung von Qualitätsvergleichen und Peer Reviews. In mehreren Kommissionen und Arbeitsgruppen der Deutschen Krankenhausgesellschaft prägt sie die Positionen der Krankenhausträger in Sachen Qualitätsmanagement (QM) und Qualitätssicherung (QS) mit. Sie ist Dozentin an verschiedenen Universitäten und Autorin zahlreicher Buchbeiträge.

Heidemarie Haeske-Seeberg

Handbuch Qualitätsmanagement im Krankenhaus

Strategien, Analysen, Konzepte

3., erweiterte und überarbeitete Auflage

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Pharmakologische Daten verändern sich ständig. Verlag und Autoren tragen dafür Sorge, dass alle gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung hierfür kann jedoch nicht übernommen werden. Es empfiehlt sich, die Angaben anhand des Beipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

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3., erweiterte und überarbeitete Auflage 2021

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-036804-0

E-Book-Formate:

pdf:        ISBN 978-3-17-036805-7

epub:     ISBN 978-3-17-036806-4

mobi:     ISBN 978-3-17-036807-1

Vorwort zur 3. Auflage

 

 

 

Die Zeiten, in denen vor allem die Ärzteschaft Maßnahmen wie Qualitätsmessung und Qualitätssicherung als eher überflüssig betrachtete, vor ausufernder Bürokratie und mangelnder Methodik warnte, sind glücklicherweise vorüber. Transparenz und das Einholen einer zweiten Meinung sind inzwischen in der Regel selbstverständlich, zumindest aber hoffähig. Heute ist das Primat der Qualität endgültig in den deutschen Krankenhäusern und Arztpraxen, bei Verbänden und Selbstverwaltung und auch in der Politik angekommen.

Einen maßgeblichen persönlichen Anteil an diesem Erfolg hat unbestreitbar Heidemarie Haeske-Seeberg. Sie gilt nicht ohne Grund als Pionierin von Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement im deutschsprachigen Raum. Seit Jahrzehnten befördert sie das Thema Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen. Das vorliegende Buch, das jetzt bereits in einer dritten, vollständig überarbeiteten Auflage erscheint, ist zur Pflichtlektüre geworden für alle, die auf dem aktuellen Stand der Qualitätsanforderungen im Bereich der Medizin bleiben wollen.

Auch das hier vorliegende Werk kombiniert den theoretischen Hintergrund dessen, was wir heute unter Qualitätsmanagement verstehen, mit aktuellen Methoden, praktischen Anwendungen und sorgfältig ausgewählten Beispielen. Dazu spannt es einen weiten Bogen. Mit der Vorstellung wesentlicher Protagonisten und ihres Beitrages zur Theorie des Qualitätsmanagements werden Grundgedanken und -prinzipien nachvollziehbar und helfen beim Verständnis des aktuellen Wissens. Normanforderungen an das Qualitätsmanagement, das klinische Risikomanagement und das »Kundenverständnis« im Krankenhaus werden kreativ interpretiert und illustriert. Die in den letzten Jahren verzweigt, vernetzt und fast unübersehbar entstandenen Regelungen zur gesetzlich vorgegebenen Qualitätssicherung werden verständlich erläutert und eingeordnet. Die in deutschen Krankenhäusern noch zaghaft in Umsetzung befindlichen anderen Governancesysteme werden erläutert, ebenso agiles (Qualitäts-)Management als Chance vorgestellt. Nicht zuletzt wird die Verbindung zwischen Evidenzbasierter Medizin und Leitlinien zum Qualitätsmanagement deutlich. Damit liefert das vorliegende Buch relevante Wissensbausteine für den Geschäftsführer, den Qualitätsmanager und andere Interessierte und unterstützt sie mit zahlreichen Umsetzungsinstrumenten.

In der westlichen Welt standen über lange Zeit Merkmale wie Qualitätssicherung, Qualitätsmanagement und Qualitätsmedizin in Rivalität mit vielfältigen anderen Assets der Wohlstandsgesellschaft. Das dürfte sich geändert haben. Denn gerade in Krisenzeiten kommt es in der Medizin tatsächlich auf das Wesentliche an: auf eine fundierte, hochqualitative Versorgung, die den Menschen wirklich nutzt. Die Corona-Pandemie hat das nur allzu deutlich gezeigt. Die Forderung nach Qualität in der Medizin ist dabei nicht neu, es gab sie schon vor über 3.000 Jahren. Der babylonische Herrscher Hamurapi ordnete an, dass einem Arzt bei nachgewiesenem Kunstfehler die verursachende Hand abzuhacken sei. Darauf hatte in einer früheren Auflage dieses Buches der leider verstorbene Werner Fack-Asmuth verwiesen.

Die Zeiten haben sich glücklicherweise geändert, der Qualitätsanspruch aber muss bleiben. Ich empfehle deshalb nachhaltig dieses absolut lesenswerte Buch von Heidemarie Haeske-Seeberg, viel Freude bei der Lektüre und beim Nachschlagen.

Prof. Dr. med. Axel Ekkernkamp

Inhalt

 

 

 

Vorwort zur 3. Auflage

Glossar

Abkürzungen

1   Gesellschaftliche Rahmenbedingungen

1.1   Alter und Gesundheitszustand der Bevölkerung

1.2   Entwicklungen des Versorgungssystems

2   Die besondere Situation des Gesundheitswesens

2.1   Strukturierungsmodelle für Gesundheitssysteme: Marktwirtschaft oder Planwirtschaft?

2.2   Steuerungsinstrumente im Gesundheitswesen

2.3   Bewältigungsstrategien für die Herausforderungen an Gesundheitssysteme

2.4   Gesundheitseinrichtungen und Umfassendes Qualitätsmanagement

3   Geschichtliche Stationen und wichtige Pioniere des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung

3.1   Pioniere des Qualitätsmanagements

3.2   Wichtige Persönlichkeiten im Umfeld von Qualitätssicherung und Evidenzbasierter Medizin

3.3   Wichtige Institutionen für die Qualitätssicherung und das Qualitätsmanagement

3.4   Für die praktische Umsetzung von QM im Krankenhaus hilfreiche Organisationen

4   Die frühe Entwicklung der externen Qualitätssicherung in Deutschland

4.1   Freiwillige Initiativen als Ausgangsbasis für eine gesetzliche externe Qualitätssicherung

4.2   Die Strukturen zur Umsetzung der externen gesetzlichen Qualitätssicherung im Krankenhaus in Deutschland

5   Grundlagen des Qualitätsmanagements in der stationären Versorgung

5.1   Abgrenzung Qualitätsmanagement und Forschung

5.2   Achievable benefits not achieved

5.3   Grenzen der Qualitätssicherung in der Medizin

6   Der Kundenbegriff im Qualitätsmanagement in der stationären Versorgung

6.1   Kundenorientierung

6.2   Merkmale von Dienstleistungen im Gesundheitsbereich

6.3   Patientenrechte und Patientenunterstützung im Gesundheitswesen

7   Führung und Zielkonsequenz im Qualitätsmanagement

7.1   Führung

7.2   Menschenbild

7.3   Feedback als Entwicklungsbasis

7.4   Delegation von Verantwortung und Entscheidungen

7.5   Zielkonsequenz

7.6   Leadership

8   Mitarbeiterentwicklung und -beteiligung im Qualitätsmanagement in der stationären Versorgung

8.1   Mitarbeiterorientierung im Gesundheitswesen

9   Management mit Prozessen und Fakten

10 Kontinuierliches Lernen, Innovation und Verbesserung

10.1 Kleingruppenarbeit

10.2 Die sieben elementaren Qualitätswerkzeuge

11 Gesetzliche Grundlagen für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in Krankenhäusern

11.1 Auszüge aus dem SGB V

11.2 Das Patientenrechtegesetz

11.3 Weitere relevante gesetzliche Quellen

12 Die Instrumente der gesetzlichen Qualitätssicherung im Krankenhaus

12.1 Datengestützte Qualitätssicherung

12.2 Planungsrelevante Qualitätsindikatoren

12.3 Vergütungsrelevante Qualitätsindikatoren

12.4 Datenvalidierung im Rahmen der externen Qualitätssicherung

12.5 Mindestmengen

12.6 Der Qualitätsbericht nach § 137 SGB V

12.7 Das Qualitätsportal des G-BA

12.8 Zweitmeinungen

12.9 Strukturrichtlinien

12.10 Qualitätsverträge

12.11 Berichte des IQTIG

13 Vom G-BA vorgegebene Instrumente des Qualitätsmanagements

13.1 Die Qualitätsmanagementrichtlinie (QM-RL) des GBA

14 Aufbauorganisation

14.1 Die Krankenhausdirektion

14.2 Die Qualitätskommission

14.3 Die Stabsstelle Qualitätsmanagement

14.4 Die übergeordnete Stabsstelle

14.5 Projektgruppen und Qualitätszirkel

14.6 Qualitätssicherungsbeauftragte

15 Der Einführungsprozess eines Qualitätsmanagementsystems

15.1 Die Einführung als Führungsentscheidung

15.2 Die Umsetzung als Aufgabe der gesamten Organisation

15.3 Traditionelle Elemente der Qualitätsverbesserung und ihre Rolle im Qualitätsmanagement

15.4 Der Aufbau als Systementwicklung

15.5 Womit anfangen?

15.6 Die Auftaktveranstaltung

15.7 Aufrechterhalten der Information und Kommunikation

15.8 Ausbildung und Schulung

15.9 Bedeutung des Leitbildes

15.10 Auswahl erster Projekte

15.11 Umgang mit Widerstand

15.12 Rolle und Position der Ärzte

16 Qualitätsziele

16.1 Die Zielkaskade

16.2 Ziele im Leitbild

16.3 Ziele in der Qualitätspolitik und -strategie

16.4 Operative Qualitätsziele in einzelnen Unternehmensbereichen

16.5 Operative Qualitätsziele für einzelne Personen

16.6 Zielvereinbarungen

16.7 Ziele formulieren

17 Leitbild

17.1 Der Inhalt eines Leitbildes

17.2 Die Erarbeitung eines Leitbildes

17.3 Leitbild, und danach?

18 Qualitätsmessung

18.1 Der Qualitätsbegriff

18.2 Die Messung der medizinischen Leistungserbringung – Qualitätsdimensionen nach Donabedian

18.3 Die 11 Qualitätsmerkmale der DIN EN 15224

18.4 Die Qualitätsdimensionen des IQTIG

18.5 Die Wahrnehmung von Qualität

18.6 Die Qualitätsdimensionen der Sana Kliniken AG

19 Patientenbefragungen

19.1 Anforderungen verschiedener Qualitätskataloge

19.2 Die Zielsetzung von Patientenbefragungen

19.3 Die Patientenbefragung im Spiegel der Qualitätsdimensionen nach Donabedian

19.4 Erhebungsinstrumente

19.5 Rahmenbedingungen für Patientenbefragungen

19.6 Patientenbefragung im praktischen Einsatz

19.7 »Through the patients eyes« – das Picker-Modell

19.8 Der Net Promoter Score

20 Benchmarking und externe Qualitätsvergleiche

20.1 Gründe für externe Qualitätsvergleiche

20.2 Implementierung im Krankenhaus

20.3 Ablauf von externen Qualitätsvergleichen

20.4 Die Entwicklung von Qualitätsindikatoren für medizinische Qualitätsvergleiche

20.5 Möglichkeiten für die grafische Darstellung von externen Qualitätsvergleichen

20.6 Das Qualitätsinformationssystem QuIS der Sana Kliniken AG

21 Audits

21.1 Interne Audits

21.2 Peer Reviews

21.3 Layered Process Audits

22 Patienteninformation und -aufklärung

23 Beschwerdemanagement

23.1 Der direkte Beschwerdeprozess

23.2 Der indirekte Beschwerdemanagementprozess

24 Die Lenkung von Dokumenten

24.1 Welche Dokumente sollen gelenkt werden?

24.2 Über welche Managementbereiche sollte sich die Dokumentenlenkung erstrecken?

