Hausgeburt - Alleingeburt - Corina Lendfers - E-Book

Hausgeburt - Alleingeburt E-Book

Corina Lendfers

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Beschreibung

Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit sind Naturwunder, die ihren eigenen, jahrtausendealten, bewährten Gesetzmäßigkeiten folgen. Es gibt nur einen geeigneten Weg, damit richtig umzugehen: LOSLASSEN. GESCHEHEN LASSEN. VERTRAUEN. Corina Lendfers hat sechs Kinder zuhause geboren, davon eins als Alleingeburt auf einem Segelboot. Ihr Ratgeber zeigt den Weg auf durch eine natürliche, selbstbestimmte Schwangerschaft, eine kraftvolle Geburt in den eigenen vier Wänden und eine harmonische Stillzeit. Im Zentrum des Buches steht die Hausgeburt mit der Spezialsituation der Alleingeburt. Der erste Teil befasst sich mit allgemeinen Informationen über die Hausgeburt/Alleingeburt wie Begriffsdefinition und einem kurzen Abriss der Geschichte. Im zweiten Teil werden die Entscheidungsgrundlagen für oder gegen eine Hausgeburt/Alleingeburt ausführlich erläutert. Der dritte Teil ist der praktischen Vorbereitung und Durchführung sowie einigen elementaren Aspekten im Umgang mit dem Neugeborenen wie Stillen, Schlafen, Tragen oder Babymassage gewidmet.

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Dieses Buch entsteht in Erinnerung

an die wundervollen Geburten meiner Kinder

Saskia Tamara, Seraina Maria, Rahel Alexandra, Ursina Sophia, Jonas Michael und Andri Laurent.

Für euch und für alle Mütter,

die sich dafür entscheiden,

ihre Kinder selbstbestimmt zu gebären.

In diesem Buch

Allgemeine Informationen

Begriffsdefinitionen

Geschichtlicher Abriss

Situation in der Schweiz heute

Exkurs: Mein Weg zur Alleingeburt

Entscheidungsgrundlagen

Sicherheit

1.1 Besonderheiten der Hausgeburt/Alleingeburt

1.3 Bedeutung des Geburtsprozesses

Verantwortung

Vertrauen

Mut

Partner

Ausschlussgründe

Praktische Vorbereitung und Durchführung

Die Hebamme

Vorsorgeuntersuchungen

Vitamin D, Vitamin K und Impfungen

Praktische Geburtsvorbereitung

4.1 Utensilienliste

4.2 Dammmassage

4.3 Organisation des Wochenbettes

Geburt

5.1 Schwierigkeiten

5.1.1 Nabelschnurvorfall

5.1.2 Blockade

5.1.3 Anpassungsschwierigkeiten des Säuglings

5.1.4 Verzögerte Plazentalösung

5.1.5 Schwäche nach der Geburt

Wochenbett

6.1 Stillen

6.2 Das Neugeborene

6.2.1 Schlafen

6.2.2 Tragen

6.2.3 Bewegung

6.2.4 Massage

Kurz gesagt

Verzeichnisse

Literaturempfehlungen

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Über die Autorin

Ich freue mich,

dass du dieses Buch zur Hand nimmst.

Ich habe sechs Kinder zuhause geboren, eines davon als Alleingeburt auf unserem Segelboot, unserem aktuellen zuhause. Diese sechs Geburten zählen zu den prägendsten, gewaltigsten, berührendsten und kraftvollsten Ereignissen meines Lebens. Ich möchte alle Frauen dazu ermutigen, die Geburt ihrer Kinder selbst in die Hand zu nehmen. Sich selbst und ihren Kindern solch starke, positive Erlebnisse zu ermöglichen und gestärkt daraus hervorzugehen.

Mein Buch wartet nicht mit der Schilderung meiner Geburtserlebnisse auf. Ich möchte über die Haus- und Alleingeburt als ursprüngliche, natürliche Form der Geburt informieren. Selbstverständlich fließen dabei meine Erfahrungen ein. Wissenschaftliche Fakten sowie praktische Informationen bilden jedoch einen wichtigen Teil des Buches.

