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Dank eines waghalsigen Einsatzes konnten die Rebellen auf Terra befreit werden. Niemand ahnt jedoch, dass dies zum Plan des Imperators gehörte. Und so ist es ein Schock, als "Projekt Vergeltung" im Alzir-System zuschlägt. Obwohl Santana Pendergast sofort aktiv wird, ist die Zahl der Opfer groß. Kann das Verhängnis noch aufgehalten werden? Unterdessen befindet sich die HYPERION im Einsatz. Auf CORE I will Captain Cross endlich die benötigten Antworten finden, um das Rätsel um Stark, Sarah McCall und all die Verwebungen in der Vergangenheit aufzuklären. Doch als der Interlink-Kreuzer sein Ziel erreicht, werden sie bereits erwartet. In Vorbereitung: Band 12: Omega - Der Jahrhundertplan (Oktober 2013) Am 01. November 2265 übernimmt Captain Jayden Cross das Kommando über die Hyperion. Ausgerüstet mit einem neuartigen Antrieb und dem Besten an Offensiv- und Defensivtechnik, wird die Hyperion an den Brennpunkten der Solaren Union eingesetzt. Heliosphere 2265 erscheint seit November 2012 monatlich als E-Book sowie alle 2 Monate als Taschenbuch. Hinter der Serie stehen Autor Andreas Suchanek (Sternenfaust, Maddrax, Professor Zamorra), Arndt Drechsler (Cover), Jonas Hoffmann (Technischer Redakteur) und Anja Dyck (Innenillustrationen).
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Seitenzahl: 168
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Impressum
Cover: Arndt Drechsler Lektorat: Daniela Höhne, Christian Handel Layout: Andreas Suchanek Logodesign: Daniel Szentes Innenillustrationen: Anja Dyck
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2013 Andreas Suchanek Herausgeber: Andreas Suchanek Herstellung und Verlag: Greenlight Press Andreas Suchanek Leopoldstr. 5b 76133 Karlsruhe E-Mail-Kontakt: [email protected]:
978-3-944652-34-4 (E-Book Mobipocket)
978-3-944652-35-1 (E-Book Epub)
Alzir-System, NOVA Raumstation, Krankenstation, 25. September 2266, 09:10 Uhr
Eine Stahlklaue drückte Commander Noriko Ishida unbarmherzig auf das Biobett. Summend erwachten die angeschlossenen Geräte zum Leben, um ihren Gesundheitszustand zu analysieren. Erst als auf dem Monitor zur ihrer Rechten die ersten Daten erschienen, zog Giulia Lorencia - ihres Zeichens Chefingenieurin der HYPERION und Nervensäge in Personalunion - ihre Hand zurück.
"Ich sage doch, es ist nichts", sagte Noriko nachdrücklich. "Es gibt Andere, die Ihre Hilfe dringender benötigen, Doktor."
Amon Isaak, der Chefarzt der NOVA-Station, schüttelte den Kopf und schenkte ihr einen nachsichtigen Blick. "Wir werden gleich sehen, ob ich Ihrer Einschätzung diesbezüglich zustimmen kann, Commander. Bis dahin bleiben Sie doch bitte einfach ruhig liegen und entspannen sich. Das macht es uns allen leichter."
"Hör auf den Arzt", sagte Giulia. "Du bist zusammengebrochen, verdammt nochmal. So etwas geschieht nicht ohne Grund. Und dann diese Kopfschmerzen, die du ständig hast ..."
Noriko erschauerte. Natürlich hatte ihre Freundin recht. Und da sie mittlerweile häufig zusammen in einem ihrer beiden Quartiere übernachteten, wusste sie, wovon sie da sprach. Seit ein Teil von Norikos Gehirn durch einen experimentellen Stoff, den Captain Cross von KASSIOPEIA mitgebracht hatte, ersetzt worden war, waren Kopfschmerzen ihr ständiger Begleiter. Fast erschien es ihr, als wären diese sogar noch schlimmer geworden, seit die HYPERION sich hier im Alzir-System aufhielt.