24.3 Welche Formatvorlagen sollten zur Verfügung gestellt oder gar verbindlich genutzt werden?

24.4 Wie funktioniert der Erstellungs- und Freizeichnungsprozess?

24.5 Wie wird die Aktualisierung unterstützt?

24.6 Wie wird das Auffinden von Dokumenten unterstützt?

24.7 Wie kann die Gliederung erfolgen?

24.8 Wie werden ältere Versionen archiviert?

24.9 Anforderungen an die Dokumentenlenkung in Unternehmensverbünden

24.10 Rechtssicherheit und Dokumentenlenkung

24.11 Dokumentenlenkung im Rahmen der externen gesetzlichen Qualitätssicherung

24.12 Dokumententypen mit vorgegebener Gliederungsstruktur

24.13 Metadaten

25 Die Lenkung von Aufzeichnungen

26 Checklisten

27 Kommunikationsmatrix

28 Die Befragung von Mitarbeitern

28.1 Great Place to Work

®

28.2 Spontane Rückmeldungen von Mitarbeitern

29 Schnittstellenmanagement

29.1 Schnittstellen innerhalb des Krankenhauses

29.2 Schnittstellen zu Lieferanten

30 Wissensmanagement

30.1 Wissensmanagement der Sana Kliniken AG

30.2 Kompetenzmanagement

31 Organisationsstrukturen und Verantwortlichkeiten

31.1 Die Definition von Organisationsstrukturen und Verantwortlichkeiten

31.2 Verantwortungsbeschreibungen für Beauftragte und Geschäftsordnungen für Gremien

31.3 Verantwortungsbeschreibungen für Linienfunktionen

32 Klinisches Risikomanagement

32.1 Instrumente des klinischen Risikomanagements der QM-RL des G-BA

32.2 Die Handlungsempfehlung des APS »Anforderungen an klinische Risikomanagementsysteme im Krankenhaus«

32.3 G-BA-RL versus Handlungsempfehlung des APS

32.4 Instrumente des klinischen Risikomanagements

32.5 Fehlerkultur

33 Die Managementbewertung

33.1 Was für die Managementbewertung herangezogen werden soll

33.2 Die Managementbewertung bei Sana

33.3 Managementbewertung und mehr

33.4 Der Qualitätsentwicklungsplan

34 Leitlinien und Evidenzbasierte Medizin

34.1 Leitlinien für die Leitlinien

34.2 Die Qualität von Leitlinien

34.3 Die Rolle von medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften

34.4 Versorgungsleitlinien

34.5 Konsensusmethoden in der Medizin

34.6 Evidenzbasierte Medizin und Pflege in der Praxis

34.7 Angewandte Evidenzbasierte Medizin und Leitlinien

34.8 Bedeutung von Evidenzbasierter Medizin und Leitlinien für das Qualitätsmanagement

34.9 Das Projekt »Geplante Behandlungsabläufe« der Sana Kliniken AG

35 Klinische Ethik

35.1 Das klinische Ethikkomitee

35.2 Die ethische Fallbesprechung

35.3 Schmerzmanagement

36 Zentrumszertifizierungen

36.1 Die Zentrumszertifikate der Deutschen Krebsgesellschaft

36.2 Die Zentrumszertifikate für die Endoprothetik

36.3 Der Umgang der Sana Kliniken AG mit Zentrumszertifikaten

37 Selbstbewertung und Systemzertifizierung

37.1 Selbstbewertung nach dem Modell der EFQM

37.2 Zertifizierung von Krankenhäusern gemäß der DIN EN ISO-Normen 9001

37.3 Die DIN EN 15224

37.4 Selbstbewertung und Zertifizierung nach dem Modell der KTQ

38 Agiles Qualitätsmanagement

39 Qualitätsmanagement und andere Governance-Systeme

39.1 Das Three Lines of Defense-Modell

39.2 Managementsysteme der 2. Verteidigungslinie und ihre Verknüpfung zum QM

39.3 Die Interne Revision als Element der 3. Verteidigungslinie

Literatur

Glossar

 

 

 

Sehr exakte, gleichwohl abstrakte Definitionen für zahlreiche Begriffe zum Qualitätsmanagement (QM) finden sich in der DIN EN ISO 8402: 1995 – Qualitätsmanagement Begriffe. Weitere Definitionen finden sich in diesem Buch in den Kapiteln Der Qualitätsbegriff ( Kap. 18.1), Wichtige Definitionen der EFQM ( Kap. 37.1.7) und Wichtige Definitionen der DIN EN ISO 9000:2015 ( Kap. 37.2.4).

 

 

Abkürzungen

 

 

 

AA

Arbeitsanweisung

APS

Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V.

AQS

Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Qualitätssicherung in der Medizin

aQua

Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH

AWMF

Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlich medizinischer Fachgesellschaften

ÄZQ

Ärztliches Zentralinstitut für Qualität in der Medizin, Köln

BÄK

Bundesärztekammer, Berlin

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BLAEK

Bayerische Landesärztekammer

BMG

Bundesministerium für Gesundheit

BPflV

Bundespflegesatzverordnung

BQS

Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH, Düsseldorf

BSC

Balanced Scorecard

CBO

Centraal Begleidingsorgaan voor de intercollegiale Toetsing seit 1999 Kwaliteitsinstituut voor de Gezondheidszorg, Utrecht

CEN

Management Zentrum des Europäischen Komitees für Normung

CIRS

Critical Incident Reporting System

CMI

Case Mix Index

DAkkS

Deutsche Akkreditierungsstelle

DEC

Deutsches EFQM Center, Frankfurt

DeQS-RL

Richtlinie zur datengestützten einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung

DGAI

Deutsche Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin e. V.

DGQ

Deutsche Gesellschaft für Qualität e. V., Frankfurt

DIN

Deutsches Institut für Normung

DIVI

Deutsche interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin

DKG

Deutsche Krankenhausgesellschaft, Berlin

DMP

Disease-Management-Programm

DPR

Deutscher Pflegerat

DRG

Diagnosis Related Group(s)

DSGVO

Datenschutzgrundverordnung

EbM

Evidenzbasierte Medizin

EFQM

European Foundation for Quality Management

EN

Europäisches Komitee für Normung

EORTC

European Organisation for Research and Treatment of Cancer

EOQ

European Organization for Quality

EQA

European Quality Award

ESQH

European Society for Quality in Healthcare

ExPeR

External peer review techniques

FMEA

Fehler-, Möglichkeits- und Einflussanalyse

G-BA

Gemeinsamer Bundesausschuss

G-IQI-Indikatoren

German-Inpatient Quality Indicators

GG

Grundgesetz

GKV

Gesetzliche Krankenversicherung

GKV-SV

Spitzenverband Bund der Krankenkassen

GKV-WSG

GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz

GMG

GKV-Modernisierungsgesetz

GPtW

Great Place to Work®

GQMG

Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Gesundheitsversorgung e. V.

ICHOM

International Consortium for Health Outcome Measurement

IfSGuaÄndG

Infektionsschutzgesetz

IHI

Institute for Healthcare Improvement

InEK

Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus GmbH

IQTIG

Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen

IQWIG

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen

IRegG

Gesetz zum Implantateregister Deutschland (Implantateregistergesetz)

ISO

International Standard Organization

ISQ

International Society for Quality Management in Healthcare

JCAH

Joint Commission on Accreditation of Hospitals

JCAHO

Joint Commission on Accreditation of Healthcare Organizations

KBV

Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Berlin

KH

Krankenhaus

KHSG

Krankenhausstrukturgesetz – Gesetz zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung

KRINKO

Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention

kRM

klinisches Risikomanagement

KTQ®

Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen

Kven

Kassenärztliche Vereinigungen

LAGen

Landesarbeitsgemeinschaften nach § 5 DeQS

LPA

Layered Process Audit

LÄKs

Landesärztekammern

LKGen

Landeskrankenhausgesellschaften

MDK-QK-RL

MDK-Qualitätskontroll-Richtlinie/Richtlinie nach § 137 Abs. 3 SGB V zu Kontrollen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nach § 275a SGB V

NPS

Net Promoter Score

OPS

Operationen- und Prozedurenschlüssel des DIMDI (Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information)

PDCA-Zyklus

Plan-Do-Check-Act-Zyklus für kontinuierliche Verbesserung

PEQ

Patient Experience Questioniare

PKV

Private Krankenversicherung

plan.QI-RL

Richtlinie zu planungsrelevanten Qualitätsindikatoren

PREMs

Patient Reportet Experience Measures

PRG

Patientenrechtegesetz – Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten

PRO

Patient Reportet Outcomes

PROMs

Patient Reportet Outcome Measures

PsychVVG

Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen

QFR-RL

Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Reifgeborenen

QI

Qualitätsindikatoren

QM

Qualitätsmanagement

QMB

Qualitätsmanagementbeauftragter

QM-RL

Qualitätsmanagementrichtlinie

QSKH-RL

Richtlinie über Maßnahmen der Qualitätssicherung in Krankenhäusern

QS-RL

Qualitätssicherungs-Richtlinie

QSR

Qualitätssicherung mit Routinedaten

Qesü-RL

Richtlinie zur einrichtungs- und sektorenübergreifenden Qualitätssicherung

RKI

Robert Koch-Institut

RöV

Verordnung über den Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen – Röntgenverordnung

Sana

Sana Kliniken AG

SGB V

Fünftes Buch Sozialgesetzbuch

StrlSchG

Strahlenschutzgesetz

StrlSchV

Strahlenschutzverordnung – Verordnung zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung

SQS

Servicestelle Qualitätssicherung

TQM

Total Quality Management

UQM

Umfassendes Qualitätsmanagement

VA

Verfahrensanweisung

VdAK/AEV

Verband der Angestellten Krankenkassen/Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e. V.

WidO

Wissenschaftliches Institut der Ortskrankenkassen

WHO

World Health Organization

Zm-RL

Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren – Richtlinie über die Konkretisierung des Anspruchs auf eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung

1          Gesellschaftliche Rahmenbedingungen

 

 

 

Wenn man die verschiedenen Gesundheitssysteme weltweit betrachtet, kann man zumindest in den Industrieländern überall dieselben Entwicklungen beobachten. Die Organisationsstrukturen der Gesundheitssysteme sind kaum mehr bezahlbar, eine intensive Diskussion über die Leistungen, die im Gesundheitssystem erbracht werden, und deren Finanzierung ist im Gange. Betrachtet man den Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt, so ist dies verständlich ( Abb. 1).

