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Diese Augen, dieser Körper, dieses Lächeln: Wenn sie Tyce Latimore nur ansieht, ist Sage verloren. Aber sie darf sich nicht in den berühmten Künstler verlieben. Zu groß ist ihre Angst davor, verletzt zu werden. So sehr sie seine Leidenschaft genießt: Tyce kann für sie nur ein flüchtiges Abenteuer sein. Doch ein süßes Geheimnis ändert plötzlich alles, und Sage steht vor der Entscheidung ihres Lebens: Vertraut sie ihrem Herzen, das sich nach Tyce sehnt? Oder hört sie auf ihren Verstand und leugnet ihre Gefühle?
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Seitenzahl: 208
IMPRESSUM
BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2018 by Joss Wood Originaltitel: „Little Secrets: Unexpectedly Pregnant“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 2056 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Maike Claußnitzer
Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 11/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733724474
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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„Warum lässt diese Skulptur mich bloß an heißen, unglaublichen, fantastischen Sex denken?“, fragte Piper.
Sage Ballantyne sah die Frau an, die hoffentlich ihre Schwägerin werden würde, antwortete aber nicht auf die Bemerkung. Tyce Latimores Werke – ob nun seine Ölgemälde oder die Statuen aus Holz und Stahl – riefen immer starke Reaktionen hervor. Er war einer der besten Künstler seiner Generation. Vieler Generationen.
Zum Glück war er auch der einzige Künstler seiner Generation, der sich weigerte, zu den Vernissagen seiner Ausstellungen zu erscheinen. Hätte auch nur die geringste Wahrscheinlichkeit bestanden, dass er hier auftauchen würde, wäre Sage weggeblieben.
Sie musterte die abstrakte, fast zwei Meter hohe Statue, die ungewöhnlich wirkte im Vergleich zu den geschwungenen Formen, die für Tyce sonst typisch waren.
„Keine einzige Kurve in Sicht, aber sie zeigt eindeutig Lust und Leidenschaft“, sagte Piper.
Sage hob die Augenbrauen. „Ich sehe nicht, was du siehst.“
Piper zog Sage neben sich. „Versuch es aus dieser Perspektive“, schlug sie vor und wurde rot.
Sage lachte über Pipers Verlegenheit und sah dann wieder die Statue an. Aus diesem Blickwinkel ähnelte sie wirklich zwei Menschen, die sich über einen Schreibtisch beugten. Piper hatte recht: Wenn man die Verbindung erst einmal hergestellt hatte, sah man dem Werk die Leidenschaft an. Diese Skulptur würde sicherlich in allen Besprechungen seiner Werke einen Platz finden. Die Kunstkritiker würden auf eloquente Art und Weise von Tyces Einstellung zur menschlichen Sexualität schwärmen.
Sage wusste, was Tyce von Sex hielt: Er mochte ihn. Oft und auf jede nur erdenkliche Art.
„Aber was soll das mit dem Frosch?“, fragte Piper und schlenderte zu einem anderen Ausstellungsstück weiter.
Sage erstarrte. Oh nein, er hat doch wohl nicht … Bestimmt nicht. Sogar Tyce Latimore wäre nicht so dreist …
Sie sah die Skulptur noch einmal an. Auf dem „Tisch“ saß tatsächlich ein winziger, schön gearbeiteter Stahlfrosch, dessen Oberfläche so behandelt war, dass sie grünlich schimmerte. Im Handumdrehen fühlte Sage sich drei Jahre zurückversetzt.
Sie waren getrennt auf einer Party erschienen, um ihre Beziehung nicht publik zu machen. Die Erbin und der beruflich wie privat begehrte Künstler – das wäre eine Sensation gewesen. Sie hatten den ganzen Abend über so getan, als würden sie einander nicht kennen. Die Anspannung war heiß und sexy, und als Tyce ihr ins Ohr flüsterte, dass sie sich in der Bibliothek treffen sollten, vibrierte sie vor Nimm-mich-jetzt. Kaum dass sie sich in die Bibliothek geschlichen hatten, schloss er die Tür ab. Er schob ihr das Kleid hoch und zog ihr das Höschen aus. Er öffnete den Reißverschluss seiner Hose, beugte sich über Sage und nahm sie hart und schnell von hinten.
Der Jadefrosch auf dem Schreibtisch ihres Gastgebers hatte sie missmutig beobachtet.