"Beim Oni, Kind, was machst du nur für Sachen?", erklang die Stimme von Yuna Ishida, noch bevor das Schott zur Krankenstation vollständig zur Seite geglitten war. Ihre Mutter packte Doktor Isaak am Arm und schaute grimmig zu ihm auf. "Was hat sie? Geht es ihr gut? Nun reden Sie schon."
Noriko stöhnte auf.
"Sie hat Schmerzen", folgerte ihre Mutter sofort.
"Ich glaube, das war nur ein dezenter Hinweis darauf, dass du den armen Doktor loslassen sollst", mischte sich Riku Ishida ein. Norikos Vater hatte in den Jahren an der Seite von Yuna gelernt, Zeichen zu deuten und Ruhe zu bewahren.
"Oh. Natürlich. Entschuldigen Sie, Mister Isaak. Ich mache mir nur Sorgen um meine Tochter."
Der Arzt massierte seinen Arm, der nun wieder ganz ihm gehörte, und erwiderte: "Beruhigen Sie sich bitte. Alle." Er studierte die Werte und schaute Noriko direkt an. "Ihre Glukokortikoid-Werte sind enorm erhöht, was auf Langzeitstress hindeutet. In der aktuellen Situation ist das nichts Ungewöhnliches, jeder zweite Patient leidet darunter. In Kombination mit dem bei Ihnen gemessenen Serotonin-Ungleichgewicht und einem Temperaturanstieg des Nanomaterieteils Ihres Gehirns ... Ich muss ergänzende Untersuchungen vornehmen, Commander. Bis auf Weiteres bleiben Sie also an Bord der Station."
"Aber Doktor, die HYPERION läuft in der nächsten Stunde Richtung CORE I aus."
"Das mag sein, Sie werden jedoch nicht dabei sein."
Noriko verfluchte den verdammten Zufall, der ihr diesen Schwächeanfall auf der Station bereitet hatte. Sie und Giulia waren auf dem Weg gewesen, Norikos Eltern zu besuchen. Ihre Mutter hatte darauf bestanden, dass sie und ihr Mann nicht auf eines der, "langweiligen und öden Habitate, auf denen nur Rentner ausgesetzt
werden", gebracht wurden, sondern im zivilen Teil der NOVA-Station Quartier beziehen durften. Noriko hatte das natürlich rundheraus abgelehnt, doch ein Gespräch von Yuna Ishida und Captain Cross und ein weiteres mit Admiral Pendergast später, und die Ishidas konnten bleiben. Sie fragte sich immer wieder, wie es ihrer Mutter gelang, jeden um den Finger zu wickeln. Andererseits setzte bei den bedauernswerten Opfern vermutlich einfach der Fluchtreflex ein. Sie stimmten also zu und gaben dann Fersengeld.
"Und das ist auch besser so", stellte sich Giulia sofort auf die Seite von Isaak - natürlich.
"Was genau meinen Sie mit Nanomaterieteil, Doktor?", fragte Norikos Mutter gefährlich leise.
Oh verdammt! Noriko hatte ihr wohlweislich nichts davon erzählt. Der richtige Moment war einfach nicht gekommen.
"Ich gebe meine Einschätzung an Captain Cross weiter", sagte Amon, nachdem er mehrmals zwischen Noriko und Yuna hin und her geschaut hatte.
"Und ich sollte dringend auf die HYPERION", bemerkte Giulia nach einem Blick auf ihren Hand-Com. "Trotz der Umstände hat es mich gefreut, Sie endlich persönlich kennen zu lernen, Ma'am. Sir." Sie nickte und verließ fluchtartig die Krankenstation.
Fluchtreflex. Es war immer dasselbe.
"Also." Ihre Mutter hatte die Fäuste in die Hüfte gestemmt. "Raus damit. Ich kenne diesen Blick. Du verschweigst uns etwas Wichtiges."