Der erste Teil befasst sich mit allgemeinen Informationen über die Hausgeburt und die Alleingeburt wie Begriffsdefinition und einem kurzen Abriss der Geschichte. Im zweiten Teil erläutere ich die Entscheidungsgrundlagen. Der dritte Teil ist der praktischen Vorbereitung und Durchführung der Geburt sowie einigen elementaren Punkten im Umgang mit dem Neugeborenen gewidmet.

Viel Spaß beim Lesen – und viel Vorfreude auf die Geburt!

Corina Lendfers, Februar 2018, Trinidad

I Allgemeine Informationen

Abb. 1: Schwangerschaft, Öl auf Leinwand

1. Begriffsdefinitionen

Unter dem Begriff „Hausgeburt“ wird eine Geburt verstanden, die weder in einem Krankenhaus noch in einem Geburtshaus stattfindet. Ob es sich beim Geburtsort um die eigene Wohnung, das Haus der Eltern, ein Maiensäß, einen Wohnwagen oder ein Schiff handelt, ist dabei irrelevant. Ausschlaggebend ist, dass die Geburt an einem Ort stattfindet, an dem sich die Gebärende zuhause fühlt. Während der Geburt sind neben einer Hebamme nur Vertrauenspersonen der Gebärenden anwesend. Das können der Partner, die eigene Mutter, eine gute Freundin oder ältere Kinder sein. Fremde Menschen haben keinen Zugang zum Geburtsgeschehen.

Unter Alleingeburt versteht man eine Geburt, bei der weder ein Arzt/eine Ärztin noch eine Hebamme oder anderes medizinisches Fachpersonal anwesend ist. Nicht ausgeschlossen sind der Partner, Freunde, Eltern und andere der Schwangeren nahe stehende Menschen, die zur Geburt eingeladen wurden. Die Alleingeburt findet an denselben Orten statt wie die Hausgeburt. Unterschieden werden muss zwischen geplanter und ungeplanter Alleingeburt, wie sie bspw. auf dem Weg ins Krankenhaus im Auto stattfindet. Wenn ich im Folgenden den Begriff Alleingeburt verwende, meine ich damit die bewusst geplante und vorbereitete Alleingeburt.

2. Geschichtlicher Abriss

Ein Kind zuhause zu gebären war während über zweihundert Jahren die übliche Form der menschlichen Geburt. Ein Kind dort zur Welt zu bringen, wo es aufwachsen, wo es leben wird, in Gesellschaft der Menschen, die sich um es kümmern werden, war das Natürlichste der Welt. Die heute in der westlichen Gesellschaft verbreitete Sitte, für die Geburt „außer Haus“ zu gehen, ist aus Sicht der Menschheitsgeschichte eine neue Erfindung. Das Krankenhaus etablierte sich erst mit dem Wirtschaftsaufschwung in den 60er und 70er Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg als Ort zum Kindergebären.1 Ausschlaggebend für diese Entwicklung war die Schaffung immer komplexerer medizinischer Geräte, welche während der Geburt und später auch bereits während der Schwangerschaft bei Vorsorgeuntersuchungen eingesetzt werden: Ultraschall, Fruchtwasserpunktion und weitere Erfindungen der pränatalen Diagnostik sowie Vakuum-, Zangengeburten und Kaiserschnitt.

Während Jahrhunderten war die Geburtsbegleitung Frauensache, auch in unserem westlichen Lebensraum. Früher kümmerten sich ausschließlich Hebammen um die körperliche, vor allem aber um die seelische Gesundheit der schwangeren und gebärenden Frauen.

„Sie hatten Einsicht in das Familienleben, in den persönlichen Ablauf des Alltags ihrer Schützlinge. Die Palette des Wahrgenommenen reicht vom Einblick in die finanzielle Situation bin hin zu den sexuellen Gewohnheiten des Ehepaares.“2

Die Hebamme war mehr als eine bloße Geburtshelferin. Sie war Vertraute, Freundin, Pflegerin und oftmals auch Seelsorgerin der Frauen. Zu Zeiten, als ein Kind gleich nach der Geburt getauft werden musste, damit es bei einem allfälligen frühen Kindstod nicht als Heide starb, hatte die Hebamme immer auch ein Fläschchen Weihwasser bei der Geburt dabei, um das Kind im Notfall selbst taufen zu können.

