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Über das Buch »Mein Leben könnte gerade nicht besser laufen «, denkt sich Emily. Diese hat gerade in Berlin zusammen mit ihrer Freundin Sarah ihren ersten Fashion Store eröffnet. Und auch das WG-Leben mit der neuen Mitbewohnerin Ally läuft bestens. Die Drei lieben das Leben und genießen ihr WG-Dasein in vollen Zügen. Wäre da nicht das Schicksal, das einem unerwartet einen heißen, irischen Musiker vor die Füße wirft. Denn Luke O'Sullivan nimmt sich das, was er will. Er liebt die Frauen und die Frauen lieben ihn. Was passiert jedoch, wenn nach einem heißen Flirt plötzlich Gefühle im Raum stehen? Und gibt es überhaupt genug Zeit für Gefühle, wenn auf einmal ein Plattenvertrag winkt? Für was entscheidet man sich? Für die Liebe oder die Karriere?
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Seitenzahl: 311
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Autorenvita
Das Autoren-Duo Enna Lou & Sara Steel sind beste Freundinnen von Kindertagen an. Beide erblickten in Berlin Steglitz das Licht der Welt. Beide leben und arbeiten in Berlin im sozialen Bereich. Neben dem Schreiben verfolgen sie noch einige andere Leidenschaften wie zum Beispiel die Musik. Freunde und Familie beschreiben sie mit diesen Worten: Teufel im Blut. Engel im Herzen und ein bisschen Wahnsinn im Kopf!
»Heartbeat of Love« ist ihr Debütroman.
Heartbeat of Love
Liebe auf Umwegen
Enna Lou & Sara Steel
© 2022 Enna Lou & Sara Steel
Korrektorat: Vera Komischke
Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland
ISBN
Paperback
978-3-347-73930-7
E-Book
978-3-347-73931-4
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte sind die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
Kapitel 1
»Sarah, bist du soweit?«
»Einen Moment noch, Em, ich muss noch die letzten College-Jacken aufhängen und dann bin ich ready«, entgegnete Sarah.
Sarah und ich hatten uns vor fünf Jahren auf der Fashion Week in Berlin kennengelernt. Seit dem Tag waren wir unzertrennlich. Was uns von Anfang an zusammengeschweißt hatte, war unsere Liebe zur Mode und Musik. Und somit war schnell klar, dass wir gemeinsam einen Store eröffnen wollten, der diese Komponenten perfekt miteinander verband. Nach monatelanger Planung und wochenlanger Suche nach den passenden Räumlichkeiten hatten wir die optimale Location in Berlin-Mitte gefunden. Ein geräumiger Laden mit dem Charme einer alten Fabrikhalle. Nun war der Tag der Eröffnung gekommen. An den Klinkerwänden hingen Metallregale, befüllt mit der neuen Frühjahrskollektion aus New York, Paris und Berlin. Aus den Boxen hämmerte der Bass von Lets get started. Ich liebe diesen Song von den Black Eyed Peas.
»So Em, jetzt kann es losgehen«, sagte Sarah und klatschte voller Tatendrang in die Hände.
»Okay, dann wollen wir mal.« Mit schnellen Schritten ging ich zur Ladentür und drehte den Schlüssel im Schloss um. Als ich die Tür einen Spalt öffnete, lugte ich kurz hinaus und traute meinen Augen kaum. Ungläubig sah ich zu Sarah rüber, die mich voller Vorfreude anstrahlte.
»Das sind ja mehr, als wir erwartet haben«, flüsterte ich fassungslos. Ich schaute mich noch einmal im ganzen Laden um, ob alles an seinem Platz stand.
»Das ist doch gut«, meinte Sarah und riss die Tür weit auf. »Herzlich willkommen bei Streetlife.
Immer hereinspaziert!« Das ließen sich die Wartenden nicht zweimal sagen. Ein junger Mann steuerte schnurstracks auf die Wand mit den Caps zu und griff nach einem der Chicago Bulls Caps. Er sah sich suchend im Raum um und als er Sarah erblickte, hob er kaum sichtbar den Zeigefinger, um so auf sich aufmerksam zu machen.
»Hey, was kann ich für dich tun?«, fragte Sarah und deutete auf das Baseballcap.
»Ah, ich sehe schon, du bist an dem neuen Bulls Cap interessiert.«
»Richtig, habt ihr das auch in anderen Größen da?«
»Sicher, welche Größe brauchst du?«, fragte Sarah nach und schenkte ihm ein warmherziges Lächeln.
Etwas zögerlich drehte er das Cap in seinen Händen: »Ich denke, eine Sieben wäre okay.«
Nickend nahm Sarah ihm das Baseballcap ab. »Em, kannst du mal im Lager schauen, ob wir das neue Chicago Bulls Cap auch in Größe sieben lagernd haben?«
»Klar, mache ich gerne. Könnte aber einen Moment dauern, nicht weglaufen.«
»Keine Angst, um den jungen Mann kümmere ich mich so lange«, versicherte Sarah mir und wandte sich wieder unserem Kunden zu.
»Wenn du magst, zeige ich dir in der Zeit die neue Frühjahrskollektion.« Ohne seine Antwort abzuwarten, hakte sie sich bei ihm ein und führte ihn durch eine kleine Traube von Kunden entlang in den lichtdurchfluteten Nebenraum. Das war Sarah, wie sie leibt und lebt. Hatte sie erst einmal jemanden im Visier, ließ sie ihn nicht mehr vom Haken. Was mich nicht weiter störte, denn so konnte ich in aller Ruhe im Lager verschwinden und nach der gewünschten Größe suchen.
