Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die Solare Republik kämpft nach Sjöbergs Attacke um ihr Überleben. Ob dieser Kampf erfolgreich sein wird, kann nur die Zukunft zeigen. Captain Jayden Cross und seine Crew erreichen in der Zukunft endlich das Ziel ihrer Reise. Der Dunkle Wanderer präsentiert sich allerdings anders, als erwartet. Ein Außenteam begibt sich auf die Oberfläche des Planetoiden, um die so dringend benötigten Antworten zu erhalten. Niemand ist jedoch darauf vorbereitet, dass sie längst erwartet werden. Denn hinter den Schleier auf die Wahrheit zu blicken hat seinen Preis. Dies ist der zwanzigste Roman aus der Serie "Heliosphere 2265" Am 01. November 2265 übernimmt Captain Jayden Cross das Kommando über die Hyperion. Ausgerüstet mit einem neuartigen Antrieb und dem Besten an Offensiv- und Defensivtechnik, wird die Hyperion an den Brennpunkten der Solaren Union eingesetzt.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 153
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Table of Contents
»Im Zentrum der Dunkelheit«
Was bisher geschah
Prolog
IL HYPERION, In der Gravitationssenke, Kommandobrücke, 05. März 2317, 16:25 Uhr
Auf der Oberfläche des Dunklen Wanderers, 05. März 2317, 16:28 Uhr
Sarah McCall / Anika Magnus
Lieutenant Commander Tess Kensington
Janis Tauser / Jacob Rosenbaum
IL HYPERION, In der Gravitationssenke, 05. März 2317, 16:55 Uhr
Auf der Oberfläche des Dunklen Wanderers, 05. März 2317, 17:10 Uhr
Sarah McCall / Anika Magnus
Tess Kensington
Janis Tauser / Jacob Rosenbaum
IL HYPERION, In der Gravitationssenke, 05. März 2317, 17:13 Uhr
Auf der Oberfläche des Dunklen Wanderer, 05. März 2317, 17:22 Uhr
IL HYPERION, In der Gravitationssenke, 05. März 2317, 18:33 Uhr
Dunkler Wanderer, Im Sanktuarium der Wächterin
IL HYPERION, Im Gravitationstunnel, 05. März 2317, 19:48 Uhr
Epilog – Das Ende allen Seins
Vorschau
Nachwort
Die Charaktere
Impressum
Heliosphere 2265
Band 20
von Andreas Suchanek
Ende des Jahres 2266 hat Imperator Björn Sjöberg seine Macht als Diktator gefestigt und die Solare Union in ein Schreckensregime verwandelt, das Solare Imperium.
Auf der NOVA-Station kommt es am 8. Mai 2267 endlich zur lang ersehnten Wahl eines Staatsoberhaupts für die aus der Rebellenflotte entstandene Solare Republik. Jessica Shaw geht dabei überraschend als Siegerin hervor, ihre Partei erringt eine solide Mehrheit. Bei der Vereidigung wird jedoch der Ketaria-Bund aktiv; ein Assassine versucht, die neue Präsidentin zu töten. Das Attentat scheitert, da Admiral Pendergast sich in die Schussbahn wirft und ihr Leben für das Wohl der Republik opfert.
Gleichzeitig zündet ein Schiff von Imperator Sjöberg die lange vorbereitete Dunkle Welle. Überall im Alzir-System reißen Gravitationsschlünde auf, Raumschiffe werden von den Gewalten zerstört, die Station steht kurz vor der Vernichtung.
Der Assassine flüchtet an Bord der TORCH II, während hinter ihm das Chaos regiert. Commander Kristen Belflair nimmt mit dem neuen Interlink-Kreuzer JAYDEN CROSS die Verfolgung auf, unterstützt lediglich von einer Crew aus Fähnrichen, die gerade die Akademie abgeschlossen haben. Sie kann den Assassinen des Ketaria-Bundes aufhalten und die Speicherplatte mit den von ihm geraubten Daten bergen. Der Preis für diesen Sieg ist jedoch hoch. Captain Jackson Brown wird von dem Assassinen, der den Captain und die Crew der TORCH als Geiseln genommen hatte, erschossen.
Die HYPERION erreicht in der Zukunft des Jahres 2317 nach einem langen Flug und etlichen Rückschlägen schließlich das Zielsystem mit dem Dunklen Wanderer, findet aber nicht den Planeten, sondern ein bewohntes Sonnensystem vor. Die dort lebenden Aaril öffnen dem Schiff den Zugang zu einer Gravitationssenke, wo sie den Planetoiden einst aus Sicherheitsgründen verbargen.
