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Ein Leben voller lustiger Kurzgeschichten? Na ja - nicht ein Leben, sondern erst mal nur 12 Jahre. Das erste Kapitel heißt "pränatal", da war ich eigentlich noch nicht so recht dabei. Daher stammen die Berichte aus dieser Zeit aus Überlieferungen.
Welche Erlebnisse, Abenteuer und Erfahrungen das Leben so mit sich bringt? Das kannst Du, lieber Leser, direkt und unmittelbar miterleben!
Viel Vergnügen dabei!
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Veröffentlichungsjahr: 2020
Folgendes stammt aus Überlieferungen; meine Anwesenheit war hier nicht möglich.
Es begab sich vor langer Zeit an einem milden Herbsttag, als es einem kleinen rothaarigen Knaben gefiel, auf den Gassen zu revoltieren. Dieses Bürschchen war keine zwei Lenze alt, doch was sein Begehren war, wusste es wohl: ein Schwesterchen!
Und dieses Ansinnen vertrat der Knabe lautstark und vehement. So konnte der Wunsch des kleinen Menschenkindes auch dessen liebevollen Eltern nicht verborgen bleiben. Es war jedoch auch eine jener Zeitperioden, in der es vielen Familien nicht sehr gut ging. Sprich: auch diese von uns beobachtete Familie musste jedes Geldstück zweimal herumdrehen, bevor sie es für die wichtigsten Dinge des Lebens ausgab.
„Was nun?" mag sich der Leser fragen.
Den größten Wunsch des Kleinen überhören?
Nein! So einfach konnte es nicht sein.
So trat der Familienrat in Form des 1-fachen Ehepaares zusammen und beriet die Möglich- und Unmöglichkeiten des so innig erhofften Nachwuchses. Letztendlich brachte es das Elternpaar nicht übers Herz, ihren Sohn ohne schwesterliche Zuneigung, ohne „verwandten" Spielkameraden sein ach sooooo einsames Leben fristen zu lassen. Ein Schwesterchen wurde geplant!
Ein Glück für die austragende, liebende Mutter, dass sie vor ihrem ersten Sohn nicht durch die Geburt eines zweiten Knaben in Ungnade fiel.
Ungläubig betrachtete der Bube im Laufe der nächsten Monate, wie sehr seine Mutter zunahm - wie dick und rund sie wurde. Auf mehrfaches Nachfragen, wo denn das Schwesterchen bliebe, wurde er immer wieder vertröstet. Der Klapperstorch musste in dieser Zeit wohl so viele Kinder zu deren Eltern bringen, dass er viel später als erhofft - nämlich erst geschlagene neun Monate später - Zeit fand, mit dem Kind vorbeizuschauen. Als es dann endlich soweit sein sollte, da wurde das Knäblein fortgebracht. Er durfte bei seiner Lieblingstante - die eigentlich gar keine richtige Tante war - einige Tage verbringen. Ein paar Tage jeden Wunsch von den Augen abgelesen zu bekommen, alles zu dürfen und nichts zu müssen, das war ganz nach seinem Geschmack. Doch den Storch, den hätte er schon gern gesehen!
Die Eltern gingen derweil, soweit es ging, dem normalen Leben nach. Der kleine Koffer mit Nachthemd und Waschzeug stand bereit. Alles wartete auf die schmerzhaften Vorboten des neuen Lebens. Die Mutter war ruhig und gefasst, der Vater hektisch und nervös - so, wie es normalerweise ist, wenn ein Kind erwartet wird. Als nun die Frau die wiederholten, kräftigen Anstrengungen des Bewohners ihres immensen Bauches spürte, diese warme Stätte nun doch zu verlassen, sprach sie ruhig und gefasst: „Nun lass´ uns mal fahren. Ruf´ bitte ein Taxi."
Durch Wehen geplagt, panisch und hektisch - wie es dem angestrengten Vater nun einmal zustand - lief der arme Mann durch die 3-Raum-Wohnung und suchte verzweifelt das Telefon. Nachdem er Bad, Schlafzimmer und zuletzt die Küche auf den Kopf gestellt hatte, ertönte die Stimme der unverschämt ruhigen Frau, er solle doch einmal auf dem Telefontisch in der Diele nachsehen.
Auf dem Telefontisch! Was hat ein Telefon denn da zu suchen?? Da stand es doch sonst nie, da war er sicher!! Seine Entrüstung unterdrückend nahm er den Hörer ab und ...
Wie war doch gleich die Nummer der Taxizentrale? Da, wo die Nummer sonst in seinem Gedächtnis gestanden hatte, stand ... NICHTS! Nachdem er ausgiebig geflucht hatte, half die - immer noch entsetzlich gefasste - Gattin und diktierte ihm die Zahlen, eine nach der anderen ... und der Gatte schaffte es der Zentrale ihre Anschrift ohne Stocken und ohne Fehler durchzugeben.
DAS WÄRE GESCHAFFT!