Als ich nach gut zwei Minuten wieder in den Showroom trat, hatte sich bereits eine kleine Schlange an der Kasse gebildet. Dankbar nickte ich zu Sarah rüber, die schon am Abkassieren war. Mit dem Karton in der Hand, eilte ich zu ihr und half ihr, die Sachen der Kunden in Tüten zu verstauen. Nachdem wir die vorerst letzte Kundin abkassiert hatten, nahm ich das Cap wieder zur Hand und übergab es dem wartenden Kunden.
»So, hier haben wir das gute Stück. Ich hoffe, sie sitzt!« Zufrieden musterte er sich vor dem Spiegel. »Perfekt!« Sarah trat neben ihn und rückte das Cap zurecht, »jetzt ist es perfekt.« Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem angedeuteten Lächeln.
»Ladys, ich werde euch auf jeden Fall weiterempfehlen. Ihr habt echt eine großartige Auswahl und die Verkäuferinnen hier sind auch nicht zu verachten«, sagte er und zwinkerte Sarah zu.
Als er bezahlte, schob er ihr nicht nur seine Kreditkarte entgegen, sondern auch einen kleinen Zettel, auf dem seine Nummer stand. »Übrigens, ich bin Ben. Vielleicht hast du ja mal Lust, mich anzurufen.«
»Ja, vielleicht tue ich das«, antwortete Sarah und blinzelte ihm zu.
»Ich würde mich freuen.« Mit einem Handkuss verabschiedete er sich von uns und verließ pfeifend den Laden. Kopfschüttelnd strich Sarah sich eine dicke schwarze Haarsträhne hinters Ohr und verstaute den Zettel in ihrer Hosentasche. Als sie meinen Blick bemerkte, sah sie mich fragend an.
»Was?«
»Nichts, ich denke nur, du hast gerade jemanden sehr glücklich gemacht.«
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Em. Das war alles rein geschäftlich«, konterte sie mit einem teuflischen Schmunzeln. Während ich Stunden später anfing, die Tageseinnahmen zu kontrollieren, verabschiedete Sarah die letzte Kundin und verriegelte hinter ihr die Tür. Erleichtert atmete ich auf, mit solch einem Andrang gleich am Eröffnungstag hatten wir im Traum nicht gerechnet.
»Und, was sagt die Kasse?«, fragte Sarah. Sie quietschte neugierig, während sie die zerwühlten Klamotten faltete und neu sortierte.
»Wenn das jeden Tag so läuft, sind wir bald eine richtig große Nummer in Berlin.« Mahnend hob sie den Zeigefinger: »Em, abwarten und Tee trinken.«
»Tee? Nein danke, jetzt stoßen wir erst mal mit einem Gläschen Prosecco an«, erwiderte ich und zog eine Flasche mit zwei Gläsern unterm Tresen hervor. Erschöpft ließen wir uns auf das weiße Ledersofa im Showroom fallen.
»Schade, dass Ally heute nicht dabei sein konnte«, murmelte ich. Ally war die Dritte im Bunde. Wir hatten uns vor drei Jahren auf einem Flug nach New York kennen und lieben gelernt. Da sie als Stewardess arbeitete und deshalb regelmäßig in New York war, kannte sie sich gut aus und zeigte uns die angesagtesten Stores. Durch Ally hatten wir viele einflussreiche Leute getroffen, die uns bei unserer ersten eigenen Kollektion eine große Hilfe waren. Als sie sich vor zwei Jahren von ihrem extrem eifersüchtigen Freund getrennt hatte und auf der Suche nach einer neuen Wohnung war, entschieden Sarah und ich spontan, sie bei uns aufzunehmen. Seitdem wohnten wir nun zu dritt in einer schönen Berliner Altbauwohnung. Sie war zwar nichts Besonderes, aber wir liebten unser kleines kuscheliges Heim und das war auch das Einzige, was für uns momentan bezahlbar war. Obwohl wir in einer ruhigen Straße im Hinterhof wohnten, waren wir in Nullkommanichts im Berliner Nachtleben. Genau das, was drei Single-Ladys brauchten.
»Em, dein Smartphone! Träumst du?« Wenn man vom Teufel spricht, eine WhatsApp-Nachricht von Ally.
Hey ihr Süßen! Es tut mir leid, dass ich an eurem großen Tag nicht dabei sein konnte. Aber wenn ihr nicht so müde seid, würde ich gerne mit euch auf euren Erfolg anstoßen. Ich bin vor zehn Minuten in Berlin-Schönefeld gelandet. Also, falls ihr Bock auf einen kleinen Umtrunk habt, würde ich schnell nach Hause fahren, duschen, mir etwas Frisches anziehen und wäre dann so um einundzwanzig Uhr im Pub am Ku'damm. Lust?
»Ally fragt, ob wir uns in einer Stunde im Pub treffen wollen. Was denkst du?«
»Klar, ich bin dabei. Aber nach Hause werden wir es nicht mehr schaffen«, Sarah deutete auf die große Bahnhofsuhr, die über der Kasse prangte. Beruhigend klopfte ich ihr auf die Schulter.
»Süße, schau dich um. Wir können uns doch von hier was anziehen, es ist doch unser Laden.« Während ich Ally simste, machte sich Sarah auf die Suche nach dem passenden Outfit.
Pünktlich um neun erreichten wir den Pub. Es dauerte nicht lange, bis wir Ally an einem Tisch entdeckten und uns zu ihr durchdrängelten. Sie saß auf ihrem Barhocker und unterhielt sich angeregt mit dem Kellner. Als sie uns erblickte, sprang sie auf und umarmte uns euphorisch.
»Da sind ja meine Karriere-Girls. Wie war euer erster Tag? Ich will alles hören, aber vorher bestelle ich noch schnell ein paar Drinks.«
Ohne auf unsere Getränkewünsche zu warten, lehnte Ally sich zu dem Kellner, mit dem sie sich vorher schon intensiv unterhalten hatte und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Dieser verschwand umgehend hinter dem Tresen und begann, unsere Drinks zu mixen.