Sage holte tief Luft. Das Herz drohte ihr aus der Brust zu springen. Wie kann er es wagen? Was sie getan hatten, ging niemanden etwas an.
Ein Beweis mehr, dass es richtig gewesen war, ihn vor drei Jahren zu verlassen.
„Die Skulptur ist mir nicht leichtgefallen“, ertönte Tyces unverkennbar tiefe und samtige Stimme hinter ihr. „Die Erinnerung an den Abend – und an andere – hat mich die ganze Zeit abgelenkt.“
Er sprach so leise, dass nur sie es hören konnte. Sie drehte sich nicht um, aber sie spürte die Hitze, die sein Körper ausstrahlte, und sog seinen absolut maskulinen Duft nach Seife und Sex-Appeal ein. Lust rauschte durch ihren Körper. Wie üblich hatte Sage das Gefühl, als wäre sie an eine Steckdose angeschlossen. Ihre Haut prickelte, ihr Herz geriet ins Stolpern, und ihre Gedanken überschlugen sich.
Drei Jahre, und er konnte sie immer noch aus tiefster Ruhe in den Wahnsinn treiben. Drei Jahre, und sie wollte ihn instinktiv anflehen, mit ihr ins Bett zu gehen. Drei Jahre, und statt wütend zu sein, dass er ihre Begegnung in der Bibliothek dargestellt hatte (wenn auch sehr abstrakt), wollte sie ihn küssen.
Oder ohrfeigen.
Damals wie heute zog er sie an und faszinierte sie. Normalerweise fiel es Sage leicht, auf Distanz zu Männern zu gehen, die sie zu attraktiv oder zu interessant fand. Sie waren den Schmerz nicht wert, der unweigerlich folgte, wenn man sich auf jemanden einließ.
Aus Selbstschutz fing Sage nur selten engere Beziehungen an. Bei Tyce hatte sie sechs Wochen gebraucht, um sich zu überwinden, mit ihm Schluss zu machen. Er war überaus gefährlich.
Verführerisch, süchtig machend … all das und mehr.
Also kam es ganz eindeutig nicht infrage, ihn zu küssen.
Sage wirbelte auf ihren High Heels herum. Ihre Hand traf auf seine Wange. Es tat ihr sofort leid. Seine schönen Gesichtszüge erstarrten. Seine Obsidianaugen wurden, wenn das überhaupt möglich war, noch dunkler. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber statt zu sprechen, packte er sie bei den Hüften und zog sie an seine harte, muskulöse Brust. Er drückte seinen zornbebenden Mund auf ihren und ließ seine heiße Zunge zwischen ihre Lippen gleiten. Sage wurde an einen Ort mitgerissen, an den nur Tyce sie bringen konnte. Sie krallte ihre Fingernägel in seine Arme, spürte seine Muskeln durch das schwarze Oberhemd hindurch und wollte mehr. Sie fuhr ihm über die breite Brust und über den Waschbrettbauch, an dem sie so gern geknabbert hatte.
Tyce löste den Mund von ihrem. „Komm mit.“
Sage sah sich nach Piper um und fing ihren Blick auf. Piper winkte und erlaubte ihr stumm, ohne sie zu gehen.
Das ist keine gute Idee.
Aber statt Nein zu sagen und davonzulaufen – sonst war sie doch gut darin, Abstand von Menschen zu halten! –, legte sie ihre Hand in seine und ließ sich von ihm aus der Galerie führen.
Tyce rollte aus dem breiten Bett in seinem zeitweiligen Apartment und ging ins luxuriöse angrenzende Bad. Nach all der Zeit, in der sie keinen Kontakt zueinander gehabt hatten, war Sex mit Sage immer noch fantastisch.
So gut ist Sex mit niemandem sonst, dachte er, als er das Kondom wegwarf. Aber Sex war bei ihnen nie das Problem gewesen. Alles andere sehr wohl.
Tyce beugte sich vor und tastete seinen rechten Wangenknochen ab. Es hätte ihn nicht überrascht, wenn Sages Schlag vor zehn Stunden Spuren hinterlassen hätte, aber er fand keine. Er atmete aus. Nur sie beide konnten binnen einer Stunde von einer Ohrfeige zu wildem Sex übergehen. Er und Sage Ballantyne waren schon immer eine explosive Mischung gewesen. Es hatte seine Gründe, dass sie einander seit drei Jahren aus dem Weg gingen: Wenn sie im selben Raum waren, brach immer ein Feuersturm los.
