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Was erzähle ich einem Studenten der Sozialen Arbeit oder einem Berufsanfänger in helfenden und sozialen Bereichen über Kommunikation? In der Praxis lässt sich feststellen, dass in der Ausbildung zwar noch gelehrt wird was Kommunikation ist, aber wenig darüber wie man praktisch kommunizieren kann, um gesteckte Ziele zu erreichen. Was ist das Essenzielle -das in der täglichen Praxis tatsächlich wichtige? Was unterscheidet diese Kommunikation von Kommunikation in anderen Bereichen? Kommunikation in diesen Bereichen ist weder einfach-vernünftig-miteinander-reden, Informationsweitergabe, reine Wissensvermittlung wie im pädagogischen Bereich mit seiner Didaktik und Methodik, noch können Vorgehensweisen aus dem psychotherapeutischen Bereich einfach übernommen werden. Mitarbeiter in sozialen und helfenden Bereichen haben meist wenig Zeit mit ihren Klienten. Positive Effekte sollen in kurzer Zeit erfolgen, Überzeugungen sich schnell ändern und Hilfen sofort erfolgen. Und dabei ist Sprechen und Kommunizieren das wichtigste Werkzeug, das vorhanden ist. Und manchmal ist es das einzige (allerdings steht es dafür immer zur Verfügung). Es wird eine Kommunikation benötigt, mit der es gelingt, sehr schnell in Kontakt mit seinem Klienten zu treten und deren Grundprinzipien so allgemein gehalten sind, dass sie für die Vielzahl möglicher Einsatzfelder passt. In diesem Buch geht es darum, wie man - Ankoppelt - also schnell in Kontakt mit seinen Klienten kommt - Informationen individuell angepasst vermittelt - Informationen erfragt (Frageformate) - motiviert und stärkt - Ängste und Vorbehalte der Klienten nehmen oder verringern kann - kommunikative Hilfsmittel wie beispielsweise Visualisierungen nutzt und was in diesem Zusammenhang vom Helfersystem beachtet werden sollte (angefangen beim Menschenbild, über Teamarbeit, bis hin zu ethischen Aspekten). Das Ganze verdeutlicht an zahlreichen Beispielen aus unterschiedlichsten Gebieten der Sozialen Arbeit. Das Buch ist Hilfsmittel und schneller Einstieg in die praktische Kommunikation helfender Berufe. Sozusagen ein Schweizer Taschenmesser der Kommunikation.
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Seitenzahl: 184
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PROLOG
EINLEITUNG
Kommunikation
Modelle der Kommunikation
Stichwort Helfende Berufe
Es wird nicht immer YAVIS sein
ANKOPPELN
Logische Ebenen
Wie können Sie nun in Ihrer Arbeit das Wissen um die Logischen Ebenen nutzen?
Loben wertschätzen und annehmen
Pacing, Synchronisieren, Spiegeln
Wie bekomme ich jemand auf die Palme?
Ein paar Worte zu Kommunikationstheorien
Paraphrasieren
Ankoppeln und Wahrheit
MOTIVATION
Informationsoffensive
Richtige Antworten
Reaktanz
Keine Verneinungen nicht und Wörter, die Sie meiden sollten
Dead man’s Rule
…wer nicht fragt, bleibt dumm
Ziele und Wohlgeformtheit
Lösungsorientiert – hin zum Ziel
Konjunktiv
Zirkularität mit Konjunktiv
ERZÄHLEN LASSEN UND VISUALISIEREN
Visualisieren
Händisch Skalieren
ANGST UND VORBEHALTE NEHMEN
Information
Den eigenen Status senken
Als könne man kein Wässerchen trüben
ETHISCHER IMPERATIV
Alle Alternativen abdecken
GESPRÄCHE ABSCHLIESSEN, ZUKUNFT BAHNEN, ANGEKOPPELT BLEIBEN
INFORMATIONSFLUSS
…im Team
…wer schreibt, der bleibt
Das Kapitel, das ich nie schreiben würde…
… UND NOCH EIN TERTIUM
ANHANG
LITERATURVERZEICHNIS
REGISTER
Wenn ich mich mit dem Gedanken trage, einen Kampfsport zu erlernen, so habe ich die Wahl zwischen klassischen-traditionellen Kampfkunstschulen oder moderner Selbstverteidigung. Bei dem einen lerne ich über viele Jahre ein komplettes und in sich geschlossenes System, beim anderen einzelne wenige, aber effektive Techniken in relativ kurzer Zeit.