»Noah ist ein Sahneschnittchen oder was meint ihr?«, fragte sie und sah uns erwartungsvoll an.
»Wer ist denn Noah?«, fragten Sarah und ich gleichzeitig und ließen uns auf den freien Barhockern nieder.
»Na, der heiße Barkeeper, wer denn sonst?« Mit den Mädels wegzugehen, bedeutete immer Riesenspaß. Bei unserem Stress der letzten Monate war es allerdings nicht möglich, etwas gemeinsam zu unternehmen.
Ally war beruflich ohnehin ständig on air und wir hatten viel mit der Ladeneröffnung zu tun.
»Em, komm sag schon, wie findest du Noah?«
»Na ja, mein Fall ist er jetzt nicht! Aber wäre ja auch blöd, wenn wir alle auf denselben Typ Mann stehen würden, oder?«
»Weise Worte Schwester.« Typisch Sarah. Sie hatte eine große Schnauze, aber dafür liebten wir sie. Noah erschien an unserem Tisch und servierte unsere Drinks.
»Ich hoffe, sie sind nach eurem Geschmack.«
Ally legte frech ihre Hand auf Noahs Brust und zwinkerte ihm zu. »Ich weiß, was auf jeden Fall nach meinem Geschmack wäre.« Jetzt war es offiziell, Ally hatte ihren Flirtmodus aktiviert und Noah schien es zu gefallen.
»Findest du nicht auch, dass der Pub sich im Vergleich zu früher kein bisschen verändert hat?«, fragte Sarah, um das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. Ich sah mich um und musste feststellen, dass sie recht hatte. Früher waren wir fast jeden Montag hier gewesen, denn am Karaoke-Abend hatten wir jede Menge Spaß, wenn die Touristen sturzbetrunken und lattenstramm irgendwelche Songs trällerten, die man nur mit viel Glück entschlüsseln konnte. Der Pub war urig, rustikal eingerichtet, mit verwinkelten Ecken. An den Wänden hingen Unmengen von irischen Landschaftsbildern, Flaggen und weitere Urlaubsmitbringsel, die Stammgäste mitbrachten.
»Etwas hat sich definitiv verändert. Fällt euch beiden nichts auf?«, fragte Ally, die sich endlich von Noah losreißen konnte.
»Was denn?«, entgegnete ich leicht verwirrt.
»Ganz schön viel weibliches Publikum heute Abend!« Jetzt, wo sie es sagte, fiel es mir auch auf. Sonst waren hier eigentlich immer mehr Männer gewesen.
»Wisst ihr denn nicht, wer heute Abend hier auftritt?«, schrie vom Nachbartisch ein Mädchen. Wir sahen sie alle drei verwundert an.
»Was? Ihr wisst es tatsächlich nicht?«, ihre Stimme klang beinahe hysterisch.
»Heute tritt hier die Band Crash aus Irland auf. Die sind in Deutschland noch ein absoluter Geheimtipp.«
»Aha, Geheimtipp? Und was machen die so für Musik?« Das Mädchen war so in ihrer Fangirl-Welt abgetaucht, dass sie Allys genervten Unterton nicht bemerkte.
»Da es eine original irische Band ist, Irisch-Folk natürlich.« Ich musterte das Mädchen genauer. Ihre schwarz gefärbten Haare waren mit vereinzelten pinken Haarsträhnen versetzt. Manche Strähnen standen so wild von ihrem Kopf ab, dass sie aussah, als wäre sie in einen Orkan geraten. In ihrer Nase prangte ein Ring mit einer silbernen Kugel. Ich hätte sie eher in die Tokio Hotel Fan Schiene gesteckt, aber irischer Folk. Okay!
Ohrenbetäubendes Geschrei holte mich schlagartig wieder in die Realität zurück. Eine Horde Frauen stürzte in Richtung Bühne und sangen im Chor:
Wir wollen Luke sehen, wir wollen Luke sehen, wir wollen, wir wollen, den Luke sehen.
»Wow! Das muss ja ein heißer Feger sein«, meinte Sarah mit einem spöttischen Unterton.
»Genau dasselbe habe ich mir auch gerade gedacht«, schrie ich ihr ins Ohr.
»Hey Mädels, das wird mir hier zu eng und zu laut! Man versteht sein eigenes Wort nicht mehr. Ich gehe zur Bar und schau mal, was der Hottie Noah so treibt. Wünscht mir Glück.«
»Glück wofür? «, hakte Sarah nach.
»Na dafür, dass ich heute nicht alleine in mein Bett muss. Bis später.« Lachend drehte sie sich auf dem Absatz um und drückte sich mit ihrem schlanken Körper an der Horde hysterischer Frauen vorbei in Richtung Tresen. Kaum war sie in der Menschenmasse verschwunden, pfiff das Mikrofon unangenehm auf und ließ mich zusammenzucken.
»Na, das geht ja schon gut los!«, rief Sarah mir zu und rieb sich vor Schmerzen ihre Ohren. Ein einzelner Scheinwerfer wurde auf die winzige Bühne gerichtet und ein kleiner, dicker Mann trat auf die Bühne. Seine Haare waren verstrubbelt und die Brille auf seiner Nase saß schief. Man hätte denken können, dass er gerade aus dem Bett gefallen war.
»Ladys and Gentlemen!«, brüllte er ins Mikrofon und fing an zu lachen. »Es reicht wohl, wenn ich heute Abend nur Ladys sage. Extra für euch eingeflogen, die in Deutschland noch weitgehend unbekannte Underground Band Crash aus Irland. Begrüßt sie mit einem tosenden Applaus.« In den ersten fünf Reihen trat der Ausnahmezustand ein.