Die letzte Etappe der Reise beginnt, auf der Captain Jayden Cross durch einen Bewusstseinssplitter von Cassandra Bennett in seine eigenen Erinnerungen eintaucht. Er begreift, dass er nicht nur von Verrätern, sondern ebenso vielen Freunden umgeben ist. Schließlich streift er die Trauer über den vielfachen Verrat durch ihm nahe stehende Personen ab und tritt – gereift an dieser neuen Herausforderung – sein Kommando wieder an. Dies geschieht gerade rechtzeitig, erreicht die HYPERION doch endlich den Dunklen Wanderer.
Commander Noriko Ishida lächelte, als der Captain die Kommandobrücke betrat. Es war ein wenig so, als ginge nach einem verregneten Tag die Sonne auf. Er wirkte erholt und ausgeruht, trug eine blitzsaubere Uniform und grinste. Da sein dunkles Haar verwuschelt in alle Richtungen abstand, wirkte er unweigerlich wie ein Frischling an der Akademie, der gerade einen Streich ausheckte. Noriko hatte längst begriffen, dass genau das der Vorteil von Cross war. Im Gegensatz zu vielen anderen Kommandanten, die in Alter und Weisheit ergraut waren, gehörte der Captain trotz seines höheren Ranges doch noch immer zu ihnen …, ja, eindeutig.
Mochte er von der Crew der HYPERION, ja von der gesamten Rebellion, auch als Held gefeiert werden und auf ein Podest gestellt worden sein, er war gleichzeitig eben noch immer der energiegeladene junggebliebene Alleskönner. Manchmal stand er auf dem Gang und sprach mit einem Fähnrich oder unterhielt sich munter mit einem Versorgungsoffizier, stärkte so das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Moral an Bord. Gleichzeitig gab es jedoch stets eine Aura der Einsamkeit, die ihn umgab und von kaum jemandem wahrgenommen wurde. Einzig in seinen Augen blitzten jene Schatten manchmal auf.
Der Preis eines Lebens als Ikone.
Cross ließ sich schwungvoll in seinen Sitz fallen, aktivierte sein Display und studierte die aktuellen Sensordaten. Noriko saß zu seiner Rechten, konnte daher immer genau sehen, was er tat, welche Daten er abrief.
Die Besatzung reagierte sofort positiv auf die Anwesenheit ihres Kommandanten, was einmal mehr deutlich machte, wie sehr Crew und Captain schon zusammengewachsen waren. In den letzten Tagen hatte die Sorge um den Gesundheitszustand von Cross alles überschattet. Die Stimmung war gedrückt, die Geräusche und Gespräche gedämpft gewesen.
Das änderte sich jetzt. Überall gab es lächelnde Gesichter. Es herrschte eifrige Aktivität an den Primär- und Sekundärkonsolen, die Wissenschaftler scharten sich um ihre Displays im rückwärtigen Bereich und arbeiteten mit neuem Elan.
»Womit haben Sie Doktor Petrova denn bestochen, damit sie Sie so schnell wieder als Kommandanten einsetzt?«, stichelte Noriko, um die Stimmung noch ein wenig mehr aufzulockern. Gleichzeitig behielt sie die Übertragung der Sensoren ständig im Auge.
»Whiskey«, gab er trocken zurück. »Warum? Wollten Sie das Raumschiff noch eine Weile für sich alleine behalten?«
»Ich hatte mich gerade daran gewöhnt«, erwiderte sie. »Noriko Ishida, alleinige Herrscherin über die HYPERION. Was für ein Spaß.« Und damit meinte sie natürlich genau das Gegenteil. Denn primär brachte dieser Posten Verantwortung und noch mehr Aufgaben mit sich, als sie sie als Erste Offizierin sowieso längst besaß. Sie war sogar bereits mit Giulia darüber aneinander geraten.
Noriko hatte außerhalb des Dienstes kaum noch Zeit, weil sie ständig über irgendwelchen Materiallisten, Schadensberichten und Personalakten brütete. Das war nichts Ungewöhnliches für den Kommandanten einer kleinen fliegenden Stadt – und genau das war ein Raumschiff wie die HYPERION nun einmal –, machte es auf persönlicher Ebene aber nicht besser. Zukünftig würde sie sich selbst zu etwas mehr Freizeit zwingen, mochte der Stapel an unbearbeiteten Dateien dadurch auch weiter anwachsen.