Die Frage ist, zu welchem Zweck wähle ich das eine oder das andere? Beides hat seinen Sinn, beides hat seine Berechtigung.
Analog soll dieses Buch kein komplettes System darstellen, sondern eher in Richtung einer Handreichung in effektiver Kommunikation gehen.
Der erste Arbeitstitel dieses Buches war daher auch Tooligan. Eine Wortneuschöpfung aus Hooligan (jugendlicher Rabauke) und Tool (Werkzeug). Gedacht war es, Studierenden und Beginnern helfender Berufe Werkzeuge und Techniken für einen schnellen Einstieg in die erfolgreiche Kommunikation mit ihren Klienten zur Verfügung zu stellen. Sozusagen für jeden Anlass das entsprechende Tool. Ähnlich einem Schweizer Taschenmesser der Kommunikation.
Wie sich allerdings schnell herausstellte, war dies nicht möglich. Die einzelnen Interventionen, Techniken, Tools gehen so ineinander über, sind derart vernetzt und bedingen einander, dass das eine nicht vom anderen zu trennen ist. Klare Abgrenzungen (also Technik EINS, Technik ZWEI etc.) sind nicht möglich.
Anstelle von einzelnen Tools werden stattdessen klare Prinzipien aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und dargestellt. Diese Prinzipien sind grundlegend und allgemeingültig.
Dem Leser mag es vorkommen, als wiederholten sich einzelne Punkte. Und das ist korrekt, allerdings aus immer neuen Betrachtungswinkeln. Diese Perspektivwechsel und Wiederholungen sind zum Verständnis der jeweiligen Grundidee notwendig und daher gerade für Beginner im Bereich der Kommunikation vorteilhaft.
Es muss dabei beileibe nicht alles akzeptiert und übernommen werden. Der Leser mag das übernehmen, was ihm nützlich und richtig erscheint und was zu ihm, seinem Arbeitsfeld und seiner Aufgabe passt.
Noch ein paar Worte zur Warnung:
Erstes Wort
Dies ist kein wissenschaftliches Buch. Zwar strebt es nach Erkenntnisgewinn (für den Leser) durch die Vermittlung von anerkanntem Wissen und wirksamen Methoden. Referenzen sind jedoch nur insoweit genutzt und angegeben worden, damit Interessierte selbst entsprechend nachlesen und recherchieren können. Sie dienen somit nur als Richtungsweiser. Dieses Buch soll primär informieren und auch ein wenig unterhalten.
Zweites Wort
Dieses Buch könnte Spuren von Ironie und Sarkasmus enthalten.
„Nichts ist so schlecht, als dass es nicht noch als schlechtes Beispiel dienen könnte!“, sagt der Volksmund.
Bestimmte Arten der Methodik gelten in der Vermittlung von Wissen als nicht zweckdienlich, um nicht zu sagen „böse“. Zu ihnen gehören die sogenannte Schwarze Pädagogik (Nutzen von Negativbeispielen) sowie die Verwendung von Ironie und Sarkasmus. Alle drei werden in diesem Buch vom Autor genutzt, um bestimmte Prinzipien zu verdeutlichen.
Negativbeispiele sind durch einen grauen Balken am Rande gekennzeichnet, Ironie und Sarkasmus liegen als Freie Radikale vor.
Drittes Wort
Am 08.01.2024 veröffentlichte die Lebenshilfe Saarbrücken in der Jobbörse der Agentur für Arbeit eine Stellenannonce.
Die Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V. ist ein 1958 gegründeter gemeinnütziger Verein. Sie versteht sich als Selbsthilfevereinigung, Eltern-, Fach- und Trägerverband, insbesondere für Menschen mit Behinderung und ihren Familien. Die Lebenshilfe unterstützt somit Menschen zur gleichberechtigten Teilhabe in der Gesellschaft. Sie steht an sich für Inklusion.
