Heliosphere 2265 - Band 15: Die Büchse der Pandora (Science Fiction) - Andreas Suchanek - E-Book

Heliosphere 2265 - Band 15: Die Büchse der Pandora (Science Fiction) E-Book

Andreas Suchanek

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Beschreibung

Tess Kensington und Sarah McCall waren einst Freundinnen, bevor der Verrat der Frau aus der Zukunft beide entzweite. Als die HYPERION unter den Einfluss einer furchtbaren Waffe gerät, müssen sie zusammenarbeiten, um das Überleben der Crew zu sichern. Gleichzeitig gelingt es Noriko Ishida und Giulia Lorencia endlich, das Geheimnis um den lebenden Toten zu entschlüsseln - mit katastrophalen Folgen. In der Gegenwart des Jahres 2267 überschlagen sich die Ereignisse, als der Wahlkampf beginnt, ein Pakt in Gefahr gerät und ein Diktator die furchtbare Wahrheit erkennt, dass auch er nur benutzt wurde. Dies ist der fünfzehnte Roman aus der Serie "Heliosphere 2265" Am 01. November 2265 übernimmt Captain Jayden Cross das Kommando über die Hyperion. Ausgerüstet mit einem neuartigen Antrieb und dem Besten an Offensiv- und Defensivtechnik, wird die Hyperion an den Brennpunkten der Solaren Union eingesetzt. Heliosphere 2265 erscheint seit November 2012 monatlich als E-Book sowie alle 2 Monate als Taschenbuch. Hinter der Serie stehen Autor Andreas Suchanek (Sternenfaust, Maddrax, Professor Zamorra), Arndt Drechsler (Cover) und Anja Dyck (Innenillustrationen).

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Inhaltsverzeichnis
Cover
Inhaltsverzeichnis
Titelpage
Was bisher geschah
Story
Die Solare Republik
IL HYPERION, 26. Februar 2317, 11:13 Uhr
Das Solare Imperium
IL HYPERION, 26. Februar 2317, 10:26 Uhr
Die Zukunftsrebellen
IL HYPERION, 26. Februar 2317, 11:14 Uhr
Die Kybernetiker
CENTER I, 26. Februar 2317, 11:35 Uhr
Die Rentalianer
Der Ketaria-Bund
IL HYPERION, 26. Februar 2317, 13:26 Uhr
Epilog I - Stumme Schreie
Epilog II - Ein Schatten der Wahrheit
Epilog III - Die Büchse der Pandora
Heliosphere 2265 monatlich
Eon monatlich
Die Charaktere von Heliosphere 2265
Dramatis Personae
Glossar
Impressum
Heliosphere 2265
Band 15
„Die Büchse der Pandora“
von Andreas Suchanek

Was bisher geschah

Ende des Jahres 2266 hat Imperator Björn Sjöberg seine Macht als Diktator gefestigt und die Solare Union in ein Schreckensregime verwandelt, das Solare Imperium.

Auf der NOVA-Station konnten sich die Rebellen gegen jeden Angriff erfolgreich zur Wehr setzen und das Verfassungsreferendum erzielte eine überwältigende Mehrheit; die Solare Republik gilt zum 1.1.2267 als gegründet. Nun gilt es, die neuen Gesetze im Alltag zu verankern und eine Regierungspartei mit einem Präsidenten oder einer Präsidentin zu wählen, während zahlreiche Feinde - darunter Imperator Sjöberg - darauf warten, gegen die neue Demokratie vorzugehen.

Nach ihrer Gefangenschaft bei den Zukunftsrebellen ist Admiral Santana Pendergast wohlbehalten auf die NOVA-Station zurückgekehrt - so hat es zumindest den Anschein. In Wahrheit wurde ihr Körper mit Überwachungstechnologie ausgestattet; sie ist eine Geisel des Ketaria-Bundes und wird ständig überwacht. Begeht Santana nur einen Fehler, werden Unschuldige sterben.