»Ich wusste es«, sagte der Captain schmunzelnd.
»Da Sie nun wieder da sind, können Sie sich ja selbst um den ganzen Verwaltungskram kümmern«, bemerkte sie.
»Verwaltungskram?«, schnaubte er. »Ich wollte lieber auf etwas schießen.«
»Männer.«
Sie lachten beide.
Die Genesung des Kommandanten hatte sich herumgesprochen wie ein Lauffeuer und die Moral auch außerhalb der Kommandobrücke deutlich angehoben. Das Schiff hatte seinen Captain wieder, die Crew fühlte sich dazu bereit, allem entgegenzutreten, was auf sie zukommen mochte.
Noriko fiel ebenfalls ein Stein vom Herzen. Entscheidungen gemeinsam zu treffen war schlicht und ergreifend einfacher. Es gab einem das Gefühl von Sicherheit, mochte diese auch noch so trügerisch sein.
»Sir, wir verlassen soeben den Gravitationsschacht«, meldete Lieutenant Peter Task. Der Navigator richtete seine gesamte Aufmerksamkeit auf die Konsole vor ihm.
Natürlich wusste Noriko, dass er trotzdem alles mitbekam, was um ihn herum geschah und vermutlich gleichzeitig fünfzig Fluchtvektoren einprogrammiert hatte. Der Segen und Fluch des multisensorischen Inputs – wie er es selbst nannte – machten es möglich.
Alle Augen richteten sich auf die Holosphäre, wo kurz darauf die Übertragung der Außenkameras erschien. Ohne das Licht der Sterne sah die Umgebung aus wie ein Meer aus Schwärze, das nur von einem fernen einsamen Punkt unterbrochen wurde.
»Dort vorne«, sagte Sarah McCall. Sie sprach langsam und ruhig, versuchte den Anschein von Gelassenheit zu wahren. Doch in ihrer Stimme lag eine Spannung, wie Noriko sie nie zuvor wahrgenommen hatte. Dies war der Ort – oder genauer: das Pendant zu dem Ort – an dem der Weg der Zeitreisenden einst begonnen hatte. Es war also kein Wunder, dass die Frau aus der Zukunft den Dunklen Wanderer mit ganz anderen Augen sah, als jeder andere hier an Bord; abgesehen von Doktor Tauser. »Das Leuchten.«
»Die Sensoren erfassen einen Planeten«, sagte Lieutenant Commander Tess Kensington. Im Gegensatz zu McCall wirkte die Sensoroffizierin entspannt, als habe sie etliche Stunden auf dem Erholungsdeck verbracht. Überhaupt gab es nur wenig, was die Frau aus der Ruhe bringen konnte, die als Kind ihre Eltern verloren hatte und danach auf der Slum-Welt Tikara II aufgewachsen war. Ihre Uniform saß tadellos, das blonde Haar fiel ihr lang über die Schultern. »Die Signatur entspricht der des Dunklen Wanderers.« Sie sah auf. »Wir haben unser Ziel tatsächlich erreicht.«
»Zeit bis zur Ankunft?«, fragte Noriko.
»Eine Stunde, vierunddreißig Minuten«, kommentierte Task.
Und damit war die Anspannung zurückgekehrt. Die Wissenschaftler begannen sich leise zu unterhalten, während sie die Daten der Sensoren auswerteten. Ständig erklang ein Räuspern, feuchte Hände wurden fahrig an Uniformhosen abgewischt.
Der Captain erhob sich und trat an den Rand des leicht erhöhten Kommandopodestes, als sie in den Orbit des Dunklen Wanderer einschwenkten. »Bereiten Sie einen Atmosphärentaucher vor, Commander Kensington«, sagte er, den Blick auf den Bildschirm gerichtet. »Bevor wir dort hinuntergehen, will ich wissen, was uns erwartet.«
Licht umgab den Planeten wie feiner Nebel, gewoben aus blauer Seide. Ein Gespinst, das einen Schein verbreitete, ähnlich dem einer Sonne.
»Captain«, sagte Noriko. »Da.« Ihr ausgestreckter Finger zeigte auf die Holosphäre, wo Kensington den Mehrfachzoom aktiviert hatte.