Die Stellenannonce enthielt u.a. folgende Textpassage:
IM FOLGENDEN IST AUS GRÜNDEN DER VEREINFACHUNG FÜR BEZEICHNUNGEN VON PERSONEN EINE SPRACHLICH NEUTRALE FORM GEWÄHLT, DIE ALLE GESCHLECHTER EINSCHLIESST. IN DER REGEL WIRD DIE MÄNNLICHE FORM BENUTZT, WOBEI ALLE GESCHLECHTER GEMEINT SIND.
Kurzgesagt, schließe ich mich dieser Sicht an.
Wie einfach darf etwas dargestellt werden? Diese Frage stellt sich, wenn man einem interessierten Menschen beispielsweise einem Studenten der Sozialen Arbeit oder einem Neuling eines helfenden Berufes etwas über Kommunikation vermitteln möchte. Vor allem, wenn es weniger um das „WAS ist Kommunikation?“, als vielmehr um das „WIE kommuniziert man?“ geht – ganz konkret. Und das in einem professionellen Umfeld.
Wie viel Theorie ist dabei notwendig, wie viele Ausnahmen und Besonderheiten müssen und sollten beachtet werden?
WAS Kommunikation ist, darüber gibt es eine Vielzahl von Ansätzen und Tausende von Büchern. Inwieweit diese Theorien und Modelle allerdings helfen, gut zu kommunizieren, steht allerdings auf einem anderen Blatt.
Alleine diese Einleitung wirft diverse Fragen auf, die das oben genannte WIE beeinflussen: Was meint professionelles Umfeld?1 Und wie definiert man eigentlich in diesem Zusammenhang gut?
Wenn Sie bei einer „schnellen Enzyklopädie“ mit hawaiianischer Namenswurzel das Wort Kommunikation nachschlagen,2 so sehen Sie eine Flut möglicher Herangehensweisen und Zugangsversuche an dieses Thema. Es gibt handlungs-, problem- oder signaltheoretische Herangehensweisen und Kommunikation kann naturwissenschaftlich, biologisch, psychologisch, verhaltenstheoretisch oder systemtheoretisch betrachtet werden. Es ist davon auszugehen, dass diese Aufzählung bei Weitem nicht abschließend ist. Was haben diese Definitionen und daraus hervorgehenden Modellen gemein?
Sie versuchen, gleich einer Weltformel, alle Beschreibungen und beobachtbare Phänomene von Kommunikation in eine (meist sehr umfassende) Beschreibung zu zwängen.
Wenn in Ausbildung oder Studium um Anleitung bezüglich Kommunikation gebeten wird, wird meist auf später verwiesen, auf eine kommunikative Zusatzausbildung, die Praxisphase oder auf den gesunden Menschverstand und die sich entwickelnde Berufserfahrung. Das ist zumindest das, was man von Studierenden und Berufsanfängern hört, wenn man sich nach ihren Erfahrungen diesbezüglich erkundigt. Und es lässt sich leicht erraten, WAS sich Studenten wünschen – oder man fragt einfach danach.
Wozu also überhaupt dieses Buch? Kommunizieren kann doch jeder. Und es stimmt: Wir alle kommunizieren (immer)! Senden Informationen aus, empfangen Informationen und das Ganze meist (na ja, eigentlich immer) gleichzeitig.3 Und vor allem, wir interpretieren immer und durchgängig diese Informationen. Manchmal bewusst und meist unbewusst. Und selbst, wenn wir uns sicher sind, bewusst zu interpretieren, so sagt die Forschung diesbezüglich etwas anderes.
Betrachtet man Kommunikation Erlernen als ein Spektrum, so wäre an dem einen Ende der Skala die Art der Kommunikation, wie sie jeder Mensch von Geburt an erlernt (also vor allem automatisch bzw. selbstverständlich) oder wie sie angeboren ist (Teile der Kommunikation, vor allem nonverbale Anteile - beispielsweise die Mimik - sind nun mal angeboren).
Am anderen Ende der Skala befände sich Kommunikationsformen, die über längere Zeiträume erlernt werden müssen (ggf. mit hohem finanziellem Aufwand) und die vielleicht nicht sofort dem entsprechen, was einem der gesunde Menschenverstand nahelegt. Hierzu zählen unter anderem die Kommunikationsformen, die in therapeutischen Zusammenhängen entwickelt wurden.