Noriko begriff, dass die Mission nach CORE I, die endlich Antworten auf so viele Fragen bringen sollte, ohne sie stattfinden würde. Und damit blieb ihrer Mutter eine Menge Zeit, um Fragen zu stellen und nachzubohren. "Das ist eine lange Geschichte, Mutter."
"Dann solltest du anfangen, zu erzählen. Es ist ja nicht so, als hätten wir wichtige Termine."
Noriko schloss die Augen, seufzte auf und begann, langsam zu erzählen. Während sie sprach, schwollen die Kopfschmerzen erneut an. Es war wie ein Bienenschwarm, der sich in ihrem Schädel vermehrte und mit seinen Stacheln von innen in das Gewebe stach. Das Summen wurde lauter und leiser, fast wie ... Stimmen. Sie berichtete weiter, doch ihre Gedanken verselbstständigten sich. Was war nur los mit ihr?
*
Bereitschaftsraum von Captain Cross auf der HYPERION
"Was ist denn jetzt schon wieder?", fragte Doktor Janis Tauser.
"Ich fürchte, wir müssen bei unserem nächsten Einsatz ohne meine I.O. auskommen", erwiderte Captain Jayden Cross.
"Du sprichst von dem Einsatz, der in wenigen Minuten startet?"
"Exakt. Irgendein medizinischer Notfall." Als Janis schockiert aufblickte, winkte Jayden schnell ab. "Keine Sorge, Doktor Isaak will nur auf Nummer sicher gehen und weitere Untersuchungen anstellen. Und auf NOVA ist sie wenigstens aus der Schusslinie, falls auf CORE I etwas schief geht."
Ein Nicken.
Sein Freund aus alten Tagen war Jayden eine wahre Stütze. Privat ebenso, wie in seiner Funktion als Psychologe. "Und bei unserem Glück in letzter Zeit würde es mich nicht wundern, wenn der Planet sich nicht in ein Schiffe fressendes Monster verwandelt."
"Ich werde das jetzt mal nicht psychologisch analysieren." Janis zwinkerte. Mit seinem weißen Rauschebart und den natürlichen Falten auf der leicht gebräunten Haut wirkte er wie das klischeehafte Abbild eines Großvaters, der in der nächsten Sekunde das Geschichtsbuch herausziehen würde, um eine Fabel zum Besten zu geben - zweifellos mit Moral.
"Danke, wie großzügig von dir."
"Du wolltest gestern mit deinen Eltern sprechen. Wie ist es gelaufen?"
Jayden warf die Hände in einer verzweifelten Geste in die Luft. "Sie haben mich vor dem Schott stehen lassen und nicht geöffnet. Nach einer Stunde bin ich gegangen."
"Das tut mir leid."
Er winkte ab. "In nächster Zeit halte ich mich von ihnen fern. Weder meine Mum noch mein Dad werden mir den Tod von Jasper vergeben."
"An dem du keine Schuld trägst."
"Ich weiß."
"Sicher?" Janis schenkte ihm einen durchdringenden Blick.
"Ja! Aber das macht es nicht besser. Er ist tot, meine Eltern hassen mich und Coraline ..." In seinen Gedanken sah er erneut den anklagenden Ausdruck im Gesicht seiner Cousine. "Ich bin einige Male mit ihr zusammengetroffen. Sie hat sich dem Komitee angeschlossen, das die Richtlinien zur Parteiengründung und der kommenden Wahl ausarbeitet."
Janis schlenderte zur Wand des Bereitschaftsraums. Mit einem Knopfdruck aktivierte er die Smart-Wall und projizierte ein Bild der Bug-Kamera in einen viereckigen Bereich. So wirkte es, als wäre an jener Stelle ein Fenster, durch das man in die Weiten des Alls blicken konnte. Das war natürlich Unsinn. Die Kommandobrücke und der angeschlossene Bereitschaftsraum lagen im Zentrum des Interlink-Kreuzers, waren aufgrund ihrer neuralgischen Funktion zu allen Seiten bestmöglich geschützt.