In der Darstellung erschienen kleine schwarze Punkte auf der Oberfläche des Planeten. Mit jeder Zoomstufe wurden es mehr und mehr. Erst waren es einige wenige, dann Hunderte, schließlich Tausende.
»Was ist das?«, fragte Cross.
»Lebensformen«, sagte Kensington leise. Sofort ging sie daran, die Granularitäten des Sensoralgorithmus‘ zu verändern, um einen höheren Detailgrad zu erhalten. Sie gab Parameter ein und veränderte die Darstellung der Auswertung, um die biologische Zusammensetzung der unbekannten Kreaturen herauszuarbeiten, soweit das mit den vorhandenen Mitteln möglich war. »Keine weiteren Details feststellbar, Sir. Nicht auf diese Entfernung.«
»Das ist falsch«, flüsterte Sarah McCall. Schon stand sie neben dem Captain, starrte nicht minder verblüfft auf die Abbildung in der Holosphäre. »Der Planet war in unserer Zeitlinie ohne Leben. Es gab nur Ruinen. Und natürlich das erste Fraktal.«
»Das gefällt mir nicht«, sagte Ishida leise.
»Willkommen im Klub.« Cross fuhr sich gedankenverloren durch die Haare. »Aber wir mussten damit rechnen, dass wir vor Ort mit einer veränderten Ausgangslage konfrontiert werden. Immerhin ist dies eine Zeit, die auf einer anderen geschichtlichen Entwicklung basiert. Eine alternative Zeitlinie.«
Die wimmelnden schwarzen Punkte bedeckten den gesamten Planetoiden.
»Finden wir heraus, was hier vorgeht.« Er klatschte in die Hände. »Was dort unten auch auf uns wartet, wir werden uns die Antworten holen, wegen derer wir hergekommen sind. Packen wir es also an.«
Die Wissenschaftler hatten nur auf den Moment gewartet, in dem Kensington den Atmosphärentaucher startete. Obwohl das Schiff über ausgezeichnete Sensoren verfügte, war ein Atmosphärentaucher noch immer das zuverlässigste Mittel, um einen höheren Detailgrad an Aufklärungsdaten zu erhalten. Der Taucher würde ferngesteuert tiefer gehen und Aufnahmen der Oberfläche übertragen.
»CARA, wir haben doch mittlerweile auch spezielle Aufklärungsdrohnen an Bord, die wir für einen solchen Fall einsetzen können, korrekt? Ich meine nicht die Atmosphärentaucher, sondern Spezialeinheiten für die Boden-Luft-Aufklärung.«
Da das gesamte Schiff von der K.I. umgebaut worden war, hatte Noriko es bisher nicht geschafft, alle technischen Neuerungen zu verinnerlichen.
»Hallo, Noriko«, erklang die Stimme der K.I., die immer besser darin wurde, menschliche Interaktionen zu imitieren. Giulia war dabei, ihr die wichtigsten Regeln bezüglich Privatsphäre und Höflichkeit beizubringen. Da sie in ihrer Eigenschaft als Chefingenieurin bestätigt hatte, dass keinerlei Rückstände der Sonnenzünder-K.I. mehr in CARAs Kern zu finden waren, durfte die künstliche Intelligenz die interne Kommunikation wieder verwenden, ebenso die Sensoren. »Du möchtest vermutlich wissen, welche Leistungsparameter die Sonden besitzen, die zur Erkundung von Planeten abgeschickt werden können. Eine wirklich sehr intelligente Frage.«
»Hm. Danke, CARA. Ein Hauch zu viel Freundlichkeit.«
Ein Seufzen drang aus den Lautsprechern. »Ich werde den Anteil an Rationalität und Logik wieder erhöhen. Es lag mir fern zu … schleimen.«
Captain Cross grinste, während er den Dialog interessiert verfolgte.