Die HYPERION ist in der Zukunft des Jahres 2317 auf dem Weg zum Dunklen Wanderer. Mit der Hilfe von Sarah McCall fand die Crew eine Raumstation der Assenter, die den schwerbeschädigten Interlink-Kreuzer wieder instand setzte. Seitdem besitzt das Raumschiff eine fortschrittlichere Technologie, sowie einen neuen Passagier: die künstliche Intelligenz CARA. Einem direkten Flug zum Dunklen Wanderer scheint nichts mehr im Wege zu stehen, bis eine Waffe des Imperiums aktiv wird ...

Prolog

„Jetzt schau nicht so, als würde jeden Moment eine Bombe hochgehen“, sagte Sarah McCall.

Lieutenant Commander Tess Kensington verzog abschätzig die Lippen. „Wundern würde es mich nicht. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir dein Shuttle längst irgendwo in eine Sonne geschossen.“

„Du musst echt was gegen diese Paranoia tun“, hielt ihr Gegenüber dagegen. „Irgendwann glaubst du noch, ich könnte übers Wasser gehen.“

„Da besteht keine Gefahr.“ Tess winkte ab. „Eher wachsen dir Hörner und ein langer Schwanz.“

Lieutenant Rena Grady hustete vernehmlich, um ihr Lachen zu maskieren, was ihr nur schwer gelang und einen Ich-kann-daran-nichts-Komisches-finden-Blick von Alpha 365 einbrachte.

Der Sicherheitschef stand drei Schritte hinter Sarah und beobachtete diese genau. Falls sie Anstalten zu einer Dummheit machen würde, konnte er ein Icon auf seinem Hand-Com berühren und damit die Injektion auslösen.

Tess‘ Blick fiel auf das unscheinbare Armband, das an Sarahs linkem Handgelenk befestigt war. Auf der Innenseite berührten winzige Injektoren die Haut, die auf ein Signal hin ein Betäubungsmittel freigeben würden, das in den Körper eindrang. Die Dosis war so hoch, dass selbst eine mit bionischen Implantaten aufgewertete Person wie dieses Miststück bewusstlos werden würde.

„Ich schlage vor, wir konzentrieren uns auf die Aufgabe. Je schneller wir fertig sind, desto schneller können wir auf die HYPERION zurückkehren“, sagte Alpha 365 trocken. Wie immer saß seine Uniform akkurat, sein dunkelblondes Haar war zurückgekämmt und lag an.

„Da meine Schicht bald zu Ende ist, bin ich voll dafür“, warf Lieutenant Grady ein und machte sich wieder über die Konsole ihres mobilen Pads her. „Die Kopplung zwischen der Datenbank des Shuttles und dem bereitgestellten Cluster des Hauptcomputers der HYPERION ist fast abgeschlossen. Geben Sie bitte den manuellen Code ein.“

Sarah nickte. Ihre Finger huschten über das Display. „Ist erledigt.“ Sie fläzte sich in den Konturensessel und spielte mit einer Strähne ihrer braunen Locken.

„Warum benutzt du nicht einfach dein neurales Interface?“, fragte Tess skeptisch. „Ist das irgendein Trick?“

„Verdammt, Tess!“ Sarah fuhr herum und funkelte sie wütend an. „Das Interface hat Störungen, seit ich beim Flug durch den Tachyonentunnel verletzt wurde. Das ist alles! Jetzt reiß dich mal zusammen!“

„Was soll das heißen: Reiß dich mal zusammen?! Du hast kein Recht dazu, so etwas zu sagen! Wir beide ... Ich ... also.“ Sie suchte nach Worten, fand aber keine. Wie sollte sie auch verbal ausdrücken, was Sarah ihr mit ihrem Verrat angetan hatte? Ein Faustschlag gegen das Kinn brächte es vermutlich deutlich genauer auf den Punkt. „Ach, du kannst mich mal!“