Abb. 1: Gesundheitsausgaben in Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausgewählter Länder 20141

Vergleicht man die Ausgaben ausgewählter Länder hinsichtlich der dort aufgewendeten Gesundheitsausgaben, so stellt man fest, dass Deutschland sich stets in höheren Rangplätzen bewegt. Der Trend zur jährlichen Steigerung der Gesundheitsausgaben ist in verschiedenen Statistiken eindrucksvoll belegt. So stiegen die Ausgaben von 1992 bis 2017 von 19,5 Mio. € auf 374,2 Mio. €.2

In vielen Industrieländern ist, ausgelöst durch verschiedene Ursachen, in den letzten Jahren eine Reform des Gesundheitswesens zu beobachten. Auch in Deutschland gibt es spätestens seit der Verabschiedung des Gesundheitsreformgesetzes 1989 das sichtbare Bemühen des Gesetzgebers, die Rahmenbedingungen für das Gesundheitswesen gravierend zu verändern. Diese Entwicklung setzt sich seither mit verschiedenen Gesetzesinitiativen kontinuierlich fort.

Die problematischen Situationen, in denen sich Gesundheitssysteme befinden, haben in den meisten Ländern weltweit dieselben Ursachen, Entwicklungstrends und Herausforderungen. Diese werden in den nachfolgenden Unterkapiteln näher dargestellt:

•  Alter und Gesundheitszustand der Bevölkerung

•  Entwicklung des Versorgungssystems, Zunahme der Versorgungsangebote

•  Medizinischer Fortschritt

•  Entwicklung der Informationstechnologie

•  Ansprüche der Patienten an das Gesundheitssystem

1.1       Alter und Gesundheitszustand der Bevölkerung

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat die Lebenserwartung stetig zugenommen. Dies ist teilweise auf die Verringerung der Säuglingssterblichkeit zurückzuführen.3 Seit einigen Jahren kann jedoch auch eine Zunahme der »ferneren Lebenserwartung«, also der Verlängerung der Lebenserwartung der erwachsen gewordenen Bevölkerung, registriert werden. In den letzten Jahren kam es pro Dekade zu einer Zunahme der Lebenserwartung um durchschnittlich drei Jahre.

Demografische Analysen zeigen, dass der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung stetig zunimmt.4 Dies hat Auswirkungen auf

•  die Frequentierung von Gesundheitsleistungen sowie

•  Einnahmen und Ausgaben von Krankenversicherungen.

Auch die in der Bevölkerung auftretenden Erkrankungen verändern sich. Während zu Beginn des Jahrhunderts in den Industrieländern als wichtigste Todesursache noch Infektionskrankheiten zu verzeichnen waren, führen heute – bedingt durch die Verbesserung der hygienischen, sozialen und ökonomischen Situation großer Teile der Bevölkerung – andere Erkrankungen die Morbiditäts- und Mortalitäts-Statistiken an. An deren Spitze stehen heute Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die Folgen bösartiger Neubildungen. Aber auch chronisch-degenerative Erkrankungen nehmen stetig zu.5

Immer mehr Menschen erreichen also ein höheres Lebensalter und sind mit behandelbaren, z. T. chronischen Erkrankungen belastet. Die Zunahme des Lebensalters spielt sich in einem Altersabschnitt ab, in dem diese Menschen zumeist keine Einzahlungen in die Krankenversicherung mehr leisten. Die beitragsfreie Überlebenszeit steigt also.

1.2       Entwicklungen des Versorgungssystems

Bedingt durch die Entwicklung der medizinischen Diagnostik, aber auch das Nachfrageverhalten der Bevölkerung nach Vorsorgeuntersuchungen und routinemäßigen Gesundheitschecks werden immer mehr Menschen durch das Gesundheitssystem bereits in einem frühen, z. T. noch symptomlosen Krankheitsstadium als »krank« und behandelbar identifiziert. Hierdurch kommt es zu mehr und längeren Behandlungen bzw. Behandlungen ab einem früheren Krankheitsstadium.

1.2.1     Zunahme von Versorgungsangeboten

Auch die Zahl der Leistungsanbieter wächst stetig. So stieg die Zahl der niedergelassenen Ärzte (Bundesrepublik, ohne neue Bundesländer) von 49.225 im Jahr 1960 auf eine Zahl von 92.289 im Jahr 1990.6 Auch in jüngerer Zeit ist dieser Trend ungebremst. So nahmen nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung 1990 88.811 Ärzte7 an der kassenärztlichen Versorgung teil,8 2005 waren es bereits 126.252 Ärzte.9 Bedingt durch neue Versorgungsformen gab es im ambulanten Bereich 2018 ca. 40.000 angestellte und 117.472 niedergelassene Ärzte.10

Das durchschnittliche Einkommen niedergelassener Ärzte in diesem Zeitraum hat sich dabei jedoch kaum verändert.11 Daraus ist zu folgern, dass eine Erhöhung der Aktivitäten im diagnostischen und therapeutischen Bereich stattgefunden hat.

Im Gegensatz zu einem freien Markt, in dem die Nachfrage das Angebot regelt, haben wir es im Gesundheitsbereich mit dem Phänomen zu tun, dass das Angebot eine Nachfrage induziert bzw. eine Steigerung von Anbietern eine erhöhte Zahl von Aktivitäten nach sich zieht.12

1.2.2     Medizinischer Fortschritt

Entwicklungen in der Medizin-Technologie sind auf zahlreichen Gebieten zu beobachten. Der Einsatz von

•  Robotertechnik bzw. Roboterassistenz,

•  künstlichen Organen (Herz, Lunge, Leber usw.),

•  Gentechnologie und

•  Mikro-Manipulationstechniken, Mikrochirurgie, minimal-invasiver Chirurgie

gehört – um nur einige Beispiele zu nennen – immer mehr zur Routine. Die Effekte sind einerseits Kostenersparnis, indem z. B. durch Roboterassistenz Spätschäden infolge nicht achsengerecht implantierter Endoprothesen verhindert werden.

Andererseits ist ein erhöhter Ressourceneinsatz zu beobachten, beispielsweise bei der Ausstattung von Krankenhäusern mit Operations-Robotern, zusätzlichem endoskopischem Instrumentarium zu dem ohnehin vorzuhaltenden, konventionellen Operationsinstrumentarium. So stiegen die Kosten deutscher Krankenhäuser von 1996 bis 2017 von 48,4 Mrd. € auf insgesamt rund 91,3 Mrd. €.13

1.2.3     Entwicklung der Informationstechnologie

Auch im Gesundheitswesen sind die Auswirkungen der Entwicklung der Informationstechnologie zunehmend spürbar. Der Einsatz von Chipkarten, die Digitalisierung von Röntgenbildern, der Einsatz von Telemedizin sind nur einige Beispiele. Auch die schnellere Verfügbarkeit von Forschungsergebnissen und die Möglichkeit der Recherche im Internet und in großen Datenbanken sind zu nennen.

Auch dies ist eine Entwicklung mit Auswirkungen in zwei Richtungen: Einerseits kann es zur Effizienzsteigerung beitragen, wenn z. B. durch den Einsatz von Telemedizin Spezialisten online früher oder regelmäßiger in Behandlungen einbezogen werden, da auf elektronischem Wege Konsile und Beratungen durchgeführt werden können. Andererseits trägt die Entwicklung dazu bei, dass sich neue Erkenntnisse aus der Forschung schneller als früher in der Routine verbreiten, was den erforderlichen Ressourceneinsatz schneller als bisher steigert.

1.2.4     Ansprüche der Patienten an das Gesundheitssystem

Auch im Verhalten der Bevölkerung in Bezug auf das Gesundheitswesen gibt es Trends zu beobachten. In der Trendstudie der Zukunftsinstitut GmbH wird im Trend 16, Can-Do-Medizin folgender Trend beschrieben: Zukunftsstudie Horx:14 »Doch die Patienten mucken auf. Gesundheit wird heute von vielen Menschen als Teil ihrer Selbstbestimmtheit gesehen. Ein starkes Bedürfnis nach Selbstbehandlung und Selbstheilung entsteht.«

Für die Bevölkerung stehen Gesundheitsinformationen heute leichter zugänglich als bisher zur Verfügung. Durch die weite Verbreitung des Internets haben Patienten heute einfachen Zugang zu Forschungsergebnissen, medizinischen Leitlinien, Anbieteradressen und Benchmarking-Ergebnissen. So sind über die Internet-Seiten der AWMF mit stark wachsender Tendenz derzeit bereits ca. 500 Leitlinien aus nahezu allen medizinischen Bereichen zugänglich. Auch durch englische, kanadische, amerikanische oder holländische Organisationen wird eine Vielzahl von Leitlinien im Internet präsentiert.

Auch Ergebnisse von externen Krankenhausvergleichen sind im Internet zu finden. Hier finden sich ausländische Beispiele. Das Health Net®, eine kalifornische Versicherung, veröffentlichte bereits 1998 auf der Basis von Patientenzufriedenheitsbefragungen sogenannte »Report Cards«, die Auskunft über Ergebnisse der einzelnen Ärztegruppen, mit denen Versorgungsverträge bestehen, in verschiedenen Zufriedenheitsdimensionen geben.15 Diese Veröffentlichungen sollen ausdrücklich der Information der Versicherten über ihre behandelnden Einrichtungen und Ärzte dienen. Sie sollen aber auch die gezielte Auswahl von Anbietern unter Qualitätsgesichtspunkten unterstützen.

Auch über die Internetseiten des englischen National Health Service wurden 1997 erstmals und seither regelmäßig eine Vielzahl von angebots- und qualitätsbezogenen Informationen über Krankenhäuser der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Um die oft schwierige Interpretation der Daten zu unterstützen, wurde zeitgleich eine Vielzahl von Interpretationshilfen veröffentlicht. Inzwischen sind auch vergleichende Ergebnisse im Internet für Jedermann einsehbar.

Durch die deutschen Aktivitäten von Qualitätskliniken.de und die Initiative Qualitätsmedizin sind vergleichende Ergebnisse von Anbietern seit etwa zehn Jahren verfügbar. Dies wird ergänzt durch die Weisse Liste oder auch klinikbewertungen.de.

Die Möglichkeit der Information für die Bevölkerung über gesundheits- bzw. gesundheitssystembezogene Daten und Fakten wächst also stetig. Der Gesetzgeber in Deutschland hatte im § 137 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vorgesehen, dass im Jahr 2005 erstmalig für das Jahr 2004 jedes Krankenhaus einen Qualitätsbericht vorzulegen hat. Obwohl die Anforderungen an diesen Qualitätsbericht immer noch nicht ausreichend sind, um interessierten Bürgern und potenziellen Patienten einen Einblick in die Leistungsfähigkeit der Einrichtungen zu geben, ist dies doch ein Schritt in diese Richtung. Er wird ergänzt durch die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) 2019 in Auftrag gegebene Entwicklung eines Vergleichsportals für Krankenhäuser.