Langsam erhob sich nun die höchstschwangere Frau, nahm das Köfferchen und ging zur Wohnungstür, um auf ihren Mann zu warten. Der brauchte nur einige, wenige Minuten, um die ganze Wohnung auf der Suche nach dem Koffer erneut zu durchforsten. Schon klingelte es. Mit der entspannten Ruhe der werdenden Mutter war es jetzt allerdings auch vorbei. Der Nachwuchs nämlich klopfte nun massiv an die Ausgangstür und ließ sich nur schwer zurückdrängen. Die Schmerzen wurden heftig. Sie versuchte, die Wehen unter Schweißausbrüchen - ganz nach dem Muster ihrer hechelnden und sich den Bauch haltenden besseren Hälfte - zu verhecheln. Der Taxifahrer drückte hechelnd auf die Tube. Das hechelnde Auto erreichte das Krankenhaus in rasender Schnelligkeit.
Raus aus dem Taxi und zahlen; aber der gestressteste aller Väter hatte nur einen 100-Mark-Schein in der Brieftasche. Wechseln, zahlen - dauert alles zu lange. Mit letzter Kraft hechelte der hechelnde Vater dem hechelnden Taxifahrer zu er käme gleich zurück. Zunächst müsste seine Frau in den Kreißsaal, denn das Kind war des Wartens nun endlich müde. Gleich nachdem man die Schwangere aufgenommen und für den Kreißsaal vorbereitet hatte, lief der gestresste Mann flink auf die Straße zurück. Das Taxi samt Fahrer hatte sich jedoch schon längst aus dem Staub gemacht. Seiner Ruhe zuliebe verzichtete der 3-fache Vater auf sein Geld.
Das, was noch vor Minuten so eilbedürftig zu sein schien, ließ sich nun, wo es kommen durfte, alle Zeit der Welt. Das Kind erblickte das Licht derselben erst am Morgen des nächsten Tages pünktlich zu den 7-Uhr-Nachrichten.
Tja, was soll ich sagen, lieber Leser?
Du wirst es sicher schon vermutet haben:
Für meinen Vater und viele aus dem Freundeskreis war klar, dass „das Kind" ein Junge wird. Der Volksmund sagt auch heute noch: Ist die Frau rundherum rund, dann wird es ein Mädchen. Trägt die werdende Mutter nach vorn, so wird `s ein Junge. Meine Mutter gehörte zu der Gruppe der Spitzbäuchigen ... also?!
Die Bekanntschaft zu meiner Mutter war schnell hergestellt. Endlich konnte ich mir ansehen, wie sie von außen so aussah. Die Stimme jedenfalls habe ich gleich erkannt. Als der erste Mann in mein ach so frisches Leben trat, der keinen weißen Kittel trug, war mir klar: das muss Papi sein!
Er kam dann auch jeden Tag, nahm mich übervorsichtig hoch und erzählte den allgemein bekannten Schwachsinn in einem katastrophalen Deutsch; komplette Sätze bekam er gar nicht über die Lippen. Ich denke, jeder weiß, wovon ich rede. Am dritten Tag dann - Mami und Papi waren mir schon sehr vertraut - sagte ein Weißkittel, die ganze Familie stünde vor der Tür; mit ganz vielen Blumen. Meine Mutter jedoch bestand darauf, dass nur ihr Bruder zu ihr dürfte. Was das Wort „Bruder" bedeutete, wusste ich nicht. Ich wusste nur: Bruder ist nicht Papi! Also war ich doch sehr verwundert; denn der, der da ins Zimmer kam, war der, der sonst auch immer da gewesen war. Jetzt verstand ich überhaupt nichts mehr!
Später habe ich die Geschichte dann von Anfang an gehört:
Meine Mutter erzählte, dass mein Vater es vorgezogen hatte, drei Tage zu feiern anstatt uns zu besuchen! Hat man so etwas schon gehört? Er war wohl der Meinung, dass ein späterer Besuch früh genug sei. Es handelte sich für ihn ja nur um die Geburt des zweiten Sohnes.
ANGESCHMIERT!!
Ach ja, dazwischen kam ja dann auch noch meine Taufe. Meine Mama musste so sauer gewesen sein, dass sie mich gleich im Krankenhaus hatte taufen lassen. Das war auch so eine
komische Sache. Der Vollständigkeit halber hatte sich meine Familie auch Gedanken über einen Mädchennamen gemacht. Einig geworden waren sie sich allerdings nicht. Mutti fand den Namen Renate toll. Nicht so meine Oma! Sie riet meinen Eltern dringend von diesem Namen ab. Es gab in der Nachbarschaft einst ein Mädchen mit dem Namen Renate und die war im Alter von sieben Jahren ertrunken. Das war eindeutig ein schlechtes Omen! Die Alternative meiner Mutter lautete Patricia. Ach du großer Gott, da muss was losgewesen sein! Mein Onkel ging auf die Barrikaden. Ein Spaghettifressername (Zitat) wäre doch wohl nicht ihr Ernst. Als dann meine Urgroßtante den Namen noch auf dem breitesten Kölsch aussprach, war auch dieser Name kein Thema mehr. Na toll! Weitergedacht oder -gestritten werden konnte nicht, denn Mama kam ins Krankenhaus. Der Streit war ohnehin rein theoretischer Natur; denn es sollte ja ein Junge werden, gell?