»Dann lassen wir uns mal überraschen«, sagte ich zu Sarah und hob mein Glas.
Nach einer für uns unerwarteten tollen eineinhalbstündigen Show zeigten sich die Fans restlos begeistert. Obwohl irischer Folk überhaupt nicht mein Ding war, riss mich die Musik von der ersten Minute an mit. Die Band bestand aus vier Mitgliedern, die traditionelle Volksmusik mit frischen modernen Beats kombinierten.
»Das war doch gar nicht so schlecht oder was meinst du?«, erkundigte sich Sarah und nahm einen Schluck von ihrem Bier.
»Finde ich auch. Kann man sich anhören.«
»Und wie hat dir der Bandleader so gefallen?«, hakte sie feixend nach.
»Ja, ganz nett, wieso fragst du?« Hatte ich ihn etwa zu auffällig angestarrt? Ich konnte es mir nicht ganz erklären, aber irgendwas an diesem Typen fesselte mich.
»Ach so, nur ganz nett. Ich glaube, er fand dich auch ganz nett.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Hast du das nicht mitbekommen? Er hat dir das eine oder andere Mal zugezwinkert.«
»Nein, war mir nicht aufgefallen«, antwortete ich gelassen. Doch innerlich war ich völlig durcheinander. War das jetzt ihr Ernst, oder wollte sie sich wie so oft einen kleinen Spaß auf meine Kosten machen?
»Wollen wir langsam den Abflug machen? Ich denke, es reicht! Es war heute ein anstrengender und langer Tag.« Ich war froh, dass Sarah den Vorschlag machte, denn die unzähligen Schnäpse zeigten allmählich ihre Wirkung. »Ich gehe noch mal auf die Toilette, dann suchen wir Ally und dampfen ab. Du bleibst hier sitzen, Sarah, und wartest. Nicht weglaufen und auch keinen Stress anfangen.«
»Haha, sehr lustig, warum sollte ich das tun?«, fragte Sarah und trank ihr Bier leer.
»Bei dir weiß man ja nie so genau.« Als ich mich auf den Weg zur Toilette machte, gingen mir Sarahs Worte nicht mehr aus dem Kopf.
»Stehst du für die Toilette an?«, fragte ich eine Frau, die vor mir in der Schlange stand. Sie sah mich nicht einmal an, aber ich glaubte, so etwas wie ein »Ja« vernommen zu haben. Okay, also warten. Warum war die Schlange vor der Damentoilette immer so lang? Das verstand ich nicht. Ich drehte mich in der Menge nach links und rechts und hielt nebenher schon mal Ausschau nach Ally. Aber es war nichts von ihr zu sehen. Plötzlich hörte ich eine Männerstimme fragen: »Wie kann ich dir helfen? Mit einem Autogramm oder eher mit einem Kuss?« Mist, der Bandleader. Er schenkte mir ein breites Grinsen und strahlte mich mit seinen stahlblauen Augen an. Für einen Moment verschlug es mir die Sprache, so verblüfft war ich, denn ich verstand gar nichts mehr. Kuss, Autogramm? Was wollte er von mir?
»Okay, ich merke, du bist gerade etwas überfordert. Dann nehme ich dir die Entscheidung einfach ab.« Bevor er weitersprach, legte er seinen Kopf schief und sah mir tief in die Augen. »Du siehst so aus, als wolltest du mich küssen.«
»Was? Ich? Träum weiter!«, rief ich fassungslos. Der spinnt doch wohl! Was denkt er denn, wer er ist? »Komm schon, trau dich!«, lachte er und biss sich verspielt auf die Unterlippe. Er tauschte einen kurzen Blick mit seinen Bandkollegen aus, die dabei waren, Autogramme zu verteilen. »Bekommt doch keiner mit«, sein Grinsen wurde immer breiter. »Glaub mir, du wirst es nicht bereuen. Ich soll ein verdammt guter Küsser sein. Wenn du einmal an meinen Lippen hängst, willst du garantiert immer mehr.« Was bildete der sich eigentlich ein? Er schien ja mächtig von sich überzeugt zu sein. So ein arrogantes Arschloch! Dachte er wirklich, dass ich auf eine so billige Masche reinfallen würde? Sein arrogantes Grinsen sollte ihm noch im Halse stecken bleiben. »Sorry, aber diese Masche zieht bestimmt bei deinen kleinen Fan-Mäuschen, aber ich stehe auf echte Männer und nicht auf Möchtegernmachos wie dich.«
»Oh, das war ganz schön hart«, sagte er und griff sich theatralisch an die Brust. Ich nahm mein Glas und wollte weitergehen, da hielt er mich am Arm fest und zog mich dichter an sich heran. Ich funkelte ihn wütend an.
»Du brichst mir gerade das Herz«, flüsterte er mit seiner tiefen, sexy Stimme.
»Jeder so, wie er es verdient«, antwortete ich und sah zufrieden, wie sein Grinsen verschwand. Nach einer kleinen Denkpause beugte er sich zu mir rüber und hauchte mir mit einer sanften, aber doch sehr männlichen Stimme ins Ohr: »Wenn du es dir später doch noch anders überlegen solltest und einen unvergesslichen Kuss möchtest, dann findest du mich an der Bar.« Umgehend machte sich in mir eine bislang unbekannte Wärme breit. »Danke Kleiner, jetzt weiß ich, um welchen Tisch ich einen großen Bogen machen werde«, erwiderte ich mit festem Ton und löste mich aus seinem Griff. Das war ja wohl mehr als peinlich. Schnell noch auf die Toilette und dann nichts wie weg hier.