Durch die gesteigerte Kaufkraft weiter Teile der Bevölkerung ist allgemein ein selbstbewussteres Auftreten vieler Menschen in ihren Kunden-Lieferanten-Beziehungen zu beobachten. Dies überträgt sich auch auf die Erwartungen der Patienten an Leistungsanbieter und Organisationen im Gesundheitswesen und ihr Verhalten ihnen gegenüber.

Stärker als bisher erwarten Patienten die Möglichkeit, diagnostische und therapeutische Entscheidungen selbst zu treffen und durch die Leistungserbringer in geeigneter Weise darin unterstützt zu werden. Aus passiven, leidenden Patienten werden in zunehmendem Maße Menschen, die die zu erwartende Qualität einer Dienstleistung vor der Leistungserbringung einschätzen und dementsprechend den Leistungsanbieter bewusst selbst auswählen wollen.16

Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür liefert der Bereich Geburtshilfe, in dem – bedingt durch die Forderungen immer selbstbewusster werdender zukünftiger Eltern – die Angebote inzwischen weitgehend differenziert und kundenorientiert ausgestaltet, bedarfsgerecht vorgehalten und in Geburtsvorbereitungskursen, Informationsveranstaltungen für werdende Eltern oder im Internet den potenziellen Kunden kommuniziert werden. In nur wenigen Jahren hat die überwiegende Anzahl geburtshilflicher Einrichtungen eine breite Palette unterschiedlicher Angebote für die individuelle Gestaltung der Geburt entwickelt und hält diese vor. Zukünftige Eltern informieren sich im Vorfeld über Angebote und werden in ihrer potenziellen Kundenrolle regelrecht umworben.

Immer mehr Patienten, die sich in ihren Bedürfnissen nicht ernst genommen fühlen, wenden sich von der Schulmedizin ab und nehmen die Angebote des »anderen« Medizinmarktes mit alternativen Heilangeboten war. Eine steigende Zahl von Angeboten in Grenzbereichen der Prävention, Rehabilitation, aber auch alternativer Therapien belegt diesen Trend.

Badura und Schellschmidt17 beschreiben die Gründe für eine Neuorientierung im Gesundheitssystem hin zu mehr Bürgerorientierung wie folgt:

•  Erhöhte Erwartungen der Bürger hinsichtlich Transparenz, Aufklärung und Mitgestaltung an das Gesundheitswesen, ausgelöst durch wachsende finanzielle Belastungen

•  Unzureichende und zögerliche Reaktion des Gesundheitswesens auf veränderte Anforderungen durch den demografischen Wandel

•  Unterbewertung der Rolle der Bürger bei Prävention, Gesundheitsförderung und Bewältigung chronischer Erkrankungen durch Leistungsanbieter

•  Ungebrochene Ausrichtung der Medizin an technischem Fortschritt und technischen Möglichkeiten

•  Dominanz von Trägern, Gesundheitseinrichtungen und Berufsgruppen in der Diskussion um Rahmenbedingungen, Strukturen und Prioritäten, zu geringe Beteiligung aufgeklärter Bürger, informierter Versicherter und qualifizierter Patienten

•  Notwendigkeit der Stärkung der Rolle der Patienten in einem ordnungspolitisch gewollten Wandel in Richtung »Markt«

Viele der bereits als Rahmenbedingungen beschriebenen Phänomene spiegeln sich also auch aus der Bürger- bzw. Patientenperspektive. Trojan hat dies in einer Tabelle zusammengetragen ( Tab.1) und versucht, eine Entwicklung über die letzten Jahrzehnte deutlich zu machen.

Tab. 1: Rollenentwicklung im Gesundheitswesen (Quelle: vgl. Trojan 1998, S. 16)

Konzeption des GesundheitswesensAspekte der Patienten-RolleAspekte der komplementären Arzt-RolleInteraktions-Kennzeichen der Arzt- Patient- BeziehungGesellschaftliche und gesundheitspolitische Thematisierung

1     Vgl. Statista (o. D.), https://de.statista.com/statistik/daten/studie/259234/umfrage/laender-mit-den-hoechsten-relativen-gesundheitsausgaben, Zugriff am 27.12.2019.

2     Vgl. PKV Verband der Privaten Krankenversicherung (o. D.), https://www.derprivatpatient.de/infothek/nachrichten/gesundheitsausgaben-deutschland-erreichen-neue-rekordmarke, Zugriff am 27.12.2019.

3     Vgl. Bundesminister für Gesundheit 1998, S. 160.

4     Vgl. Bundesminister für Gesundheit 1998, S. 25, 29–31, 165–166.

5     Vgl. Bundesminister für Gesundheit 1998, S. 74, 138–141.

6     Vgl. DKG 1999, S. 58.

7     Wenn im Folgenden bei der Nennung von Personen im Hinblick auf eine bessere Lesbarkeit des Textes lediglich die Form des generischen Maskulinums verwandt wird, sind stets alle Geschlechter gemeint.

8     Vgl. Was deutsche Ärzte verdienen 1999, S. 382.

9     Vgl. Bundesärztekammer (o. D.), http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.3.1667.5009.5010, Zugriff am 13.04.2007.

10  Vgl. Bundesärztekammer (o. D.), https://www.bundesaerztekammer.de/ueber-uns/aerztestatistik/aerztestatistik-2018, Zugriff am 27.12.20019)

11  Vgl. Was deutsche Ärzte verdienen 1999, S. 372.

12  Vgl. Köck, Christian; Heimerl-Wagner, Peter 1997, S. 27.

13  Vgl. Statista (o. D.), https://de.statista.com/statistik/daten/studie/3182/umfrage/kosten-deutscher-krankenhaeuser-seit-1996, Zugriff am 27.12.2019.

14  Vgl. Zukunftsinstitut (o. D.), http://www.zukunftsinstitut.de.

15  Vgl. Health Net® Californias Health Plan 1998.

16  Vgl. Köck, Christian; Heimerl-Wagner, Peter 1997, S. 29.

17  Vgl. Badura, Bernhard; Schellschmidt, Henner 1997, S. 7.

2          Die besondere Situation des Gesundheitswesens

 

 

 

2.1       Strukturierungsmodelle für Gesundheitssysteme: Marktwirtschaft oder Planwirtschaft?

Eine der wenigen Branchen, in denen es in den meisten Ländern mit einer freien Marktwirtschaft keinen freien, uneingeschränkten Markt mit vollständigem Wettbewerb gibt, ist das Gesundheitswesen. Es gibt verschiedene Strukturierungsmodelle für Gesundheitssysteme, die sich zwischen den Extremen Marktwirtschaft und Planwirtschaft bewegen. Köck beschreibt – wie in Abbildung 2 dargestellt – diese Strukturierungsmodelle anhand des Zentralisierungsgrads der Entscheidungen, Modellausprägungen, Beispiele und Charakteristika ( Abb. 2).

Abb. 2: Strukturierungsmodelle für Gesundheitssysteme (Quelle: vgl. Köck/Heimerl- Wagner 1997, S. 40)

Für das Funktionieren eines freien Marktes gibt es verschiedene Voraussetzungen:18

1.  Die vollständige Information von Käufer und Verkäufer über die Beschaffenheit ihrer Produkte sowie über die Entwicklung der Preise.

2.  Homogene Produkte und Dienstleistungen, die sich in Güte, Beschaffenheit und anderen Eigenschaften ähneln, um Monopolbildungen einzelner Anbieter mit Produkten besonderer Eigenschaften vorzubeugen.

3.  Eine ausreichend große Zahl von Leistungsanbietern, die der Kartellbildung vorbeugt.

4.  Das Fehlen von Barrieren für das Angebot von Leistungen und den Zugang zum Markt, um eine Regulierung des Preises zu erreichen.

5.  Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Grenznutzen von Produkten für die Käufer und Grenzkosten für die Anbieter, um das Angebot einerseits lukrativ und andererseits rentabel zu machen.

Eine vollständige Information der Patienten über die Qualität und Beschaffenheit von Gesundheitsdienstleistungen ist häufig nicht gegeben. Auch nach dem Konsum einer Leistung sind Patienten häufig nicht in der Lage, den erzielten Nutzen einer Behandlung konkret anzugeben. Befragt man Patienten im Anschluss an eine Operation über den Inhalt der vorher erfolgten Aufklärung, so können diese kaum den Nutzen und die Risiken der stattgefundenen Operation für sich benennen.19 Aber auch den Anbietern fehlt oft eine ausreichende Information über Komplikationen bzw. Ergebnisse ihrer Behandlung, die auf einem freien Markt wegen der notwendigen Gewährleistungen von Bedeutung sind.

Der Gesundheitsbereich ist gekennzeichnet von der Inhomogenität der Anbieter und Produkte. Die Auswahl der Ärzte durch die Patienten geschieht häufig wegen ihres besonderen Rufes, ihrer Spezialisierung und Erfahrung oder der Ausstattung der Behandlungseinrichtung. Gerade im Bereich hochspezialisierter Medizin ist jedoch die Anzahl von Anbietern häufig gering. Sie wird limitiert durch besondere Kenntnisse oder Erfahrungen bzw. die Ausstattung, die nicht in jeder medizinischen Einrichtung vorhanden ist. Da aber eine ausreichende Erfahrung, erworben durch eine große Anzahl bereits erbrachter, spezieller Dienstleistungen im Medizinbereich bestimmte Angebote erst ermöglicht oder für die Leistungserbringung wünschenswert ist, ist eine hohe Anzahl von Leistungsanbietern als »Konkurrenten« nicht immer erstrebenswert.

Auch zahlreiche Zugangsbarrieren zum Angebot von Leistungen auf dem »Medizinmarkt« sind vorhanden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen knüpfen eine Vielzahl von Leistungen an den Nachweis besonderer, zu erwerbender bzw. formal nachzuweisender Qualifikationen. Die eigenständige Erbringung zahlreicher medizinischer Leistungen ist an den erfolgreichen Nachweis von fachärztlicher Qualifikation auf der Basis einer Facharztausbildung bzw. -prüfung gebunden.

Eine Entscheidung darüber, ob eine angebotene Leistung für einen Patienten wirklich »lukrativ« ist, kann dieser wegen fehlender Kenntnisse des Preises bzw. des Aufwandes, insbesondere auch wegen des »Aufwandes« an Schmerzen, Unwohlsein oder körperlichen Belastungen, aber auch wegen der unzureichenden Einschätzung über den zu erwartenden individuellen Nutzen nur eingeschränkt treffen.

Vollständiger Wettbewerb in einem offenen Markt bringt also wegen der zahlreichen fehlenden Voraussetzungen für sein Funktionieren im Gesundheitswesen nicht die Lösung. Zu verschieden von den üblichen Verhaltensweisen sind das »Einkaufsverhalten« der Menschen bei der Ware »Gesundheitsleistungen« bzw. die Wirkungen des Anbieterverhaltens der Leistungserbringer von den gewohnten Mechanismen in anderen Märkten.