Nach Sages erschrockenem Blick zu urteilen, war sie erstaunt gewesen, ihn auf der Vernissage zu sehen. Er konnte es ihr nicht verdenken. Es war untypisch, dass er gestern Abend dort gewesen war. Er hasste es, über seine Arbeit zu reden und sich anzuhören, wie die Leute ihm und seiner Kunst schmeichelten. Für ihn war die Sache ganz einfach: Wenn euch gefällt, was ich mache, kauft es. Wenn nicht, ist es mir egal.
Es war unnötig, bei jedem einzelnen Werk endlos über Einflüsse und Inspiration zu diskutieren. Zum Glück kam das, was er schuf, bei Kunstliebhabern gut an. Seine Schweigsamkeit und sein Einsiedlerdasein trugen, wie sein Agent Tom behauptete, zu seiner geheimnisvollen Aura bei.
Er war nur auf der Ausstellung gewesen, weil Tom darauf bestanden hatte, dass er die reiche Firmenchefin kennenlernte, die eine Skulptur für die Lobby ihrer neuen Konzernzentrale kaufen wollte. Der Auftrag würde sein leeres Konto füllen. Deshalb konnte er zu dem Treffen nicht Nein sagen.
Alle Gedanken an den Auftrag, seinen Agenten und die Vernissage waren vergessen, als er Sage zum ersten Mal seit drei Jahren wieder zu Gesicht bekam.
Kaum dass er sie bemerkt hatte, wurde Tyce schwindelig. Seine Haut schien ihm zu eng, und die Welt geriet aus dem Gleichgewicht. Verdammt. Sage war immer noch so verführerisch wie damals und brachte ihn nach wie vor um den Verstand. Alles verblasste, und er wandte sich von der Unternehmerin ab – die sehr feminin und sehr interessiert an ihm war –, um sich durch die Menge zu Sage zu drängen.
Man hätte ihr Haar als schwarz beschreiben können, aber das war es eigentlich nicht. Der Farbton war das tiefste Dunkelbraun, das er je gesehen hatte. Ihre Augen waren blau wie marokkanische Fliesen und ihr Körper geformt von vielen Ballettstunden.
Sage war so verdammt anmutig und zum In-die-Knie-Gehen sexy, dass es ihm den Boden unter den Füßen wegzog. Sie war die einzige Frau, die ihm je Herzklopfen und Atemnot beschert hatte, die sein Gehirn mein, mein, mein skandieren ließ. Er hatte an Baumwolllaken und ein riesiges Bett gedacht, als er sich ihr genähert hatte, und es war ihm nur natürlich vorgekommen, mit einem anzüglichen Spruch in die Unterhaltung einzusteigen. Das hatte sie offenbar anders gesehen und wütend mit einer Ohrfeige geantwortet. Aber weil er das Verlangen in ihren Augen gesehen hatte und sie ein tiefes, erregtes Keuchen von sich gab, als seine Lippen auf ihre trafen, hatte er seine brennende Wange ignoriert und … dann brach ein Feuerwerk der Sinne aus. Eine Stunde später waren sie beide nackt und außer Atem gewesen, und so ging es die ganze Nacht weiter.
Tyce strich sich übers Gesicht. Gestern Abend hatten sie ihren Körpern das Reden überlassen, aber nun war die Sonne aufgegangen, und die Realität klopfte an die Tür.
Wortwörtlich. Tyce öffnete die Tür auf ein leises Pochen hin und sah Sage in die strahlenden Augen. Ballantyne-Augen. Sie ist wunderschön, dachte er und spürte, wie Erregung erneut seinen Körper erfasste. Sie hatten fast die ganze Nacht über umwerfenden Sex gehabt, und er wollte immer noch mehr.
Er verspannte sich aber sofort, weil er damit rechnete, dass sie ihn bitten würde, sie noch einmal zu treffen oder später anzurufen. Beides kam nicht infrage. Es gab zu viele Geheimnisse zwischen ihnen, eine Vorgeschichte, die das unmöglich machte.