„Möglicherweise war es nicht die beste Idee, dass Sie sich uns angeschlossen haben, Commander Kensington“, sagte Alpha 365. Er wollte weitersprechen, hielt dann aber inne, runzelte die Stirn und neigte den Kopf zur Seite, als lausche er einer unhörbaren Stimme. „Mit dieser Bemerkung wollte ich Sie nicht beleidigen.“ Er nickte, als begreife er plötzlich etwas. „Ich versichere Ihnen, niemand von uns vertraut Sarah McCall.“

Tess, der bereits eine ordentliche Erwiderung auf der Zunge gelegen hatte, schluckte diese herunter. „Ist schon in Ordnung, Commander. Bringen wir es einfach hinter uns und gehen dann wieder getrennter Wege.“

Sie hatten das Shuttle, mit dem Sarah vor einigen Monaten nach einem Abenteuer auf CORE I an die HYPERION angedockt hatte, um sie später zu kapern, erst vor dreißig Minuten betreten. Es kam ihr trotzdem bereits vor wie eine Ewigkeit.

Das Schiff hatte den neuen Shuttlehangar verlassen und an der Außenseite angedockt - während die HYPERION im Interlink flog. Die Sensoraufzeichnungen waren unglaublich genau und würden das Verständnis der Menschen für den Kosmos - genauer: den überlichtschnellen Flug außerhalb des Phasenraums - hoffentlich wieder ein Stück voranbringen.

Leider war es hier drin auch eng. Das Shuttle bestand aus einem kleinen Cockpit mit zwei Sesseln. Dahinter folgte ein Raum ohne Sitze, dessen Wände und Decke von Konsolen bedeckt waren. Bei Bedarf konnten Faltsitze aus dem Boden ausgeklappt werden, wie es mittlerweile auf der HYPERION ebenfalls möglich war. Die Schleuse befand sich am hinteren Ende des Shuttles und es gab zwei transparente Bereiche der Hülle, von der Größe einer Tür, die einen atemberaubenden Ausblick auf die vorbeiziehenden Sterne gewährten.

„Statt dauernd abzuhauen, könntest du mir auch einfach mal zuhören, wenn ...“

Was immer Sarah hatte sagen wollen, ging im Lärm eines Alarmsignals unter. Die Faust eines Titanen schien das Shuttle zu treffen. Mehrere Konsolen wurden dunkel, Überschlagblitze zuckten zwischen mechanischen Komponenten hin und her, Deckenplatten krachten zu Boden.

Dann fiel die Energie schlagartig aus.

Etwas Hartes traf Tess am Kopf und ihr Bewusstsein versank in Schwärze. Ihr letzter Gedanke galt Sarah.

Hat sie es also doch wieder irgendwie geschafft.

*

Die Solare Republik

Alzir-System, NOVA-Station, 15. Februar 2267, 08:10 Uhr

Admiral Isa Jansen ließ sich in ihren Konturensessel sinken und fluchte lautlos. Obwohl sie mit der Versammlung extra gewartet hatte, bis Santana von Doktor Isaak und Marjella Cruz wieder für dienstfähig befunden worden war, hatte die Freundin und Kollegin nicht teilnehmen wollen.

Was ist nur los mit ihr? Hier werden Dinge besprochen, die in mehr als einer Hinsicht wegweisend sein werden. Aber sie zieht sich immer noch zurück.Isa griff nach ihrer Tasse. Der Geruch von Kaffee stieg ihr in die Nase.Fast einen Monat ist sie nun schon wieder da, doch irgendetwas stimmt nicht.

Isa beschloss erneut, mit der Freundin über deren Erlebnisse im KASSIOPEIA-System zu sprechen. Sobald die Arbeit erledigt war. Zugegebenermaßen nahm sie sich das bereits seit Tagen vor.

Ein Räuspern.

Isa blickte auf. Alle starrten sie an. „Entschuldigen Sie bitte. Da wir nun vollzählig sind, können wir beginnen. Mister Drake wird uns einen kurzen Überblick zu den Änderungen und Entwicklungen auf der rechtlichen Seite geben und die Fortschritte in diversen Bereichen ansprechen.