Planwirtschaft ist durch ihre Starre und Inflexibilität und das Fehlen jeglicher Anreizsysteme in Bezug auf qualitative und wirtschaftliche Aspekte ein Strukturierungsmodell, das mehr und mehr verlassen wird.20 Als geeigneter haben sich regulierte Märkte oder Planmärkte erwiesen. In Deutschland erleben wir derzeit den Umbau unseres Gesundheitssystems in Richtung »regulierter Markt«. Regulierte Märkte oder Planmärkte zeichnen sich durch eine weniger enge Regulierung als planwirtschaftliche Modelle aus. Gleichzeitig engen sie jedoch den freien Markt durch Sanktionen, Regeln, grobe Zielvorgaben, Strukturvorgaben und die Anwendung von Steuerungsinstrumenten ein.

2.2       Steuerungsinstrumente im Gesundheitswesen

Bedingt durch die besonderen Kunden-Lieferanten-Bedingungen, aber auch durch weitere Faktoren der Besonderheit des Gesundheitsmarktes ist die Steuerung angebots- und nachfrageseitiger Anreize im Gesundheitswesen komplex. Für die Steuerung von Anreizen kann im Gesundheitswesen bei der Beeinflussung sowohl der Leistungserbringer, der Kostenträger als auch der Leistungsempfänger angesetzt werden. Für alle drei Beteiligten gibt es eine Auswahl von Steuerungsinstrumenten. Zusammenfassend sollte gesagt werden, dass einzelne Steuerungsinstrumente – Kostenbeteiligung, Fallpauschalierung, Betreuungspauschalen, Gate Keeping und Rationierung – in ihrer Wirksamkeit durchaus untersucht, erprobt und belegt sind. Ihr Zusammenwirken birgt jedoch eine Bandbreite von bisher nicht vorhersehbaren bzw. vorhersagbaren Auswirkungen auf das Gesamtsystem. Es ist Experten heute noch nicht möglich, ein ideales System für den Einsatz und die Kombination dieser Instrumente zu beschreiben.21

Dadurch bedingt befinden wir uns in einer Phase von Umgestaltungsprozessen im Gesundheitswesen, die gekennzeichnet sind von Fehlbeurteilungen, Lernprozessen und meist zeitlich limitierten Teilerfolgen. Es kann also erwartet werden, dass in den nächsten Jahren immer wieder verschiedene Steuerungsinstrumente in ihrem Zusammenwirken erprobt werden. In der Folge werden sie hinsichtlich ihrer Ausgestaltung differenziert und in wechselnden Kombinationen genutzt werden. Veränderungen der Rahmenbedingungen für das Agieren von Gesundheitseinrichtungen werden also die Regel.

Gesundheitseinrichtungen müssen sich also darauf einstellen, dass sie flexibel auf diese wechselnden Rahmenbedingungen reagieren müssen. Eine Organisationsform und Managementkultur, die den Wandel als integralen Bestandteil der Unternehmensentwicklung auffasst, wird die Reaktionsgeschwindigkeiten auf die Veränderung der Rahmenbedingungen und damit die Überlebensfähigkeit und den Bestand einer Gesundheitsorganisation fördern.

2.2.1     Kostenbeteiligung für Patienten

Eine Möglichkeit zur Beeinflussung auf der Seite der Leistungsempfänger, also der Patienten, ist die Erhebung von Selbstbeteiligungen an den Kosten für medizinische Leistungen. In Deutschland wurden in den letzten Jahren zahlreiche Formen der Selbstbeteiligungen erprobt, so Zuzahlungen bei

•  Medikamenten,

•  Zahnersatz,

•  Sehhilfen,

•  Krankenhausaufenthalten und

•  Besuchen bei niedergelassenen Ärzten.

Die immer wieder wechselnden Zuzahlungshöhen, von der Zuzahlung betroffenen Patientengruppen bzw. Produkte oder Dienstleistungen, zu denen Zuzahlungen zu leisten sind, belegen den experimentellen Charakter im Umgang mit diesem Steuerungsinstrument eindrucksvoll. Gerade das Element »Zuzahlung« ist jedoch in seiner Wirksamkeit unumstritten. Es sind zwei Effekte, die Wissenschaftler in der RAND-Studie »RAND Health Insurance Experiment« bereits in den 1970er Jahren beobachten und belegen konnten:22

1.  Die Beteiligung an den Kosten von Gesundheitsleistungen führt zu einer direkten Entlastung des Budgets für diese Gesundheitsleistungen.

2.  Die Anzahl der Kontakte zum Gesundheitswesen sinkt, gleichermaßen werden pro Kontakt weniger Leistungen verbraucht.

Dadurch, dass der Patient gleichzeitig wenigstens zu einem Teil auch direkter Zahler der konkreten in Anspruch genommenen Dienstleistung oder des von ihm verbrauchten Produktes wird – diese Rolle wird ihm im Gesundheitswesen üblicherweise von den Krankenkassen abgenommen – setzt ein kritischerer Umgang mit dem Verbrauchsverhalten ein.

2.2.2     Fallpauschalen und Sonderentgelte bzw. DRGs

Eine Möglichkeit der anbieterseitigen Beeinflussung und Anreizsteuerung im stationären Bereich ist die Entlohnung mittels Fallpauschalen und Sonderentgelten bzw. DRGs.

In Deutschland wurde 1995 mit Verabschiedung der Bundespflegesatzverordnung die Einführung von Fallpauschalen und Sonderentgelten für ca. 150 definierte Leistungskomplexe beschlossen. In der Folge wurde beschlossen, ein DRG-System – angelehnt an das australische Modell – einzuführen, das diese Entwicklung konsequent fortsetzt. Im Fallpauschalen-System, das in Australien und einigen anderen Ländern bereits einige Jahren zuvor eingeführt wurde, erhält der Leistungserbringer sein Entgelt für die Behandlung eines Patienten mit einer bestimmten Diagnose, definiert in »Diagnosis Related Groups« (DRGs). Zu einem bestimmten Fall-Basiswert werden Zuschläge für verschiedene Sachverhalte gezahlt, insbesondere bezüglich des Schweregrads der Erkrankung selbst bzw. erschwerende Nebendiagnosen, die einen Ausdruck für die korrelierenden Leistungsaufwendungen darstellen sollen. Dieses System lässt sich mit der Formel »Geld für Leistung« beschreiben.

Vor der Einführung von Fallpauschalen wurden in Deutschland und in den meisten anderen Ländern Tagessätze für den Aufenthalt der Patienten im Krankenhaus als Berechnungseinheiten für die Entlohnung erhoben. Der Anreiz bestand also darin, möglichst viele Behandlungsplätze – »Betten« – vorzuhalten und diese Betten möglichst gut auszulasten. Durch die Einführung der Fallpauschalen und Sonderentgelte kam es für diese Leistungen zu einer Umkehr des Anreizes. Es ist nicht mehr sinnvoll, die vorhandenen Betten zu füllen. Der Anreiz besteht vielmehr darin, mit der für die DRG definierten Menge Geldes die dafür definierte Gesundheitsleistung kostendeckend oder gar mit einem Überschuss zu erbringen. Durch die Umkehr des Anreizes war eine Umorientierung der Anbieter geplant und zu erwarten: Eine Erwartung betraf das Absinken der stationären Aufenthaltsdauer der Patienten für vergleichbare Leistungen. Dies ist inzwischen eingetreten. Lag die Verweildauer von Patienten in deutschen Krankenhäusern 1990 noch bei durchschnittlich 15,3 Tagen, war dieser Wert für 1996 – also nach der Einführung der Fallpauschalen – auf durchschnittlich 11,4 Tage gesunken.23 Bedingt durch die Einführung des DRG-Systems liegt sie inzwischen bundesweit bei ca. 6,8 Tagen.24

Es wurden jedoch auch andere Erwartungen bzw. Befürchtungen geäußert. Es wurde vermutet, dass das neue Entgeltsystem insbesondere folgende Gefahren in sich berge:

1.  Zum einen beinhalte es die Gefahr, dass dem Patienten das medizinisch Erforderliche, das im »Preis« für die DRG einkalkuliert ist, bei nicht kostendeckender Leistungserbringung aus Kostengründen vorenthalten werden könnte; so z. B. die histologische Aufarbeitung von Operationspräparaten oder notwendige krankengymnastische Übungen. Auch wurde befürchtet, dass aus Gründen der »Abrechnungsoptimierung« medizinische Leistungen, die medizinisch sinnvoll parallel während eines Eingriffes durchführbar sind, nunmehr während zweier Aufenthalte erbracht würden, wie z. B. die beidseitige, einseitige Operation von Leistenbrüchen, die auf eine zweizeitige Operation anlässlich zweier Krankenhausaufenthalte verteilt wird oder die Aufdehnung von Arterien mittels Kathetern (PTCA) an verschiedenen Gefäßen, die nicht während einer Sitzung erbracht wird, sondern in mehreren, separat abrechenbaren Eingriffen.

2.  Zum anderen bestehe die Gefahr, dass die als DRG vergüteten Leistungen vom einzelnen Krankenhaus aus wirtschaftlichen Gründen vermehrt erbracht würden, also die Indikation für Leistungen großzügiger gestellt wird, als dies akzeptabel oder medizinisch sinnvoll ist, wie z. B. bei der Operation von symptomlosen Gallensteinleiden.

3.  Darüber hinaus befürchtete man, dass nicht mehr genügend qualifiziertes Personal für die Erbringung der Leistungen vorgehalten werde, um an dieser Stelle Kosten zu sparen, was z. B. in vermehrten Operationen ohne Facharztstandard bei Operateur oder Assistent oder im Einsatz von Arzthelferinnen im Kreißsaal statt Hebammen seinen Ausdruck finden könnte. Die Personalkosten im Krankenhaus, die etwa zwei Drittel (67 %) der Gesamtkosten eines Krankenhausbetriebes ausmachen, sind durch tarifliche Vereinbarungen weitgehend fix und nahezu nur auf diese Weise zu beeinflussen.25

4.  Schließlich wurde befürchtet, dass unter diesen Bedingungen die Ergebnisqualität leide.

Um diese Entwicklungen zu beobachten, vergleichende Qualitätsinformationen zu erhalten und ggf. steuernd eingreifen zu können, wurde die Einführung der Fallpauschalen und Sonderentgelte begleitet von der Entwicklung und Einführung eines entsprechenden bundesweit verbindlichen Qualitätssicherungssystems, der Qualitätssicherung bei Fallpauschalen und Sonderentgelten, die inzwischen auf die Begleitung des DRG-Systems umgestellt wurde.

2.2.3     Betreuungspauschalen

Die Zahlung von Betreuungspauschalen hat eine drastische Umkehr der Anreize für die Leistungserbringer zum Ziel. Prinzip ist die Zahlung einer definierten Menge Geldes für eine ebenfalls definierte Gruppe Versicherter pro Zeiteinheit. Diese Zahlung erfolgt unabhängig davon, wie viele Menschen aus dieser betreuten Gruppe im Leistungszeitraum Gesundheitsleistungen in Anspruch genommen haben bzw. nehmen werden. Der Arzt bzw. die Gesundheitsorganisation, die als Fund Holder auftritt, übernimmt damit einen Teil des Versicherer-Risikos.