„Ich sollte dir wegen der Skulptur die Hölle heißmachen“, sagte sie, „aber ich habe nicht die Energie für mehr als Kaffee. Schade, dass keiner da ist. Ich habe nachgesehen. Wohnst du überhaupt hier?“
Sie stellte die Frage scherzhaft, aber sie traf einen wunden Punkt. Wie würde sie reagieren, wenn er ihr sagte, dass er dieses Apartment in Chelsea, das seinem wichtigsten Kunden gehörte, nur gelegentlich nutzte? Es war einfacher, sich mit Sage in Manhattan zu treffen, als ihr zu erklären, dass er, obwohl seine Werke Verkaufspreise in Millionenhöhe erzielten, gerade genug Geld hatte, um weitere riesige abstrakte Gemälde zu schaffen, Stahl für seine Statuen zu kaufen und die Hypothek und die Nebenkosten für das Lagerhaus in Brooklyn zu zahlen, in dem er arbeitete. Und wohnte.
Sage wartete auf seine Antwort. Als er nichts sagte, zuckte sie mit den Schultern. „Wenn du den Saft des Lebens nicht hast, gehe ich jetzt.“
Er wollte protestieren, aber er wusste, dass es das Beste war, also nickte er nur. Es hatte sich schließlich nichts geändert.
Sage schlüpfte in ihre Designerjeans und hakte den Verschluss ihres fliederfarbenen BHs zu. Tyce, der sich nackt wohlfühlte, lehnte sich mit der Schulter an den Türrahmen und sah zu, wie sich Anspannung in ihre Haltung und in ihre langen, athletischen Gliedmaßen schlich. Er wusste, was sie dachte: Wieso harmonieren wir im Bett perfekt, wenn wir außerhalb des Schlafzimmers unfähig sind, miteinander zu reden?
Das war schon immer so gewesen. Im Bett klappte es großartig, aber sonst war alles hoffnungslos. Tyce war es gewohnt, allein zu sein, und er hatte Mühe gehabt, seiner Kunst und Sage gleich viel Aufmerksamkeit zu schenken. Die Kunst hatte gewonnen. Er hatte damals wie heute so viele Werke verkaufen müssen, wie er konnte. Aber vor allem wusste er, dass er emotional auf Abstand bleiben musste. Eine feste Beziehung verlangte mehr, als er geben konnte. Seine Geliebten hatten kein Verständnis für sein Bedürfnis, ganze Tage in seinem Atelier zu verbringen, das er nur verließ, um zu essen, zu duschen oder Sex zu haben. Sie wollten Aufmerksamkeit und Zuneigung, während er vor allem allein gelassen werden wollte. Er war damit zufrieden, sich in seinen düsteren Ölgemälden und seinen Statuen aus Stahl und Holz auszudrücken. Menschliche Nähe war nichts für ihn. Er hatte all seine emotionale Energie dafür aufgebraucht, sich um seine depressive Mutter zu kümmern und seine kleine Schwester großzuziehen. Er wollte sich nie wieder so fühlen, als stünde er auf einem wackligen Floß in stürmischer See. Er hatte Sage innerlich auf Abstand gehalten, unfähig, sie gehen zu lassen, aber überzeugt, dass sie mehr brauchte und verdient hatte. Der Tod ihres Adoptivvaters hatte alles verändert. Da er sich nicht binden wollte, hatte Tyce die Situation genutzt, um auf Distanz zu gehen. Zu seiner Überraschung hatte Sage es zugelassen und ihn nie wieder kontaktiert.
Wenn er ihr geholfen hätte, Connor Ballantynes Tod zu verarbeiten, wäre ihre Beziehung nicht mehr oberflächlich gewesen, sondern etwas Ernstes. Davor hatte er zu viel Angst gehabt, um das Risiko einzugehen.
Tyce rieb sich das Gesicht. Mit den Ballantynes war das so eine Sache. Nur er und seine Schwester Lachlyn wussten, dass Lachlyn Connor Ballantynes uneheliche Tochter war. Dass Tyce sich zu Sage hingezogen fühlte, war alles andere als hilfreich.
Er griff hinter sich, nahm ein Handtuch vom Halter und schlang es sich um die Hüften, ohne den Blick von Sage zu wenden, die gerade in spitze High Heels schlüpfte.
Sie hängte sich ihre Ledertasche über die Schulter. „Ich gehe jetzt.“
Er sah einen feuchten Schimmer in ihren Augen. Sein Herz zog sich zusammen.
Er hatte Sage nie wehtun wollen, weder jetzt noch vor drei Jahren.