"Die Tabletten?", kam die erwartete Frage.
Jayden nickte. "Ich habe sie wieder abgesetzt, wie von dir empfohlen. Es ging relativ gut, obwohl die Nächte ... Ich schlafe nicht gut."
"Das war zu erwarten."
"Keine Angst, ich schaffe das schon."
"Ich weiß." Janis studierte aufmerksam die Schwärze. "Wenn ich das nicht glauben würde, hätte ich dich deines Postens enthoben. Aber aktuell geht es dir nicht anders, als jedem Offizier an Bord. Du wirst niemanden finden, der nicht irgendjemanden verloren hat."
Ein Icon auf Jaydens Konsole leuchtete auf. "Die Stationsleiter melden alle Bereitschaft. Pendergast hat uns auf CORE I angekündigt, wir haben Einreiseerlaubnis."
"Worauf warten wir dann?"
Er dachte einen Moment über die Frage nach. Natürlich hätte er Janis einfach sagen können, dass er noch ein Gespräch mit Kirby führen wollte, diese aber bisher keine Zeit gefunden hatte. Sobald die HYPERION das System verließ, wären sie jedoch von jedweder Kommunikation abgeschnitten. Das Phasenfunk-Netzwerk befand sich in der Hand des Regimes auf Terra, weshalb sie meist auch innerhalb der Grenzen des von Menschen besiedelten Raums auf die Kurierboote zurückgreifen mussten.
Mein Egoismus sollte diese Mission jedoch nicht länger aufhalten. "Auf nichts. Wir legen ab."
*
Admiral Santana Pendergasts Bereitschaftsraum auf NOVA-Station
Eine Besprechung jagte die nächste, jagte die nächste, jagte die nächste. Ohne ihre täglichen Vitamin-Koffein-Drinks läge sie zweifellos längst schlafend auf dem Konferenztisch, während ihr der Sabber aus dem Mundwinkel liefe. Hatte Admiral Santana Pendergast anfangs noch auf ihrem Grüntee beharrt, war sie mittlerweile auf die starke Wirkung des ViKos angewiesen. Und zu allem Überfluss hatte ihr fantasievoller Adjutant das Chrono des Besprechungsraums so programmiert, dass das Geräusch einer tickenden Uhr simuliert wurde. Ein neuer wissenschaftlicher Bericht besagte, dass ein solches Hintergrundticken beruhigend wirkte, wenn die Frequenz stimmte. Santana hätte den Wissenschaftler am liebsten neben dem Lautsprecherfeld angekettet.
Tick, tack.
"... ich damit also bestätigen, dass die Evakuierung in den nächsten Stunden beendet sein wird", erklärte Captain Ivo Coen. Als Kommandant der NOVA-Station überwachte er den Transport der ehemaligen Gefangenen von Pearl auf die Station, die Habitate und Fabriken. Der Mann mit den schwarzen Locken entstammte dem israelischen Sektor der Erde und hatte bereits an zwei Schlachten um die Raumstation teilgenommen. Beim ersten Kampf hatte er seine Familie verloren - Frau und beide Söhne - was erklärte, warum er mit seinen neunundvierzig Jahren schon aussah wie Ende neunzig. Interessanterweise schien er gerade nach dem Sieg der Rebellen wieder neuen Lebensmut gefasst zu haben. Er sah den Aufstand gegen das Regime auf Terra und die Hoffnung auf Überleben, vielleicht sogar einen Sieg, die NOVA allen Widerständlern bot, als essenziell für die Rebellion an. "Für Einige kam die Befreiung noch rechtzeitig. In den Lagern standen geringe Mengen an Jodtabletten zur Verfügung, wodurch bei etwa der Hälfte der Insassen eine Jodblockade auftrat. Das durch den Fallout freigesetzte radioaktive Jod wurde von der Schilddrüse also nicht aufgenommen, doch die Stückzahl der Medikamente war begrenzt.