Danach bitte ich Sie, Doktor Damato, uns über die Entwicklung bei den Gesprächen mit dem Hybriden auf Pearl aufzuklären. Abschließend wird Coraline Cross“, sie deutete auf die Cousine des verstorbenen Captains, „die seit gestern zum diplomatischen Corps gehört, uns über die neuesten Ereignisse an dieser Front aufklären.“

Sie bedeutete Mister Drake, der ihr am Konferenztisch direkt gegenüber saß, zu beginnen.

„Danke, Admiral.“ Er berührte sein Pad und verschob etwas darauf. Durch die Kopplung des Gerätes mit dem Touch-Desk, in den auch eine Holosphäre integriert war, konnte er so Projektionen auslösen. In einem Regen aus Photonen erschien ein Gegenstand, der sich horizontal um sich selbst drehte.

Drake erhob sich. Er trug einen Anzug und feine Schuhe, wodurch er sich sofort als Zivilist outete. Kein Militär hätte auf einer Raumstation derartige Kleidung getragen. Sein schwarzes Haar war sauber frisiert, die Haut gepflegt und glatt. Er wirkte auf Isa wie ein Welpe, der gerade erst damit begann, sich in einer für ihn fremden Umgebung zurechtzufinden.

„Was Sie hier sehen, ist die erste Münze unserer neuen Währung.“ Er lächelte stolz. „Da ich zu dem juristischen Gremium gehöre, das die Umsetzung der Verfassung überwacht, habe ich alle Neuerungen im Blick. Es freut mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir in etwa einer Woche echtes, hartes Geld ausgeben werden. Zudem wird für jede Person in der Republik ein Konto erstellt.“

Lächeln ringsum.

Isa konnte es kaum fassen. Es gab so viele Dinge, die sie gar nicht bedacht hatte, als die neue Verfassung in Kraft getreten war. Sowohl die Abläufe im Militär als auch im zivilen Bereich begannen, sich immer schneller zu verändern.

Sie beobachtete den ersten Dollar, der vor ihr in der Luft rotierte. Cents würden folgen, Scheine sollte es keine geben.

Ein Großteil des Zahlungsverkehrs wurde sowieso elektronisch abgewickelt, hartes Geld war im Grunde genommen gar nicht notwendig. Trotzdem hatte man ein Signal senden wollen, etwas zum Anfassen.

Das Gremium hatte sich bei dem Entwurf der neuen Währung an etwas Vertrautem orientiert, dem Solaren Dollar.

Sie berührte ein Icon, worauf die Zusammensetzung der Münze angezeigt wurde. Sie besaß einen äußeren Ring, dessen Material aus Nickel und Messing bestand. Der Kern war aus Nickel und geschichtetem Kupfernickel zusammengesetzt.

Die Vorderseite zierte eine Eins, hinter der senkrecht das WortDollarstand. Dahinter war ein verkleinertes stilisiertes Abbild des Alzir-Systems zu sehen. Auf der Rückseite war die NOVA-Station eingestanzt.

Gut, dass sie nicht Pearl genommen haben. Eine radioaktiv verseuchte Welt macht sich nicht so gut als Symbol.

„Zudem kann ich Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, dass unsere Flagge fertiggestellt wurde.“ Auf einen Knopfdruck hin erschien genau diese in der Holosphäre, während der Dollar verpuffte. „Wie Sie sehen, befindet sich im Zentrum erneut eine einfache Variante der NOVA-Station. Sie symbolisiert den Kern der Republik. Der Lorbeerkranz, der die Raumstation einrahmt, soll unser Streben nach Frieden darstellen. Das Blaue, mit den stilisierten Punkten im Hintergrund, ist natürlich das Alzir-System.“

Isa nickte nur. Sie war kaum fähig zu sprechen. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, was das Erschaffen einer neuen Demokratie abseits vom Papierkram bedeutete.

Ich wünschte, Sie könnten das alles sehen, Captain Coen, Captain Cross. Das ist auch Ihr Verdienst.