„Sage, ich …“ Er wusste selbst nicht, was er sagen wollte. Geh nicht? Danke für die tolle Nacht? Lass es uns noch einmal versuchen?
Der zweite Satz war nichtssagend, der dritte unmöglich. Deshalb küsste er sie nur auf die Schläfe. „Pass auf dich auf“, murmelte er.
Sage stupste ihm mit dem Finger gegen den Bauch. „Wenn ich in deiner Kunst irgendeine Anspielung auf diese Nacht sehe, bringe ich dich um.“
Hocherhobenen Hauptes rauschte sie aus dem Zimmer, die perfekte Mischung aus Klasse und Frechheit.
Tyce kehrte ins Bad zurück, hob den Kopf und sah sein Spiegelbild an. Der Mann, der seinen Blick erwiderte, beeindruckte ihn nicht. Seine Schwester Lachlyn hatte es verdient, einen Teil der Firma ihres Vaters Connor zu besitzen. Er glaubte, dass er das Richtige und Ehrenhafte tat, indem er Ballantyne-Aktien aufkaufte, aber mit Sage zu schlafen, hatte nie zu seinem Plan gehört. Ursprünglich hatte er sie einfach nur kennenlernen wollen, um so viel wie möglich über ihre berühmte Familie herauszufinden und diese Informationen zu seinem und Lachlyns Vorteil zu nutzen.
Er hatte nicht damit gerechnet, dass ein solches Verlangen zwischen ihnen auflodern würde. Damals hatte er geglaubt, es würde ihm leichtfallen, sie zu verlassen, sobald sie sich miteinander ausgetobt hatten. Aber es war viel schwerer gewesen als erwartet. Gestern Abend war er endgültig eines Besseren belehrt worden. Solange er lebte, würde er Sage Ballantyne begehren …
Wie eine vorschnellende Schlange sauste seine Faust in den Spiegel über seinem Kopf. Glas flog ins Waschbecken und auf den Fußboden. Tyce starrte sein verzerrtes Spiegelbild in den wenigen Scherben an, die noch im Rahmen hingen, und nickte befriedigt.
Das sah schon eher nach dem Mann aus, den er kannte.
Drei Monate später
„Willst du mich wieder ohrfeigen?“
„Wer weiß? Die Nacht ist noch jung.“
Tyce ließ sich auf den Barhocker neben Sage gleiten, bestellte einen Whiskey und sah seine ehemalige Geliebte an. Sie hatte ihre langen Locken zu einem strengen Pferdeschwanz frisiert, sodass die Augen ihr Gesicht dominierten. Heute war die Iris blau wie Immergrünblüten und von einem dunklen Ring umgeben. Je nach Stimmung erstrahlten ihre Augen in Marineblau, Jeansblau oder diesem ungewöhnlichen Marokkanischblau.
Auf alle Fälle waren sie zum Niederknien. Gott hatte nicht fair gespielt, als er diese unglaubliche Auswahl von Blautönen mit einem Gesicht kombiniert hatte, das fast perfekt war: herzförmig, mit hohen Wangenknochen und ausgeprägtem Kinn. Nur zum Spaß hatte Gott diesen Kopf auf einen ebenso gertenschlanken wie femininen Körper gesetzt.
Tyce liebte ihr Gesicht, er liebte ihren Körper, und er liebte es, mit ihr zu schlafen … Er wollte ihren Mund küssen und unbedingt diese cremefarbene, warme Haut liebkosen.
Es war alles so verdammt lange her. Nach drei Jahren, die für ihn die Hölle gewesen waren, hatte die eine Nacht mit ihr sich angefühlt, als würde man einem Verdurstenden einen einzigen Tropfen Wasser einflößen. Er wollte ihre Beine um seine Hüften spüren, ihr leises Stöhnen hören, seine Zunge in ihren heißen Mund versenken.