»Kein Problem, du wirst immer besser«, sagte Noriko freundlich. »Aber zurück zum Thema.«
»Natürlich. Das Schiff hat zahlreiche Drohnen an Bord, die problemlos zur Erkundung von Planetenoberflächen, unterirdischen Stollen und Wasseransammlungen dienen können und die Leistungsparameter eurer alten Drohnen deutlich übersteigen. Ihre Anwendung unterscheidet sich jedoch nicht von jener der Uraltmodelle, die ihr verwendet habt. Weitere Einsatzmöglichkeiten: Asteroidenfelder, Gasriesen, Planeten mit maximaler Gravitation gemäß der Kantström-Skala, …«
»Danke«, sagte Noriko schnell. »Miss Kensington, Sie haben es gehört. Kalibrieren Sie eine dieser Spezialsonden und setzen Sie sie nach eigenem Ermessen ein.«
»Aye, Ma‘am. Und hier kommen auch schon die ersten Daten des Atmosphärentauchers.« Die Sensoroffizierin legte den audiovisuellen Datenstrom in die sekundäre Holosphäre. In der zentralen Sphäre wurde weiterhin die Übertragung der Außenkamera angezeigt, der Planet also als Ganzes. »Der Taucher durchdringt soeben die Ionosphäre des Planetoiden. Ich orte ein atembares Sauerstoff-Stickstoff-Gemisch.« In der zentralen Holosphäre klappte ein kleines dreidimensionales Fenster neben dem Planeten auf und füllte sich mit Daten. »Sinkflug in der Atmosphäre beginnt.«
Die schwarzen Punkte wurden größer.
»Was zur Hölle ist das?!«, rief McCall. »Die sehen nicht gerade sympathisch aus.«
Noriko konnte dem nur zustimmen, obgleich sie sich vergegenwärtigte, dass das was sie sahen, lediglich oberflächliche Eigenschaften waren.
Die schwarzen Punkte entpuppten sich als Kreaturen von etwa zwei Metern Größe aus schwarzem Chitin, die auf sechs Beinen voran stapften. Zwischen den Chitinplatten lief schwarze säureartige Flüssigkeit hervor, tropfte zu Boden und brannte sich in die Erde. Wobei von besagter Erde kaum etwas zu sehen war. Die Oberfläche glich einem Meer aus wimmelnden Leibern. Der Audio-Datenstrom übertrug das Klacken und Schaben von Mandibeln, das Zischen von Säure und dazwischen ein Gekreische, das direkt aus der Hölle zu kommen schien.
»Wenn ich es mir recht überlege«, bemerkte McCall, »reicht es doch völlig, dass ich Sie hierher gebracht habe, richtig? Alles Weitere kann man von hier oben steuern und koordinieren.«
»Netter Versuch«, sagte Cross. Natürlich wusste er, dass es ihr damit nicht ernst war. Schon viel zu lange suchte McCall selbst nach Antworten. Trotzdem ließ er sich auf das Spiel ein. »Aber da gerade Sie die fortschrittlichsten bionischen Erweiterungen in sich tragen, gehören Sie definitiv zum Außenteam.«
»Sie wollen wirklich dort hinunter?«
Der Captain zuckte mit den Schultern. »Sobald wir einen Landeplatz gefunden haben. Sie berichteten in der Omega-Datei von einer runden Kuppel, in der das erste Fraktal schwebte. Damit hätten wir für unsere Sensorensuche einen Anhaltspunkt, wenn wir davon ausgehen, dass es eine solche hier ebenfalls gibt. Zudem haben wir durch den Translokator, das Überraschungsmoment auf unserer Seite.«
»Ich will Sie nicht enttäuschen, Captain, aber die Technik etwas zu translozieren besitzt in dieser Zeit jeder. Selbst in der Gegenwart verfügen mittlerweile mindestens die Zukunftsrebellen darüber.«
Cross war nicht länger dazu bereit, über hypothetische Vor- und Nachteile zu diskutieren. Letztendlich blieb ihnen sowieso keine Wahl, sollte die Reise nicht umsonst gewesen sein. »Ob Vorteil oder nicht, wir sind nicht bis hierher vorgedrungen, um jetzt aufzugeben. Commander Kensington, suchen Sie nach Anomalien auf der Oberfläche. Ich will ein vollständiges Abbild des Planeten. Nutzen Sie die Sensoren auch, um unterirdische Tunnel zu finden. In der irdischen Biologie sind es gerade Insekten, die ganze Stollensysteme anlegen und mit deren Hilfe weite Strecken zurücklegen. Womöglich gibt es auf dem Dunklen Wanderer sogar noch mehr dieser Kreaturen, als wir bisher zu erkennen in der Lage sind.«
»Aye, Sir.«
»Lieutenant Larik, Sie als Kommunikationsspezialist versuchen, aus diesem Klacken und Kreischen die Sprache der Wesen in eine Übersetzungsmatrix zu überführen. Falls es sich dabei überhaupt um eine Sprache handelt.«
»Aye, Sir.« Der Marsianer leitete sofort den Datenstrom auf seine Konsole um, wie Noriko nach einem Blick auf ihre Kommandokonsole begriff.