Zwischen diesen beiden Polen lägen dann all die anderen Formen und Arten, die es sonst noch in all ihren Abstufungen gibt wie beispielsweise die Kommunikation im Dienstleistungssektor, klassische Verkaufsgespräche, verschiedene Arten der Beratung, Werbung, Rhetorik und Propaganda, um nur einige zu nennen.
Das Ganze kann natürlich auch anders betrachtet werden. Nicht aus der 'Lernperspektive' (also von automatisch/selbstverständlich bis hin zu langandauernd erlernt), sondern inwieweit sie Menschen aktiv beeinflusst, verändert oder bei einer Veränderung des Denkens, Fühlens und Handels hilft.4
In beiden Fällen fände sich die Kommunikation, die in helfenden Berufen bzw. Sozialen Bereich eingesetzt wird, zwischen diesen beiden Polen des Spektrums. Im Idealfall allerdings mehr auf der Seite der erlernten und an therapeutischen Belangen orientierten Kommunikationsformen.
Theoretische Modelle der Kommunikation stehen „außerhalb“ dieser oben genannten Spektren. Man könnte natürlich streiten, ob man diese Modelle dann den theoretischen Unterbau (also die Basis bildend) oder theoretischen Überbau (alles unter sich vereinnahmend/einschließend) nennen möchte. In dieser Arbeit verwende ich, falls nötig, den Begriff des theoretischen Überbaues.
Die theoretischen Modelle nehmen zum einen für sich in Anspruch, jeglichen Informationsfluss bzw. jegliche Handlungen zwischen Menschen, die als Kommunikation gewertet werden können, in ihr Modell integrieren zu können und somit Realität abzubilden.
Zum anderen machen sie geltend, diese Handlungen anhand dieser Modelle erklären zu können. Allerdings erst - wie sollte es anders sein - in der Analyse. Also im Nachhinein.5
Allgemein werden Modelle dafür entworfen, um Vorhersagen zu treffen. Doch genau dieser letzte Schritt gelingt bei Modellen der Kommunikation nicht mehr.
Um es anschaulicher zu formulieren:
Helfen diese Modelle – im Vorhinein – besser zu kommunizieren?
Hilft ein wie auch immer spezifiziertes Modell der Sprache und der Kommunikation einem Marsmännchen, auf korrekte Art und Weise ein Brötchen in der Bäckerei zu kaufen? Nein, das muss es anders lernen.
Die Fragen, warum und wie diese (wirklich sehr theoretischen) Modelle helfen sollten mit Kunden, Klienten, Patienten, Probanden zu sprechen, stellt sich nicht wirklich.
Sollten Sie mir nicht glauben, so werfen sie einen Blick auf ein Modell zu Gesprächsführung in der Sozialen Arbeit (Abb.1, S.→):
Abb.1 Orientierungsmodell zur Gesprächsführung in der Sozialen Arbeit Eigene Darstellung nach: Widulle, W. (2020). Gesprächsführung in der Sozialen Arbeit, Grundlagen und Gestaltungshilfen (3.Ausg.). Wiesbaden: Springer-VS. S.22
Nebenbei bemerkt ist die oben aufgeführte Graphik auch eine schöne Veranschaulichung des Bonini-Paradoxons: in dem Maße, wie versucht wird ein komplexes System vollständig (durch ein Modell) abzubilden, in dem Maße nimmt seine Verständlichkeit ab.6
Theoretische Modell der Kommunikation sind für den Praktiker also wenig hilfreich (nach Valéry unbrauchbar). Deduktiv zu arbeiten (also von der Theorie – hier Modell - zum konkreten Fall) gelingt nicht. Zumindest nicht im Feld der Kommunikation.
Wie viel Theorie benötigt nun dieses Buch? Genauso viel, wie die Jugendhilfe eingreifen soll:
So viel wie nötig, so wenig wie möglich.7
Und als Ergänzung: um ihr Ziel, wie auch immer es definiert ist, zu erreichen.
Wie also lernt der Adept8 nun sein Hand- oder besser sein Mundwerk? Indem das Pferd von hinten aufgezäumt wird: induktiv. Also vom Beispiel hin zur Theorie.