„Abschließen möchte ich heute mit einer Neuerung, die vor allem die Space Navy betrifft, Admiral.“

Isa konnte ihre Verblüffung kaum verbergen. „So?“

Er nickte. „Die neuen Uniformen sind fertig. Es ist an der Zeit, dass wir nicht länger gekleidet sind, wie die Space Navy des Imperiums.“

„Sie haben Recht.“

Im Zentrum der Holosphäre erschien eine Uniform. „Nun ja, viel hat sich nicht geändert“, stellte Isa fest. „Ein kantiger Schnitt, die Farbe Blau dominiert, ist aber deutlich heller. Die Ränge werden nach wie vor an Kragen und Armen dargestellt. Mir gefällt sie.“

Drake lächelte und machte mit einem Nicken und einem Blick in die Runde klar, dass er fertig war.

Doktor Damato erhob sich. Der quirlige Japaner wirkte, als hätte er zehn ViKos auf einen Schlag gekippt. Seine Hände fanden keine Ruhe. „Ich muss gestehen, dass es leider nicht viel Neues zu berichten gibt. Der Hybrid kann die Höhle auf Pearl aufgrund des dauerhaften Kaskaden-EMPs, den Doktor Petrova ausgelöst hat, nicht verlassen. Er weigert sich außerdem, mit uns zu sprechen. Stattdessen besteht er darauf, dass Noriko Ishida geschickt wird.“

Isa zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen. „Das wird schwierig, da sie ja tot ist. Haben Sie das dem Hybrid erklärt?“

Damato nickte. „Er hält es aber für eine Finte. Da das Wesen die Gedanken von Ishida lesen konnte, glaubt es, wir verbieten ihr aus diesem Grund, noch einmal mit ihm zu kommunizieren.“

„Der Gedanke liegt nahe. Versuchen Sie es weiter. Machen Sie ihm klar, dass wir eine Einigung brauchen. Wenn wir ihn zu seinen Leuten zurückkehren lassen, benötigen wir Zugeständnisse von ihm. Er könnte unsere erste Chance auf einen neuen Waffenstillstand sein.“

„Nicht zu vergessen, all die gefangenen Menschen in den Parlidenrüstungen. Mit seiner Hilfe wäre es vielleicht möglich, dass wir deren Freiheit verhandeln“, merkte Damato an.

Für einen Moment herrschte Stille im Konferenzraum. Der Gedanke, die seit langer Zeit in den Rüstungen der Sternköpfe gefangenen Kameraden zu befreien, hatte jeden ergriffen - Isa sah es auf ihren Gesichtern. Der einzige Mensch, der seine Gefangenschaft als Sklave bisher überlebt hatte und zurückgekehrt war, war Angelica Sjöberg. Die First Lady des Imperiums hatte das allerdings nicht gut verkraftet.

„Eine gute Idee“, warf Drake ein. „Ich fürchte nur, Sie haben nicht länger die Befugnisse, derartige Zugeständnisse zu machen. Das obliegt dem neuen Präsidenten beziehungsweise der neuen Präsidentin der Republik. Bis das Staatsoberhaupt aber gewählt ist ...“ Er breitete in einer entschuldigenden Geste die Arme aus. „Immerhin wird das bald erledigt sein. Die Parteien stellen sich bereits intern auf, sprechen Strategien und Koalitionen ab. Der Wahlkampf wird kurz und heftig werden. Am 8. Mai 2267 wird bereits gewählt.“

Isa wollte aufbegehren, besann sich aber eines Besseren. Wozu diskutieren? Sie würde alles zusammenhalten, solange es ging und dann...

Sollen andere übernehmen. Ein neuer Präsident hat seine eigenen Vertrauten und wird eine neue Führungsriege aufbauen - auch im Militär.

Der Gedanke, all das hinter sich zu lassen, Verantwortung abzugeben und auf ein eigenes, begrenztes Kommando beschränkt zu werden, sorgte bei Isa eher für Erleichterung als Besorgnis. Sie hatte es schlicht und ergreifend satt, die Verantwortung alleine tragen zu müssen.