Die Geburt war bis ins ausgehende 19. Jahrhundert ein Ereignis mit einem hohen Risiko. Oftmals starben entweder die Mutter oder das Kind während oder kurz nach der Geburt an Infektionen. Erst die Entdeckung der Desinfektion durch Ignaz Semmelweis in den 1840er Jahren und die darauffolgende Entwicklung erster hygienischer Standards ermöglichte eine Senkung der Sterberate und damit eine Entschärfung der Situation.3

Die Alleingeburt ist in unserer Kultur weniger tief verwurzelt als in anderen. Vor allem in Naturvölkern waren und sind z.T. bis heute Alleingeburten die Regel. Diese Geburten zeichneten sich durch kurze Dauer und geringe Schmerzen aus, zwei Faktoren, die wir heute kaum mit dem Begriff der Geburt in Verbindung bringen.4 Im deutschsprachigen Raum wie vor allem auch in den USA erfahren die geplanten Alleingeburten seit einigen Jahren einen bescheidenen Aufschwung. So gibt es inzwischen auch deutschsprachige Literatur darüber sowie Frauennetzwerke, in denen ein Austausch über das Thema stattfindet, z.B. über facebook.

1 vgl. pro vita alpina (2008), S. 23.

2 pro vita alpina (2008), S. 3.

3 vgl. Mörgeli/Wunderlich (2002), S. 7ff.

4 vgl. Schmid (2013), Einleitung.

3. Situation in der Schweiz heute

Die Rate der Hausgeburten in der Schweiz ist seit einigen Jahren konstant und liegt bei rund 1% aller Geburten. Dieser Prozentsatz schließt allfällige Alleingeburten mit ein. Die Hausgeburt wird heute in der Schweiz neben der Krankenhausgeburt sowie der Geburt im Geburtshaus von den Krankenkassen anerkannt. Über die Grundversicherung werden sieben Vorsorgeuntersuchungen sowie die Geburtsbegleitung durch eine staatlich anerkannte Hebamme bezahlt. Das sogenannte „Wartgeld“ muss von der Schwangeren übernommen werden. Beim Wartgeld handelt es sich um den Pikett-Dienst, den jede Hausgeburtshebamme ab der 38. Schwangerschaftswoche leitet. Sie ist dann jederzeit für die Geburt abrufbar. Die Höhe des Wartgeldes beträgt zurzeit in der Regel CHF 400.- pro Geburt. Ebenfalls bezahlt wird die Wochenbettbetreuung durch die Hebamme nach der Geburt. Bis zu zehn Hausbesuche werden durch die Grundversicherung gedeckt. Verschiedene Krankenkassen bieten Zusatzversicherungen an, welche die Kosten für eine Haushaltshilfe für bis zu zwölf Tage nach der Geburt übernehmen.

Abb. 2: Modell des schwangeren Beckens, 9. Schwangerschaftsmonat.

4. Exkurs: Mein Weg zur Alleingeburt

Zwischen 2004 und 2011 haben mein Partner Michael und ich fünf Kinder in unserem damaligen Zuhause in der Schweiz zur Welt gebracht, jeweils im Beisein unserer Hebamme. Im Sommer 2013 haben wir unseren Wohnsitz aufgelöst und sind auf ein Segelboot nach Portugal gezogen. Seither reisen wir mit unseren Kindern durch die Welt. Wir haben Südeuropa, die kanarischen Inseln und die Kapverden in Afrika bereist, sind über den Atlantik gesegelt und waren in Südamerika. Im Grenzfluss zwischen Französisch-Guyana und Suriname, dem Maroni-River, entstand unser jüngstes Crewmitglied.