»Hast du Ally schon gesichtet?«, fragte ich hektisch Sarah, als ich atemlos an unseren Tisch zurückkehrte. »Da kommt sie doch schon, ist was passiert? Du siehst aus, als ob der Teufel persönlich hinter dir her wäre.« Sarah sah mich mit Fragezeichen in den Augen an.
»Alles okay, ich will nur nach Hause, ich bin wirklich erschöpft. Es war ein sehr aufregender Tag«, antwortete ich mit gezwungen ruhiger Stimme. Sarah sah nicht sehr überzeugt aus, aber bevor sie weiter fragen konnte, tauchte zum Glück Ally neben uns auf.
»So Mädels, für euch noch einen kleinen Absacker.«
»Und was ist mit dir, hast du dir nichts mitgebracht?« Sarah sah Ally verdutzt an.
»Doch, na klar. Hier ist er doch«, grinste sie und zog Noah dicht an sich heran. Sie drückte ihm einen dicken Kuss auf die Wange und verschwand mit ihm in Richtung Tür. »Lasst euch heute Nacht nicht von den Geräuschen aus meinem Zimmer stören!«, rief Ally uns über die Schulter zu und schon waren sie verschwunden.
Kapitel 2
Die Jungs und ich waren vor unserem ersten Gig in Berlin sehr aufgeregt, weil keiner von uns wusste, wie das deutsche Publikum auf uns reagieren würde. Bis jetzt waren wir immer in kleinen Clubs in unserer Heimat Irland vor circa zwanzig Personen aufgetreten, die einfach nur ihr Feierabendbier genießen wollten.
Aber heute waren die Leute unseretwegen gekommen! Unbelievable!
»Jesus Christ, war das ein Hammer-Auftritt! Die deutschen Ladys sind nicht nur hübsch, sondern können auch noch ihre Körper bewegen. Habt ihr die kleine Blondine gesehen? Holy Shit, war die nice«, schwärmte unser Bassist Finn. Finn war für meinen Geschmack ein gut aussehender Typ, mit seinen blonden, kurzen Haaren und seinen tiefblauen Augen lagen ihm die Ladys nur so zu Füßen, aber leider war er bis jetzt immer zu schüchtern. Vielleicht würde sich das in Berlin ja ändern. »Ich glaube, Luke hatte heute Abend nur Augen für die kleine Dunkelhaarige, die mit ihrer Freundin am Tisch saß«, behauptete Sean, der mir einen Stoß mit dem Fuß verpasste. »Was, wie kommst du denn darauf?«, fragte ich eine Spur zu schnell und hoffte, dass es niemand bemerkte.
»Wie ich darauf komme, kann ich dir gerne sagen: Du hast sie doch förmlich mit deinen Blicken ausgezogen. Aber ich sage dir eins, Kumpel, verschenk dein Herz nicht an sie! Da hast du keine Chance. Denk nur daran, wie sie dich bei der Autogrammstunde abblitzen lassen hat.«
»Welche Kleine denn? Da war ein ganzer Haufen heißer Granaten. Denkst du, ich kann mich an jede Einzelne erinnern?«
»Versuch nicht, mich zu verarschen, Luke! Ich habe doch gesehen, wie du die Kleine angeschaut hast. Aber gut, wenn du sie nicht willst, mach ich sie mir halt klar!«, scherzte Marc und zwinkerte mir zu. Der spinnt wohl! Keiner macht sich hier irgendwen klar. Marc, unser Schlagzeuger und der selbst ernannte Ladykiller der Band, war eigentlich ein ganz korrekter Kerl, der leider viel zu sehr von sich überzeugt war. Ich meine: Leisten konnte er es sich auch. Er besaß einen gut durchtrainierten Körper, um den ihn viele beneideten. Aber das Markanteste an ihm waren seine stechend grünen Augen, mit denen er die Ladys reihenweise um den Verstand brachte. »Hey Bro, hast du vergessen, warum wir hier sind? Wir wollen uns in Deutschland einen Namen machen und unsere Musik nach vorne bringen. Wenn wir das geschafft haben, ist noch genug Zeit für Spaß«, sagte ich nun etwas ernster. »Da hast du recht, Luke. Wir dürfen unser Ziel nicht aus den Augen verlieren! Darauf müssen wir anstoßen, Männer. Wo ist der Whiskey?«, rief Marc und stellte vier Gläser vor sich auf. »Sorry ohne mich, Jungs! Ich möchte euch ja nicht den Abend versauen, aber morgen früh haben wir unseren großen Umzug vor uns. Da sollten wir fit sein! Aber wir können das gerne morgen Abend nachholen«, schlug ich vor. Ich war unendlich froh, dass wir in so kurzer Zeit ein Loft gefunden hatten, das genug Platz für uns und unser Equipment bot und vom Preis her auch noch in unser Budget passte. Das Hotelleben wäre nicht mehr lange gut gegangen. Einige Gäste hatten sich mehrmals beschwert, da wir immer recht laut waren und in den späten Abendstunden schonmal unsere Instrumente zum Glühen brachten. Morgen sollte das normale Leben wieder beginnen und ich konnte es kaum erwarten. »Das machen wir auf jeden Fall und wir müssen eine kleine Einweihungsparty schmeißen. Aber bis dahin ist ja noch etwas Zeit, also stoßen wir jetzt erst einmal auf den gelungenen Abend an.« Ohne dass ich ein Veto einlegen konnte, reichte Sean mir ein Shotglas. »Was meinte Marc denn eigentlich, was war denn bei der Autogrammstunde los? Ich hatte das gar nicht mitbekommen?«, erkundigte er sich.
»Ach, nichts Besonderes«, tat ich schnell ab und hob mein Glas, um der Erklärung zu entgehen. »Und nun hör auf zu quatschen! Runter mit dem Shit.«
Das ließen sich die Jungs nicht zweimal sagen und in kürzester Zeit war die Flasche leer.