Damato nahm wieder Platz.

Coraline Cross stand auf. Die Cousine von Captain Cross hatte ein unscheinbares Gesicht und gütige Augen. Kein Vergleich zu ihrer unsäglichen Tante, der Mutter von Jayden Cross. Coraline wirkte ruhig und gefasst, als sie zu sprechen begann. „Admiral, ich bin hier als Vertreterin des diplomatischen Corps, das bisher lediglich aus mir und zwei Kollegen besteht. Wir existieren eigentlich nur theoretisch.“ Sie fixierte Isa besorgt. „Trotzdem haben wir bei der Durchsicht der wenigen vorhandenen Akten festgestellt, dass sich im Verhalten der Rentalianer etwas verändert hat.“

„Wie meinen Sie das?“ Isa runzelte besorgt die Stirn. Etwas Derartiges hörte sie zum ersten Mal.

„Die Hundealiens haben ihre Versorgungslieferungen stark reduziert, die Materiallieferungen eingestellt und die Verhandlungen zur Nutzung der Transmittertechnik wurden gestoppt.“

„Was?!“ Isa setzte sich kerzengerade auf. „Wieso wurde ich darüber noch nicht informiert?“

„Wir konnten uns erst gestern einen Überblick verschaffen. Es gab keine zentrale Instanz, die die Informationen überblickt hätte.“ Coraline gab Isa einen Moment Zeit, die Information zu verarbeiten.

„Aber die Rentalianer waren uns von Anfang an freundlich gesinnt.“

„Bisher schon. Doch etwas hat sich verändert. Auf der Grundlage dieser Tendenz fürchte ich, dass sie die Allianz möglicherweise aufkündigen werden“, sagte Coraline.

Isa schloss für eine Sekunde die Augen. Ein solcher Akt wäre gleichbedeutend mit dem Todesurteil für die Solare Republik. Ohne die Rentalianer waren sie Björn und seinem Imperium hoffnungslos unterlegen. Ebenso den Zukunftsrebellen und den Parliden. Gar nicht zu sprechen von dem Zusammenbruch der Material- und Nahrungsmittelversorgung. „Finden Sie heraus, was da los ist.“

„Was Ihre Befugnisse angeht ...“, begann Drake an Coraline Cross gewandt, wurde jedoch von Isa unterbrochen.

„Halten Sie den Mund, Sam. Hier geht es nicht um irgendwelche Regelungen oder Befugnisse. Wenn die Rentalianer morgen abziehen, wird niemals ein Präsident gewählt werden, weilImperatorSjöberg uns dann zusammenschießt. Und für meine Anmaßung in dieser Sache können Sie gerne einen Untersuchungsausschuss bilden.“

Drakes Mund klappte zu. „Ich strecke die Waffen. Genau genommen habe ich schlicht und ergreifend nichts gehört.“ Er hob den Zeigefinger. „Aber seien Sie vorsichtig, Miss Cross. Wenn Sie einen Fehler begehen und eine der Parteien das mitbekommt, werden die es im Wahlkampf ausschlachten. Unterschätzen Sie das nicht.“

Cross nickte.

„Dann wäre das alles für heute“, sagte Isa. „Gehen Sie an Ihre Arbeiten. Viel Glück.“

Als Damato und Cross gegangen waren, zog Drake etwas aus der Tasche hervor und reichte es Isa. Es waren zwei Etuis. „Für Sie und Admiral Pendergast.“

Schon war er fort und das Schott schloss sich.

Isa schaute gerührt auf das Geschenk. Sie öffnete das für sie bestimmte Etui und nahm den ersten Dollar der Solaren Republik in die Hand. Er war schwer und fest.

Gedankenverloren betrachtete sie das Geldstück.

Und plötzlich sind wir mittendrin.

Sie lächelte.