»Commander Akoskin, Sie entwickeln aus den Sensorbildern 3-D-Modelle der Kreaturen. Versuchen Sie die physischen Charakteristika so genau wie möglich abzubilden, ziehen Sie auch die benötigten Biologen hinzu. Doktor Tauser wird auch hilfreich sein. Er als Xenopsychologe kann aus der Umgebung sowie den physischen Merkmalen und Sprache und Gestik vielleicht ein rudimentäres psychologisches Profil ableiten.«
»Aye, Sir«, erwiderte der Waffen- und Taktikspezialist.
»Sehr schön. Ich bin in meinem Bereitschaftsraum. Commander Ishida, kommen Sie bitte mit. Mister Akoskin, Sie haben die Brücke.«
Noriko erhob sich.
*
Jayden hielt einen Moment inne, als er seinen Bereitschaftsraum betrat. Es tat gut, wieder ins Geschehen zurückzukehren, mit anzupacken. Auf dem Tisch lag ein deaktiviertes Pad, eine Tasse ViKo stand daneben. Vermutlich mit Passionsfrucht-Geschmack, wie er Ishida kannte.
»Entschuldigen Sie, Captain, ich kümmere mich sofort darum.«
Er winkte lachend ab. »Wir haben momentan andere Sorgen als einen zurückgelassenen ViKo-Becher. Bevor wir aber die aktuellen Ereignisse durchsprechen und Sie mich auf den aktuellen Stand der Dinge bringen, wollte ich ein paar Minuten in Ruhe mit Ihnen sprechen, unter vier Augen.«
Zuerst strebte seine Stellvertreterin mit zügigen Schritten auf seinen Platz zu, lächelte dann entschuldigend und nahm stattdessen im Besuchersessel Platz. »Die Macht der Gewohnheit.«
Jayden blieb einen Augenblick lang neben seinem Sitz stehen, dann sank er hinein. Die K.I. erkannte ihn sofort und stellte Höhe und Polsterung nach seinen gespeicherten körperlichen Charakteristika durch Veränderung des Luftvolumens in den Polstern ein.
Jayden aktivierte sein Interface durch eine Berührung der Schreibtischplatte und gab den persönlichen Zugangscode ein. Einen Moment später materialisierten Skalen und Daten in halb durchscheinenden Boxen wenige Zentimeter über der Oberfläche des Smart-Desks. Die Veränderungen, die CARA am Interlink-Kreuzer vorgenommen hatte, bezogen sich nicht nur auf Offensiv- und Defensivsysteme, auch die Materialien, Oberflächen, die Art Daten zu projizieren, all das hatte sich verändert.
Jayden gefiel es.
»Sie haben mir beigestanden, als ich eine persönliche Krise bewältigen musste«, sagte er schließlich. »Das werde ich nicht vergessen.«
Ishida lächelte. »Damit sind wir quitt. Als es damals darum ging, Walker und seinen Hetztiraden standzuhalten, waren Sie auf meiner Seite, obwohl wir uns zu diesem Zeitpunkt kaum kannten.«
Gedankenverloren fuhr er mit dem Zeigefinger über die Touch-Oberfläche des Tisches. »Kaum zu glauben, was schon alles hinter uns liegt.«
»Der Gedanke kommt mir auch oft. Hätte mir noch vor wenigen Monaten jemand gesagt, dass ich in die Zukunft fliegen werde, hätte ich ihn für wahnsinnig gehalten und an Doktor Tauser verwiesen. Dass der sich selbst als Zeitreisender entpuppt hat, verleiht der Sache natürlich eine ordentliche Portion Ironie.«
Bei diesen Worten bedachte seine I.O. ihn mit einem durchdringenden Blick.
»Nette Idee, Commander, aber das war zu offensichtlich.« Sie hatte natürlich prüfen wollen, wie er auf die Erwähnung von Janis reagierte. »Ich versichere Ihnen, ich bin mit Doktor Tauser und mir selbst im Reinen.«
»Entschuldigung, aber ich wollte auf Nummer sicher gehen.«
Er winkte ab. »Ich vermute, Doktor Petrova wird sich auch ein paar Tricks ausdenken, um mich zu prüfen. So kompetent die Frau auch ist, manchmal geht sie mir gehörig auf die Nerven. Vermutlich wartet sie irgendwo hinter einer Gangbiegung, um mich zu erschrecken und danach meinen Puls zu messen.«