Glücklicherweise hatte Doktor Isaak mit dem Medikamentenautomaten in den letzten Tagen enorme Mengen an Isonan 390 produziert. Damit werden die Geretteten allerorts behandelt."
"Danke Captain."
Tick, tack.
Neben dem Kommandanten waren auch ihr Adjutant, Admiral Isa Jansen und Commander John Kartess anwesend.
"Damit neigt sich dieses Kapitel wohl einem Happy End zu. Kaum zu glauben, dass Björn seinen Leuten tatsächlich befohlen hat, einen nuklearen Sprengkopf auf Pearl zu feuern", bemerkte Isa. Mittlerweile trug sie ihr Haar wieder blond, immerhin musste sie nicht mehr inkognito arbeiten. Als Anführerin der Rebellen auf Terra war das anders gewesen. "Momentan interessiert mich jedoch am meisten, warum er das getan hat. Wenn ich den Bericht von Doktor Petrova richtig deute, sollte die erste Rakete diese ominöse Kaverne treffen, korrekt?"
Santana nickte. "Diese Sache wird immer mysteriöser. Dank Marjella Cruz wissen wir von der Verbindung zwischen Stark, Sjöberg und Ione Kartess. Hinzu kommt der Fakt, dass Pearl lange Zeit das Forschungszentrum für Doktor Ilja Melnikow war und seine Prototypen später von der CROSSPOINT fortgeschafft wurden - das war das Schiff von Stark, auf dem auch Björn diente."
"Ich habe den Bericht ebenfalls gelesen", warf der Commander ein. Der braunhaarige, schlanke Offizier verschränkte grimmig die Arme. "Die Ereignisse während der Regierungszeit von Victor Stone und dem Attentat auf ihn und meine Mutter haben mein Leben bestimmt. Ich will wissen, wie die Kaverne damit zusammenhängt."
Santana bemerkte erneut, dass sich sein Gebaren verändert hatte. Anfangs war er noch Vollblutoffizier gewesen, eins mit seiner Maske. Doch nachdem sie selbst seine Identität vor allen Bewohnern offenbart hatte, nahm er seine neue Rolle an. In Absprache mit Isa und ihm, hatte Santana dem gesamten System die Geschichte des armen Präsidentensohnes John Kartess erzählt, der seit Jahren nach den Mördern seiner Eltern suchte. Damit war der Grundstein für eine mögliche Kandidatur von John als Präsident gelegt. Mit Angelosanto und Kirkov standen ihre Gegner allerdings auch schon in den Startlöchern und heckten zweifellos irgendetwas aus.
"Doktor Damato stellt gerade ein Forschungsteam zusammen", erklärte Santana. "Er wird bereits heute nach Pearl fliegen und den Bau einer Ausgrabungsstätte initiieren. Durch die Explosion sind Teile des Berges eingestürzt. Petrova hatte Glück, dass sie dort noch rausgekommen ist."
"Dann ist an dieser Front wohl alles geklärt", sagte Isa. Sie nahm ihren Kaffee auf, nippte daran und sog genießerisch das Aroma ein. "Damato kümmert sich um Pearl, Cross um die Kybernetiker. Es wäre doch gelacht, wenn wir nicht bald vernünftige Antworten hätten. Wie hast du es eigentlich geschafft, dass er einfliegen darf?"
Santana bedeutete Ivo Coen, diese Frage zu beantworten.
"Wir haben ein paar diplomatische Kanäle aktiviert, die ab und an von der alten Regierung genutzt wurden. Man hat uns versichert, dass man uns empfängt und wir den Schutz der dortigen Regierung genießen. Zudem bestehen gute Aussichten darauf, dass die Solare Republik anerkannt wird, wenn wir es schaffen sie zu gründen."
Tick, tack.