Nun zurück ins Krankenhaus:
Kurzentschlossen wurde ich gepackt und zum Krankenhauspfarrer getragen. Ausnahmsweise mal jemand in schwarzen Klamotten. Und dann kam die alles entscheidende Frage: „Wie soll das Kind denn heißen?" Erst in diesem Augenblick wurde meiner Mutter bewusst, dass man in diesem Punkt zu keinem - für alle Seiten akzeptablen - Ergebnis gekommen war.
Wie ich auch in meinem späteren Leben immer wieder erleben durfte, ist meine Mutter entscheidungsfreudig und spontan. Sie wollte den vermeintlichen Jungen in Abwesenheit des leiblichen Vaters taufen. (Geschah der treulosen Tomate ganz recht!) Woher aber sollte sie so schnell einen einigermaßen vernünftigen Namen zaubern? Nach kurzer Bedenkzeit hielt meine Mutter die nächstbeste Krankenschwester, die vorbeikam, an und fragte: „Entschuldigung. Wie heißen Sie mit Vornamen?" Die verdutzte Frau zeigte auf ihr Namensschild und sagte fast mechanisch „Ute". Es war passiert! Meine Mutter wandte sich wieder dem Pfarrer zu und sagte kurz und bündig: „Na gut, dann also 'Ute'." Der Pfarrer stand (man verzeihe mir diesen Frevel) wie vom Donner gerührt da. Nach kurzer Besinnung vollzog er schließlich mit nicht geringem Erstaunen die Taufe. (Welch ein Glück, dass in dem entscheidenden Augenblick keine Kunigunde, Amalie oder so vorbeigekommen war!)
Na, und irgendwann kam dann der andere Mann in unser Zimmer. Kein weißer Kittel, nie gesehen den Typ. Meine Mutter schien sich darüber nicht sonderlich zu freuen. Ja, und dann nahm er mich hoch und sprach voller Verzückung: „Och, der ist aber süß. Wie nennen wir den denn?" Die Antwort kam messerscharf: „Der, ist eine die und die heißt schon." Als sich die erste Verwunderung (oder sollte ich sagen: der erste Schock) gelegt hatte, fragte er so leise, als habe er etwas ausgefressen „Und wie heißt die jetzt?" Mutter zischte ein kaum hörbares „Ute" zwischen den Zähnen hervor. Mit mittlerweile mächtig hängenden Schultern flüsterte der, der wohl der richtige Papa war: „Och ... schön" und zog erst einmal von dannen.
Nach kurzer Zeit - sei zur Beruhigung des Lesers bemerkt - verzieh meine Mutter meinem Vater und beide freuten sich, dass der Volksmund nicht immer Recht hat.
Einen kleinen Einbruch der Freude gab es dennoch:
Mutti ist kein Mensch, der irgendwo gern lange herumliegt und nichts tut. Infolge dessen wollte sie so schnell wie möglich aus dem Krankenhaus raus - natürlich nur mit mir zusammen! Dabei ergab sich ein kleines Problem: Meine Mutter ist nicht sehr groß und ziemlich zierlich gebaut. So ein Mensch kann keinen Wonneproppen zur Welt bringen. Zu Deutsch: auch ich war klein und zierlich. Der Chef der Weißkittel wollte uns nur „auf eigene Gefahr" `rauslassen. Tja und der zweite Punkt war, dass meine Mutter 10 oder 20 Mark zahlen musste; wie viel weiß ich nicht mehr genau, ist ja auch schon länger her! Jedenfalls hatte meine Mutter nicht so viel Geld dabei. Mit anderen Worten: Ich wurde freigekauft. Das Geld hatten wir uns von einer anderen Mutti geliehen. (Erinnerte irgendwie an die Taxi-Fahrer-Story, denn das Geld hat sie nie zurückgenommen.)
Nun ja, angemeldet waren wir zu Hause ja nicht. Wie schon gesagt, ist Mutti ein Mensch der Tat. Was uns bei dem Betreten der Wohnung widerfuhr, hatten wir uns nicht träumen lassen! Da saß mein richtiger Vater mit ein paar Arbeitskollegen und feierte lustig die Geburt seiner Tochter; und die stand plötzlich in der Tür! (Eigentlich wurde ich mehr getragen.) Das war eine Aufregung! Die Arbeitskollegen flüchteten mit einem „Wir gehen dann mal lieber" und wir drei waren plötzlich allein.
Zur nochmaligen Beruhigung des Lesers sei gesagt:
Auch diese Situation wurde gemeistert! Denn eines hatte ich schon herausgefunden: wenn ich laut genug schrie, war ICH der Mittelpunkt. Ha! Und genau das habe ich in der wirklich komplizierten Lage ausgenutzt. Die angespannte Stimmung meiner Eltern wandelte sich in freudige Aufregung.