Mein erster Gedanke war, für die Geburt zurück in die Schweiz zu fliegen und sie wieder mit unserer Hebamme als Hausgeburt zu machen. Bloß: In welchem Zuhause? Das Einzige, was wir in Europa noch besitzen, ist ein altes Wohnmobil, äußerst ungeeignet für eine Geburt, bei der auch die Kinder dabei sein wollten. Im Laufe der Schwangerschaft wurde der Wunsch immer klarer, auch dieses Baby in seinem Zuhause zu gebären. Nur, dass sein Zuhause halt das Schiff sein würde. Die Schwangerschaft verlief – wie alle anderen zuvor – vollkommen unaufgeregt und problemlos. Ich segelte weiter, arbeitete weiter am Boot, unternahm Ausflüge, unterrichtete die Kinder, flog mit meiner Familie im Herbst in die Schweiz und vor Weihnachten wieder zurück in die Karibik. Nichts deutete auf mögliche Komplikationen hin, nichts sprach gegen die Geburt auf dem Schiff. Ich war halt einfach schwanger. So begaben wir uns auf die Suche nach einer Hebamme, die eine Schiffsgeburt begleiten würde. Wir suchten in der Schweiz und in Deutschland und schließlich vor Ort in Trinidad. Erfolglos.

Immerhin gibt es in Trinidad ein Geburtshaus, das Einzige in der ganzen Karibik. Eine Krankenhausgeburt habe ich für mich immer ausgeschlossen. Wir besichtigten das Geburtshaus, das von engagierten und sympathischen Hebammen geführt wird und auch durchaus mitteleuropäischem Standard entspricht. Aber ich bin keine Geburtshaus-Gebärende. Nicht nach fünf selbstbestimmten Hausgeburten. Und nicht nach über vier Jahren Reisen.

Seit unserem Aufbruch 2013 sind Michael und ich für jeden einzelnen Aspekt unseres Lebens vollkommen selbst verantwortlich – für unsere Gesundheit (auch auf hoher See, wo kein Arzt erreichbar ist), für die Sicherheit unserer Familie in fremden Ländern und Kulturen, die Bildung der Kinder, den Zustand des Schiffes, die Gestaltung unseres Alltags, die Planung der Zukunft. Wir sind nicht nur frei, sondern eben vor allem eigenverantwortlich. Es war für mich absolut unmöglich, die Verantwortung ausgerechnet für die Geburt aus der Hand zu geben. Und das hätte ich tun müssen, hätte ich im Geburtshaus gebären wollen.

Das ist unser Weg, der uns zur Alleingeburt geführt hat. Wir entschieden uns gemeinsam dafür und ich bereitete mich mittels Literatur darauf vor. Da wir auch mit der Möglichkeit gerechnet hatten, dass das Baby das Licht unserer Welt während eines Segeltörns auf hoher See erblicken könnte, hatten wir alle notwendigen Sachen an Bord wie wasserdichte Unterlagen, Wochenbetthosen und - binden, auch Nabelschnurklemme und -schere, dazu eine umfassende homöopathische Apotheke, Schüsslersalze und für den absoluten Notfall auch Infusionen. Es war uns klar, dass wir ohne Hebamme auch die Wochenbettversorgung selbst machen würden. Es ging uns sehr gut, wir freuten uns auf die Geburt.

Sie begann am 16. Januar 2018 am frühen Abend mit einem Blasensprung, nach dem auch bald darauf kräftige Wehen einsetzten. Michael und ich ließen uns von den Wellen des Meers schaukeln und warteten. Die Kinder beschäftigten sich selbst, kamen vorbei, gingen wieder. Ich habe keine Geburt so bewusst erlebt wie diese. Ich spürte jede noch so kleine Veränderung meines Körpers, konnte Michael immer sagen, was gerade vor sich ging. Nach den fünf Hausgeburten kannte er nicht nur meine Reaktionen, sondern auch die Arbeit der Hebamme. Er empfing nach 2 ½ Stunden Wehenarbeit unseren Sohn Andri Laurent, den ich kniend in unserer kleinen Kajüte gebar, die ich kein einziges Mal während der Geburt verlassen hatte. Seine Geschwister standen bei seinem ersten Schrei bei uns, um ihn zu begrüßen. Über eine Stunde später folgte die Plazenta, die wir dem Meer übergaben.