Der Adept bildet auf diese Weise dann sein eigenes Modell, seine eigene Theorie. Und diese muss nicht unbedingt identisch mit der Theorie seines Lehrers oder der Kommunikativen Schule, der sie entspringt, übereinstimmen.
Kommen wir auf die oben genannten Begriffe des (professionellen) Umfeldes und des Begriffes gut zurück.
Wodurch unterscheidet sich professionelles Umfeld helfender Berufe und speziell der Sozialen Arbeit vom „normalen“ Dienstleistungssektor? Da müssen wir ein bisschen ausholen.
Helfende Berufe sind Berufe in denen Menschen einfach formuliert gepflegt, behandelt, beraten oder betreut werden. Beispiele dafür sind (Not-)Ärzte, Krankenschwestern, Medizinische Fachangestellte, Rettungsdienste, Hebammen, Diätassistenten, Krankengymnasten, Sozialarbeiter, -pädagogen, Suchtberater, Altenpfleger, Psychotherapeuten, Ergotherapeuten, Heilerziehungspfleger, Seelsorger und Bewährungshelfer.
Helfende Berufe im Allgemeinen und die unterschiedlichen Felder der Sozialen Arbeit im Speziellen haben für ihre Arbeitsfelder jeweils eigendefinierte Ziele, die sie erreichen wollen, sollen oder müssen. Zu diesen Zielen gehört eine dazu jeweils passende Zielgruppe – die Klienten (also die Empfänger der wie auch immer gearteten sozialen Dienstleistung). 9 Diese sozialen Dienstleistungen können auf unterschiedlichste Art und Weise beschrieben werden. Jegliche Facetten darzustellen würden dieses Buch sprengen. Es sollen daher nur grobe (und nicht abschließende) Klassifizierungen angegeben werden:
Die Klienten können sich einerseits Dienstleistungen und Unterstützung aktiv einholen (Stichwort Komm-Struktur) – niedrigschwellig oder an mehr oder minder reglementierte Vorgaben gebunden (beispielsweise an eine bestimmte Altersstruktur, Geschlecht, finanzielle Situation etc.).
Oder die Mitarbeiter des Sozialen Bereiches gehen andererseits aktiv auf ihre Klienten zu, gegebenenfalls sogar aktiv auf die Suche nach diesen (Stichwort Aufsuchende Arbeit).
Leistungen können freiwilligen oder Zwangsmaßnahmen zugeordnet werden oder in präventive und intervenierende, in beratende, begleitende/betreuende unterschieden werden.
Darüber hinaus kann man zwischen zusätzlichen Angeboten im Gegensatz zu staatlichen Pflichtaufgaben (Schutz- und Wächteramt) unterscheiden.
Eine Vielzahl von Unterscheidungsmöglichkeiten, und doch kann es bei ein und derselben Dienstleistungsstelle jegliche Mischform der oben genannten Dienstleistungen geben.
Ebenfalls wichtig bei der konkreten Ausgestaltung der Arbeit und damit der Kommunikation ist die sogenannte Mandatsfrage. Nach wessen Mandat arbeitet der Helfer? Wer legitimiert, wer gibt den Auftrag? Der Klienten, der eigene Arbeitgeber? Arbeitet der Helfer nach Maß- und Vorgaben des Staates oder allgemein für Gesellschaftsinteressen?
Eher die Regel als die Ausnahme sind im Sozialen und helfenden Bereich Doppel- und sogar Tripelmandate. Und diese widersprechen sich zudem noch häufig. Doch auch diese Unterteilungen sollen hier nur angedeutet werden.
All dies bisher Genannte sind mögliche Unterscheidungskriterien in der Arbeit der Helfenden Berufe.
Was aber ist das Verbindende?