Kapitel 3
Sonntagmorgen. Ich öffnete die Augen und sah auf den Wecker. WTF, acht Uhr. Das konnte jetzt nicht wahr sein! Was war denn da draußen bitte los? Das ist doch Sarah? Genervt bewegte ich meine müden Knochen aus dem Bett. Für einen Augenblick hielt ich inne und atmete tief ein, um meinen Kreislauf zu stabilisieren. Das war gestern definitiv ein Kurzer zu viel gewesen. Wie in Zeitlupe zog ich mir meinen Bademantel über und machte mich auf die Suche nach der Ursache für Sarahs Geschrei. Sie stand am offenen Küchenfenster und sah genauso fertig aus wie ich. Der Absacker hatte wohl auch ihr den letzten Rest gegeben. Doch Kopfschmerzen schien sie nicht zu haben. Sonst würde sie jetzt nicht so laut rumpöbeln. »Wer sind Sie und was machen Sie hier? Es ist Sonntagmorgen! Wissen Sie eigentlich, wie spät es ist? Falls nicht, kann ich Ihnen gerne auf die Sprünge helfen! KURZ NACH ACHT! Und nun überlegen Sie mal: Sonntag, kurz nach acht! Kombinieren Sie und finden Sie den Fehler! Passt irgendwie nicht ganz zusammen, oder?« Eine sehr angenehme Männerstimme antwortete fröhlich: »Ich bin Luke O’Sullivan, einer der neuen Mieter. Wir ziehen gerade in den Seitenflügel ein. Und wer bist du?« Ein neuer Nachbar? Oh nein, Sarah! Mach es bloß nicht noch schlimmer! Wir können es uns nicht leisten, mit weiteren Anwohnern im Streit zu liegen.
»Wer ich bin? Das kann ich Ihnen sagen! Ich bin die, die ihren Vormieter gefressen hat, weil er auch der Meinung war, an einem Sonntag um acht Uhr Möbelrücken zu spielen«, brüllte sie und knallte das Fenster zu. Das hatte sie jetzt nicht gesagt. Nein, das hatte sie nicht!
»Sarah!«, fuhr ich sie scharf an. »Du kannst doch den neuen Nachbarn nicht so empfangen!«
»Du siehst doch, dass ich es kann!«, maulte sie und setzte sich an den Küchentisch. Ich musste irgendwie versuchen, die Wogen zu glätten. Also holte ich tief Luft und öffnete erneut das Küchenfenster. »Hallo, Entschuldigung, Herr O’Sullivan? Es tut mir leid, dass meine Mitbewohnerin sie so angeschnauzt hat. Es ist nur so, wir sind alle sehr müde. Gestern …« Als der neue Nachbar sich umdrehte, traute ich meinen Augen kaum. »War es wohl etwas zu feuchtfröhlich gewesen?«, bemerkte die attraktive Männerstimme und strahlte mit der frühen Morgensonne um die Wette. Ach du Scheiße, das war doch der Sänger aus dem Pub! Mit offenem Mund starrte ich ihn an. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Wir werden versuchen, etwas leiser zu sein.« Ich bekam nur ein dünnes »Danke« heraus. »Bestell deiner Freundin schöne Grüße! Das war bestimmt die bekannte Berlin-Style-Begrüßung, würde ich behaupten.« Er lächelte mich frech an. Oh mein Gott, war dieser Typ sexy! Warum war mir das gestern nicht aufgefallen? Mit seinen verstrubbelten, kurzen dunkelblonden Haaren und seiner zerrissenen Jeans sah er einfach nur atemberaubend aus. Komm schon, Emily, konzentriere dich.
»Äh ja klar, mache ich«, stammelte ich und schloss geschockt das Fenster.
»Was ist denn hier los? Sagt mal, habt ihr eine Ahnung, wie spät, besser gesagt, wie früh es ist?«, gähnte Ally, die nun auch in die Küche geschlichen kam.
»Sag mal Sarah, weißt du, wer das war?«, fragte ich sie leicht hysterisch.
»Ja, ich weiß, wer das war. Luke irgendwas«, erwiderte sie gelangweilt und goss sich ein Glas Wasser ein.
»Das war der Sänger von gestern Abend«, entgegnete ich stöhnend und ließ mich auf einen der freien Küchenstühle sinken.
»Das mag ja sein, aber trotzdem muss er doch nicht so einen Krach machen. Denn sind wir mal ehrlich, nach dieser Nacht brauchen wir alle etwas Ruhe und Schlaf. Nicht wahr, Ally!«
»Was willst du denn jetzt von mir.«
»Ich habe keine Lust, dir das jetzt ausführlich zu erklären. Ich sage nur so viel: Noah plus Ally gleich scheiße laut! Und jetzt lege ich mich wieder hin.« Sie griff nach ihrem Wasserglas und verschwand in ihrem Zimmer. Geschockt ließ ich den Kopf auf die Tischplatte fallen und konnte nicht glauben, was hier gerade passiert war.
Kapitel 4
What the hell! Das war die Kleine aus dem Pub. Berlin war eine Riesenstadt und ausgerechnet wir ziehen in das Haus von der Frau, die mich gestern Abend eiskalt abserviert hatte. Auch wenn ich es vor den Jungs nicht zugeben wollte, aber sie war mir sofort aufgefallen. Ihr rassiger Typ und ihre unglaublich schönen, großen braunen Augen gaben mir aus einem völlig unerklärlichen Grund das Gefühl, sie schon ewig zu kennen. Und heute stand sie wieder vor mir und sah trotz wenig Schlaf umwerfend aus, in ihrem Bademantel und ihren dunklen lockigen Haaren, die sie zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. War das ein Zufall oder Schicksal? Im Grunde war es egal. Ich durfte mich von ihr nicht aus der Bahn werfen lassen. Wir hatten eine Mission, unsere Musik! In ein paar Monaten würden wir Berlin wieder verlassen und zurück nach Irland gehen. Denn das war unsere Heimat und dort befand sich alles, was wir liebten, und zum Leben brauchten. Aber eins stand fest: Bis zu unserer Rückkehr mussten wir es schaffen, uns einen Plattenvertrag zu angeln.