Sage hatte keine Ahnung, dass ihm die Hose zu stramm wurde und seine Lunge nur mit Mühe Luft aufnehmen konnte. Sie nippte an ihrem Drink und rümpfte die Nase auf eine Art, die er schon immer niedlich gefunden hatte. „Ich sollte mich wohl dafür entschuldigen, dass ich dich geschlagen habe. Aber der Vorfall hat es in sämtliche Klatschspalten geschafft, deiner ohnehin schon erfolgreichen Ausstellung noch mehr Publicity beschert und deine übertriebenen Preise in noch astronomischere Höhen schnellen lassen.“
Übertrieben? Tyce zuckte zusammen und hob dann die Schultern. Auch ihm war derselbe Gedanke schon ein- oder zweimal gekommen. Die Preise, die seine Kunstwerke einbrachten, waren unglaublich. Es war, als wäre er ein moderner Picasso oder Rembrandt. Dabei war er bloß ein Mann, der Stahl und Holz zusammensetzte und Farbe so auf einer Leinwand verteilte, dass es den Leuten gefiel. Die Kunstkritiker, sein Agent und sämtliche Galeriebesitzer wären schockiert gewesen, wenn sie erfahren hätten, wie wenig Mühe ihn die Kunst kostete, die sie alle so verehrten.
Niemand ahnte, dass er die meiste Zeit damit verbrachte, detaillierte Porträts anzufertigen, die bis zum letzten Pinselstrich realistisch waren. Seine Porträts – intim, ehrlich, voller Herzblut – waren die Werke, in denen er sich selbst fand und verlor. Viele dieser nie ausgestellten Bilder zeigten Sage. Tyce wusste nicht, was das zu bedeuten hatte, und wollte auch nicht darüber nachdenken.
Schweigen senkte sich zwischen ihnen herab. Tyce sah sich im Saal um. Er war überrascht gewesen, als Sage ihn zur Cocktailparty und Schmuckausstellung der Ballantynes eingeladen hatte, aber es wäre ihm nie in den Sinn gekommen zu kneifen. Man verzichtete doch nicht auf eine Gelegenheit, sich eine der besten Sammlungen unglaublich seltener und wertvoller Schmuckstücke anzusehen. Außerdem war er neugierig auf die neue Kollektion, die Sage designt hatte und die wie erwartet fantastisch war. Verspielt, aber modern, feminin, aber stark … Typisch Sage. Und weil er ein Mann war, hoffte er, dass Sages Bitte um ein Treffen zu so wildem Sex führen würde, dass das Bett zusammenbrach.
Es gab nur eine Art, das herauszufinden. „Hast du es auf einen Quickie abgesehen?“
Sage blinzelte. „Was?“
„Wolltest du mich treffen, damit wir wieder miteinander ins Bett gehen?“
„Du arroganter Mistkerl!“ Ihre Augen sprühten vor Wut Funken, und sie lief rot an. „Spinnst du?“
Wahrscheinlich. Wenn ja, dann waren nur ihre unglaublichen Augen, ihr Körper und die Erinnerung daran, wie gut sie zusammen harmonierten, dafür verantwortlich.
„Also hast du mich nicht kontaktiert, um mich zu heißem Sex zu überreden?“ Er musste sich nicht anstrengen, enttäuscht zu klingen. Die Erinnerung daran, wie er Sage berührt, geschmeckt und geliebt hatte, hielt ihn fast jede Nacht wach. Er wünschte, er würde sich nur an ihren Duft, ihre weiche cremefarbene Haut und ihren Geschmack auf seiner Zunge erinnern. Aber leider wagte sein Verstand sich immer wieder auf gefährliches Terrain: wie es sich anfühlen würde, morgens aufzuwachen und ihr Gesicht zu sehen oder sie abends leise Gute Nacht sagen zu hören, bevor er einschlief. Den Gedanken an ein Leben an Sages Seite unterdrückte er meist schnell.
Sage gehörte zu einer dynamischen, erfolgreichen Familie, und damit meinte er nicht den immensen Wohlstand der Ballantynes. Sage und ihre Brüder wussten, was es hieß, eine Familie zu sein.
Er hatte nicht die leiseste Ahnung davon. Soweit er wusste, funktionierten die Ballantynes wie eine gut geölte Maschine: Jeder Einzelne war einzigartig, aber unverzichtbar für den Gesamtzusammenhang.
Tyce war der Motor seiner Familie gewesen – ein Motor, der immer kurz davor gewesen war, den Geist aufzugeben. Er hatte sein Bestes getan, Lachlyn mit allem zu versorgen, was sie brauchte, aber er war so verdammt beschäftigt damit gewesen, zu überleben, dass er seine Schwester emotional vernachlässigt hatte. Als Lebensgefährte für Sage kam nur ein emotional intelligenter Mann infrage, der sich in den Ballantyne-Clan einfügen konnte.