Trotz all dieser Unterscheidungen hat der einzelne Helfer einen wie auch immer gearteten Auftrag und somit eine Zielsetzung, die er umsetzen möchte oder umzusetzen hat. Alles, was ihm hilft diesen Auftrag und seine (vielleicht selbstgesetzte) Zielsetzung zu erreichen, ist in diesem Sinne als gut zu bezeichnen. Und gleichgültig wie dieses Ziel definiert ist, das Werkzeug, welches der Helfer/Mitarbeiter im Sozialen Bereich in der Arbeit mit Klienten beständig braucht und nutzt, ist Kommunikation. Sowohl die verbale als auch die nonverbale Kommunikation. Fachwissen und eine spezielle Zielsetzung ist eine Sache – wie man diese an die jeweiligen Klienten, den Mann, die Frau, das Kind, den Jugendlichen, den Kooperationspartner etc. bringt, eine andere Sache - und Thema dieses Buches.
Neben dem Primat der Kommunikation gibt es noch etwas Verbindendes: Die Kundschaft der jeweiligen Dienstleistung - die Klienten selbst.
Diese Klienten sind Menschen, die sich nicht (mehr) helfen können, allerdings Hilfe benötigen. Dies scheint ein profaner Punkt zu sein, ist es jedoch nicht.
Psychotherapeuten wurde seit den 70er und 80er-Jahren vorgeworfen, sie bevorzugten eine Klientel für die das Akronym YAVIS stünde: young, attractive, verbal, intelligent, successful (alternativ sensible/sophisticated). Also jung, attraktiv, sich verbal gut ausdrückend, intelligent und für das S gab es verschiedene Vorschläge wie erfolgreich, vernünftig oder gebildet. Da dieses Akronym YAVIS und damit diese Zuschreibung für viele Jahre genutzt wurde, sahen es einige Psychotherapeuten als notwendig an, in einer Umfrage von Psychology Today 2009 10 zu betonen, dass Therapeuten keineswegs YAVIS-Klientel bevorzugen. Motivation, Offenheit und Selbstbeobachtung (MOS) wären bei ihren Patienten vollkommen ausreichend.
Was wie ein schlechter Witz erscheint, beinhaltet jedoch eine tiefere Wahrheit. Nicht in Bezug auf Psychotherapeuten, sondern auf die Klienten der Helfenden Berufe und die Soziale Arbeit. Gerne hätten diese auch motivierte, offene und selbstreflektierte Kunden - es dürfte allerdings offensichtlich sein, dass dem im Sozialen und Helfenden Bereich nicht so war, so ist oder so sein wird. Denn genau darüber lassen sich diese Klienten u. a. definieren. MOS-Klienten können sich meist selbst helfen. Helfende Berufe haben dagegen häufig eine Non-MOS Kundschaft.
Und genau diese Non-MOS Kundschaft kommt nun einfach zum Helfer und seiner Institution, wird geschickt, einfach zugewiesen oder muss aufgesucht werden.
Der Unterschied zu anderen Serviceleistungen: Erfüllen die Klienten die reglementierenden Zugangskriterien (der jeweiligen Maßnahme s. o.) so müssen sie als Klienten, Patienten oder was auch immer von diesen Helfern angenommen werden. Die Freiheitsgrade der Helfer, diese Menschen als Klienten zu nehmen oder nicht zu nehmen, ist in solchen Fällen sehr eingeschränkt.
Gehen wir wieder einen Schritt zurück und schauen uns ersatzweise für den gesamten Themenbereich des Helfens Elemente verschiedener Definitionen Sozialer Arbeit an.
Überschneidungen finden sich bei diesen Definitionen in folgenden Begriffen und Zielen:
Gegenstand Sozialer Arbeit ist…
Negativ ausgedrückt
…das Lösen, Lindern oder Verhindern praktischer sozialer Probleme11
und Positiv ausgedrückt
…die Förderung der sozialen Entwicklung von Menschen
…die Förderung der Autonomie und Selbstbestimmung
…die Ermutigung und Befähigung, das Leben aktiv zu gestalten und …die Herausforderungen des Lebens zu meistern12
Wir haben nun einerseits stark vereinfacht die Ziele der Sozialen Arbeit (des Helfens) beschrieben und andererseits die Gemeinsamkeiten der Klienten.
Zusammengefasst sollen Helfer demnach ihre Klienten zu offenen, motivierten und reflektierten Mitbürgern machen – zumindest aber sollen diese so handeln, als seien sie offen, motiviert und selbstreflektiert und zusätzlich müssen sie das alles selbst wollen und in der Lage sein oder in sie versetzt werden können, dies auch zu tun.