*

IL HYPERION, Im Interlink, 26. Februar 2317, 11:13 Uhr

Die Minutenanzeige auf dem Chronometer wechselte. Noriko versuchte, ihre Ungeduld zu zügeln. In einer Viertelstunde musste sie ihren Dienst auf der Kommandobrücke antreten.

Um sie herum wuchsen Aggregatblöcke in die Höhe und ein beständiges Summen lag in der Luft.

„Das geht viel zu langsam“, grummelte Giulia. Sie nagte an ihrer Unterlippe und schien vor unterdrückter Energie zu bersten.

Noriko lächelte. „Das ist der Hauptrechner des Schiffes! Und der wurde sogar aufgerüstet. Etwas Schnelleres wirst du kaum finden.“

„Ich weiß, ich weiß.“ Giulia winkte ab. „Trotzdem will ich endlich wissen, was es mit diesem Kind auf sich hat.“

Im Geiste konnte Noriko nur zustimmen. Seit der Zeitschatten der toten Präsidentin Ione Kartess ihr beim Durchflug des Tachyonentunnels erschienen war, dachte auch sie über nichts anderes nach. Angeblich hatte der Eingriff der sechs Zeitreisenden dafür gesorgt, dass das Leben einer wichtigen Person zu früh geendet hatte. Laut Aussage des ehemaligen Staatsoberhauptes der Solaren Union wusste jedoch niemand um den Tod besagter Person.

Bevor Kartess Noriko aber hatte sagen können, um wen es sich handelte, war das Schiff aus dem Tunnel geglitten und die geistige Verbindung erloschen. Erst Tage später gelang es Noriko, sich zu erinnern. Für einen Moment hatte sie den Unbekannten gesehen: einen kleinen Jungen.

„Früher oder später werden wir dieses Rätsel lösen“, sagte sie.

„Hoffentlich früher“, entgegnete die Kollegin und Lebensgefährtin. „Andernfalls wird uns die Information nicht mehr viel nutzen. Bald haben wir den Dunklen Wanderer erreicht. Laut Flugzeitprognose brauchen wir höchstens noch einen Monat.“

Noriko beobachtete den prozentualen Fortschritt der Anzeige. Sie hatten mit Captain Cross über die Recherche gesprochen und auch Janis Tauser zurate gezogen. Der Psychologe war allerdings ganz auf sein eigenes Projekt konzentriert.

So standen sie also alleine in einem der technischen Labore und verfolgten den Fortschritt der Datenbankanzeige. Immerhin waren die Räume nach der Instandsetzung durch die K.I. CARA deutlich besser ausgerüstet.

„Verdammt“, fluchte Giulia. „Kein Ergebnis.“

Als Chefingenieurin war Norikos Partnerin lustigerweise immer am ungeduldigsten, wenn etwas zu lange dauerte, das mit Technik zu tun hatte. Trotzdem war genau diese Ungeduld irgendwie niedlich. Giulia wirkte nach dem Stress der vergangenen Tage - der immerhin eine Stippvisite zu einem fremden Planeten beinhaltet hatte - wieder wie aus dem Ei gepellt. Ihre Uniform war blitzsauber, das braune Haar lag zu einem Zopf geflochten über ihrer linken Schulter und irgendein Zitrusduft umwehte sie.

„Ich verstehe das nicht“, murmelte Noriko. „Langsam gehen mir die Ideen aus.“

„Frag mich mal“, knurrte Giulia.

Sie hatten die vergangene Stunde damit zugebracht, über weitere Möglichkeiten zu grübeln, aber irgendwie hatte ihnen nichts einfallen wollen.

„Die Zeit wird knapp“, sagte sie. „Ich muss auf die Brücke. Lass uns heute Abend ...“

Giulia schlug sich gegen die Stirn. „Die Zeit. Ach, was sind wir doof.“

„Jetzt bin ich gespannt.“ Noriko warf einen Blick auf die Zeichnung, die sie auf der Grundlage ihrer Erinnerung angefertigt hatte. „Was ist mit der Zeit?“