II Entscheidungsgrundlagen

Abb. 3: Geburt, Öl auf Leinwand

Wie sicher ist die Hausgeburt? Wer hilft mir, wenn ich nicht mehr kann? Was geschieht bei Komplikationen? Was denken die Nachbarn? Wer kümmert sich um die „Schweinerei“? Wer kümmert sich um Mutter und Kind nach der Geburt?

1. Sicherheit

Die große Frage, die alle umtreibt, die sich mit dem Thema Hausgeburt auseinandersetzen oder davon hören, ist die Frage nach der Sicherheit. Ist eine Geburt zuhause genauso sicher wie im Krankenhaus? Zuhause, wo das ganze medizinische Instrumentarium fehlt, das im Krankenhaus in jedem Gebärsaal steht und Leben rettet? Ich möchte ein wenig länger bei dieser Frage verweilen und Antworten aus verschiedenen Perspektiven suchen.

In einer Studie des Schweizerischen Nationalfonds, die der Schweizerische Hebammenverband 1993 durchführte, wurden 489 Frauen mit geplanter Hausgeburt und 385 Frauen mit geplanter Krankenhausgeburt im Kanton Zürich untersucht. Alle Frauen waren in den wesentlichen Merkmalen wie Alter, Kinderzahl, soziale Schicht und Gesundheitszustand vergleichbar. Das zentrale Ergebnis der Studie lautet:

DIE HAUSGEBURT IST GLEICH SICHER WIE DIE SPITALGEBURT.

Die geplanten Hausgeburten beinhalten keine größeren Risiken für Mutter und Kind als die Geburt im Spital. Die Chance, ohne Eingriffe zu gebären, ist zu Hause größer. 38 % der Frauen mit Hausgeburt hatten nach der Geburt einen intakten Damm, bei Frauen mit Spitalgeburt waren es 9 %. Frauen mit Hausgeburt hatten deutlich weniger Geburtseinleitungen, Kaiserschnitte und vaginal-operative Eingriffe (Vakuum, Zange) sowie weniger Wehen- und Schmerzmittel.5 Aktuelle Studien aus Kanada kommen zu vergleichbaren Ergebnissen. Soweit also die forschungsbasierte Sichtweise.

Keine wissenschaftlichen Studien gibt es in Bezug auf die Sicherheit bei Alleingeburten. Die Auswertung aller gemeldeten Alleingeburten der letzten Jahre durch Jobina Schenk auf ihrer Website www.meisterin-der-geburt.de lässt zumindest auf kein erhöhtes Sicherheitsrisiko schließen.

Stehen viele Ärzte wie auch Gebärende bereits der Hausgeburt kritisch gegenüber, so lehnen neben der Ärzteschaft auch viele Hausgeburtshebammen die Alleingeburt ab. Argumentiert wird mit Verantwortungslosigkeit aufgrund mangelnder Sicherheit ohne Anwesenheit einer Fachperson. Ich möchte an dieser Stelle die Frage nach der Sicherheit vertiefen. Wie definiert sich der Begriff Sicherheit? Während für viele Menschen die Rettung aus einer potentiell möglichen Notsituation mit Sicherheit gleichgesetzt wird, bedeutet für mich Sicherheit weitaus mehr.

SICHERHEIT UNTER DER GEBURT IST DANN GEWÄHRLEISTET, WENN DIE GEBÄHRENDE SICHER IST VOR JEGLICHER GEWALTANWENDUNG.