Hätte die Soziale Arbeit tatsächlich MOS-Klienten, so ginge es lediglich um das Geben von Informationen bzw. deren Übermittlung. Den Klienten würden nach dieser Theorie lediglich Informationen fehlen, die ihnen dann einfach gegeben werden müssten - und alles wäre gut.
Ist es aber leider nicht, da Helfer bekannterweise in den meisten Fällen nicht eine derartige Kundschaft haben. Es geht daher vielmehr um Informationsvermittlung:
Wie bekomme ich Menschen dazu, das zu tun, was in diesem • Augenblick notwendig ist (nach wessen Meinung auch immer)? (
Motivation
)
Wie erweitere ich Ihre Sicht der Welt? (O
ffen
sein)
Wie halte ich Ihnen (wenn notwendig) einen Spiegel vor (
Selbstreflexion
)?
Und das alles unter dem Vorbehalt der Autonomie und Selbstbestimmung? Dies sind Bedingungen, die sich scheinbar widersprechen und es (nebenbei bemerkt) auch tatsächlich tun.
Natürlich gibt es Profis und Einrichtungen, die durch viel Erfahrung oder viel (kommunikative und therapeutische) Fortbildungen genau wissen, wie so etwas geht. Doch wie erhält der Helfer und sein Klient Zugang zu genau diesen Profis und Einrichtungen? Das ist ja wiederum eine der Aufgaben des Helfers – die adäquate Weitervermittlung, die er ja kommunikativ begleiten muss.
Und vor allem: Was macht der Helfende in der teilweise monatelangen Warte- und Übergangszeit mit seinen Klienten? Was und wie spricht man (bis dahin) mit seinen Klienten? Was kann, muss und soll man tun? Und was am besten unterlassen?
Denn etwas muss der Helfende tun. Reden zum Beispiel. Und genau darum geht es in diesem Buch.
Und wenn er schon reden muss (und auch möchte), so sind die ersten beiden Teile der hippokratischen Tradition dabei ein guter Richtungsgeber: „primum non nocere, secundum cavere“. Erstens nicht schaden und zweitens vorsichtig sein.
Das Tertium „sanare” („heilen“) überlassen wir dann anderen.13
Oder mit den Worten eines arabischen Sprichwortes:
Weisheit
Wenn du redest, sollte deine Rede besser sein, als dein Schweigen gewesen wäre.
1 Bezogen auf Helfende Berufe und Soziale Arbeit
2https://de.wikipedia.org/wiki/Kommunikation
3 Menschen senden und empfangen immer und zum gleichen Zeitraum Informationen/Botschaften. Die Art wie ich eine Botschaft empfange (entsetzt, gelangweilt, erfreut) ist gleichzeitig schon wieder Botschaft für und an meinen Kommunikationspartner
4 Oder all dies zumindest anstrebt.
5 Es gibt ja das Bonmot (besser, die Medisance), dass ein Fachmann jemand ist, der im Nachhinein genau erklären kann, warum er sich geirrt hat – natürlich anhand des von ihm entwickelten Modelles
6 Oder wie der Lyriker und Philosoph Paul Valéry sagte: „Alles Einfache ist falsch, alles Komplizierte unbrauchbar.“
7 Vollversion: So viel Hilfe wie nötig, so wenig Eingriff wie möglich
8Adept (von lateinisch „adeptus“: jemand der etwas erreicht hat) ist die Bezeichnung für eine Person, die in die Geheimnisse der Alchemie - also einer Geheimlehre - eingedrungen ist.