Tyce war nicht dieser Mann. Er würde es auch nie sein, und es war dumm, auch nur daran zu denken, dass er es sein könnte.
Als er ihre SMS mit der Einladung gesehen hatte, war er also zu dem einzig sinnvollen Schluss gekommen: Sie wollte noch einen One-Night-Stand. Beim Duschen hatte er sich ausgemalt, wie er sie nehmen würde … Langsam oder schnell? Sie oben oder er? Wie auch immer, das Einzige, was unbedingt sein musste, war, dass er ihr in die Augen schaute, wenn sie zum Höhepunkt kam. Er wollte sehen, ob sie ihn so sehr brauchte wie er sie.
Statt weich und verträumt zu wirken, loderten ihre Augen nun vor Wut. Stimmt, das hier ist ja das echte Leben …
„Nein, Tyce, ich habe dich nicht angerufen, weil ich heißen Sex will“, antwortete sie.
Tyce nippte an seinem Whiskey. Wirkte sie nervös? Plötzlich hatte er keine Lust mehr, sie aufzuziehen.
„Aber ich habe dir etwas zu sagen“, fuhr Sage fort.
Er rieb sich das Kinn und hatte das dumme Gefühl, dass Sage seine Welt gleich aus den Angeln heben würde. Das wollte er nicht. Er wollte entweder Sex mit ihr oder nach Hause fahren und malen. Da Sex nicht zur Debatte stand, juckte es ihm in den Fingern, Öl auf die Leinwand zu bringen und seinen Frust in Indigoblau, Indischrot, Manganviolett und Magenta auszutoben.
„Spuck’s schon aus“, stieß er hervor.
Sage schloss kurz die Augen. Als sie sie wieder öffnete, sah er ihr die Entschlossenheit an. „Ich erwarte nichts von dir, weder Geld noch Zeit. Aber du solltest wissen, dass ich schwanger bin. Das Baby ist von dir.“
Tyce hatte immer noch nicht verdaut, was sie gesagt hatte, als sie ihm schnell einen Abschiedskuss gab. „Auf Wiedersehen, Tyce. Es war … schön. Manchmal.“
Sage hatte gesagt, was sie zu sagen hatte. Sie stand auf und wollte gerade ihre Tasche nehmen, als Tyce sie am Handgelenk packte.
Als sie ihn ansah, wirkten seine Augen wie schwarzes Feuer. „Bleib hier.“
Diese Augen.Mein Gott, sie lassen mir immer noch die Knie weich werden. Kriegeraugen, dachte Sage. Weil er sie so aus der Fassung brachte, bedachte sie ihn mit einem kühlen Blick. „Ich bin kein Welpe, den du erziehen kannst.“
Tyce kniff sich in den Nasenrücken. „Mein Gott, Sage, gib mir eine Sekunde, okay? Du hast mir gerade gesagt, dass du schwanger bist! Ich brauche ein bisschen Zeit. Also setz dich einfach wieder, ja?“
Als sie den panischen Unterton in seiner Stimme hörte, ließ Sage sich wieder auf den hohen Barhocker gleiten und schlug die Beine übereinander. Sie hörte, wie Tyce noch einen Whiskey bestellte, und beobachtete, wie sein Gesicht langsam wieder Farbe bekam.
„Wir müssen …“, begann sie.
Tyce schüttelte den Kopf. „Ich brauche noch einen Drink und etwas Zeit.“
Sie nickte und lehnte sich zurück, ein bisschen erleichtert, dass sie es ihm endlich gesagt hatte. Sie hatte es hinter sich. Es hatte ihr allen Mut abverlangt, ihm die SMS zu schicken. Sie konnte es ihm nicht verdenken, dass er auf einen One-Night-Stand gehofft hatte. Ihre Beziehung beruhte auf körperlichem Begehren, und er war ein Mann … Natürlich denkt er, dass ich bloß Sex will.
Aber der hatte sehr große Konsequenzen gehabt.
Sage bewegte den Kopf, um die Verspannungen in ihrem Nacken zu lockern. Sie würde ihm die Zeit lassen, die er brauchte, um die Neuigkeit zu verkraften. Dann würden sie ein hoffentlich dramafreies Gespräch führen, und sie würde gehen, um ihre – wie sollte sie es nennen? Affäre? Achterbahnfahrt? Dummheit? – hinter sich zu lassen.