"Und das ist ein ausgezeichnetes Stichwort." Santana schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. "Wir haben eine Menge zu tun. Immerhin muss die Abstimmung für das Parteiengesetz vorbereitet werden, es gilt die Logistik und Infrastruktur zu stabilisieren, und das Militär auszubauen." Sie hatten sich darauf geeinigt, dass Isa die Koordination des zivilen Teils übernahm, während Santana selbst für die militärischen Belange zuständig war. "Packen wir es also an. Meine Herren, das war es für heute."
Kartess, Coen und Baker erhoben sich und verließen den Raum.
Isa blieb sitzen und begann erst zu sprechen, als das Schott wieder geschlossen war. "Ich führe in drei Tagen die nächste Befragung von Bruce Walker durch, willst du auch dabei sein?"
Santana dachte kurz über das Angebot nach. Damit entkäme sie zwar zum einen den nächsten Konferenzen, zum anderen wäre es zweifellos interessant, weitere Details aus erster Hand darüber zu erhalten, was Björn auf der Erde so trieb. "Danke, aber nein", sagte sie jedoch. "Zu viel zu tun. Lass mich wissen, wie es ausgegangen ist."
Isa nickte und erhob sich. "Ich brauche dringend Urlaub."
"Warte zehn bis zwanzig Jahre, dann haben die Terraformer Pearl wiederhergestellt."
Isa stöhnte auf. "Und da sag noch einmal jemand, das Militär läge nur auf der faulen Haut."
Das Schott vor ihr fuhr mit einem pneumatischen Zischen zur Seite. Dann war die Freundin auch schon verschwunden und ein blinkendes Icon auf ihrer Konsole kündigte den nächsten Besucher an. Santana schnaubte, trank einen weiteren Schluck ViKo und bestätigte die Annahme.
Tick, tack.
Der Alltag ging weiter.
*
Alzir-System, NOVA-Station, 28. September 2266, 08:11 Uhr
Commander Noriko Ishida atmete ein letztes Mal tief durch, dann betrat sie das Labor. Für einen Augenblick blieb sie stehen und beäugte das herrschende Chaos. Der Raum war doppelt so groß wie ihr Quartier auf der HYPERION, bot einem Besucher aber deutlich weniger Platz. Überall standen halb fertige Maschinen und Gehäuse herum, lagen Kabel, Platinen und Werkzeuge auf Arbeitsflächen verstreut. Ein derartiges Chaos hatte Noriko noch nie zuvor auf einem Raumschiff gesehen, es sei denn, besagtes Schiff befand sich in einer Schlacht und war zusammengeschossen worden.
Doktor Damato stand am gegenüberliegenden Ende des Raumes und wühlte in einer Kiste. Sie verdeutlichte ihre Anwesenheit mit einem Räuspern.
"Oh." Er fuhr in die Höhe, worauf sein Kopf Bekanntschaft mit der vorstehenden Platte der Werkbank machte. Er fluchte lauthals und rieb über die schmerzende Stelle. "Was verdammt ... Oh, Commander." Ein neugieriges Funkeln trat in seine Augen. "Was führt Sie zu mir?"
Noriko schlängelte sich zwischen zwei Gehäusen hindurch, machte einen großen Schritt über eine am Boden liegende Platine und stand schließlich vor dem Wissenschaftler. "Es geht um ... Was tun Sie da?"
In Damatos Hand lag wie von Zauberhand ein mobiler Scanner, den er neben ihren Kopf hielt. "Ich untersuche diese faszinierende Nanomaterie in ihrem Schädel."
Sie räusperte sich deutlich, worauf der Wissenschaftler sich offenbar seiner sozialen Interaktionsfähigkeiten gewahr wurde und den Scanner sinken ließ. "Ich wollte Sie damit nicht überrumpeln."
"In Ordnung, Doktor. Wie es der Zufall so will, bin ich genau deshalb hier."