»Willst du hier im Hof Wurzeln schlagen oder was ist mit dir los? Wir müssen noch einige Kartons hochtragen! Also hör auf, Löcher in die Luft zu starren und schlag dir die Kleine endlich aus dem Kopf! Du weißt genau wie ich, dass Frauen im Leben eines Mannes immer die Nummer eins sein sollten. Luke, das kannst du ihr momentan nicht geben.
Zudem muss ich sagen, dass sie mir nicht nach einer Frau aussieht, die dich ohne feste Absichten ranlässt, also erspare ihr die Tränen oder dir ihre Abfuhr«, meinte Finn. Das nannte ich einen Freund! Klar, er hatte mit allem was er sagte Recht, ohne Frage, aber aus irgendeinem Grund hatten seine Worte meinen Jagdtrieb geweckt. Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass ich den Jungs beweisen wollte, dass sie mich ranließ, oder ob ich es mir selbst beweisen wollte.
»Hey Alter! Ich muss noch mal kurz weg, aber ich beeile mich und dann packe ich auch wieder mit an!«
»Damn it, Bro! Wo willst du denn hin?«
»Ich werde da jetzt hochgehen und die Girls zur Einweihungsparty einladen. Und dann werdet ihr sehen, dass ihr euch getäuscht habt. Luke O hat bis jetzt jede Frau um den Finger gewickelt und das wird auch so bleiben!«
»Willst du dir wirklich noch eine Abfuhr einholen und seit wann nennst du dich Luke O? Wofür soll das O denn stehen?«
»So wurde ich von den Girls auf dem College genannt, da nie eine mein Bett ohne das große O verlassen hat.«
»Ach du Scheisse, mit dieser Fuckboy-Art ist dir die Abfuhr so was von sicher, mein Freund.«
»Finn, mach dir um mich keine Sorgen! Wenn ich erst einmal meinen Charme spielen lasse, dann kann sie nicht anders, als meine Einladung anzunehmen.«
»Ich hoffe, du verbrennst dir nicht die Finger an der Kleinen! «
»Du weißt doch, dass ich auf heiße Sachen stehe. Und eins solltest du dir merken: Nur wer heiß anfassen kann, kann auch heiß Liebe machen.« Sein Lachen hörte ich noch bis ins Treppenhaus. In Gedanken war ich aber schon bei meiner heißen Nachbarin. Ich fuhr mir mit den Fingern kurz durch die Haare und legte mein schönstes Lächeln auf.
Kapitel 5
Geistesabwesend saß ich immer noch am Küchentisch und überlegte, wie ich Sarah dazu bringen konnte, sich bei Luke zu entschuldigen.
Sie hatte uns mit ihrer ruppigen Art schon so einige Schwierigkeiten mit den Nachbarn eingebrockt und wir konnten es uns wirklich nicht leisten, mit noch einem Hausbewohner im Clinch zu liegen.
Da mir jetzt sowieso keine Lösung für das Problem einfallen würde, entschloss ich mich kurzerhand dafür, nochmal ins Bett zu gehen. Später würde ich Sarah ins Gewissen reden und sie bitten, die Sache aus der Welt zu schaffen.
Gerade als ich mich zu meinem Zimmer aufmachen wollte, klopfte es hektisch an der Tür. Wer mag das denn sein? Ich hoffte nicht, dass das einer von den anderen Nachbarn war, der sich jetzt auch noch beschweren wollte. Das verkraftete ich nicht.
Der Morgen war ja schon aufregend genug. Also schloss ich für einen Moment die Augen und öffnete die Tür. Ich staunte nicht schlecht, als ich erkannte, wer da stand. Zum Glück hatte Sarah sich ins Bett verzogen, sonst wäre die Sache hier und jetzt in die zweite Runde gegangen.
»Hey, ich wollte mich noch mal unter vier Augen vorstellen. Ich bin Luke O'Sullivan und wie du schon mitbekommen hast, bin ich gerade dabei, mit meiner Band in den Seitenflügel einzuziehen«, sagte er und schenkte mir ein Lächeln, das alles um mich herum vergessen ließ.
»Hallo, ich bin Emily Jones, Freunde nennen mich aber auch Em.«
»Ach, sind wir schon so weit, dass wir uns Freunde nennen?« Unweigerlich zuckte ich zusammen, »natürlich nicht, ich wollte es nur gesagt haben.« Was wollte er denn jetzt hier? »Ich denke, wir hatten keinen so guten Start und dafür wollte ich mich noch einmal entschuldigen. Ich habe mir gedacht, dass wir einen Neustart wagen sollten. Was hältst du davon, wenn ihr nächsten Samstag zu uns rüberkommt? Wir möchten eine kleine Einweihungsparty schmeißen. Da können wir das Kriegsbeil begraben und uns alle etwas besser kennenlernen.«
»Samstag?«, wiederholte ich und versuchte, mir meine Verwunderung über seine Einladung nicht anmerken zu lassen. »Da muss ich schauen und die Mädels fragen, ob es bei ihnen passt. Willst du kurz hereinkommen?« Lässig lehnte er sich in den Türrahmen und musterte mich eindringlich. Als sein Blick auf meiner Brust kleben blieb, begannen seine Augen zu leuchten. Schnell sah ich an mir herunter und musste mit Erschrecken feststellen, dass mein Bademantel sich etwas geöffnet hatte und ihm so einen perfekten Einblick in mein Dekolleté bot. »Na, gefällt dir, was du siehst? Mach dir bloß keine Hoffnung!«, blaffte ich ihn an und knotete mit flinken Fingern den Bademantel zu. Was dachte er sich dabei? Dass sein Zahnpastalächeln und seine Blicke ihm jedes Höschen öffneten oder wie? Als ich ihn das fragen wollte, stieß er sich gekonnt von der Türschwelle ab und sah mir tief in die Augen. Nun trennten uns nur noch wenige Zentimeter. So wenige, dass ich beinahe das Atmen vergaß. Er hob seine Hand und strich mir vorsichtig eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht. Reflexartig machte ich einen Schritt zurück und wiederholte etwas schroffer, ob er jetzt hereinkommen wollte.