Ärzte bzw. Gesundheitseinrichtungen haben unter diesen Bedingungen kein ökonomisches Interesse daran, dass ein Patient aus der betreuten Gruppe ihre Leistung in Anspruch nimmt. Sie werden im Gegenteil versuchen, Krankheiten zu vermeiden, also präventiv tätig zu sein bzw. mit dem geringsten Aufwand zu bessern bzw. zu lindern, d. h. verstärkt ambulante Versorgung anzustreben. Damit ist aber auch eine der wesentlichen Gefahren verbunden. Bei kurzfristigem Denken der Leistungsanbieter oder kurzfristiger Vertragsgestaltung kann es zur suboptimalen Behandlung und Unterversorgung der Patienten kommen. Der Zugang zu Gesundheitsleistungen kann extrem erschwert sein. Auch Selektionseffekte bei der Aufnahme von Patienten in einen entsprechenden Betreuungsvertrag sind nicht unwahrscheinlich. Die Versicherten haben prinzipiell ein periodisches Recht, sich bei unterschiedlichen Versicherern als Mitglied einzuschreiben.

Aus diesem Grund kommen in solchen Systemen der Formulierung von Behandlungsstandards und der Durchführung von Qualitätskontrollen und Qualitätsverbesserungsmaßnahmen auch durch die Zahler (Versicherer) besondere Bedeutung zu.26

Managed-Care-Modelle

Verschiedene sogenannte »Managed-Care«-Modelle, die auf dem Prinzip der Betreuungspauschalen beruhen, haben sich vorwiegend in den USA herausgebildet. Nach ihrem Prinzip lassen sie sich in zwei Gruppen teilen, die Preferred Provider Organizations (PPOs) und die Health Maintenance Organizations (HMOs).

Beiden Modellen gemeinsam ist die i. d. R. für den Patienten eingeschränkte Auswahl von Anbietern. Die Ursache liegt darin, dass der Empfänger der Betreuungspauschale ein Interesse daran hat, dass die Qualität der bei seinen Vertragspartnern erbrachten Leistungen hoch ist. Aus diesem Grund verfügen die meisten PPOs und HMOs über zahlreiche qualitätsbezogene Informationen über die Leistungsanbieter, sind aber auch an vergleichenden Informationen anderer Anbieter interessiert. Sie suchen ihre Anbieter gezielt über vergleichende qualitätsbezogene Informationen aus oder zahlen Ab- oder Zuschläge für qualitativ unterschiedliche Leistungen. Mitglieder von Managed-Care-Organisationen werden bereits heute qualitätsbezogen unterschiedlich bezahlt. So zahlt Health Net im Qualitätsvergleich auf der Basis von Report Cards überdurchschnittlich abschneidenden Ärztegruppen einen bis zu sechsprozentigen Bonus.

Preferred Provider Organizations (PPOs)

Ausgangspunkt der Preferred Provider Organizations (PPOs) ist die Annahme, dass primärärztlich tätige, niedergelassene Ärzte durch ihre Anlaufstellenfunktion im Gesundheitssystem einen erheblichen Teil von Leistungen selbst veranlassen bzw. durch ihren meist langjährigen Patientenkontakt, durch gezielte Behandlungsplanung und Anbieterauswahl beeinflussen können.

In einigen PPOs erhält der niedergelassene Arzt die Betreuungspauschale. In anderen Modellen trägt der niedergelassene Arzt aus der Betreuungspauschale nicht nur die Kosten der selbst erbrachten bzw. veranlassten Leistungen, sondern auch die Leistungen der in die Behandlung der Patientengruppe involvierten, niedergelassenen Spezialisten und Krankenhäuser. Der Grundgedanke ist die Einbeziehung ausschließlich nachweislich qualitativ guter Leistungsanbieter in den Versorgungsprozess der Versicherten, die dadurch eine eingeschränkte Anbieterauswahl haben.27

Health Maintenance Organizations (HMOs)

Bei den Health Maintenance Organizations (HMOs) gibt es vier unterschiedliche Grundformen, die sich hinsichtlich der Vertragsgestaltung unterscheiden lassen.28 Es sind dies die folgenden Modelle:

•  Individual Practice Association Model (Ärzteverbands-Modell)

•  Group practice, staff model, physician partnership model (Gruppenpraxis-Modell)

•  Group model

•  Primary Care Network Model (Einzelvertragsmodell)

Individual Practice Association Model (Ärzteverbands-Modell)

Die HMO nimmt die Versorgung ihrer Mitglieder durch Vertragsärzte wahr, die einem Ärzteverband angehören, mit dem der Vertrag ausgehandelt und abgeschlossen wird. Die Ärzte dieses Ärzteverbandes behandeln auch andere Patienten, die nicht dieser HMO angehören. Die Ärzte werden über den Ärzteverband von der HMO entweder pro Behandlungsfall, mit einem festen monatlichen Gehalt, pro Kopf oder aufgrund der erbrachten Leistung honoriert. Die Mitgliedschaft im Ärzteverband steht üblicherweise allen ortsansässigen Ärzten offen. Dieses Modell hat große Ähnlichkeit mit der Funktionsweise der Kassenärztlichen Vereinigungen in Deutschland. Auch mit ausgewählten Krankenhäusern bestehen Behandlungsverträge.

Abb. 3: Ärzteverbands-Modell (Quelle: vgl. Kanefend 1990, S. 50)

Group practice, staff model, physician partnership model (Gruppenpraxis-Modell)

Bei diesem Modell stellt die HMO oder eine Unterorganisation eigene Ärzte ein. Im Allgemeinen werden die Ärzte als Angestellte bezahlt, können aber auch gewinnbeteiligt sein. Es bestehen Verträge mit ausgewählten Krankenhäusern, die im Allgemeinen von der Administration der Gruppenpraxis abgeschlossen werden.

Abb. 4: Gruppenpraxis-Modell (Quelle: vgl. Kanefend 1990, S. 50)

Group model

Bei diesem Modell haben selbstständige Gruppenpraxen Vertragsbeziehungen mit der HMO. Die Ärzte der Gruppe bekommen entweder ein Gehalt oder entlohnen sich selbst gemäß ihrer internen Gebührenordnung. Sie sind keine Angestellten der HMO. Parallel dazu hat die HMO Verträge mit ausgewählten Krankenhäusern.

Abb. 5: Gruppen-Modell

Primary Care Network Model (Einzelvertragsmodell)

Bei diesem Modell kommt dem Allgemeinarzt als Gate Keeper der gesamten medizinischen Versorgung eines Versicherten besondere Bedeutung zu. Er erbringt die primärärztliche Versorgung und veranlasst weitergehende Behandlungen von Spezialisten und Krankenhäusern. Jedes Mitglied der HMO kann sich einen Allgemeinarzt als Hausarzt wählen, der dann für die umfassende medizinische Betreuung verantwortlich zeichnet. Überwiesen werden kann nur an Fachärzte und Krankenhäuser, die ebenfalls Verträge mit der HMO haben. Der Allgemeinarzt ist am unternehmerischen Risiko beteiligt. Besonders dieses Modell hat schwimmende Grenzen zu den Preferred Provider Organizations.

Abb. 6: Einzelvertrags-Modell (Quelle: vgl. Kanefend 1990, S. 50)

In Deutschland entstand in den vergangenen Jahren eine große Zahl verschiedenster Versorgungsmodelle, die durch die nunmehr mögliche Gründung von Medizinischen Versorgungszentren – Praxen oder Gruppenpraxen niedergelassener Ärzte im Eigentum anderer Personen oder Organisationen – und den Zusammenschluss von verschiedenen Leistungsanbietern in Disease-Management-Programmen (DMPs) möglich werden. Durch die komplexen Strukturen und gesetzlichen Vorschriften und den hohen vertraglichen Regelungsbedarf kommt deren Entwicklung jedoch nur langsam voran.

2.2.4     Steuerung des Zuganges zu Gesundheitsleistungen

Die Steuerung des Zuganges zu Gesundheitsleistungen durch einen sogenannten Gate Keeper ist besonders im englischen Nationalen Gesundheitssystem (National Health Service) umgesetzt. Sie geht von der Überlegung aus, dass beim Erstkontakt eines Patienten mit einem niedergelassenen Arzt am ehesten die Gestaltung der weiteren Versorgung eines Patienten zu beeinflussen ist. Dort ist der Verbrauch an Ressourcen besser zu steuern als beispielsweise in der Ambulanz eines Krankenhauses. Der niedergelassene Arzt, der oft eine langjährige Arzt-Patienten-Beziehung hat und eine besondere Vertrauensstellung genießt, ist am ehesten in der Lage, planend und steuernd in der Versorgungsplanung für den einzelnen Patienten aufzutreten.

Patienten sind in solchen Versorgungsmodellen gezwungen, bei jedem medizinischen Problem zunächst mit ihrem niedergelassenen Arzt Kontakt aufzunehmen und das weitere Vorgehen mit ihm gemeinsam zu planen. Dieses als »Case Management« bezeichnete Vorgehen wird oft mit anderen Steuerungsinstrumenten verknüpft. Es dient dazu, Patientenströme zu lenken.

Niedergelassene Ärzte als Fund Holder für Betreuungspauschalen haben ein unmittelbares Interesse an der qualitativ hochwertigen und wirtschaftlichen Mitbetreuung ihrer Patienten.29

2.2.5     Rationierung von Leistungen

In den meisten Gesundheitssystemen ist es bisher vermieden worden, offen das Thema Rationierung anzusprechen und zu regeln. Da jedoch vor dem Hintergrund knapper werdender Ressourcen und dem medizinischen Fortschritt bereits heute nicht mehr alles, was machbar ist, auch bezahlbar ist, kommt diesem Thema in allen Gesundheitssystemen eine wachsende Bedeutung zu. Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Rationierung:

•  Rationierung durch Wartezeiten

•  Rationierung über den Preis

•  Rationierung aufgrund von Kosten-Nutzen-Analysen

Rationierung durch Wartezeiten ist mehr oder weniger versteckt in nahezu allen Gesundheitssystemen vorhanden. Insbesondere in Bereichen der Hochleistungsmedizin existieren durch die begrenzte Anzahl von Anbietern und die daraus resultierende begrenzte Leistungsmenge z. B. im Bereich Organtransplantation (neben anderen Ursachen) bereits heute in fast allen Industrieländern Wartezeiten. Besonders deutlich wird die Steuerung des Zuganges zu dieser Leistung durch den Vergleich von verschiedenen Indikationslisten für die Organtransplantation, die stark geprägt sind von kulturell-ethischen Einschränkungen und Limitationen. Hier ist im englischen National Health Service durch eine offene Beschränkung in Indikationslisten ein deutlich wahrnehmbarer Schritt in Richtung Rationierung gegangen worden.

Eine Rationierung über den Preis ist insbesondere durch Zuzahlungen oder Zusatzversicherungen, die den Erwerb besonderer Leistungen wie die Behandlungen durch einen bestimmten Krankenhausarzt gewähren, in nahezu jedem Gesundheitssystem enthalten.30 Ein Beispiel für die Rationierung aufgrund von Kosten-Nutzen-Analysen stellt die Forderung der Verordnung von nachgewiesen wirksamen Arzneimitteln oder das Verbot der Verschreibung von Arzneimitteln für sogenannte Bagatellkrankheiten zu Lasten der Krankenversicherung dar. Auch mit der Diskussion dieses Steuerungsinstrumentes gibt es Erfahrungen in Deutschland. Schon mehrfach geplant war die Verabschiedung neuer Arzneimittel-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen mit der Einführung einer »Positivliste«, die dafür sorgen soll, dass zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur noch Arzneimittel verordnet werden können, deren Wirksamkeit nachgewiesen ist. Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen binden alle Vertragsärzte bei der Verordnung von Arzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung.

Unter die nicht mehr verordnungsfähigen Arzneimittel waren seinerzeit beispielsweise Rheumasalben und -gele, deren geringerer Wirkungsgrad gegenüber oralen Medikamenten seit langem als nachgewiesen gilt, fallen. Dennoch wurden 1997 solche Rheumasalben und -gele 21 Mio. Mal verordnet. Die Ausgaben dafür betrugen 278 Mio. DM. Auch die Verordnung oraler Antidiabetika wäre erst dann möglich, wenn ein diätetischer Behandlungsversuch erfolglos war, um nur einige wenige Beispiele aus der damals geplanten Richtlinie zu nennen. Ein Einsparpotenzial von rund einer Milliarde Mark pro Jahr wurde erwartet.31 Bis heute ist eine solche Positivliste jedoch wegen der damit verbundenen Auswahlschwierigkeiten nicht verabschiedet worden.

2.3       Bewältigungsstrategien für die Herausforderungen an Gesundheitssysteme

Ausgehend von den beschriebenen Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen, den resultierenden Entwicklungstrends und Herausforderungen wird auf der Seite der Leistungsanbieter durch verschiedene Strategien versucht, diesen zu begegnen. Als wichtigste haben sich folgende Strategien erwiesen:

1.  Outsourcing

2.  Differenzierung der Angebote

3.  Dezentralisierung

4.  Ausrichtung der Produktion auf Kundenorientierung

Für alle diese Strategien gab es zunächst bevorzugte Betätigungsfelder. Mit zunehmendem Druck werden sie immer breiter und vielfältiger eingesetzt.

1.  Outsourcing:

Insbesondere mit der Ausführung von Stütz- und Halteprozessen, wie Reinigung oder Catering, werden bereits seit einigen Jahren von Krankenhäusern zunehmend externe Dienstleister beauftragt. Es erfolgt eine Konzentration auf die Schlüsselprozesse und Kernkompetenzen. In jüngster Zeit gibt es jedoch auch einen Trend zu Outsourcing von Funktionsbereichen bzw. nicht bettenführenden Abteilungen mit zentralen Dienstleistungen, wie z. B. im radiologischen oder anästhesiologischen Bereich oder für Pathologie-Leistungen.

2.  Differenzierung der Angebote:

Neben den klassischen Angeboten ambulanter und stationärer Behandlung entstanden bzw. entstehen eine große Anzahl von Zwischenformen, wie ambulantes Operieren, kurzstationäre Versorgung, tagesklinische Angebote. Diese sind Ausdruck der Differenzierung des Angebotes. Auch die klare Trennung zwischen Akutbehandlung und Rehabilitation wird in letzter Zeit durch Frührehabilitation oder ambulante Rehabilitation aufgeweicht.

3.  Dezentralisierung:

Immer mehr Krankenhäuser gehen dazu über, ihre Abteilungen als Profitcenter oder Costcenter zu führen. Es erfolgt eine Dezentralisierung der Entscheidungsstrukturen und eine Erhöhung der Transparenz über Prozesse und Ergebnisse. Während zunächst versucht wurde, Bereiche zu dezentralisieren, denen keine Schlüsselfunktion zukam (Aus-, Fort- und Weiterbildung, Blutbank), gehen immer mehr Krankenhäuser dazu über, auch Krankenstationen oder den OP-Bereich als Profitcenter zu führen.

4.  Ausrichtung der Produktion auf Kundenorientierung (Umfassendes Qualitätsmanagement):

Während wir in Deutschland noch Anfang der 1990er Jahre eine zaghafte Entwicklung in diesem Bereich beobachten konnten, ist zwischenzeitlich eine breite, fundierte Auseinandersetzung mit Umfassendem Qualitätsmanagement mit der Folge einer gewachsenen Akzeptanz der Adaptationsfähigkeit von Umfassendem Qualitätsmanagement im Gesundheitsbereich zu beobachten. Durch mehrere Ausschreibungen von Förderprojekten des Bundesministeriums für Gesundheit in den 1990er Jahren wurde das gewachsene Interesse der Krankenhäuser deutlich. Nahezu ein Drittel der deutschen Krankenhäuser bewarben sich um die im Jahre 1997 ausgeschriebenen Fördermittel des Bundesministeriums für Gesundheit für die durch eine wissenschaftliche Evaluation begleitete Einführung von Qualitätsmanagement in ihrer Einrichtung in Verbundstrukturen. Eine steigende Anzahl von Krankenhäusern hat sich ganz oder in Teilbereichen einer Zertifizierung nach den DIN-Normen unterzogen. Die Zertifizierung nach dem speziell für deutsche Krankenhäuser geschaffenen KTQ-Modell wurde von einer in Spitzenzeiten bis auf ca. 700 deutschen Krankenhäusern ansteigenden Zahl von zertifizierten Krankenhäusern absolviert. Das KTQ-Modell hat jedoch inzwischen an Bedeutung verloren, es wurde in seiner Relevanz durch Zertifizierungen auf der Basis der DIN EN ISO 9001 abgelöst.

2.4       Gesundheitseinrichtungen und Umfassendes Qualitätsmanagement

Umfassendes Qualitätsmanagement ist eine Führungsmethode, die aus Erfahrungen und unter den Rahmenbedingungen der Markwirtschaft entwickelt wurde. Aus diesem Grund war es noch in den 1990er Jahren eine ernsthaft diskutierte Frage, ob sie so speziell auf die Rahmenbedingungen und Bedürfnisse von Industrieunternehmen zugeschnitten ist, die in einem freien Markt agieren, dass sie sich nur für diese eignet. Die Praxis hat gezeigt, dass die Übertragung der Kerngedanken, Grundkonzepte und Werkzeuge des Umfassenden Qualitätsmanagements in den Dienstleistungsbereich rasch und erfolgreich erfolgen konnte.

Ist sie aber auch übertragbar auf einen Sektor, der sich durch einige besondere Rahmenbedingungen und seine nur eingeschränkt ausgebildeten Marktmechanismen auszeichnet, wie den Gesundheitsbereich? Kann sie ein wirksames Modell für die Führung von Gesundheitsorganisationen sein, die auch den besonderen ethisch-moralischen Ansprüchen an Gesundheitseinrichtungen Rechnung trägt? Dieses Thema ist über mehrere Jahre intensiv und kontrovers diskutiert worden.32 Godfrey, Berwick und Roessner kommen 1992 in einem Artikel auf die Frage »Kann Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen wirklich funktionieren?« zu der Antwort: »Ja, wenn 10 Dinge beachtet werden«:

1.  Committed leadership is the sine qua non of effective TQM.

2.  Several bottlenecks hamper TQM.

3.  It’s easier to begin than to keep going.

4.  Physicians’ involvement is extremely important.

5.  Structure is critical if TQM is to work.

6.  Quality management is much more than quality improvement projects.

7.  Training alone is not enough.

8.  Measurement drives TQM progress.

9.  Health care projects save money.

10. Costumer focus is the bottom line.

Diese wichtigen Erkenntnisse und Voraussetzungen gelten einerseits nicht nur oder insbesondere für Gesundheitseinrichtungen. Andererseits sind sie keine ausreichende Antwort für das deutsche Gesundheitswesen, das sich vom amerikanischen durch seine Strukturen und Rahmenbedingungen wesentlich unterscheidet, insbesondere was die Marktmechanismen betrifft. So sollte auch der Frage nachgegangen werden, ob auch unter deutschen Rahmenbedingungen Umfassendes Qualitätsmanagement eingesetzt werden kann.

Krankenhäuser sind in Deutschland – trotz einer wachsenden Anzahl privatrechtlich geführter Einrichtungen – überwiegend Non-Profit-Organisationen. Bedingt durch die Eigentümerschaft waren im Jahr 2004 nach einer Statistik der Deutschen Krankenhausgesellschaft von den insgesamt 2166 Krankenhäusern in Deutschland 712 freigemeinnützig und 671 in öffentlicher Trägerschaft. Nur 444 Krankenhäuser waren privat geführt.33 Hier hat sich jedoch einiges verändert. Für 2019 werden noch 1942 Krankenhäuser gezählt, von denen 662 in freigemeinnütziger, 560 in öffentlicher und inzwischen 720 in privater Trägerschaft geführt werden.34 Da jedoch alle unter denselben rechtlichen Gegebenheiten geführt werden, ist ein Verhalten wie unter marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen nur eingeschränkt wirksam.

Umfassendes Qualitätsmanagement ist eine Methode der Unternehmensführung, die in der Industrie für profit-orientierte Unternehmen entwickelt wurde, die sich in einem Markt bewegen. Mit Recht sollte die Frage gestellt werden, ob sie damit als Führungsmethode in Non-Profit-Organisationen, die z. T. konfessionell ausgerichtet sind oder sich in öffentlicher Trägerschaft befinden, geeignet ist. Um die Frage zu beantworten, sollte man sich um die Definition von »Umfassendem Qualitätsmanagement« bemühen. Eine verbreitete Definition des Umfassenden Qualitätsmanagements findet sich in der DIN EN ISO 8402:35 »Auf die Mitwirkung aller Mitglieder beruhende Führungsmethode einer Organisation, die Qualität in den Mittelpunkt stellt und durch Zufriedenstellung des Kunden auf langfristigen Geschäftserfolg sowie auf Nutzen für die Mitglieder der Organisation und für die Gesellschaft zielt.« Werden nun

•  die Ziele einer Gesundheitseinrichtung nicht etwa auf die Erreichung einer Profitmaximierung gelenkt, sondern auf den sorgfältigen Ressourceneinsatz zur Maximierung des Gutes »Gesundheit« für den Einzelnen unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Gesellschaft ausgerichtet,

•  sorgfältig die unterschiedlichen, spezifischen Kunden-Lieferanten-Beziehungen einer Gesundheitseinrichtung definiert, deren Besonderheiten und Erwartungen ermittelt, die Produkte und Dienstleistungen auf dieser Basis erstellt und die Prozesse und Strukturen entsprechend ausgestaltet,

so ist es vorstellbar, dass eine Führungsmethode mit der o. g. Definition auch im Gesundheitswesen zielführend ist. Die Qualitätsmanagementsysteme, die zur Operationalisierung des Umfassenden Qualitätsmanagements in Gesundheitseinrichtungen führen sollen, sind dazu in jedem Fall branchenspezifisch auszugestalten. Unter diesen Bedingungen können sie erfolgreich angewendet werden.