"Interessant. Sprechen Sie weiter." Damato fegte ein paar Kabel von einem Stuhl und bedeutete ihr, Platz zu nehmen. "Entschuldigen Sie die Unordnung, ich bin etwas in Eile. Admiral Pendergast will, dass ich den Standort für das neue Lager auf Pearl festlege."
"Die Kaverne?"
"Exakt." Er deutete auf einen der Monitore, wo das Äußere des unterirdischen Raumes zu sehen war. "Wir haben Schächte in die Tiefe gebohrt und Sonden hinuntergeschickt. Es ist wirklich ganz faszinierend. Die Gesteinsschichten ..."
Noriko hörte ihm nicht länger zu. Sie war viel zu gebannt von dem Anblick, der sich ihr bot. Das Pochen in ihrem Schädel nahm zu, während sie die glatte und fugenlose Oberfläche der Kaverne betrachtete.
"Die Abtastungen haben ergeben, dass die Kaverne tief in den Berg hineinführt. Die Grundform ist ovoid und sie schließt zu allen Seiten ab. Was hinter der Hülle liegt, konnten wir nicht bestimmen. Eines ist jedoch klar: Das Material wurde mit großen Mengen an Duspanit angereichert."
Es gab wohl kaum jemanden auf der HYPERION, der bei der Erwähnung dieser Materialbezeichnung nicht zusammenzuckte. Immerhin war es Duspanit gewesen, das die angreifenden Schiffe von Sarah McCall beim ersten Kampf von NOVA-Station verraten hatte. Es war teuer, weil selten, und wurde hauptsächlich in der Raumfahrt- und der Transmittertechnologie eingesetzt.
"Was sind das für Zeichen?"
Damato starrte auf den Monitor. "Welche Zeichen?"
"Na dort, direkt neben der Projektbezeichnung."
Erneut fixierte der Wissenschaftler die Kameraaufzeichnungen. "Commander, da ist nichts."
Ich habe diese Symbole schon einmal gesehen. Sie knabberte gedankenverloren an ihrer Unterlippe. Aber wo? Oder bilde ich mir das alles nur ein? Werde ich wahnsinnig?
Damato schaute sie stirnrunzelnd an. "Weswegen sagten Sie, sind Sie hier?"
"Ein Vorschlag, Doktor. Sie wollten doch, wenn ich Ihren Koffer richtig deute, gerade auf die Oberfläche fliegen. Ich gehe davon aus, Sie wollen eine kartografische Markierung anbringen? Für die Baugleiter?"
Er wiegte den Kopf hin und her. "Dort unten gibt es immer noch diesen verdammten Kaskaden-EMP. Ich werde also hinunterfliegen und eine gegen elektromagnetische Strahlung gesicherte Boje aussetzen. Sobald die Fabriken die ersten Gebäudegenerierer gefertigt haben, die ebenso geschützt sind, beginnen wir mit dem Bau einer Bodenstation."
"Dann begleite ich Sie jetzt dort hinunter und wir unterhalten uns auf dem Weg."
"Sie wollen freiwillig mit nach Pearl? Nun ja, Sie sind Kommandooffizier, ich denke, das geht in Ordnung."
"Das denke ich auch." Sie lächelte. "Und wenn wir schon mal dort sind, möchte ich mir die Kaverne aus direkter Nähe ansehen."
Damato zuckte mit den Schultern. "Von mir aus. Aber wir müssen uns beeilen. Durch die ganzen Atomexplosionen spielt das Wetter auf Pearl verrückt. Nuklearer Winter und so, Sie verstehen. Eine Sturmfront zieht auf und die kann unter Umständen tagelang jeden Flugverkehr beeinträchtigen."
"Dann sollten wir uns sputen." Noriko warf einen letzten Blick auf die Kameraaufnahme. Fast schien es, als würden die Symbole wabern und von innen heraus leuchten. Mit einem Ruck wandte sie sich ab. Doktor Damato ging fröhlich pfeifend vor ihr her, als sie das Labor verließen.
Pearl wartete.
*