»Bei so einer Einladung sage ich eigentlich nicht nein. Aber heute muss ich dich leider enttäuschen. Die Jungs warten auf mich und wir haben noch eine Menge zu tun. Wenn ihr Zeit habt, dann kommt so um acht vorbei. Ich habe auch nichts dagegen, wenn du den Bademantel trägst. Ganz im Gegenteil, ich würde mich sogar freuen.« Kopfschüttelnd sah ich ihm einen Moment lang nach und fragte mich, wie ich Sarah die Einladung schmackhaft machen konnte.
Kapitel 6
Das war doch gar nicht so schlecht gelaufen! Natürlich wäre ich gerne mit hineingegangen und hätte mir angeschaut, wie Emily so wohnt. Vielleicht hätten wir dann Kaffee getrunken, gequatscht und uns etwas kennengelernt, aber das konnte ich den Jungs beim besten Willen nicht antun. Die drei waren wahrscheinlich eh schon sauer, weil ich mich vom Acker gemacht hatte. Aber ich werde ihnen sagen, dass ich auf Mission gute Nachbarschaft unterwegs war.
»Hey, da bist du ja wieder! Wo warst du denn? Wir schleppen hier wie die Packesel und du machst dir einen Bunten oder wie? Schnapp dir jetzt eine verdammte Kiste und beweg deinen Arsch!« Shit, das hörte sich nach Stress an. Aber wenn ich ihnen erst mal erzählte, dass ich die Ladys zur Einweihungsparty eingeladen hatte, würde sich das alles wieder in Rauch auflösen. Hoffte ich zumindest.
»Na Bro, musstest du nach der Abfuhr erst mal deine Tränen trocknen oder was hat da so lange gedauert?«, erkundigte sich Finn und streckte Marc die Hand zum High five hin.
»Wahnsinnig lustig! Ich brauchte nichts zu trocknen. Ganz im Gegenteil, ich habe Emily und ihre Freundinnen für Samstag zu uns eingeladen. Und nach meinem Bauchgefühl zu urteilen, werden sie kommen. Was sagt ihr jetzt?« Stolz hielt ich inne und konnte mir mein triumphierendes Lächeln nicht verkneifen.
»Nicht schlecht, Luke. Willst du uns also zeigen, dass du bei der Kleinen doch noch punkten kannst oder was ist dein Plan? So richtig verstehe ich das Ganze, wenn ich ehrlich bin, nicht. Du hast doch gesehen, dass die Ladys im Pub uns zu Füßen gelegen haben und wenn es dir nur um einen One-Night-Stand geht, wäre es mit einer von ihnen viel leichter. Also klär uns auf, warum ausgerechnet sie?«, erkundigte sich Marc verwirrt, auch die anderen schienen an meiner Antwort interessiert. Warum sie? Das war eine gute Frage, die ich mir selbst nicht beantworten konnte.
»Kann es sein, dass du dich verschossen hast, Kleiner?«, fragte Sean mitfühlend.
»Ach, so ein Blödsinn! Eine Beziehung ist in erster Linie Arbeit und eine große Verantwortung, die mit viel Zeit verbunden ist, und das passt, wie ihr selbst wisst, gerade nicht in unser Konzept.«
»Dann bin ich beruhigt und somit wird es dir sicherlich auch nichts ausmachen, wenn wir uns für Samstag dann auch noch ein paar Ladys einladen«, sagte Marc und sah mich erwartungsvoll an.
»Nein, alles cool. Je mehr, desto besser«, antwortete ich und hoffte, dass Emily das genauso sehen würde.
Kapitel 7
Seit einer geschlagenen Stunde stand ich schon vor dem Kleiderschrank und überlegte, was ich anziehen sollte. Nach weiteren fünf Minuten entschied ich mich letztendlich für die gute alte Jeans. Die ging einfach immer! Dazu ein schwarzes Spitzen-Tank-Top und fertig war der Lack. Schnell die Locken gebändigt und auf dem Weg zur Küche in die Boots geschlüpft. Perfekt!
»Ach, sieh mal einer an, unsere Emily hat es endlich geschafft, sich ein Outfit rauszusuchen.« Ally konnte manchmal so eine Hexe sein, aber ich wusste ja, wie sie es meinte. Um die Diskussion nicht weiter auszudehnen, klatschte ich auffordernd in die Hände.
»Kommt jetzt! Keine langen Reden schwingen, wir sind eh schon viel zu spät dran.«
»Ja Süße, das mag sein, aber es liegt nicht an uns!«
»Ich weiß! Also los jetzt Mädels, Abflug. Sarah, vergiss bitte die Weinflasche nicht!«
»Yes, Ma‘am«, antwortete sie wie aus der Pistole geschossen und begann lauthals loszulachen.
Als wir in den Hof traten, wummerten uns schon Bässe und Stimmen entgegen.
»Mhh. Nach einem gemütlichen Kennenlernen hört sich das für mich aber nicht an!«, stellte Ally erstaunt fest.