Es fällt nicht immer leicht, die durchaus vorhandenen branchenspezifischen Entwicklungen als typische Elemente zu erkennen und damit zu zeigen, dass es bereits ausgereifte Lösungen gibt. So sind Benchmarking-Verfahren mit den externen Qualitätssicherungsverfahren durchaus in zahlreichen Fachgebieten vorhanden. Clinical Pathways stellen Verfahrensanweisungen für die Schlüsselprozesse im Krankenhaus dar, während Pflegestandards mit Arbeitsanweisungen vergleichbar sind, um nur ein Beispiel zu nennen.

Eines der frühen Projekte, das in zahlreichen Bereichen zur Akzeptanz von Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen beigetragen hat, war in den 1990er Jahren das Projekt der städtischen Kliniken in München »Vertrauen durch Qualität«36. Noch unter dem Stichwort Qualitätssicherung wurden zahlreiche Projekte initiiert, mit deren Hilfe wichtige Elemente des Qualitätsmanagement im Krankenhaus unter Berücksichtigung der traditionellen, qualitätssichernden Maßnahmen umgesetzt wurden. Mit der Qualitätssicherungskommission wurde eine dafür hilfreiche Aufbauorganisation geschaffen, in deren Rahmen die unabdingbare Rolle der Krankenhausführung aufgezeigt werden konnte. Durch die externe Begleitung konnten insbesondere niederländische Erfahrungen bei der Übertragung von wichtigen Prinzipien und Grundgedanken des QM in den klinischen Bereich in das Projekt integriert werden.

18  Vgl. Köck, Christian; Heimerl-Wagner, Peter 1997, S. 41 ff.

19  Vgl. Elß, Dörte; Kranich, Christoph 1999, S. 17.

20  Vgl. Köck, Christian; Heimerl-Wagner, Peter 1997, S. 43.

21  Vgl. Köck, Christian; Heimerl-Wagner, Peter 1997, S. 49 ff.

22  Vgl. Fuchs, V. R. 1974.

23  Vgl. DKG 1999, S. 48.

24  Vgl. Klauber, J. et al. (Hrsg.) 2018., S. 19.

25  Vgl. Qualitätssicherung – ein konstruktiver Ansatz 1999, S. 40.

26  Vgl. Kanefend, Uta 1990, S. 49 ff.

27  Vgl. Reinhardt, Uwe E. 1988, S. 147 ff.

28  Vgl. Schulenburg, J.-Matthias Graf v.d. 1982, S. 627 ff.

29  Vgl. Köck, Christian; Heimerl-Wagner, Peter 1997, S. 55 f.

30  Vgl. Köck, Christian; Heimerl-Wagner, Peter 1997, S. 61.

31  Vgl. Glaeske, Gerd 1999, S. 31.

32  Vgl. Godfrey A. Blanton; Berwick, Donald M.; Roessner, Jane 1992, S. 23–27.

33  Vgl. DKGEV (o. D.), https://www.dkgev.de/fileadmin/default/Mediapool/3_Service/3.2._Zahlen-Fakten/Eckdaten_Krankenhausstatistik.pdf

34  Vgl. Statista (o. D.), https://de.statista.com/statistik/daten/studie/157072/umfrage/anzahl-der-krankenhaeuser-nach-traegerschaft, Zugriff am 08.12.2019.

35  Vgl.: Deutsches Institut für Normung 1992

36  Vgl. Piwernetz K.; Selbmann H. K.; Vermey D. J. B. 1991, S. 557–560.

3          Geschichtliche Stationen und wichtige Pioniere des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung

 

 

 

3.1       Pioniere des Qualitätsmanagements

Avedis Donabedian und seine Unterscheidung in Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität37

Wohl jeder, der sich mit Qualitätsmanagement beschäftigt, hört bald den Namen von Avedis Donabedian. Geboren 1919 im Libanon verbrachte er einen wesentlichen Teil seiner beruflichen Laufbahn in den USA. Trotz eines abgeschlossenen Medizinstudiums kennen wir seine Theorien zum Qualitätsmanagement vorwiegend aus seiner Zeit als nicht-klinischer Lehrer und Forscher am New York Medical College und der School of Public Health an der University of Michigan. Dort wurde er 1979 zum Nathan Sinai Distinguished Professor of Public Health ernannt und arbeitete bis zu seinem Tod im Jahr 2000 in Ann Arbor, Michigan, USA, weiter als emeritierter Professor.

Bereits 1966 führte er mit seiner Veröffentlichung zur Qualitätsbeurteilung ärztlicher Leistung als Erster den Qualitätsbegriff in die Medizin ein. Er definierte die Unterscheidung in Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität als zentrale Qualitätsdimensionen in der gesundheitlichen Versorgung.

Für die unmittelbare Patientenversorgung können die drei Dimensionen wie folgt erläutert werden:

1.  Der Strukturqualität werden die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen zugeordnet, die für die medizinische Leistungserbringung vorhanden sind und genutzt werden. Darunter sind z. B. die Verfügbarkeit von technischen Geräten wie MRT oder Sonografiegeräte zu verstehen. Es gehören jedoch auch Menge und Qualifikation des zur Verfügung stehenden Personals dazu.

2.  Prozessqualität beschreibt die Art und Weise, wie die medizinische Behandlung erfolgt. Es sind im Krankenhaus also die Prozesse, die von der Indikationsstellung, Aufnahme über Diagnostik, Therapie, Pflege und schließlich Entlassung und Nachsorge erbracht werden.

3.  Wie sich der Gesundheitszustand eines Patienten verändert, wird im Rahmen der Ergebnisqualität abgebildet.

Natürlich können die drei Dimensionen auch auf die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen, Prozesse und damit auch auf die wirtschaftlichen Ergebnisse eines Krankenhauses Anwendung finden.

Donabedian ging davon aus, dass alle drei Qualitätsdimensionen in einem Zusammenhang stehen und sich beeinflussen. Strukturen bilden die Grundlage für Prozesse. In einem professionellen Umfeld gehen wir auch davon aus, dass die Prozesse die Ergebnisse determinieren.

William Edwards Deming und der Deming- oder PDCA-Zyklus

Der im Jahr 1900 in Sioux City, Iowa geborene William Edwards Deming studierte Mathematik und Physik u. a. an der Yale Universität, wo er auch promovierte. Als Universitätsprofessor an verschiedenen amerikanischen Universitäten sowie als Berater sammelte er berufliche Erfahrung, die er ab 1950 beim Aufbau der Nachkriegs-Wirtschaft in Japan einbringen konnte. Bereits 1951 wurde erstmalig der Deming-Preis für besondere Produkt-Qualität verliehen.

Deming beschrieb in einem 14-Punkte-Programm für besseres Management sieben Hürden für die Umsetzung der neuen Philosophie und die sieben tödlichen Krankheiten eines Managementsystems. Doch erst in den 1980er Jahren wurden seine Erkenntnisse auch in den USA und später weltweit bekannt und genutzt.

Besonders bekannt wurde der Deming- oder PDCA-Zyklus. Mit den Schritten Plan, Do, Check und Act wird ein Verbesserungszyklus beschrieben, dessen Autor jedoch Walter A. Shewhart ist.

Der PDCA-Zyklus beschreibt anschaulich einen Zyklus der Qualitätsverbesserung, der – mehrfach durchlaufen – in einer Qualitätsspirale dargestellt und beschrieben werden kann. Mehr dazu findet sich im Kapitel Kontinuierliches Lernen, Innovation und Verbesserung ( Kap. 10).

Ishikawa Kaoru und sein Ishikawa- oder Fischgrätendiagramm

Ishikawa Kaoru wurde 1915 in Tokio geboren. Er war ein japanischer Chemiker und ab 1947 Professor an der Universität von Tokio und Mitglied einer Forschungsgruppe Qualitätssicherung.

Im Rahmen des Wiederaufbaus der japanischen Wirtschaft nach dem 2. Weltkrieg übersetzte, integrierte und erweiterte er die Managementkonzepte von W. Edwards Deming und Joseph M. Juran in das japanische System. Mit dem federführend von ihm entwickelten Programm der Company-Wide Quality Control (CWQC) gilt er als Vater der japanischen Qualitätskontrolle.

Er entwickelte zahlreiche Qualitätswerkzeuge, darunter die theoretischen Grundlagen der Qualitätszirkelarbeit (mit), so auch das 1982 nach ihm benannte Ishikawa- oder Fischgrätendiagramm.

Das Ishikawa- oder Fischgrätendiagramm wird auch Ursache-Wirkungs-Diagramm genannt. Es dient der strukturierten und systematischen Suche und Analyse von Ursachen für Probleme und Fehler.

John W. Williamson und sein Konzept »achieveble benefits not achieved«

Der Arzt John W. Williamson, geboren 1931 in Salt Lake City, entwickelte Konzepte für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung, umgesetzt unter der Schirmherrschaft der WHO. Von 1966 bis 1984 wirkte er als Professor an der Johns Hopkins School of Hygiene and Public Health an der Universität Baltimore, davon zwei Jahre als Gastprofessor an der Harvard School of Public Health. In dieser Zeit erschien seine Monografie »Assessing and Improvement Health Care«, danach zahlreiche weitere Bücher und Veröffentlichungen. 1984 bis 1999 war er als Direktor des Salt Lake Regional Medical Education Center des Department of Veterans Affairs tätig und arbeitete in US-Präsidentschaftskommissionen und Ausschüssen für vier US-Präsidenten mit. 2000 wurde er mit dem Ernest Amory Codman Award geehrt.

Für die Erläuterung, wo Qualitätsmanagement seinen Ansatzpunkt hat, dient sein Konzept des nicht erreichten, erreichbaren Nutzens. Darin zeigt er auf, dass es im QM darum geht, den tatsächlich erreichbaren Nutzen unter Berücksichtigung von medizinischen Limitationen auch zu erreichen. Mehr dazu findet sich im Kapitel Achievable benefits not achieved ( Kap 5.2).

Donald M. Berwick und sein Model for Improvement

Donald M. Berwick, MD, MPP Jahrgang 1946, war 2010/11 auf direkte Initiative von Barack Obama ein Jahr lang Administrator der Centers for Medicare and Medicaid Services (CMS). 2013 erklärte Berwick seine dann erfolglose Kandidatur zum Gouverneur von Massachusetts.

Berwick promovierte 1972 an der Harvard Medical School und der John F. Kennedy School of Government und ist Facharzt für Kinderheilkunde. Als Mitbegründer und Co-Principal Investigator für das National Demonstration Project on Quality Improvement in Health Care untersuchte er Möglichkeiten zur Qualitätsverbesserung im Gesundheitswesen. 1989 gründete er das Institute for Healthcare Improvement (IHI), dessen Präsident und Chief Executive Officer er ist.