9 Um sich eine Vorstellung machen zu können. Alleine im Sozialen Bereich wird, je nach Quelle, von etwa 17 Arbeitsfeldern mit bis zu 150 Arbeits-bereichen ausgegangen, beispielsweise:
Allgemeiner Sozialer Dienst, Erziehungs- und Familienberatung, Soziale Gruppenarbeit, Erziehungsbeistand und Betreuungshelfer, Sozialpädagogische Familienhilfe, Erziehung in einer Tagesgruppe, Vollzeitpflege, Heimerziehung und betreutes Wohnen, intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung, Kinder- und Jugendarbeit, Frühförderung, Jugendberatung, Jugendberufshilfe, Jugendgerichtshilfe, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Streetwork, Vorschulerziehung, Schulsozialarbeit, Betriebssozialarbeit, Bewährungshilfe, Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, soziale Dienste in Werkstätten für behinderte Menschen, Drogenberatung, Arbeit mit Migranten/Asylbewerbern/Flüchtlingen, Betreuung von Menschen mit Behinderungen, Gemeinwesenarbeit, Zirkuspädagogik, Erlebnispädagogik, Museumspädagogik, Medienpädagogik sowie Verwaltung, Forschung, Fortbildung und Lehre, Seniorenarbeit, Sexualpädagogik, Erwachsenenbildung, Nichtsesshaftenhilfe/Wohnungslosenhilfe, rechtliche Betreuungen, Straffälligenhilfe. etc.
10 Howes, R. (30. Dezember 2009). The Ideal Psychotherapy Client, Are you a YAVIS? Psychology Today. Abgerufen am 7. Februar 2024
11https://de.wikipedia.org/wiki/Soziale_Arbeit
12https://www.soziales-studieren.de/infos/soziale-arbeit/
13 Und da wir keine Heiler, Ärzte oder Psychotherapeuten sind – noch ein Tipp: Repariere nicht, was nicht kaputt ist! Denn das schadet nur.
Stellen Sie sich eine Person im Service einer Gastronomie vor, die bei den Bestellungen ihrer Gäste höflich zuhört, sich positiv verhält und Äußerungen von sich gibt wie „Okay“ oder „Kommt sofort!“.
Und nun stellen Sie sich eine Servicekraft vor, ebenfalls höflich und positiv, die demgegenüber die Bestellung der Gäste einfach nur wortwörtlich wiederholt: „Ein Kaffee! …Ein Latte mit Sojamilch! …und ein Espresso …“
Beide bringen zuverlässig das Bestellte zu den Gästen, doch…
…wer von den beiden erhält wahrscheinlich das höhere Trinkgeld?
Wie Sie vielleicht schon ahnen, ist es die zweite Bedienung. Aber hätten Sie gedacht, dass der Unterschied des gegebenen Trinkgeldes bis zu 70 % ausmacht?14
Doch was ist der Grund für dieses Ergebnis?
Behauptung
Menschen wollen wahrgenommen werden!15
Wenn Sie dieses grundlegende menschliche Bedürfnis immer im Blick behalten und erfüllen, werden Sie die Erfahrung machen, dass Sie mit
Ihren Gesprächspartnern und somit auch mit Ihrer Kundschaft sehr viel besser zurechtkommen. Es ist, als ob etwas, das zwischen ihnen stand, aus dem Weg geräumt worden ist. Die Energien und gedanklichen Leistungen, die Ihr Gegenüber dafür verbrauchte, sich vermeintlich vor Ihnen zu schützen und/oder Ihnen seinen Wert zu beweisen, muss dann nicht mehr aufgewandt werden. Dies entlastet Ihr Gegenüber derart, dass er sich viel besser auf die eigentlichen Dinge konzentrieren kann – was in diesem Falle der Inhalt des Gespräches mit Ihnen ist. Wenn Ihnen gelingt, dieses Bedürfnis zu erfüllen, sehen Sie dies an der Körperhaltung ihres Gegenübers, an der gesamten Körpersprache, der Ausdrucksweise und an den Inhalten des Gespräches, welches sich wahrscheinlich nun mehr um Zukünftiges, als um (erklärendes) Vergangenes dreht.
Wie gelingt es Ihnen aber nun, einen anderen Menschen wirklich wahrzunehmen?
In erster Linie durch zuhören.
Weisheit
„Die Natur selbst hat dem Menschen eine Zunge, aber zwei Ohren gegeben, damit wir von den anderen doppelt so viel hören, wie wir selbst reden.“
Epiktet, griech. Philosoph
Die eigentliche Frage ist allerdings: Wie gelingt es Ihnen, einen anderen Menschen zu zeigen, dass Sie ihn wahrnehmen? Denn dies ist der Unterschied, der einen Unterschied macht: Die Kunst des Ankoppelns.
Die einfachste Herangehensweise dabei ist, sich einfach selbst zu fragen: „Wann fühle ich mich wahrgenommen?“