Damit meine ich einerseits physische Interventionen wie die Gabe von Medikamenten unter der Geburt, geburtsbeschleunigende Maßnahmen wie Vakuum- oder Zangeneinsatz oder Kaiserschnitt, vor allem aber auch psychische Gewalt, der Frauen in Geburtseinrichtungen viel zu häufig ausgesetzt sind. Zur psychischen Gewalt gehören alle manipulativen Äußerungen von Geburtshelfern, zu welchem Zweck sie auch immer verwendet werden. Sprüche wie „Die Wehen sind nicht produktiv, Sie werden das nicht schaffen“ oder „Das dauert viel zu lange, wir müssen Ihnen helfen“ setzen die Gebärende unter Druck und führen so unweigerlich zu Blockaden und damit zu physischer Gewalt. Aber auch die Angst von Geburtshelfern kann auf die Frau übergreifen und die Geburtsarbeit stören. Vor diesem Hintergrund ist es für mich mehr als fraglich, ob eine Alleingeburt, welche die Gebärende vor all diesen potentiellen Risiken bewahrt, weil schlicht niemand anwesend ist, der den Geburtsprozess stören könnte, tatsächlich weniger sicher sein soll als eine Krankenhausgeburt oder auch als eine Hausgeburt in Anwesenheit einer Hebamme. Es gibt leider auch Hausgeburtshebammen, die Ängste empfinden, sie auf die Gebärende übertragen und damit die Geburt blockieren. Oder Fälle, in denen die Hebamme Entscheidungen trifft, die für die Gebärende falsch sind, weil die Hebamme die Leistungsfähigkeit der Frau nicht korrekt eingeschätzt hat. Auch das ist möglich und kann dazu führen, dass eine Alleingeburt im spezifischen Einzelfall sicherer gewesen wäre als eine begleitete Hausgeburt.

Wenn ich im Gespräch meine Hausgeburten erwähne, werde ich in oft mit folgendem Satz meiner jeweiligen Gesprächspartner konfrontiert: „Wenn ich / meine Partnerin zuhause geboren hätte, wäre sie / das Kind gestorben!“ Als Begründung dienen dann immer biologische Schwierigkeiten oder medizinische Indikationen. Es ist müßig, in diesen Gesprächssituationen über den Unterschied von Haus- zu Spitalgeburten zu diskutieren, da die Gespräche immer emotionsbeladen sind. Es lohnt sich aber, diesen Vergleich im Vorfeld einer Geburt möglichst nüchtern und sachlich anzustellen. Im folgenden Abschnitt arbeite ich daher jene Fakten heraus, welche die Hausgeburt/Alleingeburt (neben den fehlenden medizinischen Instrumenten) von der Geburt im Krankenhaus unterscheiden.

1.1 Besonderheiten der Hausgeburt/Alleingeburt

Es gibt zwei ausschlaggebende Besonderheiten, welche die Geburt zuhause sowohl gegenüber der Geburt im Krankenhaus wie auch im Geburtshaus qualifizieren: Die Geburt findet an einem Ort statt, wo sich die Gebärende sicher und geborgen fühlt - in ihren eigenen vier Wänden. Sie ist die Chefin, sie hat vollkommene Entscheidungsfreiheit. Die Frau entscheidet,

was sie während des Geburtsvorganges tun möchte

: Ob sie zu Beginn einen großen Teller Spaghetti verdrückt, ob sie mit ihrer Freundin telefoniert, mit ihrem Partner spazieren geht oder die Wartezeit im Bett mit einem spannenden Buch überbrückt.

wo sie ihr Kind gebären möchte

.

wie sie ihr Kind gebärt:

liegend in Rücken- oder Seitenlage, sitzend auf dem Mayahocker, gestützt auf den Partner, stehend oder im Geburtspool, der für die Geburt gemietet werden kann.

wie der Geburtsraum gestaltet wird:

mit Kerzenlicht, Duftlampe oder Räucherstäbchen, mit ihrer Lieblingsmusik, dekoriert fürs Fest des Lebens mit Girlanden und Ballonen, mit frischen Blumen usw.

wer bei der Geburt anwesend sein soll:

der Partner, die beste Freundin, die Schwester, die Eltern usw.

Diese beiden Punkte - die eigenen vier Wände und die absolute Entscheidungsfreiheit - sind Faktoren, welche die Sicherheit während der Geburt entscheidend erhöhen! Warum? Weil sie der Gebärenden Geborgenheit und gefühlte Sicherheit schenken. Der Rückzug in die persönliche Intimsphäre ist ein Grundbedürfnis jeder